Anlässlich des 1. Mai hat die NPD eine Tour mit mehreren Infoständen am 28. April durch Märkisch-Oderland gemacht. Nach eigenen Angaben wollten sie acht Stände in unterschiedlichen Städten bzw. Dörfern durchführen und dabei die Partei-Zeitung „Deutsche Stimme“ mit der Sonderausgabe zum 1. Mai verteilen. Da der Kreisverband Märkisch-Oderland personell nur sehr schwach aufgestellt ist und dadurch in den letzten Jahren kaum durch Aktivitäten aufgefallen ist, wurde die Tour durch zugereiste NPDlerInnen aus anderen Regionen organisiert und gestemmt. Vor allem die Kreisverbände Oderland und Barnim, aber auch Nazis aus Cottbus halfen bei der Umsetzung des Aktionstages. Die Stände in Bad Freienwalde, Wriezen, Seelow, Müncheberg, Fredersdorf und Rüdersdorf wurden etappenweise von den Nazis durchgeführt. Ob es noch weitere Stände in anderen Gegenden gab ist nicht bekannt, da auch die NPD selber nur von diesen Städten sprach, ist unklar wie sie auf acht Stände kommen.
In Müncheberg fuhr Klaus Beier mit zwei AktivistInnen gegen 8.30 auf dem Marktplatz vor. Nach einiger Zeit kamen noch Aileen und Andreas Rokohl (beide Kreisverband Barnim) sowie Martin Skupin und Marcel Teske (beide Kreisverband Oderland) dazu. Zusammen begannen diese ihren Stand auf zubauen. Soweit bekannt war Müncheberg der einzige Ort an dem einige Antifaschist_innen kurzfristigen Protest organisierten und sich mit einem Transparent vor den Stand stellten, um die Sicht auf diesen zu nehmen. Die Nazis fingen dann – nach kurzen Diskussionen mit der Polizei – an, ihre Zeitungen schließlich in der Umgebung in Briefkästen zu werfen. Diese wurden teilweise durch die Antifaschist_innen wieder raus gesammelt und weg geschmissen. Kurz schauten noch Benjamin Mertsch, Marcus Noak und ein weiterer NPD-Aktivist aus Cottbus vorbei, um Zeitungen und anderes Material von Beier abzuholen und einen anderen Infostand zu betreuen.
Gegen 10 Uhr packte die NPD – nach drei Menschen am Stand — zusammen und fuhren weiter nach Seelow. Parallel fanden sich Andrew Ron Stelter und Robert Gebhardt mit zwei weiteren Neonazis in Bad Freienwalde ein. Gebhardt wurde bei der letzten Kreistagswahl für die NPD in den Kreistag gewählt, wechselte kurz darauf aber zu „Die Rechte“ und ist Vorsitzender des Kreisverbandes Märkisch-Oder Barnim (KMOB) von „Die Rechte“. Von Bad Freienwalde ging es für die NPDler dann vermutlich nach Wriezen. In Fredersdorf fanden sich dann scheinbar lokale NPDler an einem völlig ignorierten und leeren Infostand am Bahnhof ein, der von den vorher genannten Cottbusern mit Material versorgt wurde.
Der Aktionstag kann als Versuch gewertet werden, den desolaten Kreisverband Märkisch-Oderland wieder ein bisschen zu beleben und der AfD nicht alle Stimmen zu überlassen. Das dafür extra NPDler aus Cottbus anreisen musste, um die Infostände durchführen zu können, zeigt wie schwach die lokale NPD in Märkisch-Oderland ist. Da kaum interessierte Anwohnerinnen und Anwohner zu den Ständen kamen, ist der Erfolg des Tages fragwürdig. Vermutlich konnten aber einige lokale AktivistInnen angespornt werden wieder eigene Aktivitäten durch zu führen.
Kurz darauf – in der Nacht auf den 2. Mai – wurden dann auch einige der neuen in Umlauf gebrachten NPD-Sticker in Strausberg verklebt. Das hier auch keine Profis am Werk waren, zeigt das ein ganzer Teil der ca. 50 bis 60 Sticker falsch herum aufgeklebt wurde. Durch gezieltes Sticker an Briefkästen sollte hier eine Drohgebärde aufgebaut werden. Anzeigen wurden erstattet.
Jahr: 2018
Wohlfühlwochenende mit Käpt‘n Raupe
INFORIOT — So mögen wir Brandenburg: Die Sonne strahlt, die Wiesen blühen und weit und breit keine Nazis. Stattdessen knapp 100 Menschen, die am vergangenen Wochenende in einem kleinen Ort im Norden Brandenburgs unter dem Namen „Käpt´n Raupe“ zu einem antifaschistischen Wohlfühlwochenende zusammenkamen. Schon zum zweiten Mal organisierten die Aktivist*innen von „Black Corner Berlin“, eine linkspolitische Fan-Gruppe der Berliner Eisbären, ein Wochenende mit und für Freund*innen in der Brandenburger Provinz. „Black Corner“ hatte sich vor 11 Jahren nach einem rechten Angriff während eines der Eishockeyspiele gegründet. Seitdem gibt es die Fangruppe, die sich gegen Nazis im Stadion engagiert. 2017, zum 10. Geburtstag der Black Corner, gab es das erste gemeinsame „Käpt´n Raupe“-Wochenende.
Das liebevoll organisierte Wochenende gab ein wenig Vorgeschmack auf die beginnende Festivalsaison: Es gab ein vielfältiges Bühnenprogramm mit zehn Live-Acts und zwei Lesungen, ergänzt durch einen winzigen Technobunker, eine Graffitiwand und einen Infotisch. Daneben war aber auch viel Zeit um gemeinsam die Sonne zu genießen, zu diskutieren und lecker zu essen. Trotz der Abgeschiedenheit des Geländes bemühten sich die Organisator*innen um eine lokale Anbindung und so waren viele der eingeladenen Bands aus der Region. Im letzten Jahr hatte sogar der Dorf-Chor einen umjubelten Auftritt. Nach anfänglicher Skepsis, ob die jungen Leute es wohl mit ihrer Einladung ernst meinten, hatten die alten Damen auf der Bühne richtig Spaß — genau wie das Publikum, wie uns berichtet wurde. Der lokale Bezug wird auch dadurch verstärkt, dass ein Großteil der Spenden, die an dem Wochenende gesammelt wurden, regionalen Projekten zu Gute kommt.
Wer mehr über Black Corner erfahren will, kann das hier tun: http://blackcorner2007.tumblr.com/geschichte
An einer Versammlung der extrem rechten Vereinigung Bürgerbündnisses Havelland beteiligten sich am Montagabend 25 Teilnehmende. Die stationäre Kundgebung stand unter der Losung: „Merkel muss weg“.
Neben den üblichen Hetztiraden gegen die Bundeskanzlerin, gegen die Presse und gegen Flüchtlinge waren während der abendlichen Veranstaltung auch deutlich geschichtsrevisionistische und antisemitische Züge in den Reden erkennbar. Gleich die erste Rednerin, eine „Elke Metzner“ aus Berlin, solidarisierte sich mit der rechtskräftig verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Des Weiteren sagte die zugereiste BÄRGIDA-Aktivistin wörtlich: „Ob es den Holocaust in dieser Form gegeben hat oder nicht, ist in Anbetracht dessen, was unsere wahre Existenz bedroht vollkommen nebensächlich.“ Im Kerne stelle, ihrer Ansicht nach, der Islam das eigentliche Problem da und Antisemitismus nimmt Frau Metzner lediglich bei Linken oder arabischen Geflüchteten war.
Doch auch bei anderen Redenden war ein antisemitischer Unterton erkennbar. Insbesondere bei Verschwörungstheorethiker Wolfgang Hoppe, ehemaliger Kassenwart des Bürgerbündnisses. Er bezog wieder ausgiebig zu so genannten „Chemtrails“ Stellung und fantasierte diese zu einer großen Konspiration, hinter der CIA, Mossad etc. stecken könnten.
Demonstrativ eingereiht in diese illustre Runde hatte sich auch der umstrittene Berliner AfD Funktionär Lutz Urbanczyk. Er ermutigte die Versammlungsteilnehmenden ihre Aktivitäten fortzusetzen und posierte anschließend Hand in Hand mit „Elke Metzner“ für ein Foto. Ein eindeutiges Symbol für den Schulterschluss zwischen AfD und extremer Rechte.
Fotos auf Flickr:
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/albums
Am von-Saldern-Gymnasium in Brandenburg an der Havel findet jährlich am 09. Mai der Europatag statt. Es werden diverse Workshops organisiert und eine Podiumsdiskussion zum Thema „Sicherheit in Europa“ durchgeführt. Erstmalig in der Geschichte des Europatages ist ein politiker der Alternativen für Deutschland (AfD) eingeladen worden. Der Bundesvorsitzende und Prof. Dr. Jörg Meuthen, der gleichzeitig auch Bundessprecher seiner Partei ist, folgte der Einladung. Es ist nicht der erste Besuch von Meuthen in Brandenburg an der Havel, so trat er anlässlich einer Veranstaltung des AfD-Kreisverbandes am 16. März 2017 im Sorat Hotel ebenfalls als Mitglied des Podiums auf.
Wir, eine Gruppe von politischen Schüler_innen, gehen davon aus, dass Meuthen eine Bühne geboten wird, auf der seine rassistischen und islamfeindlichen Thesen verbreiten kann. Zwar gehört Meuthen eher zum gemäßigten Flügel innerhalb seiner Partei, nicht desto trotz hat er sich nie eindeutig von rassistischen, islamophoben und homophoben Äußerungen anderer Parteimitglieder distanziert. Des Weiteren versäumten die Organisator_innen der Podiumsdiskussion keine ebenbürtigen Diskussionspartner_innen eingeladen wurden, besonders mit dem Hitnergrundwissen, dass Meuthen ein professioneller Redner ist, deine seine rassistischen und klassistischen Thesen gut zu verpacken weis.
Mittlerweile ist es durch unsere Öffentlichkeitsarbeit gelungen, Repräsentant_innen anderer Parteien einzuladen, umso zumindestens zu gewährleisten das die kruden Thesen von Meuthen nicht unwiedersprochen bleiben.
Ein weiteres Argument gegen das Podium das Meuthen geboten wird ist das von Karl Popper beschriebene Toleranz-Paradoxon. Man kann sich natürlich mit politischen Gegnern unterhalten, wenn diese aber eine fremdenfeindliche, homophobe und intolerante Haltung an den Tag legen, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage man hier diskutieren möchte. Nicht nur, dass man konsequent eine links-grünversiffte Meinungsidiktatur postuliert und die Seriosität sämtlicher Quellen, die ihrem Weltbild widersprechen in Zweifel stellt. Nein, man hat es bislang nicht einmal geschafft, eine Konfrontation z.B. mit dem Zentralrat der
Muslime durchzuhalten, ohne in für diese Partei typisch infantiler Weise das Heil in der Flucht zu suchen. Außerdem finden wir, dass der Titel der Schule „Schule ohne Rassimus – Schule mit Courage“ zu einem klaren Zeichen gegen Rechts verpflichtet, denn wenn erstmal eine rassistische oder fremdenfeindliche Aussage an unserer Schule getätigt wurde, kann diese auch nicht mehr zurückgenommen werden und sind wir dann überhaupt noch eine Schule ohne Rassismus?
Es ist umso kritikwürdiger, dass der amtierende Schulleiter Reuß davon spricht „Eine Normalität herzustellen in der die Bürger und letztendlich die Schüler sehen welche politischen Parteien hier vertreten werden“. Er scheint nicht zu verstehen, dass er damit der AfD die Tür aufstößt um ihre krude Weltsicht an junge Menschen weiterzugeben. Wäre es nicht gelungen weitere Repräsentant_innen anderer Partei ebenfalls einzuladen, wären diese ungefiltert und unwidersprochen an das Auditorium hereingebrochen. Es ist erbärmlich, dass sich Reuß dem Druck der AfD beugt und ihr ein Podium bietet und gleichzeitig versucht die Schule als tolerant und weltoffen hinzustellen. Hinzu kommt, dass die AfD durch solche Auftritte immer immer mehr als „normale“ Partei angesehen wird. Dies ist, betrachtet man das Wahlprogramm und diversen Äußerungen von AfD-Politiker_innen, mit nichten so, denn diese Partei schürt Ausgrenzung, Ausbeutung, den Abbau von Sozialleistungen und möchte alle jenen Menschen ausmerzen, die nicht in ihr Weltbild passen. Aus den genannten Gründen wollen wir verhindern, dass Meuthen die Chance bekommt seine rassistischen, klassistschen, islamophoben und homophoben Äußerungen am von-Salden-Gymnasium zu tätigen. Allen Bemühungen zum Trotz wurde Meuthen nicht ausgeladen. Daher sind jetzt alle Schüler_innen gefragt mit uns ein Zeichen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft zu setzten und zu verhindern, dass der AfD ein Podium geboten wird.
Gemeinsam sind wir stark!
Aufforderung an die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück endlich zu handeln!
Seit den letzten Jahren werden die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Befreiung des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück immer massiver von polnischen Nationalist_innen gestört. So auch dieses Jahr am 22. April 2018. Nationalistische Symbole auf Armbinden paramilitärischer Kleidung, Fahnen und Bannern werden (nicht nur) von aggressiven jungen Männern offen getragen. Wie berechnend sie diese Symbolik einsetzen, zeigt unter anderem das punktgenaue Auftauchen einer Flagge der Narodowe Sily Zbrojne (Nationale Streitkräfte, NSZ) zu Beginn des jüdischen Kaddisch-Gebets. Diese Organisation ist für die Ermordung von Jüd_innen und Kommunist_innen sowie für ihre Kollaboration mit den Deutschen während und nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt.
Zwar beschwor die Gedenkstättenleiterin Insa Eschebach auch in ihrer diesjährigen Rede eine Europäisierung des Gedenkens. Doch statt den vielfältigen (National-)Fahnen früherer Jahre, die die Herkunft der Häftlinge des Konzentrationslagers kennzeichneten, steht sie jetzt nur noch einem Meer von polnischen Fahnen gegenüber. Schon in den Vorjahren waren sowohl Mitarbeiter_innen der Mahn- und Gedenkstätte als auch Besucher_innen am Rand der Gedenkveranstaltung massiv bedroht, beschimpft und abfotografiert worden. In diesem Jahr ist die Situation jedoch auf der Gedenkveranstaltung selbst eskaliert: Mehrere polnische Nationalist_innen stellten sich demonstrativ direkt vor das Banner der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis, um dieses sowie die dazugehörenden antifaschistischen Flaggen zu verdecken. Die Gruppe der Nationalist_innen wurde immer größer, ihr Auftreten war bedrohlich. So fotografierten sie ständig die Gesichter derjenigen, die um das Banner der Lage rgemeins chaft Ravensbrück/Freundeskreis standen. Als sie von Besucher_innen aufgefordert wurden, ihre nationalistischen Transparente wieder einzurollen und etwas weiter wegzugehen, reagierten sie laut und aggressiv und es kam fast zu Handgreiflichkeiten. Das Auftreten der polnischen Nationalist_innen – nicht nur bei diesem Zwischenfall – hat die Gedenkfeier so massiv gestört, dass für viele ein Gedenken nicht mehr möglich war.
Einige Mitarbeiter_innen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück versuchten spontan, in die angespannte Situation einzugreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Ein Handeln der Mahn- und Gedenkstätte von offizieller Seite blieb jedoch aus. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre hatte die Mahn- und Gedenkstätte im Vorjahr angekündigt, eine Strategie zum Umgang mit diesem immer massiveren Problem entwickeln zu wollen. Doch das ist anscheinend nicht passiert. Im Gegenteil: Sogar der kleine Vermerk auf der Einladung im Vorjahr, dass nationalistische Symbole auf der Gedenkfeier nicht erwünscht seien, fehlte in diesem Jahr wieder.
Wir fordern die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück auf:
- ihre Besucher_innen (insbesondere die Überlebenden und deren Nachkommen!) vor rechten, nationalistischen Bedrohungen zu schützen und eine Atmosphäre zu schaffen in der ein Gedenken möglich ist.
- sich eindeutig gegen Nationalismus sowie Antisemitismus und Rassismus in all ihren Ausprägungen zu positionieren.
- endlich eine umfassende Strategie zu entwickeln, um zukünftig Provokationen von Nationalist_innen zu verhindern.
- schon bei der Einladung zur Gedenkfeier klar zu machen, dass nationalistische Symbole unerwünscht sind.
- von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Nationalist_innen vom Gelände der Mahn- und Gedenkstätte zu verweisen, wenn sie ihre Provokationen (durch entsprechende Symbole und ihr Verhalten) nicht einstellen.
- ihre Einladungspolitik so zu gestalten, dass kritische und fortschrittliche Stimmen mehr Gehör bekommen und nicht Vertreter_innen einer reaktionären, repressiven, rechten Politik weiter gestärkt werden.
Wir finden es notwendig mit der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und anderen, die sich dort engagieren, daran zu arbeiten, dass Nationalismus an diesem Ort und im Besonderen bei den Gedenkveranstaltungen zukünftig keinen Platz mehr hat.
Einige Teilnehmende aus der Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e.V. April 2018
Im August des vergangenen Jahres feierte ein neues antifaschistisches Projekt in Brandenburg Premiere: Das JWD-Camp. Im Strombad in Cottbus kam ein bunter Haufen Menschen zusammen, um zu diskutieren und zu kritisieren, sich zu vernetzen, Erfahrungen und Wissen zu teilen und selbstverständlich um zu entspannen und miteinander eine gute Zeit zu verbringen. Daran wollen wir anknüpfen!
2018 wird das JWD-Camp vom 26. bis 29. Juli auf dem Gelände der Coolmühle e.V. bei Wittstock stattfinden. An vier Tagen werden wir jenseits der Trostlosigkeit des grauen Alltags, ohne ihre Ohnmachtsgefühle und gesellschaftlichen Zwänge, einen Freiraum schaffen. Gemeinsam wollen wir Ideen entwickeln, wie eine befreite und solidarische Gesellschaft und das gute Leben für alle aussehen kann und einen Rahmen schaffen, in dem Utopien nicht nur diskutiert werden, sondern ein Stück erlebbar sind. Das JWD-Camp verfolgt das Ziel, Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln, um faschistische Tendenzen bekämpfen zu können. Ob es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, Strategien zu entwickeln oder aber auch darum, wie die nächste Aktion durchzuführen ist – es ist Zeit sich zu organisieren!
Mit dem Aufflammen der PEGIDA-Bewegung und dem Einzug der AfD in die Parlamente wurden rassistische, nationalistische und antifeministische Positionen wieder salonfähig. Während Großstädte als Orte des Wiederstandes gelten, ist der Kampf in ländlichen Regionen ernüchternd. Doch auch auf dem Land geht was! In vielen Städten und Regionen wurden Freiräume erkämpft und jene Projekte, die sich Werte wie Freiheit und Solidarität auf die Fahnen geschrieben haben, wollen wir aufbauen, unterstützen und stärken. Daher fiel die Entscheidung in diesem Jahr das Camp in Kuhlmühle bei Wittstock im Landkreis Ostprignitz-Ruppin stattfinden zu lassen.
Ostprignitz-Ruppin gehört u.a. zu den Landkreisen mit der höchsten Anzahl rechter Gewalttaten in Brandenburg. Dabei spielt die Stadt Wittstock mit seiner seit Jahren etablierten Neonazi-Szene eine traurige Hauptrolle. Wittstock verfügt kaum über Anlaufpunkte für Menschen, die nicht in das Weltbild der Rechten passen. Gleichzeitig verzeichnet die Region einen Zuzug von linksalternativen Menschen, die die Großstadt verlassen, um auf dem Land zu leben. Zu diesen gehört auch das Projekt Coolmühle e.V., auf dessen Gelände das JWD-Camp in diesem Jahr stattfinden wird.
Das JWD-Camp versteht sich als antifaschistisches Camp, welches sich nach dem Do It Yourself-Prinzip organisiert. Wir wollen möglichst einen Ort schaffen, an dem sich alle wohl fühlen und partizipieren können. Antifaschismus bedeutet für uns aber nicht nur den ewigen Abwehrkampf gegen Nazis zu führen, sondern auch die Gesamtverhältnisse zu kritisieren und unser eigenes Handeln zu hinterfragen. Daher ist das JWD-Camp nicht nur ein Ort zur Selbstorganisation und Empowerment, sondern auch für Selbstreflexion.
In den vier Tagen erwartet euch ein breites Programm mit Workshops und verschiedensten theoretischen und praktischen Angeboten. Aber auch Entspannen und einfach mal die Seele baumeln lassen ist drin. Abends wollen wir die Tage dann gemeinsam mit Lagerfeuer und musikalischer Unterhaltung ausklingen lassen.
Also, ob janz weit draussen oder mittendrin: Kommt am 26. bis 29. Juli nach Kuhlmühle, denn Antifa heißt (auch) Landarbeit!
1. Mai Feier in Cottbus
Das Solidaritätsnetzwerk Cottbus lädt in den Sandowkahn zur gemeinsamen 1. Mai Feier ein. Um 11 Uhr beginnt dort ein Programm aus musikalischen Beiträgen, Kinderangeboten und Diskussionen über die Zukunft der Stadt Cottbus und der Lausitz. Der Eintritt ist frei; Essen und Trinken werden gegen Spende abgegeben.
“Der 1. Mai ist für uns mehr als ein gesetzlicher Feiertag. Es ist ein Tag der Solidarität, an dem wir zusammen kommen, um eine gemeinsame Vision für unsere Stadt zu entwickeln. Es ist auch ein Tag, an dem wir anfangen können, aus dieser Vision Wirklichkeit zu machen.”, heißt es in der Einladung.
Michael Grautz, Pressesprecher der Veranstalter erklärt: “Es war uns wichtig, den 1. Mai wieder ein Stück weit zu dem zu machen, was er einmal war: Ein Tag für die Arbeiterinnen und Arbeiter – auch im politischen Sinne.”
Laut seinem Selbstverständnis versteht sich das Solidaritätsnetzwerks als basisdemokratischer Zusammenschluss von Menschen in verschiedenen Lebenslagen zur gemeinsamen Verteidigung und Durchsetzung ihrer Interessen und Rechte.
Kontakt:
cottbus@soli-net.de
015217568831
Termine im Mai 2018 im KuZe
Samstag, 05.05., 19 Uhr: Gewerkschaftliche Beratung
Beschreibung: Einblick in die praktische Tätigkeit einer gewerkschaftlichen Beratung. Es werden Fallbeispiele und häufige Arbeitsschwerpunkte vorgestellt. Hürden und Probleme, die in diesem Arbeitsfeld einer Gewerkschaftlichen Beratung auftreten können, werden gemeinsam diskutiert. Präsentiert von der Freien Arbeiter*innen-Union (FAU).
Eintritt frei!
Montag, 07.05., 20 Uhr: Improtheater Potsdam — Improvisierter Krimi
Beschreibung: Unser Krimiformat hat alles was euer Krimi-Herz begehrt: Spannung, Emotionen und geladene Dramatik! Diese Kriminalgeschichte wird nicht nur live auf der Bühne vor euren Augen entstehen, sondern auch noch mit eurer Hilfe! Denn ihr bestimmt Täter*in und das Mordopfer! Zwei Stunden Zeit, ein Glas Rotwein, eine Menge mörderischer Gedanken- ihr sind mittendrin statt nur dabei, wenn ihr mitfiebert, ob unser*e Kommissar*in alle Motive richtig zusammensetzt. Taucht mit uns in dieses besondere Erlebnis ein und geht mit uns auf Verbrecherjagd.
Eintritt 3–5€
Donnerstag, 10.05., 20 Uhr: N:ke
Beschreibung: Wenn N:ke <https://www.facebook.com/nikesongs/>anfängt zu singen kommt vieles zusammen: Pure Emotion, starke Authentizität, ganz viel Sympathie und die Liebe zur Musik. Die gebürtige Hamburgerin ist nur kurze Zeit nach ihrer sechs-monatigen Kreativ-Reise nach Rom und ihrer ersten Record-Release Tour für ihre erste EP „Feuerwerk“, wieder mit ihrer Band unterwegs. Die Songs, eine einzigartige Mischung aus Deutsch-Pop, Chanson und Soul, spiegeln den Alltag der 24-Jährigen wider und sind dabei so vielseitig und ausdrucksstark wie die Sängerin selbst: mal traurig-süß, mal sprudelnd fröhlich. Live wird N:ke unterstützt von David Lübke am Schlagzeug und Martin Schwarz am E‑Bass, während sie sich singend am Klavier begleitet. Bei Bedarf wird N:ke durch ihren Chor verstärkt, der den Arrangements eine Extraportion Gospelsound verleiht. Gemeinsam erschaffen sie auf der Bühne eine ganz eigene, intime Atmosphäre, die den Hörer auf eine musikalische Reise durch die Höhen und Tiefen des menschlichen Seins nimmt. www.nikesingt.jimdo.com
https://www.facebook.com/nikesongs
http://www.instagram.com/nikesingt
Eintritt frei!
Freitag, 11.05., 20 Uhr: Impropedia
Beschreibung: Die Herausforderung ist komplex: 3 absolute Spezialfragen, gestellt von einem Experten aus Potsdam sollen von ImprospielernInnen beantwortet werden. Was zum Scheitern verurteilt scheint, wird durch die Gunst des Publikums möglich. In vergnüglicher Szenenfolge ringen die Improvisateure um Punkte, mit denen sie sich die Lösungen erkaufen können. Egal wie, am Ende gewinnt das Publikum — einen bunten Theaterabend, spannendes Wissen und einen Einblick in die Potsdamer Expertenwelt dazu. Showmaster Thomas Jäkel führt bereits seit Juni 2013 an jedem 2. Freitag im Monat durch Impropedia. Eine Show voller improvisierter Szenen und Geschichten inspiriert von den Erzählungen und Ausführungen einer/s Expert/in.
Eintritt frei!
Dienstag, 15.05., 20 Uhr: History Slam
Beschreibung: Der FSR-Geschichte der Uni Potsdam lädt ein zum History-Slam! In unserem inzwischen vierten History-Slam wollen wir uns dieses Jahr mit der Thematik der Digitalisierung der Geschichte sowie generell der Zukunft von Geschichte und Geschichtswissenschaft beschäftigen. Wenn Du dir jetzt denkst, dass Du dazu auch etwas zu sagen hast, dann beteilige Dich gerne mit einem eigenen Text und melde Dich unter fsr-geschi@uni-potsdam.de an! Wir freuen uns auf Dich!
Der Eintritt beträgt für Studierende 1€, der Normalpreis liegt bei 3€.
Samstag, 19.05., 20 Uhr: Die Liedermacher-Liga | Jakob Heymann
Beschreibung: Die Regeln? Ganz einfach. Das Publikum bestimmt ein Thema, alle Teilnehmer haben einen Monat Zeit um ein Lied zu diesem Thema zu schreiben.
Eintritt 4€
Freitag, 25.05., 20 Uhr: PNG #OOO2: Rieden/steyn (Pdm) & Lakeview Cemetery (Pdm) & Sad Ed + Sax (B) & Wormhead (SB)
Beschreibung: Potsdam/Noise/Geballer — kurz .png — will euch regelmäßig alle drei Monate die verschiedensten Spielarten von Noise, Ambient und Drone, hin zu Experimentellem und Sound-Performances im Kuze präsentieren. Nach dem #png <https://www.facebook.com/hashtag/png>ist vor dem #png…
After having a great opening of PotsdamNoiseGeballer #0001, #0002 take place at the 25th of may. This time it goes from HarshNoise, to experimental soundart including 5 dozens squeaking toys and a saxophone, all the way to experimental-fieldrecording-loop-feedback-soundscapes. // Wormhead (harshnoise / SB) // Oh Boi No Boi (squeaky-experimental / B) // Lakeview Cemetery (hnw / Pdm) // Rieden/Steyn (experimental / Pdm) So don’t miss this great evening and come around!
# doors: 19:30
# start: 20:00
https://www.facebook.com/wormheadharshnoise/ https://soundcloud.com/lakeview1
https://soundcloud.com/user-455156713/riedenstein
Eintritt frei!
Alle Veranstaltungen finden statt im:
Studentisches Kulturzentrum Potsdam [KuZe]
Hermann-Elflein-Str. 10 14467 Potsdam
www.kuze-potsdam.de
In Brandenburg gibt es seit zwei Jahren einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Verstrickungen von Neonazis und Verfassungsschutz in den NSU-Komplex aufarbeiten soll. Die dilettantische Arbeit des Ausschusses und ein offenbar mangelnder Aufklärungswille zeigen deutlich, dass die Aufklärung der Taten gerade erst am Anfang steht. Am Tag der Urteilsverkündung des NSU-Prozesses wird es sowohl in München als auch in Berlin Großdemonstrationen geben.
Daher ruft die Emanzipatorische Antifa Potsdam (EAP) ruft am Tag X der Urteilsverkündung des NSU-Prozesses zur Fahrt nach München auf, um gemeinsam mit den Nebenkläger_innen und den Angehörigen der Opfer der NSU-Mordserie für eine lückenlose Aufklärung zu demonstrieren. Falls euch nicht möglich ist, nach München zu fahren, rufen Gruppen aus Berlin und Brandenburg gemeinsam dazu auf, an der Tag X‑Demonstration in Berlin teilzunehmen. Die Möglichkeit rassistischen Terrors in Deutschland, der umfassende Widerwillen gegen Aufklärung seitens politischer, polizeilicher und geheimdienstlicher Stellen und die öffentliche Solidarität mit den Betroffenen geht uns alle an! Zu lange waren grade unsere Strukturen nicht unterstützend aktiv und wollten sich dieses Themas nicht annehmen. In Brandenburg gibt es seit zwei Jahren einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der die Verstrickungen von Neonazis und Verfassungsschutz in den NSU-Komplex aufarbeiten soll. Die dilettantische Arbeit des Ausschusses und ein offenbar mangelnder Aufklärungswille zeigen deutlich, dass die Aufklärung der Taten gerade erst am Anfang steht.
Achtet deshalb auf Ankündigungen für Zugtreffpunkte der lokalen Antira- und Antifastrukturen.
Das Ende eines endlosen Prozesses
Anfang 2018 geht voraussichtlich der NSU-Prozess nach fünf Jahren zu Ende. Das NSU-Netzwerk war verantwortlich für neun rassistische Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat, sowie für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und dem versuchten Mord an ihrem Kollegen Martin Arnold. Bei den drei Sprengstoffanschlägen in Köln und Nürnberg wurden viele Menschen verletzt, nur durch Glück wurde niemand getötet. Auch die 15 Raub- und Banküberfälle führten zu zum Teil lebensgefährlichen Verletzungen.
Die Betroffenen des NSU-Terrors haben große Hoffnungen in den Prozess gesetzt. Sie wollen wissen, warum ihre Angehörigen sterben mussten und wer den NSU an den Tatorten unterstützte. Sie erwarten Aufklärung über die Verstrickungen von Verfassungschutz und Polizei in den NSU-Komplex. Sie wollen, dass der institutionelle Rassismus, der sie nach den Taten wie eine „Bombe nach der Bombe“ traf, anerkannt wird und Konsequenzen hat.
All das hat der Prozess in München nicht geleistet. Die betroffenen Nebenkläger*innen und ihre Anwält*innen haben immer wieder versucht, diese Aspekte in den Prozess hineinzutragen. Die Bundesanwaltschaft hält dagegen bis zum Ende an ihrer – widerlegten – These vom NSU als “isoliertem Trio” fest. Viele Fragen zu den Taten des NSU, zum Netzwerk und der Rolle der Behörden wurden im Münchner Prozess nahezu systematisch ausgeklammert und sind bis heute nicht aufgeklärt.
Das Problem heißt Rassismus
Rassismus ist eine tragende Säule des NSU-Komplexes. Der NSU entstand nicht im sozialen Vakuum. Er ist eine direkte Folge der rassistischen Pogrome und Anschläge der 1990er Jahre, die durch die Abschaffung des Asylrechts 1993 politisch belohnt wurden und für Nazis das Signal aussendeten: Mit Rassismus kommt man ungestraft davon. Bis heute werden rechte und rassistische Gewalt von der Mehrheitsgesellschaft und von Polizei und Justiz verharmlost. Noch schwieriger ist es, institutionellen Rassismus zu thematisieren – nicht nur im Fall NSU, sondern auch im Fall rassistischer Polizeikontrollen in Zügen, an Bahnhöfen und im öffentlichen Raum.
Dass das Problem Rassismus heißt, wissen diejenigen am besten, die davon betroffen sind. Das Umfeld aller neun Mordopfer bestand früh darauf, eine rassistische Tatmotivation in die Ermittlungen einzubeziehen. Dass ihr Wissen 11 Jahre nicht gehört wurde, ist auf Rassismus zurückzuführen. Wieso jagte eine „SOKO Bosporus“ den „Döner-Mörder“ und nicht eine „SOKO Zwickau“ die „Nazi-Killer“? Wieso folgten die Medien fast ausnahmslos den Theorien der Sicherheitsbehörden? Und wieso wurden die Demonstrationen der Familien Kuba??k und Yozgat 2006 in Kassel und Dortmund auch von den meisten organisierten Antirassisten*innen und Antifaschist*innen in Deutschland, trotz der Erfahrungen der Pogrome der 1990er Jahre, als nicht relevant für die eigene solidarische Praxis wahrgenommen? Antifaschistische Strukturen waren blind in der Wahrnehmung der Anliegen der Demonstrant*innen und haben die Dimensionen sowie Gefahr organisierter Nazi-Gruppen nicht ernst genommen.
Die Strukturen und Wahrnehmungsmuster der Polizei, Medien und auch der Linken konnten nahtlos an gesellschaftlich geteiltes rassistisches Wissen anknüpfen. Der offene völkische Rassismus der Nazis und der alltägliche institutionalisierte Rassismus von Sicherheitsbehörden, Medien und Mehrheitsgesellschaft bilden zusammen mit den staatlich aufgebauten und beschützten Neonazistrukturen den NSU-Komplex. NSU bedeutet – Rassismus, Staat und Nazis Hand in Hand.
An der Ignoranz gegenüber Rassismus und der Perspektive der Betroffenen hat sich auch nach fast 5 Jahren NSU-Prozess wenig geändert. Die gesellschaftlichen Voraussetzungen für den NSU sind bis heute nicht aus der Welt geschafft. Auf das vollmundige Versprechen der Aufklärung folgte die behördliche Vertuschung, die auch den zahlreichen Untersuchungsausschüssen eine wirkliche Aufklärung unmöglich macht. Auch wenn die Angeklagten in München zu Recht verurteilt werden, drohen den meisten Unterstützer*innen des NSU, wie auch den Verantwortlichen in den Behörden, immer noch keine Konsequenzen.
Eine angemessene Entschädigung der Betroffenen, die durch die rassistischen Ermittlungen zum Teil in den Ruin getrieben wurden, steht weiter aus. Während für Sachschäden nach dem G20-Gipfel in Hamburg kurzfristig und unbürokratisch ein Härtefallfonds eingerichtet wurde, müssen sich die Betroffenen des NSU-Terror ihr Recht auf Entschädigung mühsam vor Gericht erstreiten.
Deutsche Kontinuitäten
Die Gesellschaft und die Behörden Deutschlands folgen hier eingeübten Verhaltensweisen ihrer jüngeren Geschichte. Auch die Opfer des Naziregimes und ihre Angehörigen hatten die Hauptlast und ‑initiative zur Aufklärung der Verbrechen des deutschen Faschismus zu tragen. Die Mehrheitsgesellschaft, das Täter*innenkollektiv sehnte sich nach einem Schlussstrich, verdrängte die Schuld und lehnte die eigene Verantwortung für den millionenfachen Mord ab. Die Verantwortung wurde auf eine kleine, eingegrenzte und pathologisierte Täter*innengruppe abgeschoben – Hitler, die NSDAP, die SS.
Antisemitismus ist Teil des Problems
Zum ideologischen Fundament des NSU gehörte auch Antisemitismus. Im nationalsozialistischen Weltbild des NSU besteht ein enger Zusammenhang zwischen rassischem Antisemitismus, der sich gegen Jüdinnen* und Juden richtet und Rassismus, der auf Migrant*innen und POC zielt. Die Ideologie von der Überlegenheit der „weißen Rasse“ geht mit der Vorstellung einher, diese sei durch eine „übermächtige jüdische Weltverschwörung“ einerseits und durch Zuwanderung und Vermischung mit „minderwertigen Fremden“ andererseits bedroht. Dieser Logik folgen die „Turner Diaries“, die als eine Vorlage für die NSU-Mordserie gelten. Sie propagieren den Untergrundkampf gegen „das System“, der mit der Ermordung von Schwarzen, Jüdinnen und Juden und Politiker*innen beginnt und mit der Weltherrschaft der „weißen Rasse“ endet.
Antisemitismus äußerte sich auch in den konkreten Taten des NSU. 1996 hängte das NSU-Kerntrio eine Puppe mit der Aufschrift “Jude” und eine Bombenattrappe an einer Autobahnbrücke auf, um damit gegen den Besuch von Ignatz Bubis, dem damaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, zu protestieren. Wenige Monate später beteiligte sich Beate Zschäpe an der Verschickung einer Morddrohung an Bubis. Auch das vom NSU-Kerntrio produzierte Spiel “Pogromly” sowie die in der Frühlingsstraße verteilte nationalsozialistische Propaganda verbreitet antisemitische Vernichtungsfantasien. Dieser Zusammenhang wurde bisher sowohl von der Öffentlichkeit als auch im NSU-Prozess weitestgehend verdrängt.
Spuren nach Berlin
Mehrere Spuren des NSU führen auch nach Berlin. Stephan Lange war Deutschland-Chef von „Blood & Honour“ und stand mit zentralen Figuren des NSU in engem Kontakt. Er wurde vom LKA Berlin als Spitzel „Nias“ an den Bundesverfassungsschutz weitergereicht. Thomas Starke wurde seit dem Jahr 2000 vom Berliner Landeskriminalamt als V‑Mann in Sachsen geführt. Er hatte drei Jahre vor seiner Anwerbung für das NSU-Kerntrio Sprengstoff besorgt und später bei der Suche nach einem Versteck geholfen. Das LKA Berlin gab mindestens fünf Hinweise auf das NSU-Kerntrio nicht an die fahndenden Behörden weiter. Im Mai 2000 spähten Zschäpe, Mundlos und der „Blood & Honour“-Kader Jan Werner vermutlich die Synagoge in der Berliner Rykestraße aus. Im Jahr 2011 stellte sich der Berliner Polizei die Frage, ob drei Sprengstoffanschläge auf dem Jüdischen Friedhof Heerstraße in Charlottenburg dem NSU zuzurechnen seien. Dort waren 1998 am Grab von Heinz Galinski, dem früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden, zweimal Rohrbomben explodiert und 2002 wurde ein Sprengsatz in den Eingangsbereich des Friedhofs geworfen. Alle diesbezüglichen Ermittlungen blieben bis heute ohne jeden Erfolg. In der Zwickauer Wohnung des NSU fand sich eine Adressliste mit 233 jüdischen Einrichtungen, auf der neben vielen Orten in Berlin auch der Jüdische Friedhof Heerstraße verzeichnet war.
Bis heute gibt es trotz der Forderungen antifaschistischer Initiativen und einer Petition der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BdA) keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplex in Berlin, wie er in zahlreichen anderen Bundesländern bereits existiert. Auch unter der rot-rot-grünen Regierung haben sich die Parlamentarier*innen seit einem Jahr nicht entschließen können, mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in Berlin ein klares Zeichen der Solidarität und des Aufklärungswillens an die Betroffenen zu senden.
Auch nach den Morden an Burak Bekta? im Jahr 2012 und Luke Holland im Jahr 2015 in Berlin Neukölln gingen weder das LKA Berlin noch das BKA von einem rassistischen Motiv aus – ohne dass es einen überzeugenden Ermittlungsansatz gab, der diese Haltung hätte begründen können. Bekta?‘ Angehörige können und wollen sich damit nicht abfinden. Sie vermuten, dass Burak Bekta? von einem Rassisten erschossen worden sein könnte. Im konsquenten Ausschließen oder Nicht-Benennen rassistischer Mordmotive zeigen sich Parallelen zum Verhalten der Ermittlungsbehörden im NSU-Komplex. Wirkliche Lehren aus dem NSU werden nicht gezogen. Das muss sich ändern!
Die Kontinuität des rechten Terrors und die Realität der Migration
Der NSU war nicht die erste Neonazi-Terrororganisation und auch nicht die letzte. Das zeigen Prozesse gegen rechte Organisationen wie die „Oldschool Society“ oder die „Gruppe Freital“. Daneben häufen sich die Meldungen von immer neuen Waffenfunden bei rechten Strukturen. Die Zahl der Brandanschläge und rassistischen Übergriffe ist in den letzten Jahren gravierend angestiegen. Die Grenzen zwischen Nazis, der Neuen Rechten und besorgten Pegida- oder Bärgida-Bürger*innen, die sich an Anschlägen auf Geflüchtetenunterkünfte beteiligen, sind zunehmend verschwommen und verwoben. Die politischen Entscheidungsträger*innen reagieren mit dem massiven Abbau des Asylrecht, die Ausländerbehörde und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge setzen auf Abschreckung.
Trotzdem hat der NSU sein Ziel, die Vertreibung von Migrant*innen aus Deutschland, nicht erreicht. Die Angehörigen der Mord- und Anschlagsopfer haben das Land nicht verlassen. Sie haben sich untereinander bundesweit mit anderen Betroffenen rassistischer Morde und mit Unterstützer*innen vernetzt. Sie klagen den Rassismus an und eine Welt ohne Rassismus ein. Auch die Keupstraße hat sich wieder aufgebaut. Hier wurde wie in unzähligen anderen Orten der BRD eine neue, postmigrantische Gesellschaft errichtet, die für uns heute als selbstverständlich gilt. Die über 50-jährige Einwanderung nach Deutschland hatte zivilisatorische Effekte auf dieses postnazistische Land, die weder wegzudemonstrieren noch wegzubomben sind. Stattdessen müssen selbstorganisierter migrantischer Widerstand sowie rassistische wie antisemitische Gesellschaftsstrukturen sichtbar gemacht werden!
Das Ende ist erst der Anfang
Das Ende des NSU-Prozesses ist nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte. Unabhängig vom Münchner Urteil bleiben mehr Fragen als Antworten. Deshalb mobilisiert das bundesweite „Bündnis gegen Naziterror und Rassismus“ unter dem Motto „Kein Schlussstrich“ zum Tag X, dem Tag der Urteilsverkündigung, nach München. Wir rufen euch auf, am Tag der Urteilsverkündung nach München zu fahren! Wer allerdings nicht nach München fahren kann, kann sich anderen Aktionen, wie unserer Demonstration in Berlin anschließen. Wir möchten unsere Solidarität mit den Angehörigen der Ermordeten, den Opfern der Anschläge und allen Menschen ausdrücken, die von rechtem Terror und behördlichem Rassismus bedroht und betroffen sind. Wir möchten zeigen, dass der NSU-Komplex für uns nicht abgeschlossen ist.
- Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!
- Rassistischem Terror gegen Geflüchtete und Migrant*innen entgegentreten – Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen!
- Aufklärung der rassistischen Morde des NSU durch eine internationale Untersuchungs-kommission und unter Einbeziehung der Angehörigen!
- Verfassungsschutz auflösen – V‑Leute abschaffen!
- Einrichtung eines parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschusses für Berlin!
Fahrt nach München. Kommt zur Demo nach Berlin. Ein entschlossenes Zeichen setzen!
Informationen zur Demonstration und Aktionen am Tag X findet ihr für München: nsuprozess.net
Berlin & anderswo: irgendwoindeutschland.org/nsu
Nach einigen Wochen Pause setzte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ am Dienstagabend ihre Versammlungsreihe auf dem Märkischen Platz in Rathenow fort. Die stationäre Kundgebung stand unter dem Motto: „Merkel muss weg“. Sie sollte offenbar an ähnliche Veranstaltungen in Hamburg, Mainz und Berlin anknüpfen, die seit kurzem regelmäßig stattfinden.
Neue Sympathisierende konnte das „Bürgerbündnis“ dabei jedoch nicht akquirieren. Die insgesamt 27 Teilnehmenden stammten aus Rathenow, Premnitz, Beetzsee, Brandenburg an der Havel sowie Berlin und sind seit Monaten, einige seit Jahren, im PEGIDA-Milieu aktiv.
Auch die Reden der vier Vortragenden hatten den üblichen Charakter. Beleidigende und extrem rechte Äußerungen, mehrere Redende sprachen von „Umvolkung“ und äußerten sich rassistisch, eine weitere Person deutete u.a. den „Hitlergruß“ an, gingen einher mit der Ankündigung künftig mehr in der Kommunalpolitik mitmischen zu wollen. Dazu kündigte der Vereinsvorsitzende und ehemalige Bürgermeisterkandidat Christian Kaiser die Bildung einer Wählergemeinschaft anlässlich der im kommenden Jahr stattfindenden Kommunalwahlen an. Genaueres nannte er aber nicht. In seinem Redebeitrag skandierte er jedoch heute die NPD Parole „Sozial geht nur National“.
Darüber hinaus besuchten Kaiser und weitere Mitglieder des Bürgerbündnisses bereits am vergangenen Mittwoch einen Stammtisch der AfD im Rathenower Restaurant „Harlekin“.
Eine ursprünglich für denselben Tag im Internet angekündigte Versammlung unter dem Motto: „Merkel muss weg“ fiel jedoch ohne Angabe von Gründen aus. Die Veranstaltung sollte vor dem „Harlekin“, auf dem Märkischen Platz stattfinden.
Trotz der momentan geringen Anziehungskraft der Versammlungen des „Bürgerbündnisses“ soll dieses Veranstaltungskonzept offenbar auch in den nächsten Wochen fortgesetzt werden. Diesbezüglich kündigte Kaiser u.a. an nun im Zwei-Wochen-Rhythmus jeweils Montags Kundgebungen in Rathenow abhalten zu wollen. Die Polizei solle sich schon einmal auf weitere Überstunden einstellen, so der Chef des Bürgerbündnisses.
Fotos: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/albums/72157694770730604