Kategorien
(Anti-)Rassismus Antifaschismus Arbeit & Soziales Bildung & Kultur Flucht & Migration Gender & Sexualität Geschichte & Gedenken Klima & Umwelt Sonstiges Wohnen & Stadt

WannWennNichtJetzt am 3.8. in Cottbus

Cot­tbus ist eine Stadt, die vor allem in den let­zten Monat­en immer wieder Neg­a­tivschlagzeilen machte: So zog u.a. die AfD als stärk­ste Kraft in die Stadtverord­neten­ver­samm­lung ein. Es kam zu Razz­ien bei Fußball­hooli­gans und der völkische Vere­in Zukun­ft Heimat betreibt gemein­sam mit der AfD ein Büro mit­ten in der Cot­tbuser Alt­stadt. Aber es gibt auch ein anderes Cot­tbus, das bunte, laute und unangepasste Cot­tbus. Wir sind nicht mehr, aber wir sind hier: Auch in Cot­tbus sind Men­schen aktiv, die sich zur Wehr set­zen gegen Diskri­m­inierung, Krim­i­nal­isierung und Aus­gren­zung. Wir – das ist ein Zusam­men­schluss von Men­schen unter­schiedlich­er Geburt­sorte und Prä­gun­gen, mit und ohne Fluchter­fahrun­gen, ver­schieden­er geschlechtlich­er Iden­titäten, unter­schiedlich­er Arbeit, unter­schiedlich­er Haut­farbe, mit und ohne Kinder. Was uns eint, ist die Idee, dass wir mit unseren Prob­le­men nicht allein sind und sie nicht allein lösen kön­nen und wollen.

Das Wahlergeb­nis der Kom­mu­nal­wahl macht nochmal deut­lich, wie wichtig #Wan­nWennNicht­Jet­zt auch in Cot­tbus ist und wie sehr der Name Pro­gramm ist: Um den Men­schen­fein­den in blau und braun etwas ent­ge­genset­zen zu kön­nen, gilt es, sich zu ver­net­zen, schon beste­hende Bünd­nisse zu stärken und neue zu knüpfen, ger­ade für die Zeit nach der Land­tagswahl. Umso schön­er, das bei einem so bun­ten Fest wie dem am 03.08. auf dem Erich-Käst­ner-Platz zu tun. Denn wir dür­fen uns nicht die Freude an dem nehmen lassen, was wir tun, beson­ders nicht das. Jet­zt erst recht und trotz alle­dem: Es gibt viel zu tun, gemein­sam. So macht‘s bekan­ntlich am meis­ten Freude.

+++Pro­gramm+++

- open Stage Büh­nenthe­ater “Von ganz tief unten”
— Work­shop „Argu­men­ta­tion­strain­ing gegen rechte Parolen“
— Vor­trag „Kom­mu­nika­tion­s­gueril­la“
— Work­shop „ORGANIZE! — Selb­st­bes­timmt und kollek­tiv Aktio­nen am Arbeit­splatz, in Schule, Uni oder Kiez organisieren“
— Vor­trag „Kämpfe im Gesundheitswesen“
— Vor­trag “Angreifen statt Mitre­den — Warum wir keinen Bock auf
eine Bühne für Faschis­mus haben“
— Podi­ums­diskus­sion: 30 Jahre nach dem Auf­bruch des Herb­st ́89
— Stadt­führung „Trau­riges Herz – Von blühen­der Land­schaft zum Schandfleck“
— Filmzelt „DEFA Film­schätze neu entdeckt“

+++Konz­erte ab 18 Uhr+++

u.a. mit Pöbel MC, Tice, Unbekan­nt ver­zo­gen und Berlin Boom Orchestra

..sowie anschließen­der After­show-Par­ty im Chekov

Kategorien
Antifaschismus Bildung & Kultur

JWD in einem (fast) anderen Format

INFORIOT — Das antifaschis­tis­che „Janz Weit Draussen“ (JWD) — Camp  fand am ver­gan­genen Woch­enende nun bere­its zum drit­ten Mal statt. Dies­mal schlug das Camp jedoch nicht seine Zelte am Rand des Bun­des­lan­des auf, son­dern ging direkt ins Herz der bran­den­bur­gis­chen Lan­deshaupt­stadt. Mit Blick auf die bevorste­hende Land­tagswahl am 1. Sep­tem­ber diesen Jahres und dem zu erwartenden starken Abschnei­den der nation­al-kon­ser­v­a­tiv­en AfD, woll­ten die Organisator*innen mit anderen Aktivist*innen über Strate­gien gegen den bevorste­hen­den Recht­sruck diskutieren.

Zwei Tage — zwei Orte

Für das JWD 2019 wurde von der bish­eri­gen Form eines Antifa-Camps zumin­d­est teil­weise abgewichen. Da das JWD dies­mal nur an zwei Tagen stat­tfind­en kon­nte und zudem in die Großs­tadt ging, wurde das Konzept um eine kleine Kon­ferenz ergänzt und aus dem „Janz Weit Draussen“- Camp wurde die „Join.Workshops.&.Diskuss“-Camp.ferenz. Auf­grund der Vielzahl der linken und alter­na­tiv­en Pro­jek­te, die Pots­dam zu bieten hat, wollte sich das Camp auch nicht auf einen Ort beschränken. Am Fre­itag wurde daher im Kul­tur­pro­jekt „La Datscha“ das JWD eröffnet. Am Abend fol­gten nach der Begrüßung drei span­nende Work­shops und Infover­anstal­tun­gen, u.a. zu Recht­srock, tox­is­ch­er Männlichkeit und anti­semi­tis­chen Esoteriker*innen. Im Anschluss bot die Lage direkt an der Hav­el einen gemütlichen Ausklang mit Getränken.

Am fol­gen­den Tag set­zte sich das Woch­enende im Frei­Land fort. Auf dem großen Gelände, das in Pots­dam eine wichtige Insti­tu­tion für alter­na­tive Kul­tur ist und zahlre­ichen Ini­tia­tiv­en eine zu Hause bietet, fan­den weit­ere Work­shops und Diskus­sionsver­anstal­tun­gen statt. Am Abend bot die Podi­ums­diskus­sion einen Ein­blick in Hand­lungskonzepte im Umgang mit dem Recht­sruck in Bran­den­burg. Unter dem Titel „Wahlen … Und dann? Strate­gien gegen den Recht­sruck in Bran­den­burg“ sprachen fünf Vertreter*innen aus ver­schiede­nen Pro­jek­ten im Land über ihren Umgang mit der AfD und den bere­its jet­zt spür­baren Druck, der auf diesen Pro­jek­ten teil­weise lastet. Den Abschluss bildete ein Konz­ert mit anschließen­der Par­ty im Spartacus.

Trotz des hefti­gen Unwet­ters, welch­es so manch­es Zelt am Sam­stagabend unter Wass­er set­zte und die Atmo­sphäre während der Podi­ums­diskus­sion ver­dunkelte, waren viele der etwa 150 Teil­nehmenden beein­druckt, was linke Pro­jek­te in Bran­den­burg, trotz viel­er Wider­stände, bis­lang alles geschafft haben. Es ent­standen so auch abseits des reg­ulären Pro­gramms Diskus­sio­nen, kleinere Grup­pen ver­net­zten sich mit Ini­tia­tiv­en aus den Nach­barstädten oder schmiede­ten bere­its gemein­same Aktio­nen, um einen Zeichen zu set­zen, dass nicht ganz Bran­den­burg die extrem rechte Poli­tik der AfD unwider­sprochen hin­nehmen will.

Eins scheint jet­zt schon sich­er: Egal wie die Wahlen im Sep­tem­ber aus­ge­hen wer­den, Antifaschist*innen aus den Dör­fern und Städten Bran­den­burgs wer­den auch in Zukun­ft sich sicht­bar gegen den Recht­sruck zu Wehr set­zen und emanzi­pa­torische Pro­jek­te vertei­di­gen bzw. auf­bauen. Näch­stes Jahr auch wieder auf dem JWD-Camp irgend­wo in Brandenburg.

Kategorien
(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Desolate Situation nach ungeklärtem Tötungsdelikt

Nach einem noch ungek­lärten Tötungs­de­likt in Hohen­leip­is­chwen­den sich Flüchtlinge heute mit einem Offe­nen Brief (https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/aktuelles/offener-brief-von-bewohnerinnen-der-fluechtlingsunterkunft-in-hohenleipisch)an die Öffentlichkeit und die zuständi­gen Behör­den. Sie fordern ihren sofor­ti­gen Auszug aus der extrem isolierten Unterkun­ft in Hohen­leip­isch, in der die junge Mut­ter Rita O. bis zu ihrem Tod gelebt hat­te. Ihre sterblichen Über­reste waren am 20. Juni, Monate nach ihrem Ver­schwinden am 7. April, gefun­den wor­den, die zöger­liche Ermit­tlungsar­beit der Polizei ste­ht in Kritik.

Verbliebene Bewohner*innen fordern den Auszug aus der Unterkunft

Die Todesum­stände sind nach wie vor nicht aufgek­lärt und so leben die Men­schen inder Unterkun­ft immer noch in Angst.Ihre Kinder lassen sie längst nicht mehr allein zum Spie­len nach draußen. „Wir wollen, dass uns geholfen wird, von diesem schreck­lichen Ort wegzuziehen. Kein­er von uns braucht riesige Woh­nun­gen im Zen­trum der Stadt. Wir wollen ein­fach nur weg von hier. Wir brauchen eine men­schen­würdi­ge Unter­bringung.“, schreiben sie in demheute veröf­fentlicht­en Offe­nen Brief. Der Flüchtlingsrat unter­stützt diese­Forderun­gen. „Die Sit­u­a­tion in der Sam­melun­terkun­ft in Hohen­leip­isch ist für die Bewohner*innen extrem belas­tend. Sie hätte längst geschlossen wer­den müssen. Es zeugt von Zynis­mus und Unbelehrbarkeit, dass der Land­kreis auch jet­zt noch an dieser Unterkun­ft im Nir­gend­wo fes­thält.“, sagte Mara Hasen­jür­gen vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Solange Flüchtlinge gezwun­gen sind, an diesem isolierten und vor­be­lasteten Ort zu leben, ist eine Trauer­be­wäl­ti­gung und Erhol­ung von den trau­ma­tis­chen Erleb­nis­sen nicht möglich.

Ini­tia­tiv­en fordern seit Jahren Schließung der Unterkunft 

Die Unterkun­ft bei Hohen­leip­isch ist wegen ihrer extrem entle­ge­nen Lage seit Jahren umstrit­ten. Durch die fehlende infra­struk­turelle Anbindung ist sie nicht mit men­schen­rechtlichen Verpflich­tun­gen bei der Unter­bringung vere­in­bar. Der let­zte Bus fährt um 17:30 Uhr, am Woch­enende gibt es kein­er­lei Verkehrsan­bindung. Der Gang zu Behör­den, Sprachkursen, Freund*innen, Super­märk­ten, Beratungsstellen oder Anwält*innen ist für Flüchtlinge beson­ders aufwändig, eine Arbeit­sauf­nahme ist für dort lebende Men­schen fak­tisch nicht möglich. Seit vie­len Jahren fordern Bewohner*innen und Flüchtling­sor­gan­i­sa­tio­nen die Schließung der Unterkun­ft. “Der Mord an unser­er Schwest­er Rita zeigt wieder ein­mal, wie gefährlich die Lager für geflüchtete Frauen* sind. Das Lager­sys­tem ist ein Sys­tem der Gewalt, in dem Täter damit rech­nen kön­nen, unges­traft davonzukom­men”, so Eliz­a­beth Ngari von Women in Exile, die sich seit 2002 für die Rechte von geflüchteten Frauen* und Kindern in Bran­den­burg einsetzt.

Verzögerte Aufk­lärung des Todesfalls 

Erst spät ermit­telte die Polizei in Rich­tung eines Tötungs­de­lik­tes, obwohl die Fam­i­lie von Anfang an Hin­weise darauf gegeben hat­te. Offen­bar wur­den ihre Hil­feer­suchen und Hin­weise nicht ernst genom­men. Die verzögerten Ermit­tlun­gen und der­späte Fund ihrer sterblichen Über­reste erschw­erendie Aufk­lärung der Umstände von Rita O.s Tod. “Wäre Rita eine weiße deutsche Frau gewe­sen, wäre das Ver­sagen von Polizei und Behör­den ein öffentlich­er Skan­dal. Wir kann es sein, dass es zwei Monate dauerte, bis ihre Über­reste in der Nähe des Lagers gefun­den wur­den, genau dort, wo die Polizei ange­blich seit Wochen suchte? Die schlep­pende Aufk­lärung der Polizei und man­gel­nde Infor­ma­tion­sweit­er­gabe durch die Behör­den an die Bewohner*innen des Lagers in Hohen­leip­isch zeigen den insti­tu­tionellen Ras­sis­mus, den wir seit so vie­len Jahren anprangern”, so Eliz­a­beth Ngari.

Women in Exile und der Flüchtlingsrat Bran­den­burg unter­stützen die Forderung der Flüchtlinge nach Auszug und ein­er men­schen­würdi­gen Unter­bringung. Die Men­schen in der Sam­melun­terkun­ft brauchen jet­zt drin­gend Unter­stützung sowie einen sicheren Ort zum Leben. Spätestens nach dem gewalt­samen Tod von Rita O. und der belas­ten­den Erfahrun­gen ihrer Fam­i­lien­ange­höri­gen und Nachbar*innen ist klar, dass die Sit­u­a­tion vor Ort irrepara­bel ist und die Unterkun­ft sofort geschlossen wer­den muss.

Kategorien
(Anti-)Rassismus Antifaschismus jüdisches Leben & Antisemitismus

Anastasia und ihre Fans – Vortrag zur Anastasia-Bewegung

Ide­olo­gie & Akteure ein­er recht­seso­ter­ischen Siedlungsbewegung

Mit einem Hek­tar Land als Kle­ingärt­ner die Welt zu ret­ten scheint für manch ökol­o­gisch Motivierte eine ver­heißende Nachricht. In ein­er Roman­rei­he des rus­sis­chen Autors Wladimir Megre wird genau diese roman­tisch verk­lärte Vorstel­lung propagiert. Megre erzählt von sein­er Begeg­nung mit ein­er im Wald leben­den Frau. Die blonde, blauäugige Anas­ta­sia kann mit Tieren reden und mit Hil­fe ihres „Strahls“ telepathis­che Kräfte ein­set­zen, um anderen Men­schen Gar­ten­tipps für ihre Zuc­chi­nis zukom­men zu lassen. Sie zeigt dem von der mod­er­nen Gesellschaft frus­tri­erten Pro­tag­o­nis­ten, die ver­meintlichen Prob­leme der Men­schheit und was diese zum glück­lich sein ändern müsse.

Doch bei den Anas­ta­sia Büch­ern han­delt es sich nicht um ein Märchen mit Hap­py End im Paradies, vielmehr ent­pup­pen sie sich schnell als Gruselgeschichte mit ein­er gehöri­gen Ladung wahn­haftem Anti­semistismus, Ver­schwörungs­denken und ras­sis­tisch-völkischen Welt­bild. Egal ob Geschlechter­rollen, Fam­i­lien­bild oder Kinder­erziehung – in Anastasia‘s Welt ist alles ein­er ver­meintlichen „Natür­lichkeit“ unter­ge­ord­net, welch­er sich das Indi­vidu­um zu unter­w­er­fen hat.

Diese inhaltliche Anschlussfähigkeit an ökol­o­gis­che, eso­ter­ische sowie extrem rechte Welt­bilder lässt sich auch prak­tisch seit eini­gen Jahren beobacht­en. Anas­ta­sia Anhän­gerIn­nen wer­den wegen ihrer Fähigkeit­en im Bere­ich „Natur­baut­en“ und biol­o­gis­ch­er Land­wirtschaft als Ref­er­entIn­nen und Exper­tIn­nen beispiel­sweise in Per­makul­tur- und andere Ökolo­giekreise ein­ge­laden, tauchen aber auch auf extrem recht­en Ver­anstal­tun­gen von AfD und Iden­titär­er Bewe­gung auf.

In dem Vor­trag wer­den Ide­olo­gie und Welt­bild, sowie AkteurIn­nen der Szene, Struk­turen und Verknüp­fun­gen der recht­seso­ter­ischen Strö­mung, die unter „Anas­ta­sia-Bewe­gung“ und „Fam­i­lien­land­sitz-Bewe­gung“ bere­its einige Aufmerk­samkeit in der Presse und Recht­sex­trem­is­mus­forschung auf sich gezo­gen hat, beleuchtet und dekonstruiert.

Der Arbeit­skreis Anas­ta­sia hat sich ein­er­seits aus dieser Aktu­al­ität und durch den erhöht­en Zuwachs von Anhän­gerIn­nen der Fam­i­lien­land­sitzbe­we­gung gegrün­det, um Infor­ma­tio­nen und Rechercheergeb­nisse über jene zusam­men zu tra­gen und durch Vorträge aufzuk­lären. Ander­er­seits lassen sich Kon­ti­nu­itäten und Ver­strick­un­gen von Ökolo­gie, Eso­terik und Nazis­mus, die sich bis vor dem Nation­al­sozial­is­mus zurück­ver­fol­gen lassen, mit der Anas­ta­sia Bewe­gung herstellen.

Diese Anknüp­fungspunk­te der nach Außen friedlich wirk­enden Ökos, die gezielt auf’s Land ziehen und Dör­fer besiedeln, ver­an­lassen uns zu ein­er genaueren Betra­ch­tung. Ihre anti­semi­tis­che, ras­sis­tis­che und homofeindliche, sowie antipro­gres­sive und anti­mod­erne Ide­olo­gie gilt es zu beleucht­en, zu dekon­stru­ieren und, wo auch immer sie siedeln, für unfrucht­bare Äck­er zu sorgen.

Mit einem Vor­trag dazu sind wir in Bran­den­burg und Berlin unterwegs.
Kon­takt unter anastasia.blackblogs.org

Kategorien
Antifaschismus Law & Order

Betroffene müssen informiert werden

Die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Brandenburg,
Opferperspektive, fordert rechten Terror ernstzunehmen und kritisiert
das Polizeiverhalten in Bezug auf die sogenannten Todeslisten der
Gruppierung „Nordkreuz“: Polizei und Bundeskriminalamt (BKA) haben zwei
Jahre lang versäumt, die Betroffenen rechten Terrors zu informieren.

Nachdem in verschiedenen Medien Mitte Juni neue, erschreckende Details
zu den Aktivitäten der extrem rechten Gruppierung „Nordkreuz“
veröffentlicht wurden und auf den beschlagnahmten Listen auch Menschen
aus Nordbrandenburg stehen sollen, fragte die Opferperspektive via
Twitter die Polizei Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, ob die auf
der Liste aufgeführten Personen informiert werden. Eine ausweichende
Antwort bekamen wir statt von der Polizei zunächst durch das BKA und
anschließend, auf eine erneute Nachfrage, auch von der Polizei
Brandenburg unisono: Sie könnten keine Auskunft geben, Ermittlungen
würden laufen. Laut BKA müsse grundsätzlich die Gefährdelage analysiert
werden.

Die Antwort verwundert, wurden die Listen doch bereits 2017 bei
Durchsuchungen gefunden. Im August 2018 stellte die Fraktion der Linken
eine kleine Anfrage (Drucksache 6/9353), in deren Antwort das
Innenministerium darauf hinwies, dass sie keine Veranlassung sehe die
Betroffenen zu informieren, da die Gefährdelage zu abstrakt sei.
Spätestens seit dem Mord an Walter Lübcke, zunehmender rechter Gewalt,
vermehrten Waffenfunden, dem Ordern von Leichensäcken und Ätzkalk für
einen „Tag X“ muss endlich allen klar sein welch tödliche Gefahr von der
rechten Szene ausgeht. Der Staat muss nicht nur lückenlos aufklären,
sondern hat die Aufgabe die Betroffenen zu schützen. „Wir fordern die
Sicherheitsbehörden auf, alle auf den Feindeslisten aufgeführten
Personen zu informieren. Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, ob sie
Ziel von Angriffen werden sollten. Das sollte auch eine Lehre aus dem
Behördenversagen in der Mord- und Anschlagsserie des
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sein“, so Judith Porath,
Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive.

Die Opferperspektive kritisiert die Verharmlosung rechten Terrors und
fordert, die Betroffenen rechter Gewalt und rechten Terrors
ernstzunehmen. Die „Nordkreuz“ Gruppe legte Listen an, auf denen
Engagierte, die sich gegen Rechts und für Gefüchtete einsetzten, sowohl
Politiker*innen als auch Privatpersonen, geführt wurden. „Wir stehen mit
vielen dieser Menschen in Kontakt. Sie sind verunsichert, haben Angst
und fühlen sich in ihrem Alltag eingeschränkt, wenn sie durch
Medienberichte erfahren, dass sie auf einer ‚Todesliste‘ stehen könnten.
Gerade nach dem Mord an Walter Lübcke machen sie sich Sorgen, ob
sie und ihre Familie akut gefährdet sind“, meint Julian Muckel, Berater
für Betroffene rechter Gewalt. „Sie zu informieren und ihnen damit zu
signalisieren, dass die Polizei die Bedrohung ernst nimmt, wäre dringend
erforderlich. Dass dies zwei Jahre nach den Hausdurchsuchungen noch
immer nicht passierte, empfinden wir als eine erneute Verharmlosung
rechten Terrors.“

Die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt bietet eine
professionelle Beratung für Betroffene rechter Gewalt, deren
Freund*innen, Angehörige und Zeug*innen an. Die Beratung ist kostenlos,
vertraulich, parteilich und unabhängig von staatlichen Behörden.

Als Mitglied des landesweiten „Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ schließt sich der Verein
Opferperspektive dem Statement des Vorstands des Aktionsbündnis an.

Kontakt:
Judith Porath, Geschäftsführerin Opferperspektive e.V.: +49 151 59100082
Julian Muckel, Berater für Betroffene rechter Gewalt: +49 151 59100086
Kategorien
Antifaschismus Law & Order

Betroffene haben Recht auf Information

Bereits seit August 2017 ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen das
rechtsextreme Netzwerk „Nordkreuz“.
Laut den Sicherheitsbehörden stammen die meisten Personen der Gruppe aus
dem Umfeld von Bundeswehr und Polizei, seit Jahren sammeln sie nicht nur
Waffen und Munition, sondern auch Namen und Adressen von vermeintlichen
politischen Gegnerinnen und Gegnern.
Seit Mitte Juni gelangen immer neue Informationen an die Öffentlichkeit:
Die Gruppe habe versucht, Leichensäcke und Ätzkalk zu bestellen;
„Nordkreuz“ habe mit Hilfe von Dienstcomputern der Polizei rund 25.000
Namen recherchiert; auf diesen Listen fänden sich schwerpunktmäßig
Engagierte aus Politik und Zivilgesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern,
aber auch solche aus Perleberg und Pritzwalk in Brandenburg; die
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat eine Kommission
eingerichtet, um rechtsextreme Verbindungen in die Landespolizei zu
untersuchen.

Das Brandenburger Innenministerium verneint der Märkischen Allgemeinen
Zeitung zufolge, dass die Gruppe „Nordkreuz“ in der Mark aktiv sei, denn
es gebe derzeit „keine Anhaltspunkte für Tatverdächtige aus
Brandenburg“. Betroffene Personen aus Brandenburg würden erst
informiert, wenn ein „schädigendes Ereignis“ zu erwarteten sei. In
Mecklenburg-Vorpommern hat das Bundeskriminalamt dagegen inzwischen 29
Betroffene aus Politik und Zivilgesellschaft in Kenntnis gesetzt –
während die dortigen Landesbehörden dies weiterhin unterlassen.
Wir, der Vorstand des Aktionsbündnisses Brandenburg, halten die Existenz
dieser Listen für eine ernstzunehmende Bedrohung. Es ist deshalb
unabdingbar, dass die zuständigen Behörden alle Betroffenen unverzüglich
informieren. Jede der 25.000 Personen hat das Recht zu erfahren, ob ihre
Meldedaten per Polizeicomputer illegal recherchiert worden sind. Nach
den jüngsten Gewalttaten und der Kritik an der Aufklärung der Taten des
NSU sind Transparenz und Information nötig. Angesichts zunehmender
Bedrohungen sollte das Land Brandenburg seinen Engagierten aus Politik
und Zivilgesellschaft weiterhin den Rücken stärken und Unsicherheiten
und Ängsten entschieden entgegentreten.
Inforiot