Am frühen Neujahrsmorgen verletzte eine zehnköpfige Gruppe drei Flüchtlinge schwer. Eines der Opfer kommt mit gebrochenem Kiefer ins Krankenhaus. Die Wachleute des verantwortlichen Sicherheitsunternehmens griffen nicht ein. „Ist der Sicherheitsdienst von Rechtsextremen unterwandert?“, fragt die Bürgerinitiative Cottbus schaut hin.
Eine Gruppe von drei afghanischen Flüchtlingen ist in den Morgenstunden des neuen Jahres in Cottbus auf ihrem Heimweg in Sachsendorf. Als sie gegen 1:30 Uhr am Gelsenkirchener Platz in Sachsendorf ankommen, beginnt eine etwa zehnköpfige Gruppe von jungen Deutschen sie als „Scheiß Ausländer“ zu beschimpfen und zu verfolgen. So erzählt es einer der drei Betroffenen des Angriff der Bürgerinitiative Cottbus schaut hin.
Die drei Opfer versuchten die Täter zu ignorieren und schnellstmöglich in ihre Unterkunft in der Zielona-Gora-Straße 17 und 19 zu gelangen. Schon auf dem Weg seien sie mit Schlagringen und Bierflaschen malträtiert worden. An der Unterkunft angekommen, dann aber der Schock.
Die zwei diensthabenden Wachleute ließen die drei Bewohner zwar in den Eingangsbereich, kurz darauf aber auch die Angreifer.
„Wir haben mehrmals zu den Wachmännern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und einfach 20–25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Treppenbereich geschlagen wurden.
Nach ca. 25 Minuten haben die Wachmänner die Tür für die Deutschen geöffnet und zu ihnen gesagt, dass sie raus gehen müssen, weil jetzt die Polizei kommt.“
Der zehn Minuten später eintreffenden Polizei habe einer der Wachleute danach noch eine falsche Richtungsangabe darüber gemacht, wohin die Täter geflohen seien.
Alle drei Opfer des Angriff trugen massive Verletzungen im Gesicht davon. Einer von ihnen wird immer noch mit gebrochenem Kiefer im Carl-Thiem-Klinikum behandelt. Die drei jungen Afghanen fordern die Bestrafung der Täter und des Wachpersonals, Polizei und Sozialamt haben sie bereits informiert.
Distelkam Dienstleistungsgruppe – Neonazis im Dienste der Stadt?
Die Initiative „Cottbus schaut hin“ richtet folgende Fragen an die Stadt Cottbus: Ist Ihnen bekannt, was für ein Sicherheitsunternehmen in den Unterkünften der Zielona-Gora-Straße tätig ist? Wurden die Sicherheitsleute auf diesem speziellen und hochsensiblen Arbeitsfeld ausreichend überprüft? Gab es schon vorher Beschwerden? Welche Aufgabe hat dieses Sicherheitsunternehmen in den einzelnen Objekten: Schutz der Bewohner vor Angriffen von außen oder Hilfestellung bei Angriffen von außen?
Nach Recherchen der Bürgerinitiative handelt es sich bei dem vor Ort zuständigen Sicherheitsunternehmen um die Distelkam Dienstleistungsgruppe aus Chemnitz. Eine Analyse des Facebook-Auftritts von Unternehmer Kai Distelmann (facebook.com/kai.distelmann) zeige, dass er alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sei, so die Pressesprecherin Maria Koch von Cottbus schaut hin.
In Distelkams „Gefällt-mir-Angaben“ fänden sich mehrere einschlägige Seiten, die auf eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Gesinnung schließen ließen. Unter anderem finden sich dort Seiten mit folgenden Titeln: Das Ritterkreuz and the Ritterkreuzträger Wehrmacht (eine Wehrmachtstraditionsseite), Frank Rennicke (ein rechtsextremer Liedermacher), Unbequeme Jugend Cottbus (Jugendgruppe von Inferno Cottbus), Sachsen stellt sich quer: Asylmissbrauch stoppen; Chemnitz, Sachsen, Deutschland gegen Scheinasylanten und mehrere Facebookseiten der AfD.
Distelkam teilt Nachrichten von „Heimat und Tradition Chemnitz Erzgebirge“ unter anderem einen Aufruf unter dem Titel „Einsiedel sagt Nein zur Erstaufnahme-Einrichtung“. Im Mai spekuliert er, der Tod von Michèle Kiesewetter sei gar nicht auf Neonazis, sondern auf Islamisten zurückzuführen und ein Freund rät ihm die verschwörungstheoretische Dokumentation mit dem vielsagenden Titel „Das NSU Märchen“ anzusehen.
Distelkams Unternehmen wird von Freunden beworben, die sich wenig Mühe geben ihr neonazistisches Gedankengut zu verbergen. Einer der Beschäftigten nimmt seinen Arbeitgeber gegen den Vorwurf, Löhne nicht auszuzahlen in Schutz; er sei stolz dort beschäftigt zu sein. Seine eigenes Facebookprofil wird derweil von seiner „Weihnachtsdeko“ geschmückt im Nazi-Stil samt Hakenkreuz.
Die Initiative bewertet ihre Ergebnisse wie folgt: „Der Vorfall in Cottbus und die im Internet sichtbaren Netzwerkstrukturen lassen nur einen Schluss zu: Distelkam will weniger Ausländer in seiner Heimat, während sein Unternehmen davon lebt Ausländer zu „bewachen“. Seine Gesinnungsgenossen werben unterdessen dafür, sich genau bei diesem Sicherheitsdienst zu bewerben. Dass das nicht lange gut gehen würde, hätte man ahnen können.“
Cottbus schaut hinschließt sich den Forderungen der Opfer des Angriffs aus der Silvesternacht an: „Die Täter und Mittäter müssen zur Rechenschaft gezogen werden – das ist klar. Aus meiner Sicht ist es aber auch völlig indiskutabel, dass dieses Unternehmen weiterhin von der Stadt Aufträge erhält.“, so Maria Koch weiter.
Der Vorfall habe eine besondere und auch überregionale Bedeutung, da Distelkams Unternehmen nicht nur für zahlreiche weitere Flüchtlingsunterkünfte, sondern auch für den Schutz des Landgerichts in Chemnitz zuständig sei.
Kategorie: (Anti-)Rassismus
Jahresrückblick 2017: Zwischen Alltagsrassismus und Einschüchterung: Am Beispiel Südbrandenburg werden Strukturen und Mechanismen sichtbar, die dazu führen, dass sich Menschen sich lang überlegen, ob sie öffentlich für Demokratie einzutreten.
Für den Belltower.News-Jahresrückblick sprechen wir mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Akteur_innen über die Situation in ihrem Bundesland. Das Interview mit Martin Vesely von „Opferperspektive“, der Brandenburger Beratung für Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt, führte Simone Rafael.
Was waren die wichtigsten Ereignisse und Akteure in Brandenburg im Rechtsextremismus?
In 2017 hatten wir leider weiterhin mit einer besonders großen Anzahl rassistisch motivierter Angriffe zu tun. Die Zahl wird ähnlich hoch sein wie in 2016, wo wir mit 221 Angriffen einen Höchststand verzeichnen mussten. Die Angriffe gibt es in ganz Brandenburg. Allerdings erkennen wir auch Schwerpunkt-Regionen, wo sich die Taten häufen. In Südbrandenburg, also Cottbus und Umgebung, gab es besonders viele Übergriffe. Sie treffen vor allem Geflüchtete, aber auch internationale Studierende an der BTU Cottbus. Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren, sind auch weiter Ziele von Gewalt.
In Südbrandenburg gibt es neben der gefestigten rechtsextremen Szene auch viel Zustimmung für die AfD. Südbrandenburg ist eine Hochburg der AfD, nicht nur in Brandenburg, sondern auch im bundesweiten Vergleich. Anfang 2017 wurde entsprechend hier auch versucht, ein brandenburgisches Pendant zu „Pegida“ aufzubauen, unter dem Namen „Zukunft Heimat“. Die wöchentlichen Demonstrationen waren ein Sammelbecken. Hier liefen organisierte Neonazis ebenso mit wie Rechtspopulist_innen, „besorgte Bürger_innen“ und AfD-Umfeld oder das rechte Kampfsport-Milieu. Motto war, „die Heimat“ zu „verteidigen“, und das war nicht gewaltfrei gemeint. Aus den Demonstrationen heraus gab es zwei gezielte Angriffe auf Gegendemonstrant_innen. Immerhin gibt es in Cottbus Menschen, die sich solchen Aufmärschen entgegen stellen! Seit Sommer sind die Aufmärsche unregelmäßiger geworden und zum Jahreswechsel 2017/18 gab es dann nochmal den Versuch von “Zukunft Heimat”, mit einem weiteren Aufmarsch weiterzumachen.
Als weiteres generelles Problem in Brandenburg, aber besonders in Cottbus, beobachten wir eine mangelnde Strafverfolgung. Selbst wenn Täter gefasst werden, dauert es in der Regel ein bis drei Jahre, bis ein Verfahren am Amtsgericht wirklich stattfindet. Das sind drei Jahre, in denen die Täter unbehelligt bleiben. Für die Opfer heißt das: Drei Jahre Unsicherheit, drei Jahre Leiden. Und wenn es zum Urteil kommt, wird die lange Verfahrensdauer auch noch strafmildernd für die Täter ausgelegt. Dazu gibt es etwa in Cottbus einen Anwalt, der selbst Teil der rechten Szene ist und der dies auch strategisch nutzt. Er zieht Verfahren mit Anträgen in die Länge, damit die Strafen immer geringer ausfallen.
Das Signal dieser mangelnden Strafverfolgung ist fatal: es entsteht praktisch ein Gefühl von Straffreiheit bei den Tätern. Und es ist eine große Belastung für die Opfer. Offiziell wird die lange Verfahrensdauer mit Überlastung der Gerichte begründet. Allerdings sollte gerade in rechten Hegemonieräumen wie Südbrandenburg dringend eine Lösung gefunden werden.
Wir hatten deshalb auch Prozesse, die gar nicht mehr vernünftig geführt werden konnten: Etwa den gegen einen Angestellten der Flüchtlingsunterkunft in Massow, der 2015 mit massivem Pfefferspray-Einsatz über 60 Menschen verletzt hat (vgl. Opferperspektive). Im Verfahren konnte der Tathergang nicht mehr aufgeklärt werden, weil die Betroffenen und Zeugen längst alle abgeschoben worden waren oder durch die Behörden zur „freiwilligen Ausreise“ gedrängt wurden. Verurteilt wurde der Mann dann wegen einem anderen Vergehen zu einer weitaus milderen Strafe (vgl. rbb).
Fast ebenso schwer wie tätliche Angriffe wiegt in Brandenburg ein tief verwurzelter und für die Betroffenen unerträglicher Alltagsrassismus. Der trifft Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund praktisch jedes Mal, wenn sie vor die Wohnungstür gehen. Es sind Beleidigungen, abwertende oder abwehrende Bemerkungen und Gesten, Unfreundlichkeit – permanente Nadelstiche. Viele Opfer, die wir beraten, beschreiben deshalb den Angriff nur als Endpunkt einer täglichen rassistischen Abwertung, die ihnen schwer zu schaffen macht und ihre Lebensqualität massiv einschränkt. Der Alltagsrassismus zermürbt und führt schlimmstenfalls dazu, dass Betroffene kaum noch ihre Wohnung verlassen wollen.
Welchen Einfluss hat der Rechtspopulismus in Brandenburg?
Die AfD sitzt im Landtag, und mit Alexander Gauland hatten wir hier bis zur Bundestagswahl auch einen prominenten AfD-Vertreter, der gern einmal laut die rassistische Trommel gerührt hat. Das war aber kaum mehr als das übliche rassistische Getöse der AfD bundesweit. Und es korrespondiert mit der rassistischen Grundeinstellung, die in weiten Öffentlichkeiten Brandenburgs herrscht. Aber damit stieß die AfD auf viel Gegenliebe, gerade Frankfurt / Oder und im Oder-Spree-Kreis. Im Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße war bei der letzten Bundestagswahl die AfD stärkste Kraft bei den abgegebenen Zweitstimmen.
Gab es herausragende Ereignisse?
Es gab auch 2017 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Neu war dabei, dass die Hemmschwellen weiter gesunken sind, auch Anschläge auf bewohnte Unterkünfte zu verüben und damit den Tod der dort lebenden Menschen in Kauf zu nehmen. Das war etwa in Kremmen im April 2017 der Fall. In der Nacht werden zwei Molotowcocktails über den Zaun einer Unterkunft für Geflüchtete geworfen. Diese entzünden den Rasen. Der Wachschutz kann das Feuer löschen. Es wird wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung ermittelt (vgl. MAZ). Inzwischen sind zwei Tatverdächtige ermittelt und sitzen in Untersuchungshaft (vgl. MAZ).
Außerdem fand 2017 das Verfahren wegen eines Brandanschlags in Jüterborg im Vorjahr statt (vgl. Opferperspektive). Hier trat zu Tage, dass wir es nicht mehr mit spontanen rassistischen Angriffen zu tun haben, sondern mit organisierten, geplanten, vorsätzlichen, rassistisch motivierten Verbrechen. Hier war der Vater eines der Täter ein stadtbekannter organisierter Rechtsextremer, der Benzin besorgte, die Brandsätze zusammenstellte, und dann seinen Sohn und einen Freund überredete, den Anschlag auf ein Wohnheim für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Jüterborg zu verüben. Dabei nahmen die Täter klar in Kauf, dass auch Menschen zu Schaden kommen. Der Sohn, selbst auch als Teilnehmer rassistischer Aufmärsche bekannt, ist wegen 20fachen versuchten Mordes verurteilt worden.
Dass es so weit kommen konnte, liegt auch an den öffentlichen Diskursen zum Thema in der Stadtgesellschaft. Jüterborgs Bürgermeister, der parteilose Politiker Arne Raue, beteiligt sich selbst an rassistischen Argumentationen und schürt Ängste vor Geflüchteten, etwa über Postings in sozialen Netzwerken. Entsprechend gab es nach dem Übergriff auch keine öffentliche Verurteilung der Tat, keine Solidarität mit den Angegriffenen, den schon zuvor durch die Flucht traumatisierten unbegleiteten Minderjährigen. Es gibt auch in Jüterborg Menschen, die die Geflüchteten unterstützen. Allerdings tun sie das praktisch heimlich. Die Bedrohung in der Stadt ist so groß und es gibt so wenig Solidarität, dass sich die Unterstützer_innen nicht mehr trauen, sich öffentlich zu Wort melden. Und das trägt wiederum dazu bei, dass viele, die nicht direkt betroffen sind, das Problem des Alltagsrassismus und der Einschüchterung gar nicht wahrnehmen.
Am 31.12. ruft der „Zukunft Heimat“ e.V. zu einer Kundgebung vor der Stadthalle in Cottbus auf. Hinter der Fassade von Begriffen wie Bürgernähe, Kultur und Integrität stecken bei diesem Verein jedoch die Völkischen der AfD, Pegida, Rassismus und Sexismus.
Silvester hat für sie eine ganz besondere Bedeutung: es geht um die sexuellen Übergriffe, die an diesem Datum im Jahr 2015 in Köln stattfanden. Dieses Ereignis wird genutzt, um eine gesamte Menschengruppe zu kategorisieren: „Die“ Flüchtlinge, „Die“ Muslime, „Die“ Was-auch-immer-gerade-in-den-Kram-passt. Das wahre Problem wird dabei nicht aufgegriffen: es lautet Sexismus.
Anstatt die Problematik sachlich und ausführlich zu bearbeiten, indem sich sowohl mit von Sexismus betroffenen Menschen als auch sich selbst sexistisch verhaltenden Menschen auseinandergesetzt und über dieses diskriminierende Verhalten ausgetauscht wird, wird das Problem abstrus vereinfacht: einfach alle abschieben.
Diese Demo ist kein Einzelfall: am 13. Januar 2017 marschierten über einhundert Neonazis und Hooligans unangemeldet durch die Cottbuser Altstadt, verteilten rassistische Hetzpamphlete und skandierten rechte Parolen. Diese Leute tummeln sich jetzt auch fleißig auf Veranstaltungen von „Zukunft Heimat“. Sie bezogen sich ebenso auf Silvester 2015 und riefen ebenfalls dazu auf “ihre” Stadt zu “verteidigen”. Soll das jetzt jedes Jahr so weitergehen oder was? Nicht mit uns!
Lassen wir nicht zu, dass feministische Solidarität gegen Rassismuskritik ausgespielt wird. Lasst uns diejenigen entlarven, die diese Solidarität instrumentalisieren und für die Verbreitung ihrer rassistischen und völkischen Ideologie ausnutzen. Wir sind verschiedene Menschen aus Cottbus und wir kämpfen für eine gerechtere Gesellschaft – und das ohne Sexismus, Rassismus und andere Diskriminierungsformen.
Kein Rutsch für Faschismus und Sexismus! Wir sehen uns am 31.12. ab 14:30 Uhr in der Berliner Straße gegenüber dem Stadthallenvorplatz beim Fürst Pückler.
Bitte lasst Pyrotechnik, Böller etc. zu Hause, weil das Mitführen gegen das Versammlungsgesetz verstößt.
WO: EU-Kommission, Unter den Linden 78, Nähe Brandenburger Tor
WANN: Montag, 18.12.2017, 16.30 Uhr — 18:30 Uhr
ANREISE AUS POTSDAM mit RB21 um 15:43 Uhr ab Potsdam Hbf
Aufruf (ENGLISH, ARABIC below):
Wir verurteilen die europäische Politik auf das Schärfste. Sie
unterstützen afrikanische Länder um Flüchtende und Migrant*innen von
ihren Grenzen fern zu halten. Sie kooperiert mit Regimen, welche sie
selbst als nicht regierungsfähig oder korrupt einstuft, in dem sie
finanzielle Unterstützung leistet und Trainingsprogramme anbietet. Das
Ergebnis sind willkürliche Gewalt, Tod und Sklaverei, wie aktuell bspw.
in Libyen und Niger öffentlich bekannt geworden ist. Den Regierungen der
Länder, die als Durchreiseländer auf dem Weg nach Europa dienen, wurden
hohe Summen gezahlt und weitere Gelder versprochen. Neue Gesetze und
mehr Grenzkontrolle seitens der EU greifen außerhalb des eigenen
Kontinents um sich. Jobs werden nur für Europäer*innen geschaffen,
während Afrikanische Menschen – davon ausgeschlossen – sich um bessere
Lebensbedingungen anderswo bemühen müssen, dort gejagt werden wie Tiere
und sich allen nur erdenklichen Beschimpfungen und Misshandlungen
ausgesetzt sehen müssen.
Wir rufen alle europäischen Aktivist*innen dazu auf:
Schaut über eure eigenen Grenzen hinaus.Handelt um diese inhumanen
Situationen innerhalb, wie außerhalb der EU zu ändern. Und nicht erst
dann, wenn der öffentliche Aufschrei kommt! Gemeinsam mit aktiven
Geflüchteten gegen Rassismus und Sexismus!
Wir rufen alle afrikanischen Regierungen, die gemeinsame Sache machen
mit der EU dazu auf: Ihr werdet die Verantwortlichen sein in der
Geschichte, die Verantwortlichen am Tod Millionen eurer Landsleute wegen
eurer Gier und eures Macht-Egoismus!
Wir rufen alle Menschen auf, die für EU-Institutionen arbeiten: Es ist
eine Illusion, zu denken, dass ihr das Problem, das ihr selbst mit
kreiert habt, durch Geld und Wegschauen lösen könntet. Vielmehr führt
eure Politik zu mehr Menschenrechtsverletzungen und Tod. Stoppt den
Krieg gegen Migrant*innen!
Wir fordern:
Bewegungsfreiheit für alle, Recht zu Kommen, Recht zu Gehen, Recht zu
Bleiben!
Unterstützer*innen: WOMEN IN EXILE AND FRIENDS, Potsdam-Konvoi,
borderline-europe, sea watch, JUGEND RETTET
ENGLISH Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-English.pdf
ARABIC Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-Arabic.pdf
Aufruf LANG-Version:
https://www.women-in-exile.net/wp-content/uploads/2017/12/Flyer-EU-Kommission-18.12.17-Deutsch.pdf
Die Unterzeichnenden, darunter die Jugendinitiativen Careleaver e.V. und Jugendliche ohne Grenzen (JoG), appellieren an Politik und Verwaltung, unbegleitete Minderjährige auf dem Weg in die Volljährigkeit nicht alleine zu lassen. Systembedingt werden zum Jahreswechsel****jugendliche Geflüchtete regelmäßig volljährig (gemacht). Werden sie dann sich selbst überlassen, drohen Destabilisierung, Schul- und Ausbildungsabbrüche und im schlimmsten Fall die Obdachlosigkeit. Die Weichen für gute Übergänge und funktionierende Anschlussversorgung müssen daher jetzt von Politik und den zuständigen Trägern gestellt werden.
Während junge Flüchtlinge als „jugendlich, männlich, Ausländer“ medial insbesondere im Kontext von Kriminalität thematisiert werden, ist wenig bekannt über die zahlreichen Hürden, mit denen junge Geflüchtete tagtäglich zu kämpfen haben. Unbegleitete Minderjährige gehören zu den besonders Schutzbedürftigen unter den Geflüchteten. Trotzdem werden ihnen, insbesondere seit dem Jahr des großen Flüchtlingszugangs 2015/2016, fundamentale Rechte vorenthalten: So wurde ihr Recht auf Elternnachzug massiv eingeschränkt und ihre Unterbringung und Versorgung in vielen Kommunen unterhalb geltender Standards der Jugendhilfe vielfach hingenommen. Viele der damals als Jugendliche im Alter von 15 oder 16 Jahren eingereisten Geflüchteten werden nun volljährig, ein Großteil von ihnen zum 31.12. oder 1.1. – ein fiktives Geburtsdatum, das bei ungeklärtem oder nicht nachweisbarem Geburtstag behördlich festgelegt wird, ohne dass sich die jungen Menschen effektiv dagegen wehren könnten.
Mit diesem festgelegten Datum wird in zahlreichen Kommunen die Jugendhilfe beendet, obwohl es einen rechtlichen Anspruch auf Weitergewährung der Hilfe bis zum 21. Lebensjahr gibt, wenn ein individueller Bedarf vorliegt. Damit stellt sich insbesondere die Frage
nach Unterbringung und Lebensunterhaltssicherung neu. Eine Anschlussversorgung ist nicht immer unmittelbar gewährleistet. Mit den hier entstehenden Versorgungslücken bei Beendigung der Jugendhilfe haben auch junge Menschen ohne Fluchthintergrund, die die Jugendhilfe verlassen, zu kämpfen. Bei jungen Geflüchteten kommt hinzu, dass ihr
Aufenthalt oftmals noch nicht gesichert ist, die Anschlussversorgung aber hiervon abhängt und sie zum Teil gezwungen werden, ihren Wohnort zu wechseln. Ohne Unterstützung führt dies zu Schul- und Ausbildungsabbrüchen, Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder
gar Obdachlosigkeit.
Fehlende Übergangsmechanismen, unzureichende Hilfe-Koordination, mangelnde Beratungsstrukturen und nicht aufeinander abgestimmte Gesetze sowie Behördenpraxis sorgen hier für Perspektivlosigkeit: „Für meine Freunde ist der 18. Geburtstag ein Freudentag. Ich habe große Angst davor 18 zu werden. Durch die Jugendhilfe bin ich dabei meine Ziele im Leben zu erreichen und plötzlich soll damit Schluss sein.“ sagt ein Jugendlicher der Initiative Jugendliche ohne Grenzen (JoG) befragt zu seinem bevorstehenden „Geburtstag.“ Belastend hinzu kommt die Angst vor Abschiebung, denn bei geduldeten Jugendlichen endet mit dem 18. Geburtstag der Schutz vor der Abschiebung.
Die Jugendhilfe ist deshalb in besonderem Maße gefordert, damit die erforderliche Unterstützung gewährt wird und der Übergang in die vorgesehenen Unterstützungssysteme gelingen kann. Sie darf aber mit dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden. Auch die Träger von Sozialhilfe und Jobcenter müssen endlich Verantwortung für die jungen Menschen übernehmen. Dafür ist allerdings zentral, dass Politik zu den jungen Menschen sowie zu ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft auch tatsächlich steht und ihnen (Aus)Bildung und Perspektivschaffung ermöglicht, statt diese durch fortwährende gesetzliche Verschärfungen zu torpedieren und zu verhindern.
„Bildungserfolge, Integration und Erfolge der Jugendhilfe dürfen an der Schwelle zur Volljährigkeit nicht riskiert werden“, erklärt Nerea González Méndez de Vigo vom Bundesfachverband umF. „Geschaffene Perspektiven müssen aufrechterhalten und verfolgt werden können, wenn Integration gelingen soll. Das Primat der Kinder- und Jugendhilfe muss nachhaltig umgesetzt werden. Gerade junge volljährige Geflüchtete benötigen vielfältige Unterstützung, um ihre Zukunft in die Hand nehmen zu können.“
Brandenburg liegt unter dem Bundesdurchschnitt bei der Gewährungen von Jugendhilfeleistungen für geflüchtete Jugendliche, die älter als 18 Jahre sind. Während im Bundesdurchschnitt 43% der jungen Volljährigen Unterstützung erhalten, sind es in Brandenburg aktuell 31%. Besonders auffällig sind die großen Unterschiede zwischen den Landkreisen: Absolute Schlusslichter in der Hilfegewährung sind die Prignitz mit 0%,
Frankfurt Oder mit 7,7% und Oberspreewald-Lausitz mit 8%. Weit über dem Bundesdurchschnitt liegt hingegen der Landkreis Märkisch-Oderland mit 54% Hilfen für junge Volljährige, die geflüchteten Jugendlichen gewährt werden. Es braucht daher dringend eine Auseinandersetzung zu den Ursachen und Konsequenzen nicht bzw. zu selten gewährter Unterstützung. Den besonderen Bedarfen von jungen Geflüchteten muss uneingeschränkt Rechnung getragen werden.
Potsdam, den 14.12.2017
Ansprechperson:
Kirstin Neumann| Flüchtlingsrat Brandenburg
|neumann@fluechtlingsrat-brandenburg.de|Tel: 0160 – 56 33 193
Frauen erleben Gewalt in den Unterkünften durch andere Geflüchtete, das Personal und in der Gesellschaft. Sie erfahren auch strukturelle Gewalt durch das Lagersystem, die Asylgesetzgebungen und die diskriminierende Praxis der Behörden.
Aktuelle bundesrechtliche Gesetzesverschärfungen ermöglichen es, Menschen sechs Monate lang und diejenigen mit so genannter schlechter Bleibeperspektive auch länger in der Erstaufnahme festzuhalten und so bei einer Ablehnung ihres Asylgesuches direkt abschieben zu können. Die prekären Bedingungen in der Erstaufnahme – fehlende Privatsphäre, eingeschränkter Zugang zu erforderlichen Gesundheitsleistungen und die Unmöglichkeit, das eigene Familienleben zu gestalten – gefährden in besonderem Maße Schutzbedürftige wie Frauen und Kinder. Einer asylsuchenden Familie mit einem herzkranken Neugeborenen, das regelmäßige Behandlungen in der Berliner Charité benötigte, wurde etwa der Umzug aus der Erstaufnahme in Doberlug-Kirchhain in eine Wohnung in Berlinnähe verweigert. Dies, obwohl die langen Fahrtwege eine große Belastung für das Kind und seine Eltern darstellten. Ähnlich erging es einer Transfrau, deren Auszug trotz Empfehlungen und Gutachten von Psycholog_innen durch die Zentrale Ausländerbehörde verhindert wurde. Die Verweigerung des Auszuges aus der Erstaufnahme von Menschen mit besonderem Schutzbedarf, um sie vor Angriffen zu schützen, oder die notwendige Versorgung sicherzustellen, findet derzeit immer wieder statt. Dies legt die Vermutung nahe, dass das Ziel, Menschen reibungslos abschieben zu können, schwerer wiegt als ihre Gesundheit.
Die Notversorgung in der Erstaufnahme lastet in besonderer Weise auf den Schultern von Frauen, die häufig die strukturelle Lücke in der Versorgung durch eigene Sorgearbeit für kranke Geflüchtete und Kinder anderer Familien füllen müssen. Durch unfaire Asylverfahren und das Fehlen eines Verfahrens für die Erkennung besonderer Schutzbedürftigkeit in der Erstaufnahmeeinrichtung können Frauen häufig humanitäre Gründe, die sie vor der Abschiebung schützen könnten, nicht geltend machen. Trotz Diskussionen um Gewaltschutzkonzepte bleiben vor allem Frauen, Kinder oder LGBTI-Personen den Konflikten in den Unterkünften ausgesetzt. Die Wohnverpflichtung in der Erstaufnahme wird oft vor der Schutzbedürftigkeit und der Notwendigkeit eines Auszuges priorisiert. Ein Umzug in Frauenhäuser scheitert nicht selten an fehlenden Plätzen für Frauen mit mehr als einem Kind.
Auch nach der Verteilung in die Landkreise bleibt die gesundheitliche Schlechterstellung bestehen. Die Einführung der Gesundheitskarte in mittlerweile fast allen Landkreisen hat häufig nicht zur gewünschten Gleichstellung und zu einer Beendigung der Stigmatisierung von Geflüchteten geführt. Noch immer kommt es regelmäßig zu Behandlungsverweigerungen. So wurde einer geflüchteten Frau aus Frankfurt/Oder trotz Krankenkassenkarte dreimalig die Behandlung bei Ärzten verwehrt, weil diese befürchteten, ihre Leistungen nicht erstattet zu bekommen. Ein Umstand der laut Gesetzgeber eigentlich durch die Karte behoben werden sollte. Ähnlich erging es einer Frau aus Eritrea: Ihr wurde die notwendige Entfernung eines Implantats zur Empfängnisverhütung durch einen Arzt/eine Ärztin verweigert. Sie hatte es sich als Schutz eingesetzt, da sie auf der Flucht mit Vergewaltigung rechnen musste. Das Nichtentfernen des Implantats stellt nun ein weiteres Gesundheitsrisiko dar. Dabei fordert europäisches Recht eine vollumfängliche Versorgung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen wir Kindern, Kranken oder von Gewalt bedrohten oder betroffenen Frauen und LGBTI-Personen.
Formen struktureller Gewalt gegenüber Frauen zeigen sich immer wieder auch bei gewaltvollen Abschiebeversuchen in Brandenburg. Im Sommer diesen Jahres versuchte die Polizei ohne Ankündigung und unter Anwendung von Gewalt eine Mutter aus Oberhavel abzuschieben. Sie war aktenkundig in einer psychisch labilen Situation. Man legte ihr dennoch Handschellen an. Ihr vierjähriger Sohn, selbst psychisch behandlungsbedürftig, wurde Zeuge dieser Gewaltanwendung. Die Folge des Abschiebeversuches war ein fast viermonatiger Aufenthalt der Mutter im Krankenhaus und eine Unterbringung des Kindes in einer Kinderstation. Strukturell gewaltvoll ist hier nicht nur das Verhalten der Ausländerbehörde, die die Erkrankung der Mutter als Abschiebehindernis ignorierte. Auch die Bedingungen der Unterkunft, wo sich besonders Schutzbedürftige immer wieder unangemeldeten und gewaltvollen Abschiebungen ausgeliefert sehen, befördern diese Umstände.
Women in Exile und der Flüchtlingsrat fordern:
*Schutzbefohlenheit und die Gesundheit von Frauen und Kindern müssen schwerer wiegen als die rücksichtslose Umsetzung restriktiver Gesetze! Schutz für alle geflüchteten Frauen und Kinder – ohne Ausnahme und unabhängig von der vermeintlichen Bleibeperspektive!
*Wir fordern: Eigener Wohnraum für Frauen und Kinder! Verteilung aus der Erstaufnahme innerhalb eines Monats! Uneingeschränkter Zugang zu Gesundheitsleistungen ab dem ersten Tag! Wir fordern eine nachhaltige Bleibeperspektive für alle Flüchtlinge!
Chris P. gab an, die Tat gemeinsam mit seinem Freund Felix G. begangen zu haben. Die beiden Männer seien durch den Vater des Angeklagten, der auch die Brandsätze gebaut habe, zu der Tat angestiftet worden. Ein Zeuge berichtete im Verfahren, dass im Laufe des Tatabends gemeinsam neonazistische Lieder am Lagerfeuer gesungen wurden. Der rassistisch motivierte Brandanschlag vom 01. Oktober 2016 war eine der schwersten rechten Gewalttaten im Land Brandenburg, die vom Verein Opferperspektive im vergangenen Jahr erfasst wurde. Einige der Bewohner der Unterkunft litten noch Monate nach der Tat unter den psychischen Folgen des Anschlags. Nur aufgrund glücklicher Umstände ist in der Tatnacht keiner der Bewohner und Betreuer*innen körperlich schwer verletzt worden oder zu Tode gekommen.
„Die öffentliche Wahrnehmung des Verfahrens beschränkt sich leider auf die Beschreibung des Tathergangs und die Äußerungen der Täter. Es ist zu wünschen, dass sowohl die Tatfolgen für die Betroffenen jugendlichen Geflüchteten, als auch der rassistische Normalzustand in Jüterbog und Umgebung stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gelangen“, so Martin Vesely vom Verein Opferperspektive. So war der Brandanschlag im vergangenen Jahr einer von insgesamt neun rassistisch motivierten Angriffen im Landkreis Teltow-Fläming. Auch in diesem Jahr erfasste der Verein bereits sechs rassistisch motivierte Angriffe in Jüterbog und benachbarten Gemeinden. Darunter am 07. Februar ein massiver Angriff von Rechten auf einen Jugendclub in Jüterbog, der auch von Geflüchteten frequentiert wird.
Geflüchtete und deren Unterstützer_innen berichten der Opferperspektive immer wieder von einem feindlichen Klima in der Region. Dies äußert sich, neben direkten körperlichen Angriffen auf Geflüchtete, auch in Bedrohungen und Beleidigungen in Alltagssituationen, beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt. „Menschen, die sich solidarisch auf der Seite von Geflüchteten positionieren, haben Angst dies in der Öffentlichkeit zu zeigen, weil sie Anfeindungen von Rechten befürchten oder bereits real bedroht werden. Dieser Zustand ist für die Betroffenen unerträglich. Wenn dann auch noch der örtliche Bürgermeister bewusst Ängste vor Geflüchteten schürt, verschärft dies die Situation zusätzlich. Es müssen – auch über Jüterbog und Umgebung hinaus – dringend Anstrengungen unternommen werden, rechte Einstellungen in der Region zurückzudrängen“, so Martin Vesely weiter.
Die morgige Urteilsverkündung fällt zufällig mit dem 25. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Mölln vom 23. November 1992 zusammen, und verweist somit auf eine bedrückende Kontinuität rassistischer Gewalt in der Bundesrepublik. In der Kleinstadt in Schleswig-Holstein ermordeten damals Neonazis die zehn- und vierzehnjährigen Mädchen Yeliz Arslan und Ay?e Y?lmaz, sowie ihre 51-jährige Großmutter Bahide Arslan.
Gedenken und Widerstand
antirassistische Veranstaltungsreihe in Eberswalde
25.11.2017 Rassistische Angriffe damals und heute — Ausstellung und
Podiumsdiskussion
06.12.2017 Gedenken zum Todestag von Amadeu Antonio — Gedenkveranstaltung
12.12.2017 Rechtspopulismus im Bundestag — Vortrag und Podiumsdiskussion
Wer war Amadeu Antonio? Der am 12. August 1962 in Angola (damals noch
der Kolonialmacht Portugals unterstehend) geborene Amadeu Antonio, wurde
am 25. November 1990 in Eberswalde bei einem Angriff von einer Gruppe
Neonazis niedergeschlagen. Bevor er als Vertragsarbeiter in die DDR kam,
hatte er in Brasilien, Portugal und der Sowjetunion Ausbildungen
absolviert. Er hoffte auf ein Studium der Flugzeugtechnik, wurde aber in
Eberswalde, wie die meisten seiner Landsleute, als Fleischer
ausgebildet. Nach Ablauf des Arbeitsvertrages verlängerte sich sein
Aufenthalt, weil seine deutsche Freundin ein Kind erwartete. Noch vor
der Geburt des Kindes starb Amadeu Antonio am 6. Dezember 1990, nach
zweiwöchigem Koma, an den Folgen des rassistischen Überfalls.
*Rassistische Angriffe damals und heute
Ausstellung & Podiumsdiskussion *
Am 25.11.17 jährt sich der rassistische Angriff auf Amadeu Antonio zum
27. Mal. In der Nacht vom 24. auf den 25. November 1990 ziehen rund 50
Neonazis und Rassisten, bewaffnet mit Baseballschlägern und Zaunlatten,
durch Eberswalde und machen Jagd auf Schwarze Menschen. Unter
„Deutschland den Deutschen“ Gegröle bewegt sich die Gruppe in Richtung
„Hüttengasthof“, zu dieser Zeit die einzige Gaststätte im Ort, in der
Nichtdeutsche noch willkommene Gäste sind. Nachdem der Wirt
benachrichtigt wird, dass eine Gruppe unterwegs ist, die auf Stress aus
ist, schließt er die Gaststätte. Als Amadeu Antonio mit Freunden das
Lokal verlässt, laufen sie den bewaffneten Rassisten genau in die Arme.
Viele konnten in dieser Nacht entkommen, Amadeu Antonio wurde von 10
Leuten umringt und niedergeschlagen, ein Angreifer springt mit beiden
Füßen auf den Kopf.
Die Afie und die Barnimer Kampagne „Light me Amadeu“ laden zu einer
Gedenkveranstaltung in die Räume der HNEE in Eberswalde ein. Die
Ausstellung zur Geschichte der angolanischen Vertragsarbeiter in
Eberswalde, öffnet ab 15 Uhr. Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung
wird es eine kurze Lesung über die Vorkommnisse in der Nacht des
Angriffs und ein Podiumsgespräch geben. Wir wollen uns über die
rassistischen Angriffe und die Stimmung in den 1990er Jahren austauschen
und dabei Kontinuitäten bzw. Unterschiede zur heutigen Zeit
herausarbeiten. Gäste sind unter anderem ein Zeitzeuge, der die
rassistischen Angriffe in Eberswalde Anfang der 90er miterlebt hat, und
ein Mitarbeiter des Vereins Opferperspektive e.V. aus Potsdam.
*Samstag, 25.11.17 15:00 Uhr Ausstellungseröffnung **
**18:00 Uhr Podiumsdiskussion* Aula der HNEE (Schicklerstr. 5 — Haus 6)
*Gedenken zum Todestag *
Am 6. Dezember 1990 starb Amadeu Antonio Kiowa mit 28 Jahren in Folge
des Angriffs. Zum Todestag von Amadeu Antonio rufen wir dazu auf, zur
Gedenktafel am Ort des Angriffs in der Eberswalder Straße 26 zu kommen.
Kerzen und/oder Blumen können gerne mitgebracht werden.
*Mittwoch, 06.12.17 16:00 Uhr Eberswalder Straße 26*
*Rechtspopulismus im Bundestag **
**Vortrag & Podiumsdiskussion *
Was angesichts weit verbreiteter rechter Einstellungen in großen Teilen
der deutschen Bevölkerung zu erwarten war, ist nun eingetroffen. Nachdem
die AfD schon im Europaparlament und in 14 Landtagen sitzt, ist sie am
24. September 2017 auch in den deutschen Bundestag eingezogen.
Rechtspopulismus wird damit endgültig nicht nur auf der Straße, sondern
auch auf der parlamentarischen Ebene salonfähig. Auch dort werden jetzt
die Grenzen des Sagbaren nach rechts verschoben und völkische Themen,
Rassismus und Sexismus auf der Tagesordnung stehen. Nach einem Vortrag
zu rechtspopulistischen Akteur*innen in Berlin und Brandenburg wollen
wir mit unseren Gästen ins Gespräch kommen. Der Fokus soll dabei auf den
antifeministischen Bestrebungen und den rassistischen sowie
nationalistischen Ansichten im Rechtspopulismus liegen. Des Weiteren
wollen wir auch über mögliche Strategien gegen das Erstarken solcher
Strukturen sprechen.
*Dienstag, 12.12.17 18:00 Uhr* Aula der HNEE (Schicklerstr. 5 — Haus 6)
Diese Veranstaltungsreihe wird von der afie organisiert. Die
Antifaschistische Initiative Eberswalde (afie) ist seit 2013 aktiv gegen
Rassismus, Sexismus und andere Unterdrückungs- und
Diskriminierungsformen. Dies schließt das Vorgehen gegen Neonazis und
rechte Strukturen ein. Wir organisieren Demonstrationen und arbeiten mit
verschiedenen Akteur*innen in regionalen Bündnissen zusammen. Außerdem
organisierten wir in der Vergangenheit Bildungsveranstaltungen, u.a. zu
Esoterik-Kritik, Kapitalismuskritik von rechts, Abschiebepolitik in
Deutschland und jüdischer Geschichte in Eberswalde. Mit dieser
Veranstaltungsreihe möchten wir neben einer aktiven Gedenkpolitik auch
rassistische Kontinuitäten thematisieren und Handlungs- perspektiven
aufzeigen. Damals und heute versperren unter anderem Rass- ismus,
Antifeminismus und rechte Hetze den Weg, der zu einer Gesellschaft
führen könnte, in der das bessere Leben für alle wartet.
www.afie.blogsport.de
afie@riseup.net
Veranstaltungsreihe gefördert durch: RosaLux
Die Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika wurde über viele Jahrzehnte hinweg ignoriert, verdrängt und verschwiegen. Heute fordern die Nachfahren der Kolonisierten zunehmend Gehör für ihre eigenen Perspektiven und den kritischen Dialog über die Auswirkungen des Kolonialismus ein. Am Beispiel der Debatten um Straßennamen, um das Humboldtforum in Berlin, um geraubte rituelle Objekte und menschliche Gebeine z.B. aus Tansania und Namibia wird deutlich, wie nah uns die „alten Geschichten“ sind. Herzliche Einladung zum Nach- und Vordenken!
Barnim Kampagne „Light me Amadeu“
Evangelische Jugendarbeit Barnim
Samstag, 18. Nov., 19 Uhr
Martin-Luther-Saal, Kirchstraße 7, Eberswalde
Am Dienstag, den 10.10.2017, gegen 10 Uhr wurden zwei somalische Männer mit dunkler Hautfarbe am Bahnhof Eberswalde auf dem Bahnsteig von zwei Polizist*innen ohne ersichtlichen Anlass kontrolliert, neben ihnen laufende Menschen mit “weißer” Hautfarbe wurden nicht kontrolliert.
Die beiden Betroffenen wurden von den Polizist*innen unfreundlich, herablassend und aggressiv behandelt. Sie mussten sich ausweisen, wurden abgetastet, ihre Taschen und Rucksäcke wurden durchsucht und sie wurden mit einer Videokamera gefilmt. Obwohl die Betroffenen nach dem Grund für die Kontrollen fragten, gaben die Polizist*innen darauf keine Antwort.
Mit „Racial Profiling“ wird die Methode bezeichnet, das Erscheinungsbild – also etwa Hautfarbe oder Gesichtszüge – einer Person als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen heranzuziehen. Rechtlich dürfen Verdachtsmomente nur auf das Verhalten von Personen und auf objektive Beweise, nicht aber auf ihr Erscheinungsbild gestützt
werden. Im Jahr 2012 stufte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz “Racial Profiling” als illegal ein, weil es gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstoße.
Die „Initiative Barnim für alle“ fordert die Polizei auf, die diskriminierende Methode des „Racial Profiling“ in Zukunft nicht mehr anzuwenden. Außerdem sollte sich die Polizeileitung bei den Betroffenen für die erniedrigende Behandlung entschuldigen.