Frankfurt (Oder) — Frankfurter Antifaschist*innen klärten am 30.01.2020 die Nachbarschaft über die Verstrickungen der lokalen “Südring-Kneipe” mit der regionalen Naonazis-Szene auf. [1] Dort steht seit geraumer Zeit ein gewisser Sven Lemke hinter dem Tresen. Bei ihm handelt es sich um kein unbeschriebenes Blatt, sondern um einen mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraften Neonazi. Besonders brutal war ein Angriff im April 1997: Damals schlugen Lemke und zwei weitere Neonazis mit einem Vorschlaghammer auf einen Polen ein und beraubten ihn anschließend. Lemke war außerdem in der Vergangenheit Mitorganisator von zahlreichen Neonazikonzerten. So haben zwischen 2011 und 2013 mehrere Konzerte bzw. Partys auf einem von ihm angemieteten Grundstück im Triftweg in der Lebuser Vorstadt stattgefunden. [2] Auch ist davon auszugehen, dass er eine illegale rechtsextreme Veranstaltung in einem Bunker am alten Kino im September 2017 mitorganisiert hat.[3]
Politisch war Sven Lemke fortlaufend als Teilnehmer und Mitorganisator extrem rechter Aufmärsche und Kundgebungen von „Frankfurt Oder wehrt sich“, dem „III. Weg“ und der „NPD“ aktiv. [4] In diesem Zusammenhang trat er mehrmals gemeinsam mit anderen regionalen Neonazis unter der Bezeichnung „Kameradschaft Kommando Werwolf (KSKW)“ auf. Diese extrem rechte und vom Verfassungsschutz beobachtete Kameradschaft ist für Übergriffe und Körperverletzungen verantwortlich. [5]All das ist lange her? Hat Lemke das alles hinter sich gelassen und ist nun „unpolitischer“ Gastronom? Vonwegen! Ein Foto bei Facebook aus dem März 2019 belegt beispielsweise, dass er sich nach wie vor als Teil der “Terrorcrew” (KSKW) präsentiert. Und nicht zuletzt trifft man an den Abenden in der Südring-Kneipe viele andere bekannte Faschisten. Selbst NPD-Frontfrau Manuela Kokott scheut nicht den weiten Weg aus Spreenhagen, um hier mit ihresgleichen zu feiern. Die Kneipe in unserer Nachbarschaft ist somit ein regionaler Treffpunkt geworden für Neonazis aus ganz Ostbrandenburg.[6]Ein aktuelles Foto zeigt Sven Lemke vor der Kneipe beim Verkauf von Mittagsmahlzeiten aus der eigenen Feldküche. Scheinbar hat auch die regionale Nazi-Kneipe Probleme durch den Lockdown zu kommen. Seit neuesten bietet er diese auch in der öffentliche Facebook-Gruppe “Lemmys Feldküche” zur Vermietung an. [7]
Bundesweiter Aktionstag am 30.01.2021 der Seebrücke und Balkanbrücke — Kein Pushback ist Legal!
Unter dem Motto #KeinPushbackIstLegal rufen wir, die Seebrücke Potsdam, gemeinsam mit vielen anderen Seebrücken und Balkanbrücken-Gruppen am 30.01.2021 zu einem überregionalen Aktionstag für die Aufnahme von flüchtenden Menschen aus Bosnien auf. Die Potsdamer*innen sind dazu aufgerufen, Schilder und Banner anzufertigen und kleine dezentrale Aktionen für unsere Forderungen durchzuführen. Bilder von den Aktionen sollen dann in den sozialen Netzwerken veröffentlicht und an die Seebrücke Potsdam geschickt werden.
Die sogenannte „neue“ Balkanroute verläuft, seit der Grenzschließung Ungarns und den immer härteren Grenzregimen in Ländern wie Serbien,durch Bosnien-Herzegowina.Dort sitzen Menschen auf der Flucht unter menschenunwürdigen Bedingungen fest mit dem Ziel, nach Europa zu gelangen.
Im Herbst brannte das Camp Moria in Griechenland, jetzt das Camp Lipa.
Am 23.12. gab es im Camp im Nordwesten Bosniens einen großen Brand. Mit einem Schlag verloren über 1000 Menschen ihr letztes Dach über dem Kopf und sind somit schutzlos Schnee und Temperaturen von bis zu ‑11 Grad Celsius ausgeliefert.
Das nehmen wir nicht länger hin! Am 30.01.2021 bündeln wir unsere Kräfte und sagen laut und klar: Wir wollen Aufnahme statt Abschottung!
Deshalb fordern wir:
1. Den Sofortigen Stopp der gewaltsamen illegalen Pushbacks an den europäischen Außengrenzen. Das Recht aller Menschen auf Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU muss endlich eingehalten werden! #KeinPushbackistLegal
An der kroatischen Außengrenze zu Bosnien wird Schutzsuchenden mit allen Mitteln der Zugang zur EU verwehrt. Unter Anwendung brutalster und grausamster Methoden und Willkür drängt die Grenzpolizei flüchtende Menschen systematisch zurück. Der Einsatz exzessiver Gewalt in Form von Schlagstöcken, Elektroschockern und Schusswaffen ist keine Seltenheit. Diese Militarisierung der Grenzen zwingt die Menschen, sich auf immer riskantere Routen zu begeben.
Die sowohl physisch als auch psychisch unzumutbaren, menschenrechtswidrigen Bedingungen an den EU — Außengrenzen müssen sofort beendet werden. Wer Asyl sucht, hat das Recht, dieses zubeantragen und auch internationale Grenzen zu überschreiten. Die Abschottungspolitik Europas muss endlich ein Ende finden und allen Menschen muss der Zugang zu einem sicheren Zuhause gewährleistet werden! Aufnahme statt Abschottung!
2. Des Weiteren muss die bundesdeutsche Unterstützung für die kroatische Grenzpolizei sofort gestoppt werden.
Erst im Dezember wurden dem kroatischen Grenzschutz 20 Fahrzeuge im Wert von über 800.000 Euro geschenkt.(1)Diese Fahrzeuge hatten nicht die Unterstützung von Menschen auf der Flucht zum Zweck, sondern trugen zu einer noch stärkeren Abschottung der EU und Kriminalisierung von Flucht bei. Anstatt einer weiteren Finanzierung von Pushbacks, ist es notwendig, dass die Bundesregierung gewährleistet, dass diese Menschen tatsächlich die ihnen zustehenden Rechte nach der Genfer Flüchtlingskonvention in Anspruch nehmen können und ihnen der nötigeSchutzgewährleistet wird, den sie benötigen.
Pushbacks und die vorsätzliche Missachtung von Menschenrechten sind nach wie vor rechtswidrig. Trotzdem sind es derzeit die Menschen auf der Flucht, die kriminalisiert werden und nicht die deutsche Bundesregierung oder die EU.
3. Die Bundesregierung muss sofort handeln und die Lager evakuieren.InDeutschland stehen Länder und Kommunen zur Aufnahme bereit. #WirhabenPlatz und fordern #AufnahmeStattAbschottung
Um diese Evakuierungen durchführen zu können, ist die Umsetzung kommunaler Aufnahmebereitschaft zwingend notwendig! Aktuell haben sich in Deutschland 229 (!) Städte und Kommunen zu einem “Sicheren Hafen” erklärt!(2) Auch die Stadt Potsdam KANN und MUSS ihren Beitrag dazu leisten, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, indem sie dem Beschluss zum “Sicheren Hafen Potsdam” endlich aktiv nachkommt!
Willensbekundungen reichen lange nicht mehr aus. Es müssen diesen Bekundungen Taten folgen! Die Stadt Potsdam muss öffentlich für die Seenotrettung einstehen, sie muss weiterhin aus Seenot gerettete Menschendirekt aufnehmen. Potsdam muss außerdem das Land Brandenburg auffordern, ein eigenständiges humanitäres Aufnahmeprogramm für Flüchtende einzuführen und damit flüchtenden Menschen die legale Einreise nach Deutschland und einen legalen Aufenthalt ermöglichen. Die Menschen, die entlang der Balkanroute bei Schnee und Minusgraden ausharren müssen, müssen SOFORT evakuiert und aufgenommen werden.
Darüberhinaus ist es notwendig, ein langfristiges und sicheres Ankommen zu gewährleisten, um eine menschenwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, sicherzustellen.
Flucht ist KEIN Verbrechen! Menschenrechte aktiv zu brechenist eins!
Deshalb rufen wir alle Potsdamer*innen dazu auf, sich unserem Protest und unseren Forderungen am 30.01.2021 auf kreative Art und Weise anzuschließen! Bastelt Schilder, Banner und gestaltet andere kreative Dinge.
Lasst sie aus euren Fenstern oder an anderen Stellen hängen, macht Bilder davon und schickt sie an uns!
Wir bleiben laut und wütend bis alle Lager evakuiert sind!
Bis Politiker*innen Verantwortung für ihre Taten tragen und aufhören diese an andere abzugeben! Bis unsere Forderungen endlich ernstgenommen und umgesetzt werden!
Am 31. Januar 1997 wird der damals 42-Jährige Phan Văn Toản am S‑Bahnhof Fredersdorf von zwei Neonazis brutal zusammengeschlagen. Nach einem Überlebenskampf in der Notaufnahme wird Phan Văn Toản querschnittsgelähmt in eine Rehabilitationsklinik verlegt. Dort stirbt er drei Monate später an akutem Herzversagen als Folge des Angriffs.
Er hinterlässt Freund*innen und Familie in Deutschland und Vietnam. Wir können nur erahnen, was eine solche Tat für sie bedeutet. Was es für seine Freundin beudetet, die die Tat mit ansehen musste. Was es bedeutet, dass die Täter einen Tag nach der Tat wie schon zuvor am Bahnhof rumhingen, als sei nichts geschehen. Was es bedeutet, dass trotz rassistischer Äußerungen des Täters vor dem Gericht Rassismus als Motivnicht anerkannt wurde.
Die Fragen können wir nicht beantworten, aber wir können Phan Văn Toản gedenken. Wir können dafür sorgen, dass weder Phan Văn Toản noch die weiteren Opfer rechter Gewalt vergessen werden. Wir können unsere Trauer und Wut sichtbar machen. Und wir können uns dafür einsetzen, dass am S‑Bahnhof Fredersdorf ein Hinweis entsteht, was hier vor 24 Jahren geschehen ist.
Dafür werden wir eine (pandemiebedingt) sehr kleine Mahnwache am 31. Januar veranstalten. Diese Mahnwache soll der Auftakt für ein jährliches Gedenken sein. Wir wollen, dass am S‑Bahnhof Fredersdorf eine Gedenktafel dauerhaft an Phan Văn Toản erinnert und alle mahnt, bei rassistischen Handlungen nicht wegzuschauen, sondern aktiv einzugreifen!
Wir veröffentlichen keine Uhrzeit für die Mahnwache, sondern werden diese im sehr kleinen Kreis durchführen. Wer trotzdem mit einer kleinen Geste an Phan Văn Toản erinnern möchte, den rufen wir dazu auf, auf dem Vorplatz des S‑Bahnhofs Fredersdorf Blumen abzulegen und uns Fotos davon zu schicken. Nächstes Jahr können wir seiner dann hoffentlich gemeinsam würdig gedenken.
Am 22. Januar kam es erneut zu einer rechten Kundgebung in Märkisch-Oderland. Auf dem Parkplatz des Kulturhaus Rüdersdorf fand eine schlecht beleuchtete Kundgebung des Brandenburger Landesverbandes der AfD unter dem Titel „Lockdown-Irrsinn beenden! Freiheit für Land und Bürger“. Diese ursprünglich für eine Durchführung in Oranienburg im Overhavelland geplante Veranstaltung wurde dort aufgrund der hohen Inzidenz in der anhaltenden Corona-Pandemie untersagt.
Neben Birgit Bessin, der Anmelderin und stellvertretenden Landesvorsitzenden der AfD, sprachen u.a. Kathi Muxel(MdL), Steffen Kotré (MdB) sowie Anna Leisten von der Jungen Alternative (JA) Brandenburg. Die Junge Alternative war mit ca. 10 Personen mit drei Fahnen und einheitlichen Mund-Nasen-Bedeckungen mit dem JA-Logo vertreten. Ebenso waren Mitglieder des AfD Ortsverbandes Wriezen vor Ort, die seit November 2020 wöchentlich einen Schweigemarsch mit knapp 20 Teilnehmenden in Wriezen organisieren. Entgegen des sonst kaum wahrnehmbaren und ohne Transparente ausgerüsteten Schweigemarsches hielten die Wriezener in Rüdersdorf Transparente der AfD Märkisch-Oderland empor.
Immer wieder musste die anwesende Polizei über die Veranstalterin darauf hinweisen lassen, dass der Abstand von 1,50 Meter zwischen den Kundgebungsteilnehmenden einzuhalten sowie ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen sei. So sah man unter den ca. 60 Teilnehmenden mehrere Personen ohne Mund-Nasen-Schutz, mit MNS unter der Nase oder aber nur mit dünnen Schals vor dem Gesicht. Birgit Bessin glänzte durch Abwesenheit eines MNS während der gesamten Veranstaltung. Mit Handschlag wurde der aufgrund seiner Neonazi-Vergangenheit aus der AfD ausgeschlossene ehemalige Vorsitzende der Brandenburger AfD, Andreas Kalbitz, neben der Bühne von den Anwesenden begrüßt und hofiert. Auch hier wieder ist ein Abwenden vom völkischen Flügel nur ein strategisches Lippenbekenntnis.
Trotz kurzfristiger Mobilisierung beteiligten sich 150 Personen an der Gegenkundgebung, welche durch die lokale Links-Partei organisiert war. Gemeinsam mit „Kein Acker der AfD“ wurde eine Menschenkette mit farbigen Abstandsbändern, Kerzen und Masken auf den Zugangswegen zur AfD-Kundgebung geformt. Roya Sobhani, Pressesprecherin des antifaschistischen Bündnis „Kein Acker der AfD“: „Wir möchten nicht, dass die AfD denkt, inmitten einer weltweiten Pandemie ungestört Kundgebungen abhalten zu können. Wo die AfD in Märkisch-Oderland und anderswo auftaucht, werden auch wir sein und protestieren.“
Im Landkreis Havelland stieg in den letzten Wochen die Anzahl der mit dem Corona-Virus Infizierten erheblich an. Mittlerweile liegt die 7‑Tage-Inzidenz mit Stand heute bei 295,71. Eine alarmierende Zahl, welche deutlich über dem Grenzwert von 200 liegt, ab dem Versammlungen, gemäß Brandenburgischer Corona-Verordnung, untersagt werden. Doch in Falkensee, mit etwa 44.000 Einwohnern immerhin die bevölkerungsreichste Stadt im Havelland, ließen sich Akteure der Telegram-Gruppe: „Das HAVELLAND steht AUF“ etwas einfallen, um sich dennoch treffen zu können. Sie nutzten eine „Hintertür“ in der Corona-Verordnung und meldeten ihre Versammlung einfach als „religiöse Veranstaltung“ an. Mit Erfolg – die Kundgebung durfte am frühen Montagabend am Falkenhagener Anger stattfinden.
Versammlung am Kriegerehrenmal
An einer nur sehr schwach beleuchteten Stelle des Grasplatzes, direkt an einem Kriegerehrenmal versammelten sich dann ab 18.00 Uhr etwa 25 Sympathisierende von „Das HAVELLAND steht AUF“. Begrüßt wurden sie vom Falkenseeer Stadtverordneten Thomas Fuhl (Parteilos), welcher als Moderator fungierte. Er sprach über die Wahl des Kundgebungsortes. Drei Bauwerke seien ihm zum Beispiel an diesem Ort wichtig. Drei Bauwerke die – bildlich gesehen – gleichwohl auch die Eckpfeiler der neuen Initiative bilden könnten . Da wäre die alte Schule, welche „Bildung“ symbolisiere und gemäß Fuhls Worten „eine ganz, ganz wichtige Säule“ sei, damit die Gesellschaft funktioniere. Als Zweites nannte er die Kirche, welche für ihn ganz klar einen Versammlungsort symbolisiere. Als drittes, wichtiges Bauwerk nannte Fuhl das Denkmal für die Gefallenen Soldaten des ersten Weltkrieges. Dies habe für ihn scheinbar eine mahnende Funktion. „Wenn Irritationen ihren Lauf nehmen, enden sie meistens in kriegerischen Auseinandersetzungen“, so Fuhl. In der Mahnung könnte aber auch ein Appell liegen, eine Ermahnung zur Einigkeit. Denn wenn Fuhl eines in Falkensee oder Brandenburg nicht haben wolle, wären dies „bürgerkriegsähnliche Zustände, weil die Leute der verschiedenen Gruppen nicht mehr miteinander reden“.
Verschwörungstheoretiker und Schwurbler willkommen
Auch die Administratorin der Telegram-Gruppe „Das HAVELLAND steht AUF“, eine Bürgerin aus Dallgow-Döberitz, möchte Frieden und darüber hinaus Liebe und Freude. So bekräftigte es die blonde Frau zumindest bei ihrer Rede am Montagabend. Sie wollen Menschen – insbesondere im Corona-Lockdown – vereinen. Jeder sei dazu willkommen, auch „Verschwörungstheoretiker“ und „Schwurbler“, wie die Frau explizit betonte. Und offenbar auch Stephan B aus Berlin, ein Sympathisant extrem rechter Organisationen, der momentan als vermeintlicher Pressevertreter für das Format: „Volksbote“ aktiv ist und entsprechend gefärbte Artikel schreibt. Er wurde – gemäß Chatprotokoll –sogar persönlich von der Administratorin von „Das HAVELLAND steht AUF“ eingeladen.
Ziel: „Erweckung des Havellandes“
Der angeblich religiöse Hintergrund der Versammlung spielte hingegen nur am Rande – beispielsweise beim Beten eines „Vaterunsers“ durch Thomas Fuhl – eine Rolle. Bereits im Telegram-Chat hatte die Administratorin von „Das HAVELLAND steht AUF“ jedoch erkennen lassen, dass die Veranstaltung eigentlich anderen Zwecken diene, insbesondere der Vernetzung und der Erweckung des Havellandes. Dazu wurde auch die Flugschrift „Demokratischer Widerstand“ verteilt, deren Autoren im vergangenen Jahr die berüchtigten Berliner „Hygienedemos“ initiiert hatten. Im Telegram-Chat von „Das HAVELLAND steht AUF“ teilte die Administratorin darüber hinaus auch Artikel des extrem rechten Compact-Magazins.
Die Kameradschaft „Alternative Nationale Strausberg Dart‑, Piercing- und Tattoo-Offensive“ wurde 1998 von Rene Berger gegründet, um die vorher eher als lose Cliquen ansäßigen Nazis in Strausberg zu organisieren. Unterstützung bekam er dabei von Daniel Hermann. Beide konnten dabei auf eine große Zahl Jugendlicher aufbauen, die bereits rechtes Gedanken gut hatten und Linke, Migrant*innen und vermeintlich Andersdenkende regelmäßig angriffen. Auch das linke Zentrum Horte, Vereinsräume des Alternatives Jugendprojektes 1260 e.V. war zu diesem Zeitpunkt öfter Ziel von Angriffen aus dem Spektrum dieser rechten Jugendlichen.
1998 kam Berger gerade aus dem Gefängnis frei, in dem er seit 1994 wegen des Mordes an Hans Georg Jakobson saß. Als Haupttäter wurde er zu 8 Jahren Haft verurteilt, die beiden damaligen Neonazis und Mittäter Henry Günther und Thomas Domke zu jeweils 6 Jahren. Während seiner Haft wurde Berger durch die Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG) betreut. Bereits 1998 kam Berger – offiziell wegen guter Führung – jedoch wieder frei und begann prompt mit dem Aufbau rechter Strukturen in der Region. Seine damalige Partnerin Ilona Hermann, Mutter der Neonazis Daniel und Kay Hermann stellte die gemeinsame Wohnung für Nazi-Treffen zur Verfügung. Die Wohnung lag in Strausberg Vorstadt. Das Eckhaus in der Bahnhofstraße/Ernst-Thälmann-Straße wurde auch Jahre darüber hinaus von Nazis bewohnt. Die Aktivitäten der frischen Kameradschaft waren vielfältig. So beteiligten sich u.a. Rene Berger an einem Infostand der NPD in Strausberg, in dem er als Ordner auftrat. Auch Konzerte wurden organisiert, wie im November 1998. Hier waren Nazis der Berliner Blood&Honour Strukturen vor Ort, zu denen Berger und Hermann Kontakte aufgebaut hatten. Der Erlös des Abends ging an die HNG.
Die Nazis sammelten und trafen sich an verschiedenen Orten in Strausberg Vorstadt und nutzen auch die Jugendclubs „PIO“ und „Domizil“ als Anlauf- und Treffpunkte. In den folgenden Jahren beteiligten sich regelmäßig Nazis aus dem ganzen Landkreis und Städten wie Eberswalde, Fürstenwalde oder Eisenhüttenstadt an Angriffen in Strausberg – meist mit verschiedenen Schlagwaffen ausgerüstet. Dies zeigt zum einen, welche Strahlkraft die ANSDAPO im Landkreis Märkisch-Oderland hatte, aber auch, wie vernetzt die Neonazis waren. Ein besonderer Fokus muss hierbei auf die Kontakte zur Berliner Band Landser gelegt werden, die zu diesem Zeitpunkt schon als kriminelle Vereinigung eingestuft wurden.
Die ANSDAPO trat sehr elitär auf und Anwerber mussten stets ein Aufnahmeritual über sich ergehen lassen. Dies führte zwar dazu, dass die Mitgliederzahl relativ gering war, dafür die Mitglieder aber oft steile Gewalt- oder neonazistische Karrieren vorweisen konnten. Wie Falco Hesselbarth, dessen Mutter Liane Hesselbarth für die DVU kandidierte, oder Björn Zander, der seit 1995 mehrere gewalttätige Übergriffe und Raube zu verantworten hat und schon mehrmals in Haft saß. Als Symbolik nutzte die Kameradschaft eine gelb eingefärbte schwarze Sonne. Der Schriftzug ANSDAPO wurde in Frakturschrift geschrieben. Im Laufe der Zeit haben sich die ANSDAPO-Mitglieder und ihr Umfeld vielfältigen Merchandise mit der Symbolik bedruckt und angeeignet. Ansonsten traten die sie im Stiefelnazi- und Skinheadstyle der 90er Jahre auf.
2004 nahmen mehrere Mitglieder der ANSDAPO an Aktionen des Märkischen Heimatschutzes (MHS) teil, dessen damaliger Ansprechpartner der Strausberger Sebastian Schmidtke war.
2005 kam das Verbot der ANSDAPO wegen der geistigen Nähe zum Nationalsozialismus [1]. Es folgten 19 Hausdurchsuchungen, sowie eine Zellendurchsuchung des bereits inhaftierten Zanders. Gefunden wurden Waffen (auch eine Schusswaffe), Propagandamaterial und Datenträger [2]. Kurz vor dem Verbot versuchte die ANSDAPO die Kameradschaft noch in eine Vereinsstruktur zu überführen, was dann nicht mehr gelang. 2008 wurde das Verbot rechtskräftig.
Weiterbetätigung nach dem Verbot der ANSDAPO
Das Verbotsverfahren und die damit verbundene Repression hielt die Nazis nicht davon ab, ihr altes Schema fortzuführen. 2008 überfielen die Nazis den Jugendclub Strausberg Vorstadt, der zu diesem Zeitpunkt in Trägerschaft der Alternativen Jugendprojektes 1260 war. Unter den Angreifern waren Sven Wartmann, Daniel Hermann, Kay Hermann und Falco Hesselbarth – alles ehemals Aktive der ANSDAPO. Auch tauchte im Zeitraum 2008/2009 eine CD der Gruppe „Projekt 8.8“ unter dem Titel „Unter blutrotem Banner“ auf, auf der neben diversen Hakenkreuzfahnen auch das Logo der ANSDAPO zu finden ist.
Dennoch konnte im Folgenden eine Abnahme der Aktivitäten und gewalttätigen Angriffe beobachtet werden. Die Mischung aus Repression, aber auch das älter werden und Familiengründungen wirkte. Neben einem langen Vorstrafenregister hatten viele mittlerweile auch Familien und Kinder, welche auch Teil der neonazistischen Subkultur wurden. Einige Akteure verschwanden aber auch von der Bildfläche.
Auch wenn bei den Razzien beim Verbotsverfahren viel Merchandise beschlagnahmt wurde, hatten die Nazis keine Probleme sich ihr Kleidungsrepertoire einfach wieder anzuschaffen. Über den MHS hatten sie Kontakte Christian Banaskewicz, der immer wieder verschiedene neonazistische Versände betrieb. Shirts und Co druckte Banaskewicz selbst im Textildruck Eberswalde in der Freienwalder Straße 80a. Über den Textildruck Eberswalde, der verschieden Merchandise für Rechtsrock-Bands druckte, konnten die Nazis hier alles mit ihren Logos bedrucken. Falco Hesselbarth posiert verschiedene Male als Model für die Kleidung, die Banaskewicz online verkauft. Heute dient die Adresse des ehemaligen Textildrucks in Eberswalde als Impressum für den Online-Versand von der Neonazi-Band „Exzess“.
Rene Berger gehörte zu denen, die das Verbot schlichtweg ignorierten und weiterhin mit Pullovern und T‑Shirt in der Öffentlichkeit auftrat, auf denen das verbotene Logo der ANSDAPO mit Schriftzug zu sehen war. In der Zwischenzeit waren ehemalige Mitglieder der ANSDAPO auch immer wieder als Security in der Stadt Strausberg oder bei Dorffesten der umliegenden Dörfer eingesetzt. So trat Daniel Hermann nicht nur bei Dorffesten in Zinndorf auf, wo er mittlerweile hingezogen ist, sondern auch bei Feiern der Stadt Strausberg im Auftrag der Firma „One Security“.
Da die ANSDAPO sich auch regelmäßig im öffentlichen Raum traf oder Privatwohnungen nutzte, konnte das Verbot den Treffpunkten nichts anhaben. Einer dieser Orte bildete der Hof von Daniel Hermann in Zinndorf. Dieser wurde nicht nur zum „Herrentag“ regelmäßiges Ziel von gemeinsamen Ausflügen, auch zu anderen Anlässen fanden sich dort immer wieder Neonazis ein, teilweise reisten diese auch überregional an. Auch an den gemeinsamen Fahrten nach Berlin, um gemeinsam mit Michael „Lunikoff“ Regener einen trinken zu gehen, hat sich bis heute wenig geändert. Außerdem waren und sind die Nazis regelmäßig in ihrer Stammkneipe in Strausberg Vorstadt anzutreffen — heute unter dem Namen “Gaststätte zur Endstation” und immer noch Anlaufpunkt für die Nazis. Hier konnten sie auch aktiv junge Neonazis an werben. Um Dominik Schiöberg und Kevin Jenning gab es eine Gruppe von ca. 5 Personen, die dem Jungsturm angehörten. Der sogenannte Jungsturm sollte die Jugendorganisation der ANSDAPO sein und trat mit einem ähnlichen Logo auf. Aufmerksam machte die Jugendorganisation von sich, als sie unter Beteiligung von Rocco Meihs eine antifaschistische Gedenkkundgebung stören wollten. Dominik Schiöberg versuchte sich nach seinem Schulabschluss als Security und begann eine Ausbildung. Wie andere Neonazis auch, arbeitete er bei „One Security“. Nachdem seine neonazistischen Aktivitäten öffentlich gemacht wurden, musste er die Ausbildung abbrechen und wurde Fleischer. Mittlerweile arbeitet er gemeinsam mit Kevin Jenning im REWE Supermarkt in Rehfelde. Rocco Meihs arbeitet als Krankenpfleger in Strausberg.
Wiederbelebung der ANSDAPO als AO Strausberg
Seit 2015 agieren ehemalige Mitglieder der ANSDAPO und des „Jungsturm“ unter dem Namen „AO Strausberg“. Wie schon die ANSDAPO sie als vermeintliche Rocker auf, tragen Kutten und Motorradbekleidung. Auf diesen findet sich auch das ehemalige Logo der ANSDAPO, nun mit AO Strausberg in Frakturschrift. Am Skinhead-Outfit hat sich bei den Mitgliedern seit den 90er Jahren meist wenig verändert. Es zeigen sich enge Vernetzungen zu weiteren rechten und neonazistischen Gruppierungen. Bei den rechten BraMM-Demonstrationen 2015 kamen die Mitglieder geschlossen und traten martialisch auf. Auf der von Lars Günther (heute Brandenburger MdL für die AfD) organisierten rassistische Demonstration im Dezember 2015 in Strausberg Vorstadt stellte die AO Strausberg die erste Reihe [3]. Mit dabei waren Kevin Jenning, Tino Burkart, Markus Hickstein, Rene Berger, Rocco Meihs, Dominik Schiöberg und weitere. Björn Zander fuhr den Lautsprecherwagen. Dass die AO bei der Demo eine tragende Rolle einnahm, hängt mit ihren Kontakten nach Bad Freienwalde zusammen. Schon bei den Kundgebungen, die Lars Günther in Bad Freienwalde organisierte, vermittelte Robert Gebhardt Kontakte in die organisierte Naziszene, die dort Ordner*innen stellt. So dann auch in Strausberg. Gebhardt war selbst mit einigen anderen Nazis aus Bad Freienwalde bei der Demo anwesend. Gebhardt als Kader der Kameradschaft Märkisch-Oder Barnim (KMOB) pflegte schon lange vorher Kontakte mit Strausberger Neonazis. 2010 organisierte die KMOB nicht umsonst eine ihrer Demos auch hier in Strausberg.
Auch nahmen Zander und zwei weitere an einer rassistischen Demonstration in Frankfurt (Oder) im Februar 2016 teil [4]. Die rassistischen Mobilisierungen dieser Zeit scheinen der Startpunkt für eine erneute straffe Organisation der Nazis gewesen zu sein, die seit dem Verbot der ANSDAPO nicht mehr als nach außen offen erkennbare Struktur auftraten. 2016 kam es durch Björn Zander zu einem Angriff auf einen alternativen Jugendlichen in der Strausberger Altstadt. [5]
Auffällig ähnlich der ANSDAPO ist auch die Nähe zur rechten Musikszene, wie sie in Strausberg durch die Neonazi-Band „Exzess“ rund um Tobias Vogt gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass die Bandmitglieder Daniel Köhring und Patrick Alf, die beide ihre Jugend in Strausberg und Umgebung verbracht haben, im Fahrwasser der ANSDAPO politisiert wurden. Übrigens schmückte das Demo-Album von Exzess aus dem Jahre 2009 eine Schwarze Sonne auf dem Cover. Das Alf 2008 für die DVU antrat, zu der die ANSDAPO enge Verbindungen hatte, muss da kein Zufall sein. Auch zu Enrico Hoffmann alias Onkel Spider haben die Mitglieder der AO gute Kontakte. Exzess warb 2016 damit, sich bei Hoffmann das Bandlogo tätowieren zu lassen. Sein Studio „Final Solution“ liegt in Grünheide bei Erkner. Hoffmann tauchte auch bei den rassistischen Mobilisierungen 2015/16 in Strausberg auf.
2017 sind mehrere Mitglieder derAO Strausberg, darunter erneut Björn Zander, auf dem „Rock gegen Überfremdung“ in Themar dabei [6] . Außerdem machte die AO Strausberg 2017 Saalschutz und Getränkeverkauf bei einem Konzert der rechten Band „Feuer Frei“. In dieser ist Kai Hasselmann aus dem Barnim aktiv. Andere Mitglieder kommen auch aus dem Barnim und treten mit Kutten der Bruderschaft Barnimer Freundschaft auf. Auch dies ist eine Verbindungslinie der ANSDAPO zur heutigen AO. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Nähe zu Patrick Krüger. Dieser ist nicht nur Teil von Barnimer Strukturen wie der „Sturmgruppe 44“ in der auch Hasselmann aktiv ist, sondern er besitzt direkte Kontakte nach Strausberg und Umgebung. Eine enge Freundschaft hegt er mit dem in Eggersdorf wohnenden Marcel Thorn. Dieser wiederum steht mit der AO Strausberg in Kontakt. Dass Krüger aber direkt nach Strausberg Kontakte hat, zeigen seine Anwesenheit bei Konzerten und freundschaftlicher Umgang mit Exzess. Auch er war bei einer BraMM Demonstration anwesend.
Die AO besitzt in Strausberg Vorstadt Räumlichkeiten, wo sie kleinere Feiern und Konzertabende durchführen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Ort auch als Lager für den eigenen Merch in Form von T‑Shirts und Kutten genutzt wird.
Das einheitliche Auftreten als Gruppe der gleichen Personen mit dem gleichen Logo weisen neben den ähnlichen Aktivitäten stark darauf hin, dass es sich bei der AO Strausberg um eine Nachfolgeorganisation der ANSDAPO handelt. 2018 tauchten Mitglieder der AO Strausberg mit T‑Shirts mit der Aufschrift „20 Jahre AO Strausberg“ auf, wobei sich hier wohl eher auf das Gründungsdatum der ANSDAPO bezogen wird. Auch an anderer Stelle verwiesen die Mitglieder der AO auf das Jahr 1998, so wird zu der Buchstabenkombination AOSRB auch gerne die 98 dazu gefügt. Entgegen der früheren ANSDAPO sind die Kameraden der AO weniger auf öffentlich wirksame Aktionen aus und fröhnen stärker dem NS-Lifestyle. Dennoch ist diese Gruppe nicht zu unterschätzen, wie der Angriff 2016 durch Björn Zander zeigte. Immerhin gehören ihr mehrfach verurteile Gewalttäter und Mörder an.
Zuletzt waren Mitglieder der AO Strausberg vermutlich beim dezentralen „Heldengedenken“ in Form eines Fackelmarsches des III.Weg im November 2020 in Strausberg dabei. Hier ist zu vermuten, dass sich aufgrund der gemeinsamen politischen Ziele auch personelle Überschneidungen ergeben.
Unklar ist, warum der Verfassungsschutz und das Land Brandenburg, denen diese Parallelen und Aktivitäten auch bekannt sind, bisher nicht aktiv werden und die AO Strausberg als Nachfolgeorganisation der ANSDAPO verbieten. Vielleicht ist hier der Schutz von V‑Männern wichtiger als das Durchgreifen gegen gewaltbereite Neonazis?
Kundgebung statt Demonstration
Wir hatten gehofft, dass eine Demonstration am 20. Februar möglich sein wird. Leider müssen wir euch nun mitteilen, dass es keine Demonstration geben kann, da laut dem aktuellen Pandemie/Demonstrationsbestimmungen nur Kundgebungen erlaubt sind und keine Demonstrationszüge. Daher wird am 20. Februar um 13 Uhr in der Havelstraße 13 eine antifaschistische Gedenkkundgebung für Sven Beuter stattfinden. Bis zu diesem Ort hatte der Totschläger Sascha L. Sven Beuter geschliffen und an dieser Stelle wurde 2007 auch eine Gedenkplatte für Sven Beuter verlegt.
Wir bedauern sehr, dass es keine Demonstration geben kann. Wir hoffen, dass ihr trotzdem den Weg in die Havelstraße 13 findet um Sven Beuter zu gedenken.
Infektionsschutz
Wir bitten euch während der gesamten Kundgebung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und nach Möglichkeiten die Mindestabstände zu wahren.
Solltet ihr nach der Kundgebung einen positiven Test haben, schreibt uns das gerne verschlüsselt per Mail und wir kommunizieren dann, dass die Menschen, die bei der Kundgebung waren, in den kommenden Tagen entsprechend noch aufmerksamer sein sollten etc.
Neonazis und Autokorso von Querdenkern
Seit dem es ein Gedenken an den ermordeten Sven Beuter gibt, gehören neonazistische Störungen der Veranstaltungen dazu. Seit 2015 nahmen diese Störungen allerdings ab und zuletzt gab es keine mehr. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass es erneut zu Störungen kommen kann. Sollte das der Fall sein, bitten wir euch, besonnen zu reagieren.
Ebenfalls findet am 20. Februar um 14 Uhr am Wiesenweg ein Autokorso von „Brandenburg steht auf“ statt. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Coronaverharmloser*Innen, Verschwörungserzähler*Innen, Coronaleugner*Innen und auch Rechten. Der erste Autokorso fand am Samstag den 6. Februar 2021 mit ca. 150 Fahrzeugen statt und fuhr über 2 Stunden im gesamten Stadtgebiet eine Runde. Wir gehen nicht davon aus, dass der Korso an der Kundgebung vorbei fahren wird. Allerdings wird man deren Hupen wahrscheinlich auch am Kundgebungsort hören.
Die Polizei
Das Verhalten der Polizeikräfte und die Anzahl der eingesetzten Bediensteten lässt sich nur schwer abschätzen. In der Regel ist die Polizei bei Veranstaltungen von Neonazis und dementsprechenden Gegenprotesten immer massiv präsent gewesen, bei den vergangenen Gedenkveranstaltungen hielt sie sich jedoch zurück und es wurden nur wenige Bedienstete eingesetzt. Bisher machte die Polizeiführung eher den Eindruck, als wollte sie die Gedenkkundgebung ruhig und ohne größere Probleme durchführen.
Hintergrund
7. November 1992: Rolf Schulze wird in Lehnin von drei Neonazis zusammengeschlagen, ertränkt und verbrannt.
20. Februar 1996: Sven Beuter wird in Brandenburg an der Havel von einem Neonazi zu Tode getreten.
Wir erinnern an Sven Beuter, Rolf Schulze und an die mehr als 200 Todesopfer faschistischer Gewalt in Deutschland allein seit 1990. Die beiden Fälle eint, dass die Menschen von bekennenden und organisierten Neonazis ermordet wurden. Beide Männer mussten sterben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlenden Sonne zu leben“, wie es einer der Mörder von Rolf Schulze während der Gerichtsverhandlung verlauten ließ.
Rolf Schulze war zu seinem Todeszeitpunkt im Jahre 1992 wohnungslos und schlief häufig auf Bahnhöfen. Des Weiteren ging er keiner geregelten Arbeit nach. Dies allein machte ihn zum potentiellen Opfer. Die drei Täter sahen in ihm nur eine Belastung für die Gesellschaft und befanden daher, dass sie im Sinne dieser agieren würden, indem sie Rolf Schulze misshandelten und letztendlich töteten. Aus ihrer Ideologie machten sie während der Gerichtsverhandlung keinen Hehl. Auch gaben sie offen zu, in verschieden neonazistischen Gruppierungen aktiv zu sein. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ihre Handlung nicht im Affekt geschehen ist, sondern letztendlich die Folge ihrer Weltanschauung war. Nach dieser haben nur Menschen ein Recht zu leben, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen.
Ähnlich verhält es sich bei dem Mord an dem alternativen Jugendlichen Sven Beuter. Er wurde von dem noch heute in der Neonaziszene aktiven Sascha L. ermordet. L. versuchte zwar während der Gerichtsverhandlung Reue zu zeigen, tat dies nachweislich jedoch nur, um mit einer milderen Gefängnisstrafe davon zu kommen. Nach Beendigung der Haftstrafe machte er da weiter, wo er vor dem Mord aufgehört hatte.
Seit dieser Gewalttat im Jahre 1996 gab es immer wieder Gedenkveranstaltungen, die versuchten, den Mord nicht auf eine Auseinandersetzung von rivalisierenden Jugendgruppen zu reduzieren, sondern die politische Dimension klar zu benennen. An diese Tradition gilt es in diesem Jahr anzuknüpfen. Denn solche Morde, als auch die zahlreichen Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte, geschehen nicht von ungefähr. Sie sind die logische Konsequenz der Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems und faschistischer Denkmuster.
Wir mahnen, die Auswirkungen menschenverachtender Ideologien nicht aus den Augen zu verlieren und stets unsere Stimmen gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung zu erheben. Gemeinsam müssen wir den gesellschaftlichen Rechtsruck mit Solidarität und Entschlossenheit stoppen und unsere Vorstellungen von einer offenen, antikapitalistischen und freien Gesellschaft leben und verbreiten.
Die Auswirkungen des Terrors der Nationalsozialisten*innen sind für viele Menschen bis heute präsent und spürbar. Das Aufkommen und der Radikalisierungsprozess der AfD steht in der ungebrochenen Tradition deutscher Faschist*innen, das Dritte Reich wieder aufleben lassen zu wollen, den Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht zu nehmen und sie in Kategorien einzuteilen. Dies führt von Ausgrenzung über Diskriminierung bis hin zum Mord, wie bei Rolf Schulze und Sven Beuter.
Wir mahnen, aus der Geschichte zu lernen und sich mit aller Kraft gegen jegliche antiemanzipatorischen Strömungen zur Wehr zu setzen.
Eine solidarische und antifaschistische Gesellschaft ist möglich!
Wir kämpfen selbstbewusst für eine offene und freie Gesellschaft – frei von Ausbeutung, Ausgrenzung und Diskriminierung. Egal wo und in welcher Form kapitalistische und faschistische Denkmuster auftreten, ist es unsere Aufgabe, ihnen auf jeder Ebene entgegenzutreten und sie mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Zum letzten großen Gedenken 2016 gingen wir intensiv in unserem Aufruf auf die rassistischen Mobilisierungen ein. Jetzt, fünf Jahre später, erleben wir eine Art Revival dieser Mobilisierungen. Dieses Mal laufen wieder vermeintlich besorgte Bürger*innen Seite an Seite mit Rechtsextremist*innen. In Brandenburg an der Havel gehen seit dem 2. November nun jeden Montag rund 300 Corona-Verharmloser*innen mit Rechtsextremist*innen unter dem Label „Brandenburg steht auf“ auf die Straße. Mit dabei ist auch die AfD. Sie fordern die sofortige Beendigung des „Lockdowns“. Damit werden wirtschaftliche Interessen vor die Gesundheit von Vorerkrankten und anderen Risikopatient*innen gesetzt. Darin lassen sich Tendenzen zu faschistisch-kapitalistischen Denkmustern erkennen. Menschen, deren Arbeit als vermeintlich weniger Wert eingeschätzte wird, wird das Recht auf Leben abgesprochen. Hinzu kommen weitere Überschneidungen in der Gesinnung bzw. Ideologie. So glauben sowohl Rechtsextreme als auch Querdenker*innen an eine geheime Elite, welche im Verborgenen agieren würde. Für Rechtsextreme steht hierbei klar fest, wer die Fäden in der Hand hält. Sie glauben an eine jüdische Weltherrschaft und bedienen damit das alte antisemitische Feindbild. Es ist daher auch nicht weiter verwunderlich, dass sich die Demonstrant*innen von „Brandenburg steht auf“ mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus konfrontiert sehen.
Hier ist es unsere Aufgabe, diese Denkmuster zu entlarven, sie als falsch, gefährlich und menschenverachtend zu benennen und sie mit aller Härte zu bekämpfen. Wenn wir jetzt keine entschlossene und entschiedene antifaschistische Antwort auf diese Mobilisierungen geben, werden wir die Konsequenzen noch weitreichend zu spüren bekommen. Das könnte sich beispielsweise in einer noch stärkeren AfD auswirken, die weiterhin alles bekämpft, das sie links der CDU verortet, ihnen Mittel kürzen will, wie dem Landesverband der Falken Brandenburg oder emanzipatorische Projekte wie das Utopia e.V. in Frankfurt/Oder angreift. Dem gilt es überall und geschlossen entgegenzutreten. Wann immer jemand versucht, Minderheiten aus der Gesellschaft auszugrenzen und zu diskriminieren, findet ein Angriff auf unsere Gesellschaft statt, zu der ethnische und kulturelle Vielfalt dazugehört. Wir kämpfen gegen das Vergessen von zwei Morden durch Neonazis und deren faschistischen Weltbilder, wie sie leider bis heute tief im Denken vieler Menschen verankert sind. Niemand hat das Recht zu entscheiden, welches Leben (lebens)wert ist und welches nicht. Daraus ergibt sich für uns auch die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Coronaverhamloser*innen. Nie wieder Faschismus heißt auch Geschichtsrevisionist*innen, die gerade einen Aufwind bekommen und Anschluss bei de Coronaverhamloser*innen finden, zu bekämpfen. Niemand ist vergessen! Nichts ist vergeben!
Deshalb:
Organisiert euch! Wehrt euch! Kämpft!
20. Februar 2021 – 13 Uhr – Hauptbahnhof Brandenburg an der Havel – Antifaschistische Gedenkdemonstration
Am 27.01.1945 wurde das Vernichtstungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Wir wollen am 27.01.2021 mit euch gemeinsam an diesen Tag erinnern und mahnen.
Als Veranstalter*innen gehen wir nicht davon aus, dass wir uns am 27.01.2021 wieder gemeinsam mit vielen Menschen treffen können. Aus diesem Grund planen wir, ähnlich wie am 09.11.2020, ein digitales Gedenken. Somit könnt ihr einzeln oder mit euren Peergroups am OdF-Denkmal am Platz der Einheit und am sowjetischen Ehrenfriedhof Bassinplatz individuell gedenken. Hierfür werden wir Blumen und Kerzen bereitstellen, die ihr gerne nutzen könnt.
Der 27.01. ist seit 2005 internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Er wurde durch die Vereinten Nationen zum 60. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eingeführt. Auch nach 76 Jahre fällt es uns immer noch schwer, das Grauen von Auschwitz in Worte zufassen. Die Worte des Shoa-Überlebenden Max Mannheimer treffen es ganz gut: »Auschwitz hat mich nicht verlassen.«
Nur durch eine niemals endende Auseinandersetzung mit der Entstehung und Wirkungsweise des Nationalsozialismus wird es möglich sein, die gegenwärtigen Entwicklungen zu bewerten. Antisemitismus, Nationalismus und Faschismus sind nicht verschwunden – wir müssen die Erscheinungsformen von Antisemitismus, mit allen seinen Facetten und deren Ausprägungen erkennen und bekämpfen.Denn, wie der Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi es einst formulierte: »Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen«.
Darum kommt am 27.01.2020 zum Denkmal für die Opfer des Faschismus auf dem Platz der Einheit in Potsdam und geht zum sowejetischen Ehrenfriedhof auf dem Bassinplatz
Nie wieder Faschismus! Gegen jeden Antisemitismus!