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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Eröffnung Gedenkgarten “AuszenDrauszen”

8. Mai 1945 – Tag der Befreiung! — Nie Wieder Deutschland!

Am 08. Mai 1945 wurde das Nazi-Regime durch den mil­itärischen Sieg der Anti-Hitler-Koali­tion — der Stre­itkräfte der Alli­ierten, der Partisan*innen und Widerstandkämpfer*innen – zer­schla­gen. Somit erin­nern wir an diesem Tag an die Befreiung Europas vom deutschen Faschis­mus und an die Befreier*innen.
Mehr als 60 Mil­lio­nen Men­schen fie­len dem Naziter­ror, Shoa und Ver­nich­tungskrieg zum Opfer und viele weit­ere erfuhren schreck­lich­es Leid. Für die Über­leben­den der Shoa, der Konzen­tra­tionslager und Zuchthäuser und deren Ange­hörige, sowie für die befre­it­en Zwangsarbeiter*innen – war der 8. Mai 1945 – der lang ersehnte Tag der Befreiung. Aber auch wir Alle, die heute leben, ver­danken die Chance eines Lebens in Frieden, Frei­heit und Vielfalt den alli­ierten Stre­itkräften und erin­nern mit beson­der­er Dankbarkeit an die Befreier*innen.

Kranz am sowjetischen Ehrendenkmal in Neuruppin
Gesteck zum Gedenken am 8. Mai auf dem sow­jetis­chen Ehren­fried­hof in Neuruppin

Anlässlich des 76. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutsch­land gedacht­en wir, als Soziales Zen­trum JWP „Mit­ten­Drin“ am 08.05.2021, auf dem Sow­jetis­chen Fried­hof den Befreier*innen und legten Ihnen zu Ehren einen Kranz nieder.

Im Anschluss daran eröffneten wir den Gedenkgarten „Auszen­Drauszen“ auf dem Ron­dell vor dem JWP „Mit­ten­Drin“. Dort wird anhand von Schildern an die ermorde­ten Neu­rup­pin­er Jüdin­nen und Juden, sowie der Opfer der nation­al­sozial­is­tis­chen „Euthanasie“-Aktion T4 gedacht. Die Dreizehn Schilder, sollen auch 76. Jahre nach der Befreiung an die nation­al­sozialis­chen Ver­brechen erin­nern, mah­nen, und diese sicht­bar machen.

Eine Tafel aus dem Gedenkgarten “Auszen­Drauszen”.

Doch sie sollen uns auch mah­nen, dass Erin­nerung und Gedenken nicht fol­gen­los bleiben dür­fen. Gemein­sam müssen wir den Recht­en und Rassist*innen entsch­ieden ent­ge­gen­treten – auf der Straße, in den Par­la­menten und in den Insti­tu­tio­nen! Antifaschis­tis­ches Engage­ment darf nicht krim­i­nal­isiert wer­den, denn es ist und bleibt notwendig — in Zeit­en in denen rechte Parteien ver­suchen linke und emanzi­pa­torische Vere­ine zu krim­i­nal­isieren, an denen linke Pro­jek­te von Neon­azis ange­grif­f­en und auf diese Anschläge verübt wer­den, an denen rechter Ter­ror an der Tage­sor­d­nung ist und fast wöchentlich Mord­dro­hun­gen, Waf­fen­funde, Todeslis­ten und Anschlags­pla­nun­gen bekan­nt werden.

Wir ste­hen sol­i­darisch zusam­men und fordern: Kein Ver­bot antifaschis­tis­ch­er Grup­pen #Wirsin­dAl­leAn­tifa

8. Mai als Feiertag

Wir fordern außer­dem, dass der 8. Mai endlich als Tag der Befreiung von Faschis­mus und Krieg in ganz Deutsch­land ein offizieller Gedenk­tag wird, um den Tag würdig zu feiern.

In diesem Sinne zitieren wir Esther Bejarano:
„Der 8. Mai muss ein Feiertag wer­den! Ein Tag, an dem die Befreiung der Men­schheit vom NS-Regime gefeiert wer­den kann. Das ist über­fäl­lig seit sieben Jahrzehn­ten. Und hil­ft vielle­icht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Nieder­schla­gung des NS-Regimes.“

Wir fordern mehr Zeit für Antifaschis­mus – Der 8. Mai muss endlich zum Feiertag werden!

Weit­ere Impres­sio­nen des Gedenkgartens “Auszen­Drauszen”:

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Antifaschismus

Brauner Kinderschutz am „Tag der Befreiung“

Lange Zeit war es ruhig um die extreme Rechte in der Oder­stadt gewe­sen. Nach ein­er Rei­he von Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen unter dem Mot­to „Frank­furt (Oder) wehrt sich“ vor rund fünf Jahren gab es lange Zeit keine öffentlich wahrnehm­baren Aktio­nen der Neon­azis mehr. Zu stark schien die eben­falls rechte Partei AfD in Ost­bran­den­burg zu sein. Nun will die NPD mit einem reak­tivierten Ortsver­band Frank­furt (Oder) wieder aktiv­er wer­den. Mit dem The­ma Kindesmiss­brauch hof­fen Sie auf Zus­tim­mung in der Bevölkerung.

“Kinder­schän­der raus aus Frankfurt/Oder” fordern die örtlichen Neon­azis, die teil­weise durch frühere Aufmärsche bekan­nt sind. (Foto: presse­di­enst ffo)

Kundgebung mit alten und jungen Neonazis

Viel war an diesem Sam­stagvor­mit­tag nicht los. Coro­na bes­timmt immer noch das gesellschaftliche Leben. Nur wenige Men­schen strömten aus dem Bahn­hof­s­ge­bäude in Rich­tung Innen­stadt oder gin­gen zu den Zügen. Ab 11 Uhr aber ver­sam­melten sich vor allem junge Frankfurter*innen auf dem Bahn­hofsvor­platz vor dem Haupt­bahn­hof. Der örtliche NPD-Ableger, der lange Zeit nur auf dem Papi­er bestand und deren Inter­net­seite jahre­lang auf die Webpräsenz der NPD Oder­land ver­wies, meldete sich von den Toten zurück. Mit selb­st gemal­ten Trans­par­enten und Schildern auf denen sich gegen Kindesmiss­brauch und härtere Strafen für „Kinder­schän­der“ aus­ge­sprochen wurde, wirk­te die Ver­samm­lung spon­tan und unor­gan­isiert, den­noch fan­den sich knapp 70 Men­schen zusam­men. Es sollte der Anschein erweckt wer­den, dass es ein Protest Frank­furter Bürger*innen ist. Bei genaueren Hin­se­hen wurde jedoch klar, dass die Kundge­bung alles andere als unge­plant stat­tfand. Eine größere Gruppe von bekan­nten Neon­azis von der NPD reiste in die Oder­stadt, darunter der Lan­desvor­sitzende Klaus Beier. Zwar rede­ten auch zwei junge Frauen, die unter Trä­nen von ihren Miss­brauchs­fällen berichteten, doch diente dies vor allem dazu Betrof­fen­heit zu erzeu­gen. In Sorge um den ange­blich fehlen­den Schutz der Kinder nutze Beier die Stim­mung, um in ein­er ein­studierten Rede gegen die Grü­nen, Linke, Ausländer*innen, die Coro­na-Poli­tik und Polizei zu het­zen, denen er die Schuld für die Zustände im Land gibt. Im Hin­blick auf den Tag selb­st sprach der NPDler zudem von einem Tag der Schande, denn die Deutschen wären nicht befre­it wor­den, son­dern mussten unendlich­es Leid am Kriegsende erfahren. Kriegss­chuld und Holo­caust taucht­en in Klaus Beiers Rede selb­stre­dend nicht auf.
Anmelder der Kundge­bung war der lokale NPDler Siegfried Pauly (auch bekan­nt als Siegfried Gün­ther). Auch er meldete sich zum Anlass der Ver­samm­lung zu Wort. In seinen eher unbe­holfe­nen Rede­beiträ­gen dro­hte er, dass er und seine Kam­eradI­in­nen nicht nur reden, son­dern auch han­deln wollen. Angesichts der zunehmenden extrem recht­en Gewalt der ver­gan­genen Jahre ist auch von der gewalt-affinen Neon­aziszene in der Stadt nichts Gutes zu erwarten.
Bis 13 Uhr angemeldet wurde die Kundge­bung vorzeit­ig um 12 Uhr been­det. Die meis­ten der Anwe­senden zogen Rich­tung Innen­stadt ab.

Siegfried Pauly (3. v. l., schwarze Jacke) und NPD-Vor­sitzen­der Klaus Beier (2. v. r., braune Jacke) im Gespräch mit einem jun­gen Neon­azi mit ein­deutiger Sym­bo­l­ik auf den Rück­en. (Foto: presse­di­enst ffo)

NPD Frankfurt (Oder) reaktiviert

Aufgerufen zu der Kundge­bung hat­te die Face­book-Gruppe „NPD Frank­furt Oder“. Diese existiert erst seit Anfang April und hat derzeit etwa 21 Mit­glieder. Einen ersten Stammtisch und Flug­blat­tak­tio­nen haben bere­its stattge­fun­den. Laut Recherchen der Frank­furter Recherchegruppe soll dafür der vorbe­strafte Neon­azi Siegfried Pauly (Gün­ther) ver­ant­wortlich sein, der sich selb­st „Sig­gi Pauly“ bei Face­book nen­nt. Zulet­zt war dieser im Jahr 2017 bei ein­er Quer­front-Kundge­bung vor dem Frank­furter Rathaus aufge­fall­en (Infori­ot berichtete). Vor zwei Wochen zogen einige Neon­azis unter Führung von Pauly vom Dres­den­er Platz zur Kleinen Müll­ros­er Straße im Stadt­teil Neu­beresinchen, um dort vor dem Wohn­haus eines ver­meintlichen Sex­u­al­straftäters zu demon­stri­eren. Gefordert wurde u.a. die „Todesstrafe für Kinder­schän­der“, eine unter Neon­azis beliebte Parole, mit der die Bran­den­burg­er NPD schon vor über 10 Jahren durch Bran­den­burg­er Städte zog.
Einst hat­te die NPD große Erfolge in Frank­furt (Oder) ver­buchen kön­nen. In den soge­nan­nten Base­ballschläger­jahren ter­ror­isierten deren Anhän­gerIn­nen die Stadt. 1998 ver­trat Jörg Häh­nel die Partei im Stadt­par­la­ment. Nach dessen Wegzug und Inter­ven­tio­nen von Antifaschist*innen Anfang und Mitte der 2000er Jahre trat die NPD immer weniger in Erschei­n­ung. Ihre ein­sti­gen Posi­tio­nen über­nahm inzwis­chen teil­weise die AfD um Wilko Möller, der mit ein­er ähn­lich recht­en Rhetorik Wahler­folge in der Region erzie­len konnte.

Gegenkundgebung laut und gut sichtbar

Ein Händ­chen für einen guten Stan­dort des Gegen­protest zeigte dies­mal erneut das Bünd­nis „Kein Ort für Nazis in Frank­furt (Oder)“. Kurz vorher noch bei der tra­di­tionellen Kundge­bung am sow­jetis­chen Ehren­mal im Gedenken an den „Tag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus“ auf dem Anger, ver­sam­melten sich etwa 60–70 Antifaschist*innen auf einen Hügel vor der Handelskammer.

Der antifaschis­tis­che Gegen­protest war gut sicht­bar über der Neon­azi-Kundge­bung posi­tion­iert. (Foto: presse­di­enst ffo)

Von dort beschall­ten sie mit ihren Rede­beiträ­gen und Musik den Bahn­hofsvor­platz so laut, dass die Neon­azis ihre Rede­beiträge teil­weise nur schw­er ver­standen haben dürften. Das fiel auch der Polizei auf, die die Gegenkundge­bung daher auf­forderte ihre Anlage weg vom Ver­samm­lung­sort der NPD zu drehen. Anson­sten hat­ten die einge­set­zten Polizeikräfte an dem Tag wenig zu tun. Obwohl bei den Neon­azis teil­weise keine Masken getra­gen wur­den und Min­destab­stände kaum einge­hal­ten wur­den beließ es die Polizei bei Ermahnungen.

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Gegen Kindesmissbrauch am „Tag der Befreiung“

Am kom­menden Sam­stag, den 8. Mai, jährt sich die Nieder­schla­gung des Nation­al­sozial­is­mus zum 76. Mal. Für viele Men­schen die unter den Nazis gelit­ten haben ist es vor allem der „Tag der Befreiung“, welch­er das Ende des Zweit­en Weltkriegs und der Shoah bedeutete. Auch in Frank­furt (Oder) wird es dazu Gedenkver­anstal­tun­gen geben. Frank­furter Neon­azis wollen den Tag stattdessen nutzen um mit einem anderen The­ma von der Nieder­lage ihrer Vor­bilder abzu­lenken. Ab 11 Uhr wollen Reste früher­er NPD-Struk­turen gegen Kindesmiss­brauch auf dem Bahn­hofsvor­platz eine Kundge­bung abhalten.

Aufruf der NPD für eine Kundge­bung am 08. Mai 2021

Bekannte Gesichter hinter neuer NPD Struktur

Die Frank­furter Neon­azi-Szene scheint wieder aktiv­er zu wer­den. Seit den Jahren 2012 und 2015–2016, als in der Oder­stadt mehrere Neon­azi-Demon­stra­tio­nen stattge­fun­den haben, fiel die extreme Rechte in der Region lediglich durch Graf­fi­ti-Aktio­nen und Bedro­hun­gen auf. Beteili­gun­gen an Aufmärschen nah­men dage­gen merk­lich ab und wur­den zulet­zt kaum noch reg­istri­ert. Bei ein­er Kundge­bung von Corona-Leugner*innen im Novem­ber let­zten Jahres wur­den zwar örtliche Neon­azis gesichtet, hiel­ten sich aber eher im Hintergrund.[1] Seit kurzem gibt es nun wieder eine Face­book-Gruppe mit dem Namen „NPD Frank­furt Oder“, welche bis­lang lediglich 21 Mit­glieder umfasst. Den­noch macht man sich daran schnell wieder eine „nationale Gruppe“ aufzubauen. Am Sam­stag, den 17. April soll es bere­its einen ersten Stammtisch gegeben haben. Als Admin der Gruppe tritt der User „Sig­gi Pauly“ auf, der mit richtigem Namen sehr wahrschein­lich Siegfried Pauly (auch als Siegfried Gün­ther bekan­nt) heißt. Bis­lang ist der Neon­azi eher unauf­fäl­lig gewe­sen. Seine let­zte Teil­nahme an ein­er extrem recht­en Ver­anstal­tung in der Oder­stadt nah­men Antifaschist*innen im Jahr 2017 wahr. Damals nahm er am 1. Mai an ein­er Quer­front-Kundge­bung vor dem Frank­furter Rathaus teil.[2] Neben Pauly find­en sich noch weit­ere bekan­nte Gesichter in der Face­book-Gruppe. Dazu gehören die seit Jahren in der Szene aktiv­en Neon­azis Mario Schreiber, Mar­i­an Schulz, Ron­ny Standera und Marko Deich­mann. Ein Fan der Frank­furter Kamerad*innen scheint zudem der NPD-Lan­desvor­sitzende Klaus Beier zu sein. Er taucht eben­falls als Mit­glied der Gruppe auf. Auf den Beitrags­bildern der Seite erken­nt man weit­ere bekan­nte Rechte, die eben­falls schon früher auf neon­azis­tis­chen Ver­samm­lun­gen gesichtet wurden.
Auch im Stadt­bild wollen die Ewiggestri­gen nun aktiv­er auftreten. Haben diese Anfang April noch Fly­er gegen den „Coro­na-Wahnsinn“ verteilt, konzen­tri­eren sie sich inzwis­chen auf das The­ma Kindesmissbrauch.

Geben sich bürg­er­nah: „Sig­gi Pauly“ (oben r.) und ein Kam­er­ad verteilen Flyer

Aus­lös­er dafür dürfte sein, dass in der Oder­stadt die Adresse eines verurteil­ten Sex­u­al­straftäters an die Neon­azis gelangt ist. Eine erste unangemeldete Demon­stra­tion zum Wohnort des beschuldigten Mannes soll es bere­its ver­gan­gene Woche gegeben haben. Etwa 15 Per­so­n­en zogen mit Fack­eln vom Dres­den­er Platz kom­mend durch die Tun­nel­straße und Große Müll­ros­er Straße zur Kleinen Müll­ros­er Straße. Auf selb­st­ge­mal­ten Trans­par­enten war dort zu lesen „Todesstrafe für Kinder­schän­der!!!“ und „Miss­brauch ist See­len­mord – FN-Bürg­er FFO“. Eine erste offizielle Kundge­bung soll es dazu nun am 8. Mai geben.

Fack­el­marsch extremer Rechter vor ein­er Woche

Kindesmissbrauch beliebtes Thema von Neonazis

Dass sich Neon­azis für Kindesmiss­brauch inter­essieren ist kein neues Phänomen. Bere­its vor über zehn Jahren grif­f­en NPD-Struk­turen das The­ma auf und forderten an Orten wo ver­meintliche Sex­u­al­straftäter leben die Todesstrafe für die Beschuldigten. Auch in Bran­den­burg stand Kindesmiss­brauch im Mit­telpunkt mehrerer Demon­stra­tio­nen, wie etwa im kleinen Örtchen Joachim­sthal, im Barn­im, im Som­mer 2009.[3] Mit dem Schutz von Kindern hat­te das Engage­ment der Neon­azis damals wie heute jedoch nichts zu tun. Das The­ma ist hochemo­tion­al beset­zt. Obwohl die Straftat­en an Kindern nur einen sehr gerin­gen Prozentsatz in der Krim­i­nal­sta­tis­tik einnehmen,[4] wird darüber deut­lich häu­figer in der Öffentlichkeit disku­tiert als über andere Gewaltver­brechen. Der Grund ist, dass min­der­jährige Opfer von sex­ueller Gewalt ein Trau­ma, nicht nur in den betrof­fe­nen Fam­i­lien, son­dern in ein­er gesamten Stadt, Region oder Land aus­lösen kön­nen. Die Empörung darüber ist enorm und die berechtigten Äng­ste, dass das eigene Kind auch davon betrof­fen sein kön­nte sind weit ver­bre­it­et nach solchen Tat­en. Die Verurteilung solch­er Ver­brechen ist ein­deutig und so machen sich Neon­azis seit Jahren eben deshalb das The­ma zu Nutze. Wenn die extreme Rechte gegen Kindesmiss­brauch Posi­tion bezieht, erfährt sie auch Zus­tim­mung in der Bevölkerung. NPD und andere extrem rechte Struk­turen waren in den ver­gan­genen Jahren sehr schnell und mitunter die Ersten, die nach Bekan­ntwer­den solch­er Tat­en auf­taucht­en und mit ein­deuti­gen Trans­par­enten vor Ort demon­stri­erten. Der Schutz der betrof­fe­nen Fam­i­lien und Kinder spielte dabei keine Rolle. Sitzt der Schock der Opfer noch tief, nutzen Neon­azis die Sit­u­a­tion, um diese mit eige­nen Parolen zu instru­men­tal­isieren. Schon vor über zehn Jahren gehörte das zur „Nor­mal­isierungsstrate­gie“ der Recht­en: Das auf­greifen pop­ulär­er The­men, um sich selb­st als sym­pa­this­che poli­tis­che Alter­na­tive erscheinen zu lassen.[5]
Doch hin­ter dieser Tak­tik ver­steckt sich Anti­semitismus, Ras­sis­mus und völkisches Denken.
Die Forderung nach ein­er „Todesstrafe für Kinder­schän­der“ tauchte bere­its zu Zeit­en des Nation­al­sozial­is­mus auf. Jüdinnen*Juden wur­den in der Pro­pa­gan­da der Nazis als „Rassen­schän­der“ beze­ich­net. In ein­er Vielzahl an anti­semi­tis­chen Darstel­lun­gen wurde das Bild des „Juden“ als Täter sex­ueller Gewalt und „Knaben­schän­der“ repro­duziert. Unter der Herrschaft der NSDAP wur­den drakonis­che Strafver­schär­fun­gen einge­führt, in deren Folge die ein­schlägig vorbe­straften Täter*innen kas­tri­ert und in die Konzen­tra­tionslager ein­geliefert wur­den, wo sie zu den ersten gehörten, die gezielt ermordet wurden.[6] Heute wie damals wird zudem Schwarzen Män­nern ein trieb­haftes Sex­u­alver­hal­ten unter­stellt. Dies gren­ze sich aber von dem gewoll­ten Liebe­sakt weißer Nordeuropäer*innen ab. Ist der*die Täter*in nicht-weiß, so wird das Ver­brechen zusät­zlich ras­si­fiziert, wobei die Deu­tung­shoheit hier eben vor allem von Män­nern bes­timmt wird, in deren Rhetorik es um den ver­meintlichen Schutz ihrer Frauen und Kindern geht.[7]
Ein weit­er­er Aspekt ist die Ablehnung des demokratisch ver­fassten Rechtssys­tems. Dies wird im Beitrag in einem Beitrag von „Sig­gi Pauly“ deut­lich, wo dieser schreibt: „Lei­der mussten wir erfahren,das auch in unser­er Oder­stadt Pädophilie und Kinder­schän­der ihren Trieben zum Nachteil unser­er Kinder nachge­hen kön­nen, ohne das es die Behör­den Interessiert,ob die nur zu Bewährungsstrafen- trotz nach­weis­lich mehrfach­er Ver­brechen Ver­brechen an Kindern-verurteil­ter Triebtäter wahrschein­lich weit­er ihr Unwe­sen treiben.“[8] (Fehler im Orig­i­nal) Nach Logik der Neon­azis würde das „Sys­tem“ zu wenig gegen die Täter*innen tun. Lieber wollen die Neon­azis das Recht in eigene Hand nehmen. Die Forderung der Todesstrafe gehört dabei zu der rigi­den Law-and-Order-Logik der extremen Recht­en. Men­schen­leben sind in ihren Augen wenig wert, wenn sie dem „Volk“ schaden. Die Aus­löschung „unnützen Lebens“ ist die ein­fach­ste Lösung.

Die NPD in der Oderstadt seit Jahren am Boden

Frank­furt (Oder) galt einst als eine Hochburg der NPD in Bran­den­burg. In den 1990er Jahren ter­ror­isierten ihre Anhänger*innen in der Stadt alle Men­schen die nicht in ihr men­schen­ver­ach­t­en­des Welt­bild passten. Het­z­jag­den, Bran­dan­schläge und schwere Kör­per­ver­let­zun­gen wur­den fast täglich von Antifaschist*innen reg­istri­ert. Mit Jörg Häh­nel saß sog­ar ein führen­der Vertreter der Partei ab 1998 im Frank­furter Stadt­par­la­ment. Nach dem Wegzug des auch als Lie­der­ma­ch­ers bekan­nten Neon­azis nach Berlin 2001, ver­lor die örtliche Szene zunächst sein wichtig­stes Zugpferd. Neon­azis­tis­che Gewalt bes­timmte zwar weit­er­hin das Bild der Stadt, aber Parteistruk­turen kon­nten keine neuen aufge­baut wer­den. Ab 2006 ver­stärk­te jedoch die NPD wieder ihre Aktiv­itäten. Der für die Region zuständi­ge Kreisver­band „Oder­land“ der NPD wollte das Poten­tial der mit Abstand größten Stadt im Ver­band nicht ver­schenken. Nach eini­gen Anlauf­schwierigkeit­en präsen­tierte sich der Frank­furter Roland Weiß während ein­er Demon­stra­tion am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung 2007 als neues Gesicht eines zukün­fti­gen neuen Stadtver­bands und kündigte einen „Sturm auf das Rathaus“ an.[9]
Von den großen Ankündi­gun­gen blieb damals nicht viel übrig. Der neue Vor­sitzende Weiß zog sich bere­its im Herb­st 2007 von der NPD zurück. Aus­lös­er dafür kön­nten die Aufk­lärungsar­beit örtlich­er Antifaschist*innen und ein Bran­dan­schlag auf seinen PKW gewe­sen sein. Neue Aktiv­itäten kon­nte die Partei seit­dem in der Stadt kaum noch ent­fal­ten. Zwar gibt die NPD bis heute an einen Stadtver­band in Frank­furt zu besitzen, Aktiv­itäten sind seit Jahren, abge­se­hen von gele­gentlichen Flug­blat­tak­tio­nen, so gut wie keine zu beobacht­en. Bei Demon­stra­tio­nen und Ver­samm­lun­gen von Neon­azis in den ver­gan­genen Jahren waren Frank­furter Neon­azis höch­stens als Fah­nen- oder Transparent-Träger*innen gesichtet wurden.[10]
An fähi­gen Kamerad*innen scheint es weit­er­hin zu fehlen. Zudem hat die AfD mit ihrer extrem recht­en Rhetorik der NPD auch in der Oder­re­gion viele Stim­men abgenom­men. Nun wollen also Siegfried Pauly, Mario Schreiber und Co. erneut ver­suchen durch das The­ma „Kindesmiss­brauch“ Sympathisant*innen für örtliche NPD-Struk­turen zu gewin­nen. Wieviele Teil­nehmende die Neon­azis mit dem The­ma am Sam­stag zu ihrer Kundge­bung lock­en kön­nen, bleibt abzuwarten. Dass sich mehr als 20 Teil­nehmende vor Ort ver­sam­meln, wie zulet­zt die eben­falls am Boden liegende Berlin­er NPD am 1. Mai am Berlin­er Alexan­der­platz ver­sam­melte, darf bezweifelt werden.[11] Mit ein­er Offen­sive zur anste­hen­den Bun­destagswahl dürfte eben­so wenig zu rech­nen sein. Bei den let­zten Land­tags- und Kom­mu­nal­wahlen trat die Partei schon gar nicht mehr an und bei der Wahl zum Europa­parla­ment vor zwei Jahren gaben im Frank­furter Wahlkreis lediglich 112 Men­schen (0,5%) der NPD ihre Stimme.[12]

1 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2021): Kein Platz für Neon­azis? – Extrem rechte Beteili­gung auf Frank­furter Quer­denken-Kundge­bung am 28. Novem­ber 2020. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2021/03/02/kein-platz-fuer-neonazis-extrem-rechte-beteiligung-auf-frankfurter-querdenken-kundgebung-am-28-november-2020/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
2 Vgl. Infori­ot (2017): Quer­front-Kundge­bung am 1. Mai in Frank­furt (Oder) ohne Gegen­protest. https://inforiot.de/querfront-kundgebung-am-1-mai-in-frankfurt-oder-ohne-gegenprotest/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
3 Vgl. Infori­ot (2009): NPD erneut in Joachim­sthal — Mah­nwache mit 70 Nazis am ver­gan­genen Fre­itag. https://inforiot.de/npd-erneut-in-joachimsthal-mahnwache-mit-70-nazis-am-vergangenen-freitag/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
4 Vgl. Bun­de­spressekon­ferenz e.V. (2020): Vorstel­lung der Zahlen kindlich­er Gewal­topfer –Auswer­tung der Polizeilichen Krim­i­nal­sta­tis­tik 2019. https://beauftragter-missbrauch.de/fileadmin/Content/pdf/Meldungen/2020/05_Mai/11/Pressemappe_PK_PKS_2019.pdf (abgerufen am 04. Mai 2021)
5 Vgl. Rafael, Simone (2009): Warum engagieren sich Neon­azis gegen „Kinder­schän­der“? https://www.belltower.news/warum-engagieren-sich-neonazis-gegen-kinderschaender-30514/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
6 Vgl. Rad­van, Heike (2015): His­torische Per­spek­tiv­en. In: Amadeus Anto­nio Stiftung (Hrsg.): Instru­men­tal­isierung des The­mas sex­ueller Miss­brauch durch Neon­azis. S. 10f. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2018/08/instrumentalisierung-des-themas-sexueller-missbrauch-durch-neonazis‑1.pdf.
7 Vgl. Berg, Anna; Goetz, Judith; Sanders, Eike (2018): Tox­is­che Männlichkeit von Kan­del bis Chem­nitz. https://www.apabiz.de/2018/toxische-maennlichkeit-von-kandel-bis-chemnitz/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
8 Face­book-Beitrag von „Sig­gi Pauly“ vom 25.04.2021 (09:43 Uhr)
9 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2007): Ver­stärk­te NPD-Aktiv­itäten mün­den in Stadtver­bands­grün­dung. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2007/03/03/verstaerkte-npd-aktivitaeten-muenden-in-stadtverbandsgruendung/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
10 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2014): Die NPD am 1. Mai in Bran­den­burg – Gewalt­bere­it in den Wahlkampf. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2014/05/21/die-npd-am-1-mai-in-brandenburg-gewaltbereit-in-den-wahlkampf/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
11 Vgl. Press­eser­vice Rathenow [@PresseserviceRN]. (2021). Am #Alexan­der­platz in #Berlin endete ger­ade eine Spon­tankundge­bung der JN. Die Polizei führt die Neon­azis nun in den Bahn­hof #b0105 [Tweet]. Twit­ter. https://twitter.com/PresseserviceRN/status/1388534723614543872. Twit­ter-Ein­trag vom 1. Mai
12 Vgl. Europawahl 2019 (2019): Stim­menan­teile für die Stadt Frank­furt (Oder). https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2019/ergebnisse/bund-99/land-12/kreis-12053.html abgerufen am 04. Mai 2021)

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Chronik rechter Vorfälle 2020 in Märkisch-Oderland

Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch­-Oder­land (BOrG) doku­men­tiert kon­tinuier­lich rechte Vor­fälle im Land­kreis und erstellt daraus Chroniken. Im Jahr 2020 haben wir 107 Vor­fälle im Land­kreis aufge­nommen, von Pro­pa­gan­da über Veranstal­tungen hin zu Angrif­f­en. Damit stieg die Zahl der reg­istri­erten Vor­fälle von 67 im Jahr 2019 um 60%. Dies lässt sich zum einen durch mehr Pro­pa­gandafälle, aber auch durch eine akti­vere Melder*innenstruktur erklären.

Überblick: Rechte Vorfälle im Jahr 2020

Die häu­fig­sten Vor­fälle im Jahr 2020 mach­ten Pro­pa­gandafälle aus (37 Vor­fälle). Dies sind zum Beispiel Schmier­ereien oder das Kleben von Stick­ern mit recht­en Inhal­ten. Rechte Selb­st­darstel­lung, also die Bewer­bung oder das Auftreten als rechte Struk­tur oder Parteien, sowie die Ver­harm­lo­sung und/oder Ver­her­rlichung des Nation­al­sozial­is­mus sind dabei die häu­fig­sten Motive. Ras­sis­mus, Anti­semitismus oder die Bedro­hung von poli­tischen Gegner*innen spie­len bei den Propa­gandafälle eher eine unter­ge­ord­nete Rolle. Zu beto­nen ist jedoch, dass sich zum einen immer eine ras­sis­tis­che und bedrohliche Di­mension in der recht­en Selb­st­darstel­lung zeigt und zum anderen expliz­it bei Stick­ern ras­sis­tis­che Motive in Kom­bi­na­tion mit Sti­ckern von Parteien oder Organ­i­sa­tio­nen gek­lebt wur­den. Auf die Betrachter*innen wirken sie im Stadt­bild so gemein­sam und beziehen sich aufeinander.

Mit 36 Ver­anstal­tun­gen im Jahr 2020 ist dies die zwei­thäu­fig­ste Vor­fall­sart. Nicht trotz, son­dern ger­ade wegen der Pan­demie hat sich die Zahl hier deut­lich gegenüber dem Vor­jahr (15 Ver­anstal­tun­gen im Jahr 2019) erhöht. Neben eini­gen Parteiver­anstal­tun­gen der „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD), die the­ma­tisch nicht die Pan­demie und die Maß­nahmen dage­gen auf­grif­f­en, waren die soge­nannten „Corona­Maßnahmen“ der Aus­lös­er für ein Gros der Ver­anstal­tun­gen. Bere­its im Zeitraum von März bis Juni gab es einige Ver­anstal­tun­gen dazu im Land­kreis. Ab Ok­tober fan­den dann aber regelmäßig Kundge­bungen in Straus­berg (Quer­denken Straus­berg 334) und in Wriezen (Schweige­marsch der AfD) statt. Beson­ders im Kon­text der Querdenken­Kundgebungen gab es hier immer wieder NS-­ver­harm­losende Bezüge.

Außer­dem haben wir 18 Pöbeleien, Belei­di­gun­gen und/oder Bedro­hun­gen aufgenom­men, wovon ein Großteil anti­semi­tisch mo­tiviert war (7 Vor­fälle von 18). Weit­ere Motive waren Ras­sis­mus (6 von 18), LGBTIQ*­Feindlichkeit (2 von 18) und gegen politi­sche Gegner*innen ge­richtet, NS­verherrlichend oder als rechte Selbstdar­stellung ver­mit­telt (je 1 von 18). Die Zahl der von uns reg­istri­erten sechs Angriffe im Jahr 2020 ist im Ver­gle­ich zum Vor­jahr leicht zurück­ge­gan­gen (8 Angriffe 2019). Dabei waren vier Angriffe ras­sis­tisch motiviert und erfol­gten gegen ver­meintlich als Geflüchtete wahrgenommene Per­so­n­en oder Geflüchtete­nun­terkün­fte. Zwei Angriffe richteten sich gegen poli­tis­che Gegner*in­nen. Eben­so gab es im Jahr 2020 sechs Sachbeschädi­gun­gen, wovon 4 anti­semi­tisch motiviert waren.

Straus­berg sticht wie auch schon die Jahre zuvor mit der Anzahl der Vor­fälle her­vor (ins­gesamt 32). Dies liegt vor allem an der guten Melder*innenstruktur vor Ort. Engagierte Men­schen melden uns hier Vor­fälle. Dies schafft eine gute Daten­lage und einen rea­listschen Überblick. Aber auch Wriezen mit 16 Vor­fällen und Müncheberg mit 14 Vorfäl­len, sowie Peter­sha­gen mit 11 Vor­fällen ste­chen her­aus. An den vie­len anderen Orten in Märkisch-­Oder­land ist von ein­er hohen Dun­kelziffer auszuge­hen. Es ist anzunehmen, dass sich die Zahlen in allen größeren Ortschaften auf einem ähn­lichen Niveau be­wegen, hier fehlen uns jedoch Melder*innen­strukturen und es kön­nen nur Vor­fälle aufgenom­men wer­den, die in der Presse, Sozialen Medi­en oder durch Polizeimeldun­gen öffentlich bekan­nt wer­den. Ins­beson­dere aus Bad Freien­walde hören wir immer wieder von ras­sis­tis­chen Vor­fällen, die auch regel­mäßig Angriffe bein­hal­ten. Unsen­si­ble Reak­tionen von Poli­tik und Polizei, sowie die Alltäglichkeit dieser Angriffe lassen die Be­troffenen oft resig­nieren und Anzeigen oder Hil­fege­suche wer­den unter­lassen. Damit lässt sich kein abschließen­des Bild der Lage in Märkisch-­Oder­land zeich­nen. Wir sind hier auf Hil­fe durch alle Mit­men­schen im Land­kreis angewiesen. Melden Sie uns rechte Vor­fälle jed­er Art. Nur so kön­nen wir gemein­sam etwas tun.

Bewaffneter Rechtsextremismus: Ein bundesweiter Trend auch in Märkisch-Oderland

Her­vorge­hoben sei an dieser Stelle folgen­der Vor­fall: Im März stellte die Polizei bei Haus­durch­suchun­gen mehrere Waf­fen und Nazide­vo­tion­alien sich­er, zwei Män­ner wur­den wegen Waf­fen­han­dels festgenom­men. Ger­ade in den ver­gan­genen Jahren waren ver­schwun­dene Waf­fen aus Bestän­den von Polizei und Bun­deswehr auch medi­al immer wieder The­ma. Zu sel­ten wird darauf hinge­wiesen, was mit diesen Waf­fen passiert: Oft­mals gelan­gen sie in die Hände von Neon­azis und beken­nen­den Ras­sis­ten. Meis­tens sam­meln diese die Waf­fen, trainie­ren damit oder leg­en geheime Lager an, um am “Tag X” darauf zugreifen und poli­tis­che Gegner*innen angreifen zu kön­nen. Doch immer wieder schre­it­en Neon­azis zur Tat und ver­let­zen und töten Men­schen. Lei­der besit­zen viele rechte Aktivis­ten zudem Waffen­scheine, da hier­für viel zu sel­ten der poli­tis­che Hin­ter­grund geprüft wird. Promi­nentes Beispiel dafür ist Tobias R., dem At­tentäter von Hanau, der 2020 neun Men­schen aus ras­sis­tis­chen Motiv­en tötete. Mel­dun­gen über Waf­fen­funde bei Neon­azis sind deshalb äußerst brisant und Lokal­ und Kommunalpolitiker*innen sowie Sicherheits­behörden soll­ten alles dafür tun, die Herkun­ft dieser Waf­fen aufzuk­lären und nicht zulas­sen, dass die rechte Szene sich weit­er bewaffnet.

Rassistische Mobilisierungen stärken rechte Strukturen

Als in Folge des lan­gen Som­mers der Mi­gration 2015 die ras­sis­tis­chen Mobilisierun­gen und Gewalt­tat­en schla­gar­tig zunah­men, zeigte sich dies auch in Mär­kisch-­Oder­land. Nicht nur gab es viele An­griffe und ras­sis­tis­che Ver­anstal­tun­gen, auch waren die meis­ten Pro­pa­gan­da­vor­fälle mit ras­sis­tis­chen Inhal­ten. Dies hat sich mitt­lerweile gewan­delt. Die ras­sis­tis­che Mobili­sierung hat zu ein­er Stärkung von recht­en Struk­turen beige­tra­gen, wie nicht nur an Wahlergeb­nis­sen zu sehen ist. Das hohe Maß an Vor­fällen, die in die rechte Szene hinein­wirken und die Organ­i­sa­tio­nen in der öffentlichen Wahrnehmung stärken, ist ein weit­eres Resul­tat davon. Auch jen­seits des Wahlkampfes wie im Jahr 2019 waren im let­zten Jahr viele Vor­fälle zu verze­ich­nen, die mit Parteien und Organ­i­sa­tio­nen zusam­menhängen. Ein beson­deres Augen­merk gilt hier auf neu ent­standene Struk­turen im Jahr 2020. Neben der „Divi­sion MOL“, die in der S5­Region aktiv ist, ist auch die zunehmende Aktiv­ität des „III. Weg“ zum Ende des Jahres zu beacht­en. Die neon­azis­tis­che Kleinstpar­tei zeich­net sich durch ihre Mil­i­tanz und einen elitären Habi­tus aus. Mit­tler­weile hat sich ein „Stützpunkt“ in Bad Freien­walde gegründet.

Antisemitismus weiter präsent

Das Tat­mo­tiv Anti­semitismus trat im Jahr 2020 sehr häu­fig auf. Dies zeigt, wie tief ver­wurzelt Anti­semitismus in der Gesellschaft ist. Sechs Fälle von anti­semi­tis­chen Pöbelei­en, vier Fälle von Sachbeschädi­gun­gen und eine Pro­pa­gan­damel­dung zeu­gen von einem großen und auch gewalt­täti­gen Poten­zial. Die Sachbeschädi­gun­gen richt­en sich in der Regel gegen Gedenko­rte, wie am 27. Jan­u­ar in Seelow, wo im Nach­gang zum Gedenken an die Befreiung von Auschwitz Blumenge­binde zer­stört wur­den oder am 31. Dezem­ber in Wriezen, wo zum wieder­holten Male die Gedenk­tafel für die in der Reichspogrom­nacht abge­bran­nte Syn­a­goge beschädigt wurde. Die Pöbeleien zeigen, dass sich Jüd*innen nicht sich­er in Märkisch-­Oder­land bewe­gen können.

Die AfD weit rechts

Der Kreisver­band der AfD Märkisch­-Oder­­land ist wie der gesamte Lan­desver­band nicht nur Flügel­nah, son­dern maßge­blich­er Teil des Flügels. Die unge­broch­ene Solidari­tät gegenüber des wegen sein­er Neon­azi-Ver­gan­gen­heit aus der Partei ausgeschlos­senen Andreas Kalb­itz, eine Ver­anstal­tung mit Björn Höcke in Hönow im Sep­tem­ber, so­wie eine kurz darauf fol­gende Ver­anstal­tung mit Götz Kubitschek, dem zen­tralen Intellek­tuellen der Neuen Recht­en machen dies deut­lich. Auch die aktive Zusam­me­nar­beit mit der Jun­gen Alter­na­tive Bran­den­burg, die schon länger als recht­sex­tremer Verdachts­fall von den Behör­den geführt wird, macht deut­lich, wie weit rechts die AfD in Märkisch­-Oder­land ste­ht. Betrof­fene aus Regio­nen und Gemein­den, in denen die AfD beson­ders stark ist, bericht­en immer wieder von Anfein­dungen seit­ens der AfD und ihrer Anhän­ger*innen. Men­schen, die sich ein­deutig und kon­se­quent von der AfD abgren­zen, sind Ziel von anony­men Pöbeleien im Inter­net, aber auch auf der Straße. Ihnen gehört unser Dank und unsere Unterstützung.

Die voll­ständi­ge Chronik und ergänzte Infor­ma­tio­nen sind in Form ein­er Broschüre hier zu down­load­en. Gedruck­te Exem­plare kön­nen gerne auch kosten­frei bestellt wer­den. Dazu ein­fach eine Mail an: ag-borg@horte-srb.de

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Klima & Umwelt Law & Order

Einstellung des Verfahrens gegen Klimaaktivist*innen

Einstellung des Verfahrens gegen Klimaaktivist*innen — skandalöses Urteil des Amtsgerichts Cottbus konnte nicht aufrecht erhalten werden

Am Landgericht Cot­tbus wurde heute der Beru­fung­sprozess von drei Klimaaktivist*innen mit der Ein­stel­lung des Ver­fahrens gegen Zahlung eines Betrags an die Staatskasse und Pro Asyl e.V. been­det. Die drei Per­so­n­en gehören zu den “Lausitz23”, ein­er Gruppe von Klimaaktivist*innen von Ende Gelände und Robin Wood, die im Feb­ru­ar 2019 zwei Kohle­bag­ger der Betreiberge­sellschaft LEAG in Jän­schwalde und Wel­zow-Süd beset­zten. “Das Ein­stel­lungsange­bot ist das Min­deste gewe­sen. Engage­ment für Klim­agerechtigkeit ist wichtiger denn je. Wir wer­den darüber weit­er auf der Straße und in der Grube ver­han­deln” , sagte eine*r der angeklagten Aktivist*innen.

Anlass der Bag­gerbe­set­zung am 4. Feb­ru­ar 2019 war der Beschluss der Kohlekomis­sion, erst im Jahr 2038 aus der Kohle auszusteigen und in der Zwis­chen­zeit weit­er das Kli­ma anzuheizen.
Am 25. Feb­ru­ar 2019 fand am Amts­gericht Cot­tbus die erstin­stan­zliche Ver­hand­lung gegen die drei Aktivist*innen mit den Wahlna­men Non­ta, Stan­ley und Vin­cent statt. Der Richter nan­nte die Absicht­en der Beset­zen­den “hon­orig”, verurteilte sie aber den­noch zu 2 Monat­en Haft ohne Bewährung. Nach der Angabe ihrer Iden­tität wur­den Non­ta, Stan­ley und Vin­cent aus der Haft ent­lassen, es wurde Beru­fung ein­gelegt. Die Cot­tbusser Behör­den zeigten im Fall der Lausitz23 bish­er einen exzes­siv­en Straf- und Ermit­tlungswillen, wie sich schon in der Begrün­dung des Urteils 2019 zeigte, das ver­hängt wurde, um “den Angeklagten durch die Ver­hän­gung ein­er kurzen Frei­heitsstrafe vor Augen zu führen, dass man sich auf diese Weise nicht ein­er Bestra­fung ein­fach entziehen kann. Es ist dabei uner­he­blich, welche Qual­ität das zugrun­deliegende Delikt hat.”

Das Gericht hat trotz des Wider­willen der Staat­san­waltschaft eine Ein­stel­lung des Ver­fahrens ange­boten, die die Angeklagten akzep­tierten. Eine Verurteilung wäre angesichts der immer lauter wer­den­den öffentlichen Forderun­gen, den Kohleab­bau endlich zu stop­pen, und der Entschei­dung des Bun­desver­fas­sungs­gerichts in der let­zten Woche nicht zu begrün­den gewe­sen. Doch ob Urteil, Ein­stel­lung oder Freis­pruch — unser Protest bleibt legitim!

Weit­ere Infos unter https://www.ende-gelaende.org/aktion-baggerstoppen/ oder https://twitter.com/lausitz23

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Afghanistan Abschiebung verschoben

Afghanistan Abschiebung ver­schoben: Jet­zt poli­tis­che Kon­se­quen­zen ziehen!

Der für heute geplante bun­desweite Sam­me­lab­schiebe-Char­ter nach Afghanistan wurde wegen Sicher­heits­be­denken ver­schoben. Dies bestätigt die Kri­tik von PRO ASYL und den Lan­des­flüchtlingsräten an den Abschiebun­gen nach Afghanistan, das laut Glob­al Peace Index das unsich­er­ste Land der Welt ist. Afghanistan befind­et sich sicher­heit­stech­nisch im freien Fall. Die prekäre Sicher­heit­slage hat sich durch den am 1. Mai begonnenen Abzug der NATO-Trup­pen weit­er ver­schärft. Wie das Macht­vaku­um gefüllt wird, ist ungewiss. Eine Zunahme der Angriffe durch die Tal­iban und Ver­suche zur Machtüber­nahme sind zu erwarten. Darüber hin­aus hat sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan auf Grund der Covid-19-Pan­demie extrem ver­schlechtert, sodass Abgeschobe­nen ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk die Vere­len­dung dro­ht. Trotz­dem bleibe der Grund­satz des Innen­min­is­teri­ums zu Abschiebun­gen nach Afghanistan weit­er unverän­dert, wie dpa berichtet. Dass der für Dien­stag geplante Abschiebe­flug nicht voll­ständig abge­sagt, son­dern lediglich ver­schoben wurde, ist vol­lkom­men unangemessen.

PRO ASYL und die Lan­des­flüchtlingsräte fordern:

  • Die Bun­desregierung und die Bun­deslän­der müssen einen sofor­ti­gen und aus­nahm­slosen Abschiebestopp nach Afghanistan erlassen. Aus der prekären und völ­lig ungewis­sen Sicher­heit­slage sowie angesichts der desas­trösen wirtschaftlichen Sit­u­a­tion, die sich eben­falls mit dem Trup­pen­abzug weit­er ver­schär­fen wird, muss ein bun­desweites Abschiebe­ver­bot nach Afghanistan fol­gen, welch­es es bei der näch­sten Innen­min­is­terkon­ferenz zu beschließen gilt. Bere­its jet­zt kön­nen und müssen die Bun­deslän­der auch in eigen­er Ver­ant­wor­tung die Abschiebun­gen nach 60 a) Abs. 1 Aufen­thG für sechs Monate aus­nahm­s­los aussetzen.

Geflüchtete sind nach der Abschiebung aus Deutsch­land häu­fig auch in Afghanistan stig­ma­tisiert. Viele Gerichte, darunter auch der Ver­wal­tungs­gericht­shof in Baden-Würt­tem­berg, haben fest­gestellt, dass ihnen eine Rück­kehr ohne ein sta­biles famil­iäres oder soziales Net­zw­erk in Afghanistan nicht zuzu­muten ist.

  • )  Das Auswär­tige Amt muss die Lage und Ver­fol­gungssi­t­u­a­tion umge­hend neu bew­erten, da die Lage­berichte Grund­lage für Asy­lentschei­dun­gen des Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF) sind. Bish­er wer­den Asy­lanträge abgelehnt mit der Begrün­dung, es gebe inner­halb des Lan­des sichere Gebi­ete, soge­nan­nte inner­staatliche Fluchtal­ter­na­tiv­en. Doch nach dem Trup­pen­abzug der NATO kön­nen auch Städte wie Kab­ul nicht länger als sich­er gel­ten. Wie aus einem Spiegel-Artikel vom 29.04.2021 her­vorge­ht, schließen Außen- und Vertei­di­gungsmin­is­teri­um selb­st einen „Sturm auf Kab­ul” durch auf­ständis­che Grup­pen nicht mehr aus.

 

  • Mit dem Trup­pen­abzug muss allen afghanis­chen Ort­skräften – Dolmetscher:innen, Fahrer:innen und son­sti­gen Mitar­bei­t­en­den der Bun­deswehr, der Bun­de­spolizei und ander­er Organ­i­sa­tio­nen – mit ihren Fam­i­lien­ange­höri­gen schnell und unbürokratisch die Auf­nahme im Bun­des­ge­bi­et ange­boten wer­den. Sie müssen eine Aufen­thalt­ser­laub­nis in Deutsch­land erhal­ten. Diese Men­schen jet­zt zurück­zu­lassen, wäre für sie und ihre Fam­i­lien lebensgefährlich.

 

  • Die Bun­desregierung muss jet­zt den Fam­i­li­en­nachzug aus Afghanistan zu ihren in Deutsch­land leben­den Ange­höri­gen mit allen Mit­teln beschle­u­ni­gen und unter­stützen. Hierzu muss eben­so wie für Ort­skräfte ein schnelles, unbürokratis­ches Ver­fahren instal­liert wer­den. Für diese ist die Eröff­nung zweier Büros in Kab­ul und Masar‑e Sharif geplant, von wo aus die Auf­nahme organ­isiert wer­den soll. Da die Visaabteilung der Botschaft in Kab­ul infolge eines Anschlags weit­er­hin geschlossen ist, müssen diese Büros auch für den Fam­i­li­en­nachzug genutzt wer­den. Eine kurzfristige Auf­s­tock­ung des Per­son­als an den Botschaften in Islam­abad oder Neu-Del­hi – die derzeit für Visaanträge afghanis­ch­er Staat­sange­höriger zuständig sind – ist notwendig. Angesichts der Zeitk­nap­pheit und der Gefahren, die den Antrag­stel­len­den bei der Reise dor­thin dro­hen, reicht das jedoch nicht aus. Es kann schutz­suchen­den Afgha­nen nicht zuge­mutet wer­den, monate­lang in Neu-Del­hi oder Islam­abad auf Ter­mine zur Visumsver­gabe zu warten.

 

  • Das BAMF muss seine Wider­ruf­sprax­is ändern. In jün­ger­er Zeit wider­ruft das BAMF in zahlre­ichen Fällen, in welchen noch vor weni­gen Jahren jun­gen unbe­gleit­eten Min­der­jähri­gen die Flüchtling­seigen­schaft wegen (dro­hen­der) Zwangsrekru­tierung durch die Tal­iban zuge­sprochen wor­den war, kurz nach Erre­ichen der Volljährigkeit den Flüchtlingssta­tus. Das darf nicht länger gängige Prax­is sein. Auch Abschiebungsver­bote wer­den mit Erre­ichen der Volljährigkeit wider­rufen, da das Bun­de­samt davon aus­ge­ht, dass es jun­gen Män­nern möglich ist, ein Leben am Rande des Exis­tenzmin­i­mums auch ohne famil­iäres oder soziales Net­zw­erk zu führen. Dies ist indessen – wie jüngst im oben genan­nten Urteil des VGH Baden-Würt­tem­berg deut­lich aufgezeigt wurde – nicht der Fall. Wider­rufe des BAMF müssen fol­glich unterbleiben.

 

  • Ein gesichertes Bleiberecht muss es auch für jene Afgha­nen geben, die nur mit ein­er Dul­dung in Deutsch­land leben oder sich seit Jahren im Asylver­fahren befind­en. Kein Afghane, keine Afghanin in Deutsch­land darf in der jet­zi­gen Lage zurück­geschickt wer­den – egal, ob sie erst vor weni­gen Monat­en angekom­men sind oder seit Jahren hier leben. Die Fol­gen ein­er Dul­dung sind nicht nur ein Leben in ständi­ger Angst, Per­spek­tivlosigkeit und Armut, son­dern auch gerin­gere Chan­cen auf dem Arbeits- und Woh­nungs­markt, in der Bil­dung und in der Entwick­lung per­sön­lich­er Poten­ziale. Let­ztlich sind dies auch ver­passte Chan­cen für die Gesellschaft, in der diese Men­schen leben. Mit Blick auf die gemein­same gesellschaftliche Zukun­ft ist es geboten, diesen Men­schen jet­zt eine Lebensper­spek­tive zu eröff­nen und ihnen die in einem solchen Fall anstelle von Ket­ten­dul­dun­gen geset­zlich vorge­se­henen Aufen­thalt­ser­laub­nisse zu erteilen.
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Antifaschismus Parlamentarismus

AfD will Chef der eigenen Jugendorganisation ausschließen

Auf ihrem Bun­deskongress vom 17. und 18. April 2021 hat die AfD-Jugen­dor­gan­i­sa­tion „Junge Alter­na­tive“ (JA) ein neues Führungs­duo gewählt. Eine Dop­pel­spitze, beste­hend aus Car­lo Clemens (JA NRW) und Mar­vin T. Neu­mann (JA Bran­den­burg), sollte die unter­schiedlichen Strö­mungen vere­inen und ein neues Kapi­tel in der Geschichte der noch jun­gen Parteior­gan­i­sa­tion ein­leit­en. Parte­ichef Tino Chru­pal­la sprach gar von einem „Auf­bruch in eine neue Junge Alter­na­tive“. Nur zwei Wochen später ist vom Auf­bruch nichts mehr übrig. Ein internes Gutacht­en der AfD emp­fiehlt, Neu­mann aus der Partei zu wer­fen. Der Bun­desvor­stand der Partei hat den Fall offen­bar am 30. April in ein­er Tele­fonkon­ferenz besprochen. Neu­mann soll am kom­menden Mon­tag, 3. Mai ange­hört wer­den. Laut der weit rechts ste­hen­den Wochen­zeitung „Junge Frei­heit” soll sich auch AfD-Frak­tion­schefin Alice Weisel für „schnelle und harte Maß­nah­men” aus­ge­sprochen haben.

Grund dafür sind  recht­sex­trem­istis­che und ras­sis­tis­che Äußerun­gen Neu­manns. Was für die „Arbeits­gruppe Ver­fas­sungss­chutz“ (AGVS), die inner­halb der Partei einen Umgang mit der Beobach­tung durch den Inlands­ge­heim­di­enst find­en soll, und den Rest der Partei offen­bar eine große Über­raschung darstellt, ist Beobachter*innen schon lange bekan­nt. Immer wieder hat Neu­mann auf Twit­ter und Insta­gram deut­lich gezeigt, welch­es Gedankengut er ver­tritt. Mit seinen provozieren­den, mehr als gren­zw­er­ti­gen („nonkon­formistis­chen“) Tweets hat er sich einen gewis­sen Ruf (und auch viele Gegner*innen) in der Rechtst­wit­ter-Blase erarbeitet.

Im Vor­feld der Wahl für den Chef­posten der JA hat­te er sich in einem Inter­view mit dem „neurecht­en“ „kon­flikt Mag­a­zin“ als „Ide­olo­gen“ beze­ich­net, der sich vor allem gegen das „geistige Boomer­tum“ der Partei stellen würde. Ein Seit­en­hieb auf Parte­ichef Jörg Meuthen, der als Vertreter eines eher gemäßigten Kurs­es gilt. Denn „gemäßigt“ — was auch immer dieses Adjek­tiv im Zusam­men­hang mit der AfD bedeutet — ist Neu­mann keines­falls. In sein­er Bewer­bungsrede um den Vor­stand­sposten beim Bun­deskongress der JA kri­tisierte er ange­bliche „Massen­mi­gra­tion als Nor­malzu­s­tand“, „Weißen-feindlichen Ras­sis­mus“ und „72 oder mehr Geschlechter“.

Neu­manns Nähe zur Ide­olo­gie der recht­sex­tremen „Iden­titären Bewe­gung“ (IB) und anderen Teilen der soge­nan­nten „neuen“ Recht­en, die schlussendlich die Werte der Aufk­lärung und der Mod­erne ablehnt, hat er immer wieder deut­lich gemacht. Auf Twit­ter beze­ich­nete er vor sein­er Wahl Lib­er­al­is­mus als „volks­feindlichen Müll“. „Nation und Kul­tur“ kön­nten nur ohne Lib­er­al­is­mus bewahrt wer­den. Lib­er­al­is­mus sei der „Erzfeind aller, die an der Kon­servierung von Tra­di­tio­nen, über­liefer­t­er Kul­tur, Reli­gion, Volk und Nation (…) fes­thal­ten“, schreibt er im Januar.

Dabei bezieht sich Neu­mann ganz direkt auf faschis­tis­che Vor­denker wie Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925), zen­traler Autor der von Armin Mohler kanon­isierten „Kon­ser­v­a­tiv­en Rev­o­lu­tion“ und Schöpfer des Begriffs „Drittes Reich“. Van den Brucks Lib­er­al­is­mus-Dik­tum („An Lib­er­al­is­mus gehen die Völk­er zugrunde“) ist in der „neuen“ Recht­en ein geflügeltes Wort. Auch andere Faschis­ten gel­ten ihm offen­bar als Vor­bild, in Stil­fra­gen scheint es Oswald Mosley zu sein, der Grün­der der „British Union of Facists“ (und erk­lärtes Vor­bild des Recht­ster­ror­is­ten von Christchurch). An ander­er Stelle bezieht er sich pos­i­tiv auf neo­re­ak­tionäre und neo­faschis­tis­che Denker wie C.A. Bond oder Jonathan Bowden.

Screen­shots aus dem Insta­gram-Kanal von Neu­mann vom Twit­teruser @w_teupher

Seine The­sen bracht­en ihm immer wieder Lob von recht­saußen ein. Zum Beispiel von Mar­tin Sell­ner, Chef-Kad­er der „Iden­titären Bewe­gung“ (IB). Und auch das sich selb­st als intellek­tuell beze­ich­nende Milieu rund um das „Insti­tut für Staat­spoli­tik“, das dem Ver­fas­sungss­chutz als „Ver­dachts­fall“ gilt, unter­stützt Neu­mann nach dem angekündigten Rauswurf. Benedikt Kaiser, heute Redak­teur der „neurecht­en“ Zeitschrift Sezes­sion des Kle­in­stver­legers Götz Kubitschek, früher Teil der recht­sex­tremen Kam­er­ad­schaftsszene mit Verbindun­gen zum NSU, beteiligt sich auf Twit­ter mit Retweets an den Mitlei­ds­bekun­dun­gen von recht­saußen für Neumann.

Dabei steckt — wie so oft bei der ange­blich „neuen“ Recht­en — hin­ter dem bemüht intellek­tuellen Habi­tus und den rhetorisch aufge­plus­terten Debat­ten im Wesentlichen Alt­bekan­ntes: NS-Rel­a­tivierun­gen und Ras­sis­mus. Auch im Auftreten des nun in Bedräng­nis ger­ate­nen JA-Co-Chefs Neu­mann schlägt dieser Umstand durch: In ein­er Insta­gram-Sto­ry postet er ein Spiegel-Self­ie mit der Bemerkung „Opa hat­te defin­i­tiv die frischeren Seit­en“. Auf der Handy­hülle das Foto eines Mannes in Wehrma­cht­suni­form. In einem Insta­gram-Post feiert Neu­mann Hein­rich Ehrler, einen NS-Luft­waf­fenof­fizier und „Helden“ des Nationalsozialismus.

Screen­shots aus dem Insta­gram-Kanal von Neu­mann vom Twit­teruser @w_teupher

Im Dezem­ber 2020 schreibt Neu­mann auf Twit­ter: „Es gibt keine ‚Schwarze Deutsche und Europäer‘. Sie sind besten­falls Teil der Gesellschaft und besitzen bes­timmte Staats­bürg­er­schaften, aber sie sind nicht Teil ein­er tradierten, authen­tis­chen‚ europäische[n] Iden­tität.‘“ In einem andere Tweet heißt es: „Andere weiße Europäer bzw. ihre Nach­fahren könn(t)en Deutsche wer­den, Schwarzafrikan­er aber nicht.“ Eine Argu­men­ta­tion, die man so auch von der NPD und andere recht­sex­tremen Akteur*innen immer wieder hört. Dementsprechend ver­wun­dert es nicht, wenn Neu­mann auch gegen „gemäßigtere“ Stim­men im eige­nen Umfeld schießt. Als Eri­ka Stein­bach, Vor­sitzende der AfD-nahen Desiderius-Eras­mus-Stiftung, in einem Tweet stolz auf die Exis­tenz von AfD-Abge­ord­neten mit Migra­tions­geschichte hin­weist, schreibt Neu­mann nur „Gehen Sie endlich in den Ruh­e­s­tand.“ Als Götz Fröm­ming, Abge­ord­neter der AfD im Bun­destag, über „deutsche Schüler mus­lim­is­chen Glaubens“ twit­tert, bringt Neu­mann ihn in Zusam­men­hang mit der CDU und sieht einen Ver­such, die Beobach­tung durch den Ver­fas­sungss­chutz durch solche For­mulierun­gen zu ver­mei­den. In einem weit­eren Tweet zu Fröm­mings Aus­sage betont er, dass „Mut zur Wahrheit bedeutet, auch bei der demographis­chen Frage Alter­na­tive zu sein“.

In Neu­manns „iden­titärem“ Welt­bild wird prak­tisch alles eth­nifiziert. Auch Reli­gion und Kul­tur wer­den als Wesen­szüge ver­meintlich­er „Rassen“ gedacht, die unverän­der­bar nebeneinan­der ste­hen und sich nicht ver­mis­chen kön­nen oder dür­fen. Genau das meint das dif­fuse Konzept des „Ethno­plu­ral­is­mus“, das dem alt­bekan­nten Ras­sis­mus lediglich ein neues Gewand ver­lei­ht. Die „demografis­che Frage“ ist schließlich nur eine andere For­mulierung für die Wah­n­vorstel­lung vom „großen Aus­tausch“, ein­er ras­sis­tis­che Ver­schwörungserzäh­lung der soge­nan­nten „neuen“ Recht­en, laut der Europäer*innen von meist jüdisch imag­inierten Eliten durch mus­lim­is­che Migrant*innen erset­zt wür­den. Dazu passt auch ein Tweet von Neu­manns Part­ner­in Zita T., ein­er Volon­tärin bei der recht­en Wochen­zeitung „Junge Frei­heit“, den Neu­mann retweet­et. Für T. ist auf einem Insta­gram-Bild der EU-Kom­mis­sion, auf der ein Mann mit schwarz­er Haut­farbe und ein Kind abge­bildet sind, „nicht ein einziger eth­nis­ch­er Europäer zu sehen“.

Screen­shot von Neu­manns Twitterkanal

Dabei ist für Neu­mann am Islam nicht alles schlecht. Beson­ders bei den Intellek­tuellen der soge­nan­nten „neuen“ Recht­en gibt es immer wieder auch Bewun­derung für einen rigi­den Islamis­mus. Die „dekadente“ und von „Ver­fall“ geze­ich­nete west­liche Gesellschaft sei dem­nach selb­st für die ange­bliche „Islamisierung“ ver­ant­wortlich, die als Symp­tom des Lib­er­al­is­mus betra­chtet wird. Im Unter­schied zum „degener­ierten“ West­en halte der Islam an tradierten Werten fest und zemen­tiere so den eige­nen Ein­fluss. Etwas, was sich Neo­faschis­ten für die eige­nen Ide­olo­gie und das eigene „Volk“ wünschen.

Screen­shot von Neu­manns Twitterkanal

Mar­vin T. Neu­mann gilt als „Chef-Ide­ologe“ der JA Bran­den­burg. Seine recht­sex­treme Weltan­schau­ung ist umfassend und hört nicht bei der Aus­gren­zung von Geflüchteten und pseudoin­tellek­tuell verklei­de­tem Ras­sis­mus auf. Sie geht bis hinein in per­sön­liche, zwis­chen­men­schliche Beziehun­gen und äußert sich auch in ein­er rück­wärts­ge­wandten Sex­ual­moral; ein Gebi­et, das von den ein­schlägi­gen „neurecht­en“ Akteuren aus guten Grün­den zumeist nicht näher the­ma­tisiert wird. Neu­mann ken­nt in dieser Hin­sicht allerd­ings tat­säch­lich keine Hem­mungen. Er fordert aus­drück­lich eine „moralisch-reak­tionäre Wende. Untreue gehört gesellschaftlich geächtet, Sex­u­al­ität wieder mehr sakral­isiert.“ Also zurück in Zeit­en, als „une­he­liche“ Kinder diskri­m­iniert wur­den und Frauen bis zur Ehe „enthalt­sam“ sein soll­ten. Zeit­en, in denen Men­schen, die nicht der het­ero­sex­uellen Norm entsprachen, krim­i­nal­isiert, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und alltäglich diskri­m­iniert und bedro­ht wurden.

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Geschichte & Gedenken

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg

Am 8. Mai 1945 kapit­ulierte die deutsche Wehrma­cht. Das war das Ende des
deutschen Faschis­mus und des Ver­nich­tungskrieges dem 70 Millionen
Men­schen zum Opfer fielen.

Auch Biesen­thal war in dieser Zeit ein Ort des Grauens. Jüd*innen wurden
entrechtet, enteignet und in das Ver­nich­tungslager Auschwitz deportiert
und dort ermordet. Men­schen aus ganz Europa wur­den in Biesenthal
interniert um hier Zwangsar­beit zu ver­richt­en und es gab ein Außenlager
des Konzen­tra­tionslagers Sachsenhausen.

Wir wollen uns an diese Geschichte erin­nern und den Opfern gedenken. Wir
besuchen mit ein­er Fahrrad­tour die Gedenkste­len (“Weg der Würde”,
https://zukunft-durch-erinnerung.de/) die uns an Orte der Zwangsarbeit
und des Konzen­tra­tionslagers erin­nern. An den Ste­len und auch am Denkmal
für die Opfer des Faschis­mus und am Haus ein­er jüdis­chen Fam­i­lie die
nach Auschwitz deportiert wurde, wollen wir stop­pen um Blu­men abzulegen
und mit kurzen Rede­beiträ­gen auf die Geschichte dieser Orte eingehen.

Nie wieder Faschis­mus! Nie wieder Krieg

Beginn: 15 Uhr am Bahn­hof Biesen­thal, Dauer der Tour ca. 3 Stunden

Laut Bran­den­burg­er Coro­na-Verord­nung dür­fen nur sta­tionäre Kundgebungen
stat­tfind­en. Auf diesen acht­en wir darauf, dass wir die
Coro­na-Schutz­mass­nah­men ein­hal­ten, also den Min­destab­stand von 1,5 m
ein­hal­ten und alle Teilnehmer*innen Masken tra­gen. Auf dem Weg zwischen
den Kundge­bung­sorten dür­fen wir nicht als großer Pulk fahren son­dern in
Kleingruppen.

Inforiot