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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Schwere Körperverletzung unter Aufsicht des Sicherheitsdienstes

Am frühen Neu­jahrsmor­gen ver­let­zte eine zehnköp­fige Gruppe drei Flüchtlinge schw­er. Eines der Opfer kommt mit gebroch­en­em Kiefer ins Kranken­haus. Die Wach­leute des ver­ant­wortlichen Sicher­heit­sun­ternehmens grif­f­en nicht ein. „Ist der Sicher­heits­di­enst von Recht­sex­tremen unter­wan­dert?“, fragt die Bürg­erini­tia­tive Cot­tbus schaut hin.
 
Eine Gruppe von drei afghanis­chen Flüchtlin­gen ist in den Mor­gen­stun­den des neuen Jahres in Cot­tbus auf ihrem Heimweg in Sach­sendorf. Als sie gegen 1:30 Uhr am Gelsenkirch­en­er Platz in Sach­sendorf ankom­men, begin­nt eine etwa zehnköp­fige Gruppe von jun­gen Deutschen sie als „Scheiß Aus­län­der“ zu beschimpfen und zu ver­fol­gen. So erzählt es ein­er der drei Betrof­fe­nen des Angriff der Bürg­erini­tia­tive Cot­tbus schaut hin.
 
Die drei Opfer ver­sucht­en die Täter zu ignori­eren und schnell­st­möglich in ihre Unterkun­ft in der Zielona-Gora-Straße 17 und 19 zu gelan­gen. Schon auf dem Weg seien sie mit Schla­grin­gen und Bier­flaschen mal­trätiert wor­den. An der Unterkun­ft angekom­men, dann aber der Schock.
 
Die zwei dien­sthaben­den Wach­leute ließen die drei Bewohn­er zwar in den Ein­gangs­bere­ich, kurz darauf aber auch die Angreifer.
Wir haben mehrmals zu den Wach­män­nern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und ein­fach 20–25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Trep­pen­bere­ich geschla­gen wurden.
Nach ca. 25 Minuten haben die Wach­män­ner die Tür für die Deutschen geöffnet und zu ihnen gesagt, dass sie raus gehen müssen, weil jet­zt die Polizei kommt.
 
Der zehn Minuten später ein­tr­e­f­fend­en Polizei habe ein­er der Wach­leute danach noch eine falsche Rich­tungsangabe darüber gemacht, wohin die Täter geflo­hen seien.
Alle drei Opfer des Angriff tru­gen mas­sive Ver­let­zun­gen im Gesicht davon. Ein­er von ihnen wird immer noch mit gebroch­en­em Kiefer im Carl-Thiem-Klinikum behan­delt. Die drei jun­gen Afgha­nen fordern die Bestra­fung der Täter und des Wach­per­son­als, Polizei und Sozialamt haben sie bere­its informiert.
 
Dis­telkam Dien­stleis­tungs­gruppe – Neon­azis im Dien­ste der Stadt?
Die Ini­tia­tive „Cot­tbus schaut hin“ richtet fol­gende Fra­gen an die Stadt Cot­tbus: Ist Ihnen bekan­nt, was für ein Sicher­heit­sun­ternehmen in den Unterkün­ften der Zielona-Gora-Straße tätig ist? Wur­den die Sicher­heit­sleute auf diesem speziellen und hochsen­si­blen Arbeits­feld aus­re­ichend über­prüft? Gab es schon vorher Beschw­er­den? Welche Auf­gabe hat dieses Sicher­heit­sun­ternehmen in den einzel­nen Objek­ten: Schutz der Bewohn­er vor Angrif­f­en von außen oder Hil­festel­lung bei Angrif­f­en von außen?
 
Nach Recherchen der Bürg­erini­tia­tive han­delt es sich bei dem vor Ort zuständi­gen Sicher­heit­sun­ternehmen um die Dis­telkam Dien­stleis­tungs­gruppe aus Chem­nitz. Eine Analyse des Face­book-Auftritts von Unternehmer Kai Dis­tel­mann (facebook.com/kai.distelmann) zeige, dass er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sei, so die Press­esprecherin Maria Koch von Cot­tbus schaut hin.
In Dis­telkams „Gefällt-mir-Angaben“ fän­den sich mehrere ein­schlägige Seit­en, die auf eine recht­spop­ulis­tis­che bis recht­sex­treme Gesin­nung schließen ließen. Unter anderem find­en sich dort Seit­en mit fol­gen­den Titeln: Das Rit­terkreuz and the Rit­terkreuzträger Wehrma­cht (eine Wehrma­cht­stra­di­tion­s­seite), Frank Ren­nicke (ein recht­sex­tremer Lie­der­ma­ch­er), Unbe­queme Jugend Cot­tbus (Jugend­gruppe von Infer­no Cot­tbus), Sach­sen stellt sich quer: Asylmiss­brauch stop­pen; Chem­nitz, Sach­sen, Deutsch­land gegen Scheina­sy­lanten und mehrere Face­book­seit­en der AfD.
 
Dis­telkam teilt Nachricht­en von „Heimat und Tra­di­tion Chem­nitz Erzge­birge“ unter anderem einen Aufruf unter dem Titel „Ein­siedel sagt Nein zur Erstauf­nahme-Ein­rich­tung“. Im Mai spekuliert er, der Tod von Michèle Kiesewet­ter sei gar nicht auf Neon­azis, son­dern auf Islamis­ten zurück­zuführen und ein Fre­und rät ihm die ver­schwörungs­the­o­retis­che Doku­men­ta­tion mit dem viel­sagen­den Titel „Das NSU Märchen“ anzusehen.
 
Dis­telkams Unternehmen wird von Fre­un­den bewor­ben, die sich wenig Mühe geben ihr neon­azis­tis­ches Gedankengut zu ver­ber­gen. Ein­er der Beschäftigten nimmt seinen Arbeit­ge­ber gegen den Vor­wurf, Löhne nicht auszuzahlen in Schutz; er sei stolz dort beschäftigt zu sein. Seine eigenes Face­bookpro­fil wird der­weil von sein­er „Wei­h­nachts­deko“ geschmückt im Nazi-Stil samt Hakenkreuz.
 
Die Ini­tia­tive bew­ertet ihre Ergeb­nisse wie fol­gt: „Der Vor­fall in Cot­tbus und die im Inter­net sicht­baren Net­zw­erk­struk­turen lassen nur einen Schluss zu: Dis­telkam will weniger Aus­län­der in sein­er Heimat, während sein Unternehmen davon lebt Aus­län­der zu „bewachen“. Seine Gesin­nungsgenossen wer­ben unter­dessen dafür, sich genau bei diesem Sicher­heits­di­enst zu bewer­ben. Dass das nicht lange gut gehen würde, hätte man ahnen können.“
 
Cot­tbus schaut hinschließt sich den Forderun­gen der Opfer des Angriffs aus der Sil­vester­nacht an: „Die Täter und Mit­täter müssen zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den – das ist klar. Aus mein­er Sicht ist es aber auch völ­lig indiskutabel, dass dieses Unternehmen weit­er­hin von der Stadt Aufträge erhält.“, so Maria Koch weiter.
 
Der Vor­fall habe eine beson­dere und auch über­re­gionale Bedeu­tung, da Dis­telkams Unternehmen nicht nur für zahlre­iche weit­ere Flüchtling­sun­terkün­fte, son­dern auch für den Schutz des Landgerichts in Chem­nitz zuständig sei.
 

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Brandenburg 2017: Alltagsrassismus, Einschüchterung, Gewalt

Jahres­rück­blick 2017: Zwis­chen All­t­agsras­sis­mus und Ein­schüchterung: Am Beispiel Süd­bran­den­burg wer­den Struk­turen und Mech­a­nis­men sicht­bar, die dazu führen, dass sich Men­schen sich lang über­legen, ob sie öffentlich für Demokratie einzutreten.
 
Für den Belltower.News-Jahresrückblick sprechen wir mit zivilge­sellschaftlichen Ini­tia­tiv­en und Akteur_innen über die Sit­u­a­tion in ihrem Bun­des­land. Das Inter­view mit Mar­tin Vese­ly von „Opfer­per­spek­tive“, der Bran­den­burg­er Beratung für Opfer recht­sex­tremer und ras­sis­tis­ch­er Gewalt, führte Simone Rafael.

Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Brandenburg im Rechtsextremismus?

 
In 2017 hat­ten wir lei­der weit­er­hin mit ein­er beson­ders großen Anzahl ras­sis­tisch motiviert­er Angriffe zu tun. Die Zahl wird ähn­lich hoch sein wie in 2016, wo wir mit 221 Angrif­f­en einen Höch­st­stand verze­ich­nen mussten. Die Angriffe gibt es in ganz Bran­den­burg. Allerd­ings erken­nen wir auch Schw­er­punkt-Regio­nen, wo sich die Tat­en häufen. In Süd­bran­den­burg, also Cot­tbus und Umge­bung, gab es beson­ders viele Über­griffe. Sie tre­f­fen vor allem Geflüchtete, aber auch inter­na­tionale Studierende an der BTU Cot­tbus. Men­schen, die sich für Geflüchtete engagieren, sind auch weit­er Ziele von Gewalt.
In Süd­bran­den­burg gibt es neben der gefes­tigten recht­sex­tremen Szene auch viel Zus­tim­mung für die AfD. Süd­bran­den­burg ist eine Hochburg der AfD, nicht nur in Bran­den­burg, son­dern auch im bun­desweit­en Ver­gle­ich. Anfang 2017 wurde entsprechend hier auch ver­sucht, ein bran­den­bur­gis­ches Pen­dant zu „Pegi­da“ aufzubauen, unter dem Namen „Zukun­ft Heimat“. Die wöchentlichen Demon­stra­tio­nen waren ein Sam­mel­beck­en. Hier liefen organ­isierte Neon­azis eben­so mit wie Rechtspopulist_innen, „besorgte Bürger_innen“ und AfD-Umfeld oder das rechte Kampf­s­port-Milieu. Mot­to war, „die Heimat“ zu „vertei­di­gen“, und das war nicht gewalt­frei gemeint. Aus den Demon­stra­tio­nen her­aus gab es zwei gezielte Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. Immer­hin gibt es in Cot­tbus Men­schen, die sich solchen Aufmärschen ent­ge­gen stellen! Seit Som­mer sind die Aufmärsche unregelmäßiger gewor­den und zum Jahreswech­sel 2017/18 gab es dann nochmal den Ver­such von “Zukun­ft Heimat”, mit einem weit­eren Auf­marsch weiterzumachen.
Als weit­eres generelles Prob­lem in Bran­den­burg, aber beson­ders in Cot­tbus, beobacht­en wir eine man­gel­nde Strafver­fol­gung. Selb­st wenn Täter gefasst wer­den, dauert es in der Regel ein bis drei Jahre, bis ein Ver­fahren am Amts­gericht wirk­lich stat­tfind­et. Das sind drei Jahre, in denen die Täter unbe­hel­ligt bleiben. Für die Opfer heißt das: Drei Jahre Unsicher­heit, drei Jahre Lei­den. Und wenn es zum Urteil kommt, wird die lange Ver­fahrens­dauer auch noch strafmildernd für die Täter aus­gelegt. Dazu gibt es etwa in Cot­tbus einen Anwalt, der selb­st Teil der recht­en Szene ist und der dies auch strate­gisch nutzt. Er zieht Ver­fahren mit Anträ­gen in die Länge, damit die Strafen immer geringer ausfallen.
Das Sig­nal dieser man­gel­nden Strafver­fol­gung ist fatal: es entste­ht prak­tisch ein Gefühl von Straf­frei­heit bei den Tätern. Und es ist eine große Belas­tung für die Opfer. Offiziell wird die lange Ver­fahrens­dauer mit Über­las­tung der Gerichte begrün­det. Allerd­ings sollte ger­ade in recht­en Hege­monieräu­men wie Süd­bran­den­burg drin­gend eine Lösung gefun­den werden.
Wir hat­ten deshalb auch Prozesse, die gar nicht mehr vernün­ftig geführt wer­den kon­nten: Etwa den gegen einen Angestell­ten der Flüchtling­sun­terkun­ft in Mas­sow, der 2015 mit mas­sivem Pfef­fer­spray-Ein­satz über 60 Men­schen ver­let­zt hat (vgl. Opfer­per­spek­tive). Im Ver­fahren kon­nte der Tather­gang nicht mehr aufgek­lärt wer­den, weil die Betrof­fe­nen und Zeu­gen längst alle abgeschoben wor­den waren oder durch die Behör­den zur „frei­willi­gen Aus­reise“ gedrängt wur­den. Verurteilt wurde der Mann dann wegen einem anderen Verge­hen zu ein­er weitaus milderen Strafe (vgl. rbb).
Fast eben­so schw­er wie tätliche Angriffe wiegt in Bran­den­burg ein tief ver­wurzel­ter und für die Betrof­fe­nen unerträglich­er All­t­agsras­sis­mus. Der trifft Geflüchteten und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund prak­tisch jedes Mal, wenn sie vor die Woh­nungstür gehen. Es sind Belei­di­gun­gen, abw­er­tende oder abwehrende Bemerkun­gen und Gesten, Unfre­undlichkeit – per­ma­nente Nadel­stiche. Viele Opfer, die wir berat­en, beschreiben deshalb den Angriff nur als End­punkt ein­er täglichen ras­sis­tis­chen Abw­er­tung, die ihnen schw­er zu schaf­fen macht und ihre Leben­squal­ität mas­siv ein­schränkt. Der All­t­agsras­sis­mus zer­mürbt und führt schlimm­sten­falls dazu, dass Betrof­fene kaum noch ihre Woh­nung ver­lassen wollen.
 

Welchen Einfluss hat der Rechtspopulismus in Brandenburg?

Die AfD sitzt im Land­tag, und mit Alexan­der Gauland hat­ten wir hier bis zur Bun­destagswahl auch einen promi­nen­ten AfD-Vertreter, der gern ein­mal laut die ras­sis­tis­che Trom­mel gerührt hat. Das war aber kaum mehr als das übliche ras­sis­tis­che Getöse der AfD bun­desweit. Und es kor­re­spondiert mit der ras­sis­tis­chen Grun­de­in­stel­lung, die in weit­en Öffentlichkeit­en Bran­den­burgs herrscht. Aber damit stieß die AfD auf viel Gegen­liebe, ger­ade Frank­furt / Oder und im Oder-Spree-Kreis. Im Wahlkreis Cot­tbus-Spree-Neiße war bei der let­zten Bun­destagswahl die AfD stärk­ste Kraft bei den abgegebe­nen Zweitstimmen.
 

Gab es herausragende Ereignisse?

Es gab auch 2017 Bran­dan­schläge auf Flüchtling­sun­terkün­fte. Neu war dabei, dass die Hemm­schwellen weit­er gesunken sind, auch Anschläge auf bewohnte Unterkün­fte zu verüben und damit den Tod der dort leben­den Men­schen in Kauf zu nehmen. Das war etwa in Krem­men im April 2017 der Fall. In der Nacht wer­den zwei Molo­tow­cock­tails über den Zaun ein­er Unterkun­ft für Geflüchtete gewor­fen. Diese entzün­den den Rasen. Der Wach­schutz kann das Feuer löschen. Es wird wegen ver­sucht­en Mordes und ver­suchter schw­er­er Brand­s­tiftung ermit­telt (vgl. MAZ). Inzwis­chen sind zwei Tatverdächtige ermit­telt und sitzen in Unter­suchung­shaft (vgl. MAZ).
Außer­dem fand 2017 das Ver­fahren wegen eines Bran­dan­schlags in Jüter­borg im Vor­jahr statt (vgl. Opfer­per­spek­tive). Hier trat zu Tage, dass wir es nicht mehr mit spon­ta­nen ras­sis­tis­chen Angrif­f­en zu tun haben, son­dern mit organ­isierten, geplanten, vorsät­zlichen, ras­sis­tisch motivierten Ver­brechen. Hier war der Vater eines der Täter ein stadt­bekan­nter organ­isiert­er Recht­sex­tremer, der Ben­zin besorgte, die Brand­sätze zusam­men­stellte, und dann seinen Sohn und einen Fre­und überre­dete, den Anschlag auf ein Wohn­heim für min­der­jährige unbe­gleit­ete Flüchtlinge in Jüter­borg zu verüben. Dabei nah­men die Täter klar in Kauf, dass auch Men­schen zu Schaden kom­men. Der Sohn, selb­st auch als Teil­nehmer ras­sis­tis­ch­er Aufmärsche bekan­nt, ist wegen 20fachen ver­sucht­en Mordes verurteilt worden.
Dass es so weit kom­men kon­nte, liegt auch an den öffentlichen Diskursen zum The­ma in der Stadt­ge­sellschaft. Jüter­borgs Bürg­er­meis­ter, der parteilose Poli­tik­er Arne Raue, beteiligt sich selb­st an ras­sis­tis­chen Argu­men­ta­tio­nen und schürt Äng­ste vor Geflüchteten, etwa über Post­ings in sozialen Net­zw­erken. Entsprechend gab es nach dem Über­griff auch keine öffentliche Verurteilung der Tat, keine Sol­i­dar­ität mit den Ange­grif­f­e­nen, den schon zuvor durch die Flucht trau­ma­tisierten unbe­gleit­eten Min­der­jähri­gen. Es gibt auch in Jüter­borg Men­schen, die die Geflüchteten unter­stützen. Allerd­ings tun sie das prak­tisch heim­lich. Die Bedro­hung in der Stadt ist so groß und es gibt so wenig Sol­i­dar­ität, dass sich die Unterstützer_innen nicht mehr trauen, sich öffentlich zu Wort melden. Und das trägt wiederum dazu bei, dass viele, die nicht direkt betrof­fen sind, das Prob­lem des All­t­agsras­sis­mus und der Ein­schüchterung gar nicht wahrnehmen.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

31.12. No procedure as every year


Am 31.12. ruft der „Zukun­ft Heimat“ e.V. zu ein­er Kundge­bung vor der Stadthalle in Cot­tbus auf. Hin­ter der Fas­sade von Begrif­f­en wie Bürg­ernähe, Kul­tur und Integrität steck­en bei diesem Vere­in jedoch die Völkischen der AfD, Pegi­da, Ras­sis­mus und Sexismus.
Sil­vester hat für sie eine ganz beson­dere Bedeu­tung: es geht um die sex­uellen Über­griffe, die an diesem Datum im Jahr 2015 in Köln stat­tfan­den. Dieses Ereig­nis wird genutzt, um eine gesamte Men­schen­gruppe zu kat­e­gorisieren: „Die“ Flüchtlinge, „Die“ Mus­lime, „Die“ Was-auch-immer-ger­ade-in-den-Kram-passt. Das wahre Prob­lem wird dabei nicht aufge­grif­f­en: es lautet Sexismus.
Anstatt die Prob­lematik sach­lich und aus­führlich zu bear­beit­en, indem sich sowohl mit von Sex­is­mus betrof­fe­nen Men­schen als auch sich selb­st sex­is­tisch ver­hal­tenden Men­schen auseinan­derge­set­zt und über dieses diskri­m­inierende Ver­hal­ten aus­ge­tauscht wird, wird das Prob­lem abstrus vere­in­facht: ein­fach alle abschieben.
Diese Demo ist kein Einzelfall: am 13. Jan­u­ar 2017 marschierten über ein­hun­dert Neon­azis und Hooli­gans unangemeldet durch die Cot­tbuser Alt­stadt, verteil­ten ras­sis­tis­che Het­z­pam­phlete und skandierten rechte Parolen. Diese Leute tum­meln sich jet­zt auch fleißig auf Ver­anstal­tun­gen von „Zukun­ft Heimat“. Sie bezo­gen sich eben­so auf Sil­vester 2015 und riefen eben­falls dazu auf “ihre” Stadt zu “vertei­di­gen”. Soll das jet­zt jedes Jahr so weit­erge­hen oder was? Nicht mit uns!
Lassen wir nicht zu, dass fem­i­nis­tis­che Sol­i­dar­ität gegen Ras­sis­muskri­tik aus­ge­spielt wird. Lasst uns diejeni­gen ent­lar­ven, die diese Sol­i­dar­ität instru­men­tal­isieren und für die Ver­bre­itung ihrer ras­sis­tis­chen und völkischen Ide­olo­gie aus­nutzen. Wir sind ver­schiedene Men­schen aus Cot­tbus und wir kämpfen für eine gerechtere Gesellschaft – und das ohne Sex­is­mus, Ras­sis­mus und andere Diskriminierungsformen.
Kein Rutsch für Faschis­mus und Sex­is­mus! Wir sehen uns am 31.12. ab 14:30 Uhr in der Berlin­er Straße gegenüber dem Stadthal­len­vor­platz beim Fürst Pückler.
Bitte lasst Pyrotech­nik, Böller etc. zu Hause, weil das Mit­führen gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz verstößt.

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration

Kundgebung: “Stoppt die Sklaverei in Libyen! Stoppt den Krieg gegen Migrant*innen!”

WO: EU-Kom­mis­sion, Unter den Lin­den 78, Nähe Bran­den­burg­er Tor
WANN: Mon­tag, 18.12.2017, 16.30 Uhr — 18:30 Uhr
ANREISE AUS POTSDAM mit RB21 um 15:43 Uhr ab Pots­dam Hbf
Aufruf (ENGLISH, ARABIC below):
Wir verurteilen die europäis­che Poli­tik auf das Schärf­ste. Sie
unter­stützen afrikanis­che Län­der um Flüch­t­ende und Migrant*innen von
ihren Gren­zen fern zu hal­ten. Sie kooperiert mit Reg­i­men, welche sie
selb­st als nicht regierungs­fähig oder kor­rupt ein­stuft, in dem sie
finanzielle Unter­stützung leis­tet und Train­ing­spro­gramme anbi­etet. Das
Ergeb­nis sind willkür­liche Gewalt, Tod und Sklaverei, wie aktuell bspw.
in Libyen und Niger öffentlich bekan­nt gewor­den ist. Den Regierun­gen der
Län­der, die als Durchreiselän­der auf dem Weg nach Europa dienen, wurden
hohe Sum­men gezahlt und weit­ere Gelder ver­sprochen. Neue Geset­ze und
mehr Gren­zkon­trolle seit­ens der EU greifen außer­halb des eigenen
Kon­ti­nents um sich. Jobs wer­den nur für Europäer*innen geschaffen,
während Afrikanis­che Men­schen – davon aus­geschlossen – sich um bessere
Lebens­be­din­gun­gen ander­swo bemühen müssen, dort gejagt wer­den wie Tiere
und sich allen nur erden­klichen Beschimp­fun­gen und Misshandlungen
aus­ge­set­zt sehen müssen.
Wir rufen alle europäis­chen Aktivist*innen dazu auf:
Schaut über eure eige­nen Gren­zen hinaus.Handelt um diese inhumanen
Sit­u­a­tio­nen inner­halb, wie außer­halb der EU zu ändern. Und nicht erst
dann, wenn der öffentliche Auf­schrei kommt! Gemein­sam mit aktiven
Geflüchteten gegen Ras­sis­mus und Sexismus!
Wir rufen alle afrikanis­chen Regierun­gen, die gemein­same Sache machen
mit der EU dazu auf: Ihr werdet die Ver­ant­wortlichen sein in der
Geschichte, die Ver­ant­wortlichen am Tod Mil­lio­nen eur­er Land­sleute wegen
eur­er Gier und eures Macht-Egoismus!
Wir rufen alle Men­schen auf, die für EU-Insti­tu­tio­nen arbeit­en: Es ist
eine Illu­sion, zu denken, dass ihr das Prob­lem, das ihr selb­st mit
kreiert habt, durch Geld und Wegschauen lösen kön­ntet. Vielmehr führt
eure Poli­tik zu mehr Men­schen­rechtsver­let­zun­gen und Tod. Stoppt den
Krieg gegen Migrant*innen!
Wir fordern:
Bewe­gungs­frei­heit für alle, Recht zu Kom­men, Recht zu Gehen, Recht zu
Bleiben!
Unterstützer*innen: WOMEN IN EXILE AND FRIENDS, Potsdam-Konvoi,
bor­der­line-europe, sea watch, JUGEND RETTET

Women In Exile


ENGLISH Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-English.pdf
ARABIC Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-Arabic.pdf
Aufruf LANG-Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-Deutsch.pdf

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Frohes neues… Nichts: Perspektiven für junge Flüchtlinge schaffen statt gefährden — Jetzt verantwortlich handeln!

Die Unterze­ich­nen­den, darunter die Jugen­dini­tia­tiv­en Care­leaver e.V. und Jugendliche ohne Gren­zen (JoG), appel­lieren an Poli­tik und Ver­wal­tung, unbe­gleit­ete Min­der­jährige auf dem Weg in die Volljährigkeit nicht alleine zu lassen. Sys­tem­be­d­ingt wer­den zum Jahreswechsel****jugendliche Geflüchtete regelmäßig volljährig (gemacht). Wer­den sie dann sich selb­st über­lassen, dro­hen Desta­bil­isierung, Schul- und Aus­bil­dungsab­brüche und im schlimm­sten Fall die Obdachlosigkeit. Die Weichen für gute Übergänge und funk­tion­ierende Anschlussver­sorgung müssen daher jet­zt von Poli­tik und den zuständi­gen Trägern gestellt werden.
Während junge Flüchtlinge als „jugendlich, männlich, Aus­län­der“ medi­al ins­beson­dere im Kon­text von Krim­i­nal­ität the­ma­tisiert wer­den, ist wenig bekan­nt über die zahlre­ichen Hür­den, mit denen junge Geflüchtete tagtäglich zu kämpfen haben. Unbe­gleit­ete Min­der­jährige gehören zu den beson­ders Schutzbedürfti­gen unter den Geflüchteten. Trotz­dem wer­den ihnen, ins­beson­dere seit dem Jahr des großen Flüchtlingszu­gangs 2015/2016, fun­da­men­tale Rechte voren­thal­ten: So wurde ihr Recht auf Eltern­nachzug mas­siv eingeschränkt und ihre Unter­bringung und Ver­sorgung in vie­len Kom­munen unter­halb gel­tender Stan­dards der Jugend­hil­fe vielfach hin­genom­men. Viele der damals als Jugendliche im Alter von 15 oder 16 Jahren ein­gereis­ten Geflüchteten wer­den nun volljährig, ein Großteil von ihnen zum 31.12. oder 1.1. – ein fik­tives Geburts­da­tum, das bei ungek­lärtem oder nicht nach­weis­barem Geburt­stag behördlich fest­gelegt wird, ohne dass sich die jun­gen Men­schen effek­tiv dage­gen wehren könnten.
Mit diesem fest­gelegten Datum wird in zahlre­ichen Kom­munen die Jugend­hil­fe been­det, obwohl es einen rechtlichen Anspruch auf Weit­ergewährung der Hil­fe bis zum 21. Leben­s­jahr gibt, wenn ein indi­vidu­eller Bedarf vor­liegt. Damit stellt sich ins­beson­dere die Frage
nach Unter­bringung und Leben­sun­ter­haltssicherung neu. Eine Anschlussver­sorgung ist nicht immer unmit­tel­bar gewährleis­tet. Mit den hier entste­hen­den Ver­sorgungslück­en bei Beendi­gung der Jugend­hil­fe haben auch junge Men­schen ohne Fluchthin­ter­grund, die die Jugend­hil­fe ver­lassen, zu kämpfen. Bei jun­gen Geflüchteten kommt hinzu, dass ihr
Aufen­thalt oft­mals noch nicht gesichert ist, die Anschlussver­sorgung aber hier­von abhängt und sie zum Teil gezwun­gen wer­den, ihren Wohnort zu wech­seln. Ohne Unter­stützung führt dies zu Schul- und Aus­bil­dungsab­brüchen, Unter­bringung in Gemein­schaft­sun­terkün­ften oder
gar Obdachlosigkeit.
Fehlende Über­gangsmech­a­nis­men, unzure­ichende Hil­fe-Koor­di­na­tion, man­gel­nde Beratungsstruk­turen und nicht aufeinan­der abges­timmte Geset­ze sowie Behör­den­prax­is sor­gen hier für Per­spek­tivlosigkeit: „Für meine Fre­unde ist der 18. Geburt­stag ein Freuden­tag. Ich habe große Angst davor 18 zu wer­den. Durch die Jugend­hil­fe bin ich dabei meine Ziele im Leben zu erre­ichen und plöt­zlich soll damit Schluss sein.“ sagt ein Jugendlich­er der Ini­tia­tive Jugendliche ohne Gren­zen (JoG) befragt zu seinem bevorste­hen­den „Geburt­stag.“ Belas­tend hinzu kommt die Angst vor Abschiebung, denn bei gedulde­ten Jugendlichen endet mit dem 18. Geburt­stag der Schutz vor der Abschiebung.
Die Jugend­hil­fe ist deshalb in beson­derem Maße gefordert, damit die erforder­liche Unter­stützung gewährt wird und der Über­gang in die vorge­se­henen Unter­stützungssys­teme gelin­gen kann. Sie darf aber mit dieser Auf­gabe nicht alleine gelassen wer­den. Auch die Träger von Sozial­hil­fe und Job­cen­ter müssen endlich Ver­ant­wor­tung für die jun­gen Men­schen übernehmen. Dafür ist allerd­ings zen­tral, dass Poli­tik zu den jun­gen Men­schen sowie zu ihrer Inte­gra­tion in die deutsche Gesellschaft auch tat­säch­lich ste­ht und ihnen (Aus)Bildung und Per­spek­tivschaf­fung ermöglicht, statt diese durch fortwährende geset­zliche Ver­schär­fun­gen zu tor­pedieren und zu verhindern.
„Bil­dungser­folge, Inte­gra­tion und Erfolge der Jugend­hil­fe dür­fen an der Schwelle zur Volljährigkeit nicht riskiert wer­den“, erk­lärt Nerea González Mén­dez de Vigo vom Bun­des­fachver­band umF. „Geschaf­fene Per­spek­tiv­en müssen aufrechter­hal­ten und ver­fol­gt wer­den kön­nen, wenn Inte­gra­tion gelin­gen soll. Das Pri­mat der Kinder- und Jugend­hil­fe muss nach­haltig umge­set­zt wer­den. Ger­ade junge volljährige Geflüchtete benöti­gen vielfältige Unter­stützung, um ihre Zukun­ft in die Hand nehmen zu können.“
Bran­den­burg liegt unter dem Bun­des­durch­schnitt bei der Gewährun­gen von Jugend­hil­feleis­tun­gen für geflüchtete Jugendliche, die älter als 18 Jahre sind. Während im Bun­des­durch­schnitt 43% der jun­gen Volljähri­gen Unter­stützung erhal­ten, sind es in Bran­den­burg aktuell 31%. Beson­ders auf­fäl­lig sind die großen Unter­schiede zwis­chen den Land­kreisen: Absolute Schlus­slichter in der Hil­fegewährung sind die Prig­nitz mit 0%,
Frank­furt Oder mit 7,7% und Ober­spree­wald-Lausitz mit 8%. Weit über dem Bun­des­durch­schnitt liegt hinge­gen der Land­kreis Märkisch-Oder­land mit 54% Hil­fen für junge Volljährige, die geflüchteten Jugendlichen gewährt wer­den. Es braucht daher drin­gend eine Auseinan­der­set­zung zu den Ursachen und Kon­se­quen­zen nicht bzw. zu sel­ten gewährter Unter­stützung. Den beson­deren Bedar­fen von jun­gen Geflüchteten muss uneingeschränkt Rech­nung getra­gen werden.
Pots­dam, den 14.12.2017
Ansprechperson:
Kirstin Neu­mann| Flüchtlingsrat Brandenburg
|neumann@fluechtlingsrat-brandenburg.de|Tel: 0160 – 56 33 193

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Gender & Sexualität

Geflüchtete Frauen schützen – auch vor struktureller Gewalt!

Frauen erleben Gewalt in den Unterkün­ften durch andere Geflüchtete, das Per­son­al und in der Gesellschaft. Sie erfahren auch struk­turelle Gewalt durch das Lager­sys­tem, die Asylge­set­zge­bun­gen und die diskri­m­inierende Prax­is der Behörden.
Aktuelle bun­desrechtliche Geset­zesver­schär­fun­gen ermöglichen es, Men­schen sechs Monate lang und diejeni­gen mit so genan­nter schlechter Bleibeper­spek­tive auch länger in der Erstauf­nahme festzuhal­ten und so bei ein­er Ablehnung ihres Asylge­such­es direkt abschieben zu kön­nen. Die prekären Bedin­gun­gen in der Erstauf­nahme – fehlende Pri­vat­sphäre, eingeschränk­ter Zugang zu erforder­lichen Gesund­heit­sleis­tun­gen und die Unmöglichkeit, das eigene Fam­i­lien­leben zu gestal­ten – gefährden in beson­derem Maße Schutzbedürftige wie Frauen und Kinder. Ein­er asyl­suchen­den Fam­i­lie mit einem herzkranken Neuge­bore­nen, das regelmäßige Behand­lun­gen in der Berlin­er Char­ité benötigte, wurde etwa der Umzug aus der Erstauf­nahme in Dober­lug-Kirch­hain in eine Woh­nung in Berlin­nähe ver­weigert. Dies, obwohl die lan­gen Fahrtwege eine große Belas­tung für das Kind und seine Eltern darstell­ten. Ähn­lich erg­ing es ein­er Trans­frau, deren Auszug trotz Empfehlun­gen und Gutacht­en von Psycholog_innen durch die Zen­trale Aus­län­der­be­hörde ver­hin­dert wurde. Die Ver­weigerung des Auszuges aus der Erstauf­nahme von Men­schen mit beson­derem Schutzbe­darf, um sie vor Angrif­f­en zu schützen, oder die notwendi­ge Ver­sorgung sicherzustellen, find­et derzeit immer wieder statt. Dies legt die Ver­mu­tung nahe, dass das Ziel, Men­schen rei­bungs­los abschieben zu kön­nen, schw­er­er wiegt als ihre Gesundheit.
Die Notver­sorgung in der Erstauf­nahme lastet in beson­der­er Weise auf den Schul­tern von Frauen, die häu­fig die struk­turelle Lücke in der Ver­sorgung durch eigene Sorgear­beit für kranke Geflüchtete und Kinder ander­er Fam­i­lien füllen müssen. Durch unfaire Asylver­fahren und das Fehlen eines Ver­fahrens für die Erken­nung beson­der­er Schutzbedürftigkeit in der Erstauf­nah­meein­rich­tung kön­nen Frauen häu­fig human­itäre Gründe, die sie vor der Abschiebung schützen kön­nten, nicht gel­tend machen. Trotz Diskus­sio­nen um Gewaltschutzkonzepte bleiben vor allem Frauen, Kinder oder LGBTI-Per­so­n­en den Kon­flik­ten in den Unterkün­ften aus­ge­set­zt. Die Wohn­verpflich­tung in der Erstauf­nahme wird oft vor der Schutzbedürftigkeit und der Notwendigkeit eines Auszuges pri­or­isiert. Ein Umzug in Frauen­häuser scheit­ert nicht sel­ten an fehlen­den Plätzen für Frauen mit mehr als einem Kind.
Auch nach der Verteilung in die Land­kreise bleibt die gesund­heitliche Schlechter­stel­lung beste­hen. Die Ein­führung der Gesund­heit­skarte in mit­tler­weile fast allen Land­kreisen hat häu­fig nicht zur gewün­scht­en Gle­ich­stel­lung und zu ein­er Beendi­gung der Stig­ma­tisierung von Geflüchteten geführt. Noch immer kommt es regelmäßig zu Behand­lungsver­weigerun­gen. So wurde ein­er geflüchteten Frau aus Frankfurt/Oder trotz Krankenkassenkarte dreima­lig die Behand­lung bei Ärzten ver­wehrt, weil diese befürchteten, ihre Leis­tun­gen nicht erstat­tet zu bekom­men. Ein Umstand der laut Geset­zge­ber eigentlich durch die Karte behoben wer­den sollte. Ähn­lich erg­ing es ein­er Frau aus Eritrea: Ihr wurde die notwendi­ge Ent­fer­nung eines Implan­tats zur Empfäng­nisver­hü­tung durch einen Arzt/eine Ärztin ver­weigert. Sie hat­te es sich als Schutz einge­set­zt, da sie auf der Flucht mit Verge­wal­ti­gung rech­nen musste. Das Nich­t­ent­fer­nen des Implan­tats stellt nun ein weit­eres Gesund­heit­srisiko dar. Dabei fordert europäis­ches Recht eine vol­lum­fängliche Ver­sorgung von beson­ders schutzbedürfti­gen Flüchtlin­gen wir Kindern, Kranken oder von Gewalt bedro­ht­en oder betrof­fe­nen Frauen und LGBTI-Personen.
For­men struk­tureller Gewalt gegenüber Frauen zeigen sich immer wieder auch bei gewaltvollen Abschiebev­er­suchen in Bran­den­burg. Im Som­mer diesen Jahres ver­suchte die Polizei ohne Ankündi­gung und unter Anwen­dung von Gewalt eine Mut­ter aus Ober­hav­el abzuschieben. Sie war aktenkundig in ein­er psy­chisch labilen Sit­u­a­tion. Man legte ihr den­noch Hand­schellen an. Ihr vier­jähriger Sohn, selb­st psy­chisch behand­lungs­bedürftig, wurde Zeuge dieser Gewal­tan­wen­dung. Die Folge des Abschiebev­er­such­es war ein fast vier­monatiger Aufen­thalt der Mut­ter im Kranken­haus und eine Unter­bringung des Kindes in ein­er Kinder­sta­tion. Struk­turell gewaltvoll ist hier nicht nur das Ver­hal­ten der Aus­län­der­be­hörde, die die Erkrankung der Mut­ter als Abschiebe­hin­der­nis ignori­erte. Auch die Bedin­gun­gen der Unterkun­ft, wo sich beson­ders Schutzbedürftige immer wieder unangemelde­ten und gewaltvollen Abschiebun­gen aus­geliefert sehen, befördern diese Umstände.
Women in Exile und der Flüchtlingsrat fordern:
*Schutzbe­fohlen­heit und die Gesund­heit von Frauen und Kindern müssen schw­er­er wiegen als die rück­sicht­slose Umset­zung restrik­tiv­er Geset­ze! Schutz für alle geflüchteten Frauen und Kinder – ohne Aus­nahme und unab­hängig von der ver­meintlichen Bleibeperspektive!
*Wir fordern: Eigen­er Wohn­raum für Frauen und Kinder! Verteilung aus der Erstauf­nahme inner­halb eines Monats! Uneingeschränk­ter Zugang zu Gesund­heit­sleis­tun­gen ab dem ersten Tag! Wir fordern eine nach­haltige Bleibeper­spek­tive für alle Flüchtlinge!

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(Anti-)Rassismus Law & Order

Urteilsverkündung im Jüterboger Brandanschlagsprozess

Chris P. gab an, die Tat gemein­sam mit seinem Fre­und Felix G. began­gen zu haben. Die bei­den Män­ner seien durch den Vater des Angeklagten, der auch die Brand­sätze gebaut habe, zu der Tat anges­tiftet wor­den. Ein Zeuge berichtete im Ver­fahren, dass im Laufe des Tatabends gemein­sam neon­azis­tis­che Lieder am Lager­feuer gesun­gen wur­den. Der ras­sis­tisch motivierte Bran­dan­schlag vom 01. Okto­ber 2016 war eine der schw­er­sten recht­en Gewalt­tat­en im Land Bran­den­burg, die vom Vere­in Opfer­per­spek­tive im ver­gan­genen Jahr erfasst wurde. Einige der Bewohn­er der Unterkun­ft lit­ten noch Monate nach der Tat unter den psy­chis­chen Fol­gen des Anschlags. Nur auf­grund glück­lich­er Umstände ist in der Tat­nacht kein­er der Bewohn­er und Betreuer*innen kör­per­lich schw­er ver­let­zt wor­den oder zu Tode gekommen.
„Die öffentliche Wahrnehmung des Ver­fahrens beschränkt sich lei­der auf die Beschrei­bung des Tather­gangs und die Äußerun­gen der Täter. Es ist zu wün­schen, dass sowohl die Tat­fol­gen für die Betrof­fe­nen jugendlichen Geflüchteten, als auch der ras­sis­tis­che Nor­malzu­s­tand in Jüter­bog und Umge­bung stärk­er in den Fokus der Öffentlichkeit gelan­gen“, so Mar­tin Vese­ly vom Vere­in Opfer­per­spek­tive. So war der Bran­dan­schlag im ver­gan­genen Jahr ein­er von ins­ge­samt neun ras­sis­tisch motivierten Angrif­f­en im Land­kreis Tel­tow-Fläming. Auch in diesem Jahr erfasste der Vere­in bere­its sechs ras­sis­tisch motivierte Angriffe in Jüter­bog und benach­barten Gemein­den. Darunter am 07. Feb­ru­ar ein mas­siv­er Angriff von Recht­en auf einen Jugend­club in Jüter­bog, der auch von Geflüchteten fre­quen­tiert wird.
Geflüchtete und deren Unterstützer_innen bericht­en der Opfer­per­spek­tive immer wieder von einem feindlichen Kli­ma in der Region. Dies äußert sich, neben direk­ten kör­per­lichen Angrif­f­en auf Geflüchtete, auch in Bedro­hun­gen und Belei­di­gun­gen in All­t­agssi­t­u­a­tio­nen, beispiel­sweise beim Einkaufen im Super­markt. „Men­schen, die sich sol­i­darisch auf der Seite von Geflüchteten posi­tion­ieren, haben Angst dies in der Öffentlichkeit zu zeigen, weil sie Anfein­dun­gen von Recht­en befürcht­en oder bere­its real bedro­ht wer­den. Dieser Zus­tand ist für die Betrof­fe­nen unerträglich. Wenn dann auch noch der örtliche Bürg­er­meis­ter bewusst Äng­ste vor Geflüchteten schürt, ver­schärft dies die Sit­u­a­tion zusät­zlich. Es müssen – auch über Jüter­bog und Umge­bung hin­aus – drin­gend Anstren­gun­gen unter­nom­men wer­den, rechte Ein­stel­lun­gen in der Region zurück­zu­drän­gen“, so Mar­tin Vese­ly weiter.
Die morgige Urteilsverkün­dung fällt zufäl­lig mit dem 25. Jahrestag des ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlags in Mölln vom 23. Novem­ber 1992 zusam­men, und ver­weist somit auf eine bedrück­ende Kon­ti­nu­ität ras­sis­tis­ch­er Gewalt in der Bun­desre­pub­lik. In der Kle­in­stadt in Schleswig-Hol­stein ermorde­ten damals Neon­azis die zehn- und vierzehn­jähri­gen Mäd­chen Yeliz Arslan und Ay?e Y?lmaz, sowie ihre 51-jährige Groß­mut­ter Bahide Arslan.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Die nächsten Termine in Eberswalde

Gedenken und Widerstand
anti­ras­sis­tis­che Ver­anstal­tungsrei­he in Eberswalde
25.11.2017 Ras­sis­tis­che Angriffe damals und heute — Ausstel­lung und
Podiumsdiskussion
06.12.2017 Gedenken zum Todestag von Amadeu Anto­nio — Gedenkveranstaltung
12.12.2017 Recht­spop­ulis­mus im Bun­destag — Vor­trag und Podiumsdiskussion
Wer war Amadeu Anto­nio? Der am 12. August 1962 in Ango­la (damals noch
der Kolo­nial­macht Por­tu­gals unter­ste­hend) geborene Amadeu Anto­nio, wurde
am 25. Novem­ber 1990 in Eber­swalde bei einem Angriff von ein­er Gruppe
Neon­azis niedergeschla­gen. Bevor er als Ver­tragsar­beit­er in die DDR kam,
hat­te er in Brasilien, Por­tu­gal und der Sow­je­tu­nion Ausbildungen
absolviert. Er hoffte auf ein Studi­um der Flugzeugtech­nik, wurde aber in
Eber­swalde, wie die meis­ten sein­er Land­sleute, als Fleischer
aus­ge­bildet. Nach Ablauf des Arbeitsver­trages ver­längerte sich sein
Aufen­thalt, weil seine deutsche Fre­undin ein Kind erwartete. Noch vor
der Geburt des Kindes starb Amadeu Anto­nio am 6. Dezem­ber 1990, nach
zwei­wöchigem Koma, an den Fol­gen des ras­sis­tis­chen Überfalls.
*Ras­sis­tis­che Angriffe damals und heute
Ausstel­lung & Podiumsdiskussion *
Am 25.11.17 jährt sich der ras­sis­tis­che Angriff auf Amadeu Anto­nio zum
27. Mal. In der Nacht vom 24. auf den 25. Novem­ber 1990 ziehen rund 50
Neon­azis und Ras­sis­ten, bewaffnet mit Base­ballschlägern und Zaunlatten,
durch Eber­swalde und machen Jagd auf Schwarze Men­schen. Unter
„Deutsch­land den Deutschen“ Gegröle bewegt sich die Gruppe in Richtung
„Hüt­ten­gasthof“, zu dieser Zeit die einzige Gast­stätte im Ort, in der
Nicht­deutsche noch willkommene Gäste sind. Nach­dem der Wirt
benachrichtigt wird, dass eine Gruppe unter­wegs ist, die auf Stress aus
ist, schließt er die Gast­stätte. Als Amadeu Anto­nio mit Fre­un­den das
Lokal ver­lässt, laufen sie den bewaffneten Ras­sis­ten genau in die Arme.
Viele kon­nten in dieser Nacht entkom­men, Amadeu Anto­nio wurde von 10
Leuten umringt und niedergeschla­gen, ein Angreifer springt mit beiden
Füßen auf den Kopf.
Die Afie und die Barn­imer Kam­pagne „Light me Amadeu“ laden zu einer
Gedenkver­anstal­tung in die Räume der HNEE in Eber­swalde ein. Die
Ausstel­lung zur Geschichte der angolanis­chen Ver­tragsar­beit­er in
Eber­swalde, öffnet ab 15 Uhr. Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung
wird es eine kurze Lesung über die Vorkomm­nisse in der Nacht des
Angriffs und ein Podi­ums­ge­spräch geben. Wir wollen uns über die
ras­sis­tis­chen Angriffe und die Stim­mung in den 1990er Jahren austauschen
und dabei Kon­ti­nu­itäten bzw. Unter­schiede zur heuti­gen Zeit
her­ausar­beit­en. Gäste sind unter anderem ein Zeitzeuge, der die
ras­sis­tis­chen Angriffe in Eber­swalde Anfang der 90er miter­lebt hat, und
ein Mitar­beit­er des Vere­ins Opfer­per­spek­tive e.V. aus Potsdam.
*Sam­stag, 25.11.17 15:00 Uhr Ausstellungseröffnung **
**18:00 Uhr Podi­ums­diskus­sion* Aula der HNEE (Schick­ler­str. 5 — Haus 6)
*Gedenken zum Todestag *
Am 6. Dezem­ber 1990 starb Amadeu Anto­nio Kiowa mit 28 Jahren in Folge
des Angriffs. Zum Todestag von Amadeu Anto­nio rufen wir dazu auf, zur
Gedenk­tafel am Ort des Angriffs in der Eber­swalder Straße 26 zu kommen.
Kerzen und/oder Blu­men kön­nen gerne mit­ge­bracht werden.
*Mittwoch, 06.12.17 16:00 Uhr Eber­swalder Straße 26*
*Recht­spop­ulis­mus im Bundestag **
**Vor­trag & Podiumsdiskussion *
Was angesichts weit ver­bre­it­eter rechter Ein­stel­lun­gen in großen Teilen
der deutschen Bevölkerung zu erwarten war, ist nun eingetrof­fen. Nachdem
die AfD schon im Europa­parla­ment und in 14 Land­ta­gen sitzt, ist sie am
24. Sep­tem­ber 2017 auch in den deutschen Bun­destag eingezogen.
Recht­spop­ulis­mus wird damit endgültig nicht nur auf der Straße, sondern
auch auf der par­la­men­tarischen Ebene salon­fähig. Auch dort wer­den jetzt
die Gren­zen des Sag­baren nach rechts ver­schoben und völkische Themen,
Ras­sis­mus und Sex­is­mus auf der Tage­sor­d­nung ste­hen. Nach einem Vortrag
zu recht­spop­ulis­tis­chen Akteur*innen in Berlin und Bran­den­burg wollen
wir mit unseren Gästen ins Gespräch kom­men. Der Fokus soll dabei auf den
antifem­i­nis­tis­chen Bestre­bun­gen und den ras­sis­tis­chen sowie
nation­al­is­tis­chen Ansicht­en im Recht­spop­ulis­mus liegen. Des Weiteren
wollen wir auch über mögliche Strate­gien gegen das Erstarken solcher
Struk­turen sprechen.
*Dien­stag, 12.12.17 18:00 Uhr* Aula der HNEE (Schick­ler­str. 5 — Haus 6)
Diese Ver­anstal­tungsrei­he wird von der afie organ­isiert. Die
Antifaschis­tis­che Ini­tia­tive Eber­swalde (afie) ist seit 2013 aktiv gegen
Ras­sis­mus, Sex­is­mus und andere Unter­drück­ungs- und
Diskri­m­inierungs­for­men. Dies schließt das Vorge­hen gegen Neon­azis und
rechte Struk­turen ein. Wir organ­isieren Demon­stra­tio­nen und arbeit­en mit
ver­schiede­nen Akteur*innen in regionalen Bünd­nis­sen zusam­men. Außerdem
organ­isierten wir in der Ver­gan­gen­heit Bil­dungsver­anstal­tun­gen, u.a. zu
Eso­terik-Kri­tik, Kap­i­tal­is­muskri­tik von rechts, Abschiebe­poli­tik in
Deutsch­land und jüdis­ch­er Geschichte in Eber­swalde. Mit dieser
Ver­anstal­tungsrei­he möcht­en wir neben ein­er aktiv­en Gedenkpoli­tik auch
ras­sis­tis­che Kon­ti­nu­itäten the­ma­tisieren und Hand­lungs- perspektiven
aufzeigen. Damals und heute versper­ren unter anderem Rass- ismus,
Antifem­i­nis­mus und rechte Het­ze den Weg, der zu ein­er Gesellschaft
führen kön­nte, in der das bessere Leben für alle wartet.
www.afie.blogsport.de
afie@riseup.net
Ver­anstal­tungsrei­he gefördert durch: RosaLux

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(Anti-)Rassismus Bildung & Kultur

Geteilte Geschichte?! – Anregungen aus postkolonialer Perspektive

Die Geschichte des deutschen Kolo­nial­is­mus in Afri­ka wurde über viele Jahrzehnte hin­weg ignori­ert, ver­drängt und ver­schwiegen. Heute fordern die Nach­fahren der Kolonisierten zunehmend Gehör für ihre eige­nen Per­spek­tiv­en und den kri­tis­chen Dia­log über die Auswirkun­gen des Kolo­nial­is­mus ein. Am Beispiel der Debat­ten um Straßen­na­men, um das Hum­boldt­fo­rum in Berlin, um ger­aubte rit­uelle Objek­te und men­schliche Gebeine z.B. aus Tansa­nia und Namib­ia wird deut­lich, wie nah uns die „alten Geschicht­en“ sind. Her­zliche Ein­ladung zum Nach- und Vordenken!
Barn­im Kam­pagne „Light me Amadeu“
Evan­ge­lis­che Jugen­dar­beit Barnim
Sam­stag, 18. Nov., 19 Uhr
Mar­tin-Luther-Saal, Kirch­straße 7, Eberswalde

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(Anti-)Rassismus

Rassistische Polizeikontrolle in Eberswalde

Am Dien­stag, den 10.10.2017, gegen 10 Uhr wur­den zwei soma­lis­che Män­ner mit dun­kler Haut­farbe am Bahn­hof Eber­swalde auf dem Bahn­steig von zwei Polizist*innen ohne ersichtlichen Anlass kon­trol­liert, neben ihnen laufende Men­schen mit “weißer” Haut­farbe wur­den nicht kontrolliert.
Die bei­den Betrof­fe­nen wur­den von den Polizist*innen unfre­undlich, her­ablassend und aggres­siv behan­delt. Sie mussten sich ausweisen, wur­den abge­tastet, ihre Taschen und Ruck­säcke wur­den durch­sucht und sie wur­den mit ein­er Videokam­era gefilmt. Obwohl die Betrof­fe­nen nach dem Grund für die Kon­trollen fragten, gaben die Polizist*innen darauf keine Antwort.
Mit „Racial Pro­fil­ing“ wird die Meth­ode beze­ich­net, das Erschei­n­ungs­bild – also etwa Haut­farbe oder Gesicht­szüge – ein­er Per­son als Entschei­dungs­grund­lage für polizeiliche Maß­nah­men wie Per­so­n­enkon­trollen, Ermit­tlun­gen und Überwachun­gen her­anzuziehen. Rechtlich dür­fen Ver­dachtsmo­mente nur auf das Ver­hal­ten von Per­so­n­en und auf objek­tive Beweise, nicht aber auf ihr Erschei­n­ungs­bild gestützt
wer­den. Im Jahr 2012 stufte das Oberver­wal­tungs­gericht Rhein­land-Pfalz “Racial Pro­fil­ing” als ille­gal ein, weil es gegen das Diskri­m­inierungsver­bot des Grundge­set­zes verstoße.
Die „Ini­tia­tive Barn­im für alle“ fordert die Polizei auf, die diskri­m­inierende Meth­ode des „Racial Pro­fil­ing“ in Zukun­ft nicht mehr anzuwen­den. Außer­dem sollte sich die Polizeileitung bei den Betrof­fe­nen für die erniedri­gende Behand­lung entschuldigen.

Inforiot