Das JWD-Camp ist nach Ostprignitz-Ruppin gezogen. Genauer gesagt in das klitzekleine Kuhlmühle, einen Ortsteil von Wittstock (Dosse). Höchste Zeit die Beweggründe für die Wahl der Region zu erläutern und einen Überblick darüber zu geben, was es hier an Strukturen gibt. Die Suche nach einem passende Gelände
Auf der Suche nach dem passenden Gelände stießen wir auf den Coolmühle e.V., der ein größeres Gelände in Kuhlmühle bei Wittstock (Dosse) bewohnt und bespielt. Durch seine Größe und infrastrukturelle Ausstattung bot sich Kuhlmühle einfach ideal an, um dort unser Camp auszurichten. Vor allem aber haben wir uns in die liebevollen Details, die Naturkulisse um das Gelände und die zuvorkommende Art der dort lebenden Menschen verliebt. So ist es zu unserem Entschluss gekommen, das JWD-Camp 2018 in Kuhlmühle auszurichten. Was geht ab in Kuhlmühle
Kuhlmühle liegt etwa 10 km von Wittstock (Dosse) entfernt und ist ein altes Örtchen mit einer bewegten Geschichte. Unter verschiedenen Schreibweisen fand es 1430 bzw. 1431 erstmals Erwähnung und war bekannt für seine Wassermühle. Dann passierte erst mal nicht viel Nennenswertes, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, als die Kommunistische Partei Deutschlands hier auf einem Waldstück ein Schulungsheim errichtete. 1933 vereinnahmte die NSDAP das Heim und machte daraus eine “Führerschule” der Hitler-Jugend, die zu einem Veranstaltungsort für Zeltlager der faschistischen Jugendorganisation wurde. In der DDR wurde das Areal als Jugenderholungsheim und später zu einem Teil vom Ministerium des Innern als Zentrales Pionierlager Ho Chi Minh genutzt. Ab der Wendezeit bis zur Auflösung des nahegelegenen Truppenübungsplatzes Wittstock im Jahr 2001 diente das Gelände als Sitz für die zuständige Kommandatur. [1]
Quelle: MAZ
Heute gehört das 27 Hektar große Areal dem Coolmühle e.V., einem Verein von verschiedenen Menschen, die Lust auf Land und individuelle Ideen zu dessen Nutzung mitbringen. Selbstbestimmtes Zusammenleben und ‑wirtschaften in alternativen Zusammenhängen sowie die Entprivatisierung von Besitzverhältnissen sind dabei wesentliche Eckpunkte bei der Erschließung und Nutzung des Coolmühle-Gelände. Ein Teil des Coolmühle-Kosmos ist der gemeinnützige Verein „Zentrum für soziale und ökologische Nachhaltigkeit“ (ZfN). Das ZfN bietet verschiedenste Seminare und Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeits- und Umweltbildung an. Außerdem fungiert das ZfN als Lernort für nachhaltige Technologie und betreibt seit 2014 das Handmühlenmuseum. [2]
Auf dem Gelände des Coolmühle e.V. finden mittlerweile verschiedenste Veranstaltungen und Festivals statt, wie beispielsweise der dritte Weltkongress der Hedonistischen Internationalen, das Hardcore-Fest Anchor Down, das feministische und antirassistische in*vision Festival sowie die Zeltlager verschiedenster Verbände wie der Falken und der Linksjugend Solid. Kajrat Batesov Nazis jibt’s hier viele…
Ostprignitz-Ruppin gilt neben Cottbus als Schwerpunkt neonazistischer und rassistischer Gewalt in Brandenburg [3]. Trauriger Höhepunkt der Neonazigewalt in der Region ist der Mord an dem Spätaussiedler Kajrat Batesov. Er wurde von einer Gruppe rassistischer Einheimischer bei einem Discobesuch 2002 zunächst brutal zusammengeschlagen und dann mit einem 17 kg schweren Stein erschlagen. [4]
Dass die Gewalt in der Region sehr lange auf einem hohen Niveau bleiben konnte, ist dem Umstand geschuldet, dass sich hier seit Jahren eine gewaltbereite Kameradschaftsszene breit gemacht hat. Vor allem die Stadt Wittstock (Dosse) spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Hier ist das aggressivste Neonaziklientel im Nordwesten Brandenburgs beheimatet. Immer wieder kommt es zu rassistischen Übergriffen sowie Angriffen auf vermeintlich alternative Jugendliche. Auch die verbotene Neonazigruppe „Weisse Wölfe Terrorcrew“ hatte hier einen Stützpunkt. Im Zuge der Verbotsverfügung im März 2016 wurden in Wittstock Wohnungen von drei Aktivisten durchsucht, darunter Sandy „Lui“ Ludwig. Ludwig gilt als einer der Köpfe der Wittstocker Neonaziszene und betreibt den Tattoo-Laden „Five Elements“ in der Innenstadt. Weitere Vereinigungen, wie die „Nationalen Sozialisten Wittstock/Dosse“ oder die „Freien Kräfte Ost“, blieben die einzigen Versuche einer neonazistischen Organisierung in der Stadt. Aufgrund von Inhaftierungen liegen die Projekte derzeit jedoch vermutlich brach. [5] Die Freien Kräfte in Wittstock (Dosse).
Die Wittstocker Neonaziszene ist gut vernetzt mit den Kameradschaften in Mecklenburg-Vorpommern und im Nordwesten Brandenburgs, im speziellen mit den Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland. Die Freien Kräfte Neuruppin wiederum sind eng verzweigt mit der NPD. Ihr führender Kopf, Dave Trick, sitzt ebenfalls für die NPD als Stadtverordneter in Neuruppin. Enge Verbindungen hatten die Freien Kräfte Neuruppin zum NPD-Politiker Maik Schneider, der für den Brand an einer Turnhalle in Nauen, die als Asylunterkunft dienen sollte, im Frühjahr 2017 verurteilt wurde. [6] Bekannt geworden sind die Freien Kräfte Neuruppin durch ihren Aktionismus in der Region, der 2015 mit der erfolgreichen Blockade der Demonstration zum „Tag der Deutschen Zukunft“ in Neuruppin sein Ende fand. [7] Heute machen sich die Freien Kräfte Neuruppin vor allem über kleinere Aktionen und Kundgebungen außerhalb von Neuruppin bemerkbar. Freie Kräfte Neuruppin bei einer Kundgebung in Nauen 2018.
Im Zuge der rassistischen Mobilisierung gegen Asylunterkünfte fanden auch in Wittstock Demonstrationen im dreistelligem Teilnehmendenbereich statt. Getragen wurden die Demonstrationen weitestgehend von der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“, die vor allem im Frühjahr 2015 ihre Aktivitäten auf Wittstock konzentrierte. Bei diesen Demonstrationen trat unter anderen Maik Eminger, der Zwillingsbruder des im NSU-Prozess angeklagten André Eminger, als Redner auf. Zu einer Stützpunktgründung des elitären Partei kam es hier jedoch nie. [8] Der “III. Weg” bei einer asylfeindlichen Demonstration in Wittstock (Dosse) im März 2015. Vor dem Transparent links Maik Eminger, daneben Sandy Ludwig.
Zur Bundestagswahl erreichte die AfD in Ostprignitz-Ruppin 18,7 % der Wähler*innenstimmen und lag damit knapp unter dem Brandenburger Durchschnitt von 20,2 %. Der Kreisverband der AfD Ostprignitz-Ruppin ist auf Facebook aktiv und scheint dabei keine Berührungsängste mit der gewalttätigen Identitäre Bewegung zu haben: Der AfD-Kreisverband teilt Beiträge der Identitären Bewegung, wie beispielsweise Videos zur antifeministischen und rassistischen Kampagne „#120Dezibel“. [9] Einen Anschluss an die Straßenmobilisierung konnte der Kreisverband in der Region allerdings nicht finden. Selbst eine Veranstaltung mit dem völkisch-rassistischen AfD-Funktionär Bernd Höcke in Neuruppin im August 2017 wurde von großen und lauten Gegenprotesten begleitet. [10] …Zecken aber och!
Doch neben Nazis, gibt es in der Ostprignitz auch widerständige Zentren. Als wichtigstes wäre dabei das Jugend- und Wohnprojekt JWP MittenDrin in Neuruppin zu nennen. Das JWP MittenDrin ist ein antifaschistisches Hausprojekt und wurde 1993 besetzt. 2013 kaufte der Verein mit Hilfe des Miethäusersyndikats den alten Bahnhof-West und sicherte damit langfristig das Projekt. [11] Bis heute finden im JWP MittenDrin politische und kulturelle Veranstaltungen statt und das Haus gilt als wichtiger Anlaufpunkt für alternative Jugendliche in der Region. Andere Anlaufpunkte sind der von der Sozialistischen Jugend (den Falken) getragene Jugendclub „Pavillion“ in Rheinsberg und die DGB-Jugendbildungsstätte Flecken Zechlin. Das neue JWP MittenDrin.
All diese Projekte zeigen deutlich, dass es ein antifaschistisches und linksradikales Potential in der Region gibt. Mit dem JWD-Camp wollen wir einen weiteren Anlaufpunkt schaffen für die Aktivist*innen in der Region und sie mit anderen Gruppen und Menschen aus Brandenburg und darüber hinaus zusammen bringen. Nachweise:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kuhlm%C3%BChle
[2] https://coolmuehle.org/&https://zentrumfuernachhaltigkeit.de/
[3] https://www.opferperspektive.de/aktuelles/anzahl-rechter-gewalttaten-in-brandenburg-ungebrochen-hoch
[4] https://www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/victims-kajrat-batesov.php
[5] https://www.antifa-berlin.info/sites/d efault/files/dateien/artikel/fb_2018.pdf S. 73
[6] http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1157911/, http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1129222/
[7] http://neuruppin.no-tddz.org/2015/06/06/tddz-2015-blockaden-zwingen-nazis-in-neuruppin-zum-aufgaben/
[8] https://www.antifa-berlin.info/sites/default/files/dateien/artikel/fb_2018.pdf S. 73
[9] htxxx://www.facebook.com/afd.ostprignitz.ruppin/videos/2114742108542789
[10] https://presseservicern.wordpress.com/2017/08/25/neuruppin-proteste-gegen-afd-kundgebung-mit-bjoern-hoecke/
[11] https://www.syndikat.org/de/projekte/jwp_mittendrin/
Im Ortsteil Grünhain der Gemeinde Grünhain-Beierfeld im sächsischen Erzgebirge trafen sich am 9. Juni 2018 bis zu 250 Neonazis zum Kampfsportturnier „Tiwaz“. Die Veranstaltung wurde seit September 2017 angekündigt und im Internet beworben. Seit Ende Januar 2018 konnten sich Kämpfer anmelden, Zuschauerkarten wurden ab dem 16. März 2018 für 20 Euro pro Stück angeboten.
Das erstmals durchgeführte „Tiwaz“ schließt nahtlos an rechte Kampfsport-Veranstaltungen wie den „Kampf der Nibelungen“ in Deutschland, den „Day of Glory“ in Frankreich oder den „Triumph of Will“ in Ungarn an. Dementsprechend vernetzt konnte das „Tiwaz“ auf eine breite Unterstützung innerhalb der neonazistischen Kampfsportszene blicken. So wurde das Event von der deutschen Trainingsgruppe „Wardon 21“, dem Kampfsportnetzwerk „Kampf der Nibelungen“, dem russischen Neonazi-Netzwerk „White Rex“, dem „Sonnenkreuz Versand“ und den Neonazi-Marken „Black Legion Wear“ und „Greifvogel Wear“ unterstützt.
Die TeilnehmerInnen reisten aus dem ganzen Bundesgebiet sowie aus dem europäischen Ausland an. Das Turnier beinhaltete 15 Kampfpaarungen und den Vortrag eines Zeitzeugen, der über seine Erfahrungen mit Boxsport im Nationalsozialismus referiert haben soll.
Die Polizei führte Personenkontrollen an den Ortseingängen durch und war laut eigener Aussage nicht bestrebt, „große Aufmerksamkeit (…) auf eine derartige Veranstaltung zu generieren“ (twitter.com/PolizeiSachsen). Dementsprechend störungsfrei konnte das neonazistische Kampfsportturnier durchgeführt werden. Als Austragungsort diente das Mietlokal „Treffpunkt Grünhain“ in der Bahnhofstraße 4, auch bekannt als „VEM Kultursaal Grünhain“. In dem Gebäude, in dem sonst regelmäßig „Ü30-Partys“ stattfinden, sitzt auch die Vermieterfirma „Zehnder Grundstücksverwaltung GmbH“.
Der „Treffpunkt Grünhain“, in dem das „Tiwaz“ stattfand (Quelle: Pixelarchiv)
Die Organisation des Events erfolgte konspirativ. Ähnlich wie bei intern beworbenen neonazistischen Konzerten benutzten die Veranstalter des „Tiwaz“ einen Schleusungspunkt, den die TeilnehmerInnen passieren mussten, um den genauen Ort der Veranstaltung zu erfahren. Damit stellten die Veranstalter sicher, dass unerwünschte ZuschauerInnen oder PressevertreterInnen die Lokalität nicht im Voraus erfahren. Ein solches Konzept verdeutlicht, dass die Teilnahme an diesem Turnier nicht zufällig erfolgte, sondern die teilnehmenden Kämpfer und ZuschauerInnen sehr wohl wussten, in welchem Rahmen die Veranstaltung ausgetragen wird.
Konspirative Organisation und internationale Vernetzung
Bei der Organisation konnte augenscheinlich auf die Expertise des extrem rechten Kampfsportnetzwerkes des „Kampf der Nibelungen“ (KdN) zurückgegriffen werden, das seit 2013 derartige Turniere veranstaltet.
Die regionale Vorbereitung des Events wurde vordergründig durch den Chemnitzer Neonazi Tim Kühn koordiniert. Er warb schon früh für das „Tiwaz“ und verlautbarte später, dass über ihn Karten erhältlich seien. Kühn betreute zudem den Verkaufs- und Informationsstand des „Tiwaz“ auf dem Neonazi-Festival „Schild und Schwert“ am 20. und 21. April 2018 im sächsischen Ostritz. Er ist seit Jahren in der organisierten Neonazi-Szene aktiv. Bereits im Umfeld der „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ (NSC) nahm er an Demonstrationen und Aktionen teil. Die Organisation war maßgeblich für neonazistische Aktivitäten in Chemnitz und Umland verantwortlich und wurde im März 2014 verboten. Ihr gehörten auch Personen aus dem UnterstützerInnenkreis der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) an.
Tim Kühn selbst war zwischenzeitlich auch bei den „Nationalen Sozialisten Erzgebirge“ aktiv und trat 2013 vor allem als Teil des Sicherheitsdienstes der NPD auf, der Wahlkampfveranstaltungen der Partei absicherte. Ab 2016 beteiligte er sich an den Aktionen der kurzlebigen Chemnitzer Neonazi-Gruppierung „Rechtes Plenum“, welche von den niedersächsischen Neonazi-Kadern Patrick Kruse und Karl Schittko ins Leben gerufen wurde. Kühn ist auf einigen der „PR-Fotos“ dieser Gruppe zu sehen und organisierte u.a. großflächige Sticker-Aktionen im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg.
Neben der lokalen Organisiations-Struktur garantierte vor allem das rechte Kampfsportnetzwerk „Kampf der Nibelungen“ den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. Neben dem Dortmunder Alexander Deptolla als Ansprechpartner des KdN war Jim Koal für die Betreuung des KdN-Verkaufsstandes in Grünhain zuständig. Koal stammt aus dem Raum Chemnitz, wohnt aber seit einiger Zeit in Dortmund. Dort, im engsten Kreis der Neonazi-Partei „Die Rechte“, ist auch Franz Pauße aktiv, der dem KdN-Organisationsteam angehört und ebenso bei „Tiwaz“ anwesend war. Die Chemnitz-Dortmund-Connection kommt dabei nicht von ungefähr. Seit Jahren weisen die Nazistrukturen beider Städte eine enge Bindung auf. Neben Jim Koal ist dabei vor allem Steve Reinhold, ehemals NSC und „Rechtes Plenum“ in Chemnitz, häufig im Anhang der Dortmunder Neonazis der Partei „Die Rechte“ zu finden. Der stellvertretende Vorsitzende der Partei, Christoph Drewer aus Dortmund, ist indes regelmäßig in Chemnitz zu Gast. Im Oktober 2016 trat er für die Hooligangruppe „Kaotic Chemnitz“ zum KdN-Turnier im hessischen Gemünden an. Beim „Schild & Schwert“-Festival in Ostritz stieg er für das „Team Kampf der Nibelungen“ in den Ring.
Zum Team des KdN im sächsischen Grünhain gehörte auch der aus Thüringen stammende Philipp Liebetrau. Seine „Karriere“ in der Neonazi-Szene begann er in den Strukturen der „Freien Kräfte Südthüringen“, die bis zu Auflösung im Jahr 2008 maßgeblich das Image der „Autonomen Nationalisten“ beeinflussten. Liebetrau gehörte auch zur ersten Generation des extrem rechten „Medienkollektiv Media Pro Patria“. Nach deren Auflösung war Liebetrau regelmäßiger Teilnehmer von Kundgebungen des „Nationaler Widerstand Dortmund“ um Christoph Drewer, Michael Brück und Alexander Deptolla. Seit dessen Verbot im Jahr 2012 gilt die Neonazi-Partei „Die Rechte“ als Auffangbecken der lokalen Neonazi-Szene. Dass Liebetrau beim „Tiwaz“ als Abgesandter des KdN auftrat, ist demnach nicht verwunderlich. Schon 2017 trat er in Frankreich beim Neonazi-Turnier „Force & Honneur“ als Vertreter dieser Struktur auf, wo er den KdN-Kämpfer Kai Zimmermann, Kader der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ in Bayern, betreute. Phillip Liebtrau ist ferner Gründungsmitglied der Neonazi-Trainingsgruppe „Wardon 21“ und spielt mit dem Österreicher Manuel Eder – ebenfalls Kernmitglied bei „Wardon21“ – in der NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“.
Die seit 2017 aktive Gruppierung „Wardon 21“ war in Grünhain durch den aus Thüringen stammenden Philipp Oertel und den in Spremberg (Brandenburg) als Tätowierer arbeitenden Heiko Drews vertreten. Drews ist eines der neuesten Mitglieder der bundesweit agierenden Neonazi-Gruppe und gehört darüber hinaus dem Spremberger Ableger des „Gremium MC“ an, der für seine Verbindungen in die Neonazi-Szene bekannt ist. „Wardon 21“ propagiert vor allem einen „NS-Straight Edge“-Lifestyle, der in der Neonazi-Szene aktuell zunehmend Verbreitung findet. Mit Manuel Eder ist die Gruppe zudem an die Neonazi-Marke „Greifvogel Wear“ angebunden. Während die Marke vom ehemaligen „Blood & Honour“-Kader Sebastian Raack aus Südbrandenburg angemeldet wurde, wirkt Eder als Verbindungsmann in die internationale Neonazi-Szene. Einen Tag vor dem „Tiwaz“ betreute er etwa den Verkaufsstand von „Greifvogel Wear“ auf dem Neonazi-Festival „Tage der nationalen Bewegung“ in Thüringen. Dass Eder die Marke auch in Grünhain repräsentierte, ist wahrscheinlich.
Beteiligte Personen und Organisationen, (v.l.n.r.) Philipp Oertel („Wardon 21“), Alexander Deptolla („Kampf der Nibelungen“), Tim Kühn („Tiwaz“), Tomasz Skatulsky („Pride France“), Denis Nikitin („White Rex“) und zwei Personen von „Black Legion“
Die extrem rechte Cottbuser Kampfsport- und Streetwearmarke „Black Legion“ fand sich ebenfalls mit einem Team sowie einem Dutzend AnhängerInnen in Grünhain ein. Inhaber der Marke ist Martin Seidel aus Cottbus, der auch den Neonazi-Laden „The Devils Right Hand Store“ und das Neonazi-Musiklabel „Rebel Records“ betreibt. Er selbst war am Tag des „Tiwaz“ mit einem Verkaufsstand beim Neonazi-Festival „Tage der nationalen Bewegung“ in Themar vertreten. Seine Band „Hausmannkost“ stand dort am selben Tag auch auf der Bühne. Es ist denkbar, dass Seidel nur als Strohmann für „Black Legion“ fungiert.
Aus der Region Köln war mit dem „Sonnenkreuz Versand“ ein weiterer bekannter Akteur der organisierten Neonazi-Szene am „Tiwaz“ beteiligt. Der Versand wird von Frank Krämer betrieben, der auch für den Video-Blog „Der dritte Blickwinkel“ verantwortlich ist, als Gesprächspartner im Format „Multikulti trifft Nationalismus“ mitwirkt und darüber hinaus Studiomusiker und Gründungsmitglied der neonazistischen Band „Stahlgewitter“ ist. Ferner ist Krämer auch bei der extrem rechten Neofolk-Band „Halgadom“ aktiv. Seine Anbindung an das „Tiwaz“ dürfte jedoch nicht vorrangig auf seine musikalischen Aktivitäten zurück zu führen sein, sondern auf das Angebot seines Versandhandels. Dort bietet Krämer, der seit einigen Jahren Kraftsport betreibt, u.a. Nahrungsergänzungsmittel und sogenannte „Booster“ an, die sich vor allem im Bereich Kraftsport an Beliebtheit erfreuen.
Mit dem russischen Neonazi-Kampfsportnetzwerk „White Rex“ war „Tiwaz“ nicht nur international besetzt, sondern kann mit Kontakten zu dessen Gründer Denis Nikitin auf einen erfahrenen Veranstalter neonazistischer Turniere zählen. Nikitin ist nicht nur Hooligan und aktiver Sportler im Bereich Boxen, sondern vor allem Netzwerker. Seine Bemühungen um den Ausbau der extrem rechten Kampfsportszene, den er seit spätestens 2013 in Deutschland vorantreibt, scheinen Früchte zu tragen. Denn mit dem „Kampf der Nibelungen“, den er maßgeblich beeinflusste, besteht ein aus der Naziszene heute nicht mehr wegzudenkendes Netzwerk und Event. Durch das Turnier in Ostritz im April 2018, das „Tiwaz“ in Grünhain und zwei weitere angekündigte Kampfsport-Events im Oktober und November 2018 wächst dieses Netzwerk rasant.
Auch die französische extrem rechte Kampfsportmarke „Pride France“ findet sich stets auf den Events der Szene wieder. Tomasz Skatulsky, Markengründer und aktiver Kampfsportler im Bereich MMA, war selbst – neben Denis Nikitin – Mitorganisator des rechten Kampfsport-Events „Day of Glory“, das unter Mitwirken der französischen Sektion von „Blood & Honour“ in den Jahren 2014, 2015 und 2016 in der Nähe von Lyon ausgetragen wurde. Auch dessen Nachfolger „Force & Honneur“, der im Juni 2017 in der Nähe von Genf stattfand, wurde federführend von Skatulsky organisiert. Statt dem „Blood & Honour“-Netzwerk standen ihm dort Mitglieder und Unterstützer der Neonazi-Bruderschaft „Hammerskins“ aus Frankreich und der Schweiz helfend zur Seite. Auch der „Kampf der Nibelungen“ verweist auf eine starke Anbindung an die „Hammerskins“.
Die Kämpfer und die sogenannte „Kampfgemeinschaft“
In den Bereichen MMA, Boxen und K1 traten insgesamt 30 Kämpfer in den Ring. Der Fokus lag dabei auf „Männer“, schließlich trug das Turnier den Beinamen „Kampf der freien Männer“. Eine bewusst antifeministische Formulierung, die wohlwollend angenommen wurde. So kündigte die NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“ das „Tiwaz“ mit folgenden Worten an: „Für alle aufrechten Raufbolde, kampfeslustigen Waldläufer und schlagfertigen Weibersleut: TIWAZ ruft Euch in den Ring. Gebt euer Bestes und zeigt, dass unser Volk nicht nur noch aus vollkommen degenerierten Fotzenknechten und Femenbälgern besteht!“. Dementsprechend waren nur wenige Neonazi-Aktivistinnen anwesend. Warum „schlagfertige Weibersleut“ zum „Kampf der freien Männer“ in den Ring eingeladen wurden, erschließt sich dabei nicht. Im Ring standen ausschließlich männliche Kämpfer.
Die Kämpfer entstammen dabei allen möglichen Strukturen und Erlebniswelten der Neonazi-Szene und reisten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem europäischen Ausland an. Anhand einer geografischen Zuordnung werden wir im Folgenden die uns bekannten Kämpfer porträtieren. Kämpfer aus dem norddeutschem Raum
Tatsächlich reiste eine nicht unerhebliche Anzahl von Kämpfern an, die in Norddeutschland wohnhaft sind und dort in unauffälligen Kampfsportvereinen trainieren. Etwa Sören Radtke aus der Region Itzehoe (Schleswig-Holstein). In der Kleinstadt Wilster trainiert der Neonazi im „Nordic Sport Club“ und gab Selbstverteidigungskurse für Kinder. Radtke war bereits auf dem Neonazi-Festival „Schild & Schwert“ als Kämpfer identifiziert worden. Zuletzt nahm er am dritten „Europakongress“ der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ im Mai 2018 im sächsischen Riesa teil.
Nur rund 30 km von Radtkes Wohnort entfernt trainiert ein weiterer Kämpfer des „Tiwaz“: Henry Ludewig. Für seinen Verein, die „Lemmens Martial Arts Academy“ in Marne, stand er mindestens zweimal in der Disziplin K1 im Ring.
Gregor Nebel
Weiter südlich in Rodewald, zwischen Bremen und Hannover, wohnt seit geraumer Zeit Gregor Nebel, der auf dem „Tiwaz“ ebenfalls im Bereich K1 antrat. Nebel stammt ursprünglich aus Mannheim und gehörte dort – zusammen mit anderen Neonazis wie dem NPD-Politiker Christian Hehl – den Hooligans des SV Waldhof Mannheim an. Gregor Nebel ist außerdem Mitglied des „Gremium MC“ in Vechta (Niedersachsen). Beim „Tiwaz“ reiste Nebel mit seinem Trainingspartner Martin Kelch an. Beide trainieren in Neustadt am Rüberberge, nördlich von Hannover, im „Kickbox Team Thürkau“.
Pikant an der Anwesenheit von Nebel und Kelch bei dem Neonazi-Event ist, dass beide als Sozialpädagogen bei dem Träger „Haus Wildfang GmbH“ arbeiten. Deutlich wird dieser Bezug nicht zuletzt an der Tatsache, dass beide mit einem Auto dieser Jugendhilfeeinrichtung anreisten. Das Konzept der sozialpädagogischen Einrichtung ist es, schwer erziehbare Kinder und Jugendliche u.a. durch Sport- und Ausdauertraining zu „bändigen“. Solche Ausflüge werden u.a. von Gregor Nebel betreut. Schon in seiner Heimatstadt Mannheim war Nebel in einer sozialen Einrichtung der Stadt als Erzieher angestellt. Im Jahr 2014 war er Teil eines Mobs rechter Hooligans, die sich in Mannheim versammelt hatten, um eine Kundgebung von Salafisten anzugreifen. Im Laufe dessen wurden nicht nur rassistische Parolen gerufen, sondern es gab auch Angriffe auf AntifaschistInnen und die Polizei.
Linkes Bild: Martin Kelch (Beifahrer) reiste gemeinsam mit Gregor Nebel im Auto der sozialpädagogischen Einrichtung „Haus Wildfang“ an. Rechtes Bild: David Mallow (1.v.r) und Andreas „Klatti“ Klatt (2.v.l, aus Neubrandenburg) bei der Anreise (Quelle: Pixelarchiv)
Aus dem Raum Rostock nahm David Mallow als Kämpfer teil. Er wird den „Nationalen Sozialisten Rostock / Aktionsblog“ zugerechnet und pflegt beste Kontakte zum „White Rex“-Gründer Denis Nikitin. An den in den letzten beiden Jahren organisierten Seminaren von Nikitin in Mecklenburg-Vorpommern war Mallow stehts zu Gast. Dass er auf dem „Tiwaz“ für das Team „Kampf der Nibelungen – White Rex“ in den Ring trat, ist somit nicht verwunderlich. Erst wenige Wochen vor dem Turnier in Grünhain kündigten Denis Nikitin und Alexander Deptolla auf einer internen Konferenz von „Wardon21“ an, die Kooperation zwischen dem KdN und „White Rex“ zu intensivieren. Ein erstes Produkt dieser Partnerschaft scheint ein gemeinsames Team zu sein. Brandenburger Kämpfer
Wie im Voraus angekündigt, traten für die „Kampfgemeinschaft“ der extrem rechten Kampfsport-und Streetwearmarke „Black Legion“ aus Cottbus mindestens drei Kämpfer beim „Tiwaz“ an. Einer der Kämpfer, Andy Schotte, vertrat das Team schon beim „Kampf der Nibelungen“ 2017 in Kirchhundem. Nicht besonders unerwartet, aber dennoch beachtlich ist die Teilnahme von William „Willi“ Puder als Kämpfer des Teams beim „Tiwaz“. Der Cottbuser ist einer der führenden Köpfe der extrem rechten Ultra-Gruppe „Inferno Cottbus/IC99“ des FC Energie Cottbus, die sich im Mai 2017 selbst auflöste. Die Gruppierung, deren Vorsänger niemand geringer als William Puder war, zeichnete sich für zahlreiche rechts-motivierte Straftaten verantwortlich, u.a. im Rahmen von Spielen gegen den als alternativ geltenden SV Babelsberg 03. Etwa im November 2016, als der Potsdamer Verein in Cottbus spielte und rund 50 Personen versuchten, die Gästefans anzugreifen. Unter den Angreifern befanden sich auch Christoph Drewer aus Dortmund und Chemnitzer Hooligans und Szenegrößen wie Robert Andres, Chris Junghänel und Rick Bochert.
Linkes Bild: William Puder erreicht den 1. Platz in der Diszplin „Boxen / MMA / K1“. Mittleres Bild: William „Willi“ Puder in den Räumen des „Kampfsport Lausitz e.V.“ Rechtes Bild: William Puder (mittig) als Kämpfer des Teams „Black Legion“, darunter auch Andy Schotte, links im Bild (Bild: Screenshot Instagram)
Die Verbindung der Cottbuser Fanszene zu rechten Ultra- und Hooligangruppen des Chemnitzer FC wie „New Society Chemnitz“ (genannt „NS-Boys“) und „Kaotic Chemnitz“, zu der auch Drewer zählt, ist seit Jahren bekannt. Eine Verbindung, die sicher auch aufgrund der Ähnlichkeit beider Regionen hinsichtlich der organisierten Neonazi-Szene entstehen konnte. Denn sowohl in Chemnitz als auch in Cottbus konnten sich einflussreiche rechte Ultra-Gruppen bilden, die sich personell aus der Kampfsport- und Türsteherszene sowie der neonazistischen Musikszene zusammensetzen. Strukturen wie die „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ aus der Region Cottbus und die „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ griffen häufig auf ähnliche Konzepte zurück und waren dominierend in ihren Regionen. Im Zuge des Verbots der Brandenburger Neonazi-Struktur im Jahr 2012 wurde auch William Puders Wohnung durchsucht. Als die „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ 2014 ebenfalls verboten wurden, fand man in einem der von ihnen genutzten Objekte eine Zaunfahne der „New Society Chemnitz“. Puder erhielt nach den Ausschreitungen bei einem Spiel der Cottbuser gegen den SV Babelsberg 03 ein bundesweites Stadionverbot, gegen das er Ende des letzten Jahres Klage einreichte. Vor Gericht dementierte er seine Verbindungen zu IC99. Schon im Sommer 2012, kurz nachdem er die Verbotsverfügung gegen die „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“ erhalten hatte, soll er sich an seinen Verein gewandt haben. Im Nachgang ließen Vertreter des FC Energie Cottbus verlautbaren: „Willi habe jedoch versichert, er habe mit diesen Neonazis nichts zu tun.“
Die Teilnahme William Puders am „Tiwaz“ zeigt somit einmal mehr, wie stark die Bindung rechter Hooligans aus Cottbus an die organisierte extrem rechte Kampfsportszene ist. Dass Vereine wie der „Kampfsport Lausitz e.V.“ solche Strukturen fördern, indem sie Neonazis wie William Puder bei sich trainieren lassen, ist innerhalb dieses Komplexes das viel größere Problem.
Neben Puder trat mit Tobias Vogt aus Strausberg bei Berlin ein weiterer Brandenburger Neonazi als Kämpfer an. Er trat bisher nicht auf öffentlichen Kampfsport-Events in Erscheinung, seine Affinität zum Kraft- und Kampfsport lässt sich jedoch schon seit Längerem beobachten. Spannender ist die Tatsache, dass Vogt in der neonazistischen Musikszene eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Er ist Sänger der seit 2010 bestehenden Band „Exzess“ und war bis vor Kurzem auch Live-Bassist der einflussreichen Neonazi-Band „Die Lunikoff Verschwörung“. Letztere ist das Nachfolgeprojekt der bis Anfang der 2000er Jahre wirkenden Band „Landser“, die letztlich als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten wurde.
Linkes Bild: Tobias Vogt im T‑Shirt mit der bezeichnenden Inschrift „Nationalist Fight Club“ auf der Rückseite, Rechtes Bild: Tobias Vogt (links) hier im Gespräch mit einem Kämpfer des Teams „Kampf der Nibelungen – White Rex. Beide reisten zusammen an. (Quelle: Pixelarchiv)
Wie stark das Brandenburger Rechtsrock-Milieu an die extrem rechte Kampfsportszene angebunden ist, lässt sich auch anhand eines Neonazi-Konzerts am 4. November 2017 sehen. Als Tobias Vogt mit seiner Band „Exzess“ in einer bekannten Konzert-Location in Torgau-Staupitz auf der Bühne stand, stellte die extrem rechte Gruppierung „Northsidecrew“ aus Lübben/Spreewald die Security. In Lübben selbst unterhält die Gruppe eigene Trainingsräume, in denen sich bekannte Neonazis wie Stefan Baer, Lucien Schönbach und Martin Ruckert auch auf öffentliche Turniere vorbereiten könnte. Alle drei nahmen unter dem Label „Boxclub Lübben / Team Greifvogel“ am „Kampf der Nibelungen“ 2016 und 2017 teil. Der in Lübbenau wohnhafte Stefan Baer konnte ebenfalls als Kämpfer des „Team Greifvogel“ beim „Tiwaz“ identifiziert werden. Baer ist außerdem in Südbrandenburg regelmäßig auf Aufmärschen der rechten Initiative „Zukunft Heimat“ anzutreffen. Kämpfer aus Thüringen
Wie zu erwarten, fanden sich auch aus Thüringen eine handvoll extrem rechte Kampfsportler auf dem „Tiwaz“ ein. U.a. die Barbaria Sportgemeinschaft aus Schmölln, die bereits zum „Kampf der Nibelungen“ 2017 in Kirchhundem ihr Mitglied Morris Saemann in den Ring schickte, begleitet von Trainer Martin Langner. Eine ähnliche Konstellation war zum KdN-Turnier auf dem „Schild & Schwert“-Festival am 21. April in Ostritz erkennbar. Auch da trat das Team aus Schmölln an, vertreten durch Langner, Saemann und Philipp Freund. Letzterer ist auch häufig beim „KSSV Boxclub Zwickau“ zu Gast, der schon oft durch seine Verstrickungen in die Neonazi- und Hooliganszene auffiel.
Nur rund 15 km westlich von Schmölln liegt der kleine Ort Ronneburg. Dort, im Team Bäumler – ASC Ronneburg wird bzw. wurde ein weiterer Kämpfer des „Tiwaz“ trainiert: Sven Huber aus Gera. Huber stammt ursprünglich aus Chemnitz und war dort in der neonazistischen Ultra-Gruppe „NS-Boys“ aktiv. Huber nahm regelmäßiger an neonazistischen Aufmärschen teil, wo er oft zusammen mit den „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ marschierte.
Sven Huber aus Gera (rechts) (Quelle: Pixelarchiv)
Er trat bereits 2015 auf zwei Events der rechtsoffenen Leipziger „Imperium Fighting Championship“ (IFC) für das „Team Bäumler“ um Trainer Peter Bäumler in den Ring. Die IFC war mehrmals Sammelbecken für Kämpfer mit extrem rechten Hintergrund. Ein nicht unerheblicher Teil der Kämpfer der Events – vorrangig aus dem „Imperium Fight Team“ um den rechten Hooligan Benjamin Brinsa – erlangte 2016 bundesweit Aufmerksamkeit: Am 11. Januar 2016 wurden 215 Personen aus der Neonazi-und Hooliganszene in Leizig-Connewitz von der Polizei festgesetzt, nachdem sie Geschäfte, Restaurants und Kneipen in dem als links-alternativ geltenden Stadtteil massiv und koordiniert angegriffen hatten. Unter den festgesetzten Personen befanden sich Sven Huber und drei weitere Personen, die im „Team Bäumler“ in Ronneburg trainierten bzw. bis heute trainieren. Brisant ist auch, dass bis mindestens Ende 2017 auch Daniel Steinmüller in Peter Bäumlers Team trainierte. Steinmüller ist nicht nur Anhänger der Ultra-Szene der BSG Wismut Gera, sondern wird auch dem engen Kreis der rechts-terroristischen Gruppe „Combat 18“ zugerechnet. Die international agierende Gruppe bezeichnet sich selbst als bewaffneter Arm des in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerkes. Ein Bekenntnis zur Gruppe trägt Steinmüller großflächig als Tattoo auf seinem Bauch.
Wie erwartet, trat außerdem der Thüringer Kevin Görke als K1-Kämpfer beim „Tiwaz“ an. Er wird in der „Invictus Kick & Thaiboxschule“ in Saalfeld von John Kallenbach trainiert. Kallenbach genießt in der Kampfsportszene hohe Anerkennung als Profi-Kämpfer, nicht zuletzt durch seinen Weltmeistertitel der „World Kickboxing and Karate Union/WKU“ im K1/Kickboxen. Kevin Görke wiederum ist seit Jahren an die regionale Neonazi-Szene angebunden und trat beim „Kampf der Nibelungen“ 2017 in Kirchhundem als Trainer von Sebastian Dahl auf. Dahl war bis zu seinem Umzug nach Thüringen 2011/2012 maßgeblich am Aufbau der militanten Neonazi-Szene in Berlin beteiligt. So griff er 2001 in Königs Wusterhausen Jugendliche, die auf der Bühne eines linken Musikfestivals schliefen, mit Molotov-Cocktails an. Dahl, der für den Überfall mehrere Jahre in Haft saß, wohnt heute in einer Neonazi-WG in Kahla, knapp 30 km von Saalfeld entfernt.
Kevin Görke fiel schon zuvor als Teilnehmer an extrem rechten Turnieren auf, etwa beim „Kampf der Nibelungen“-Gastspiel in Ostritz im April 2018. Derzeit ist ein Bild Görkes als Kämpfer des „Tiwaz“ auf deren Facebook-Seite als Titelbild zu sehen. Auf seinem Rücken prangt in altdeutscher Schrift der Slogan „Leben heißt Kampf“. Görke soll außerdem bei der kommenden „3. Invictus Fightnight“ am 18. August 2018 in Saalfeld im Ring stehen. Hauptorganisator dieses Events ist Kallenbachs Gym. Ein alter Bekannter aus Sachsen-Anhalt
Aus Köthen, einer Kleinstadt zwischen Halle (Saale) und Magdeburg, reiste Steffen Bösener als Kämpfer zum „Tiwaz“ an. Bösener galt bereits Mitte der 90er Jahre als „Macher“ innerhalb der Kameradschaftsszene Sachsen-Anhalts. Dabei war er maßgeblich an den Aktivitäten der „Kameradschaft Köthen“ beteiligt, die 1999 eigene Räumlichkeiten besaßen und ein extrem rechtes Jugendzentrum zu etablieren versuchten. Die Kameradschaft war im September 1999 gemeinsam mit dem Brandenburger Ableger des heute verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ (B&H) an der Organisation eines bedeutenden Rechtsrock-Konzertes beteiligt: Das „Ian Stuart Donaldson Memorial“, ein Gedenkkonzert für den 1993 verstorbenen Gründer von B&H, in Garitz bei Zerbst zog über 2000 Neonazis an, die u.a. zu den bekannten Bands „Blue Eyed Devils“ (USA) und „Kraftschlag“ feierten. Die B&H‑Ableger in Brandenburg, Thüringen und Sachsen gelten mittlerweile als engstes UnterstützerInnen-Umfeld der 1998 untergetauchten rechts-terroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).
Steffen Bösener aus Köthen (4. v.l.) (Quelle: Pixelarchiv)
Bösener war später vor allem als Betreiber des Rechtsrock-Labels und Versandes „Odins Eye Records“ und als Geschäftsführer des rechten Szeneladens „Nordic Flame“ bekannt. Zudem kandidierte er 2011 zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt für die NPD. Sein Bekenntnis zum historischen Nationalsozialismus trägt Bösener bis heute auf der Brust – das Symbol der „SS-Division Totenkopf“, gerahmt von einem Keltenkreuz, welches in der rechten Szene international als Erkennungszeichen der „White Power“-Bewegung gilt.
Bis zu seiner belegbaren Teilnahme am „Tiwaz“ war Böseners Engagement in rechten Kampfsportnetzwerken nur vermutet worden, weshalb ihn VeranstalterInnen größerer Events bisher nicht konsequent ausladen konnten. So konnte er ungestört im April 2016 einen K1-Kampf beim „Shuri Fightclub“ in Fraureuth bei Zwickau absolvieren, stand im September 2016 beim „Battle Royal“ im Ring und wurde für ein weiteres Event des „Shuri Fightclub“ in Plauen im November 2017 als K1-Kämpfer angekündigt. Kämpfer aus Sachsen
Nicht unerhebliche Teile der sächsischen Kampfsportszene sind seit Jahren für ihre Nähe zur extremen Rechten bekannt. Durch die Anfang der 2000er Jahre veranstalteten Events „Fight Club Karl Marx Stadt“ geprägt, sind Neonazis auf kommerziellen Kampfsport-Events in Sachsen heute kaum wegzudenken. Vor allem die Events des westsächsischen „Shuri Gyms“ gelten als Sammelbecken für rechte Hooligans und organisierte Neonazis – im Ring und auf den Rängen. Auch der inhaftierte, im NSU-Prozess als Unterstützer angeklagte André Eminger besuchte die Events in Zwickau regelmäßig. Während Eminger in der ersten Reihe saß, stand z.B. Thore Probst im Ring. Er ist der Sohn von Antje Probst, heute Böhm, die mit Michael Probst lange Zeit den Neonazi-Laden „Sonnentanz“ betrieb – in Aue, nur 10 km vom „Tiwaz“-Austragungsort Grünhain entfernt. Antje Probst galt als eine der wenigen Frauen, die innerhalb des sächsischen „Blood & Honour“-Ablegers Einfluss hatten und den Ton angaben.
Ob ihr beim „Tiwaz“ anwesender Sohn Thore dort ebenfalls in den Ring trat, ist nicht bestätigt. Aufgrund seiner engen Anbindung an die Neonazi-Szene des Chemnitzer Umlandes wäre es jedoch wahrscheinlich. Eine Person aus Thore Probsts engeren Umfeld kämpfte nachweislich beim „Tiwaz“: Michél Sajovitz aus Oederan. Sajovitz ist außerdem Gitarrist der Neonazi-Bands „Killuminati“ und „Heiliges Reich“. Auf dem Weg zum „Tiwaz“-Turnier war er in einem T‑Shirt der Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ bekleidet. Auf die Rolle der sich elitär gebenden Partei werden wir später im Text näher eingehen.
Auch Sajovitz‘ enger Mitstreiter Marco Münzer reiste zum „Tiwaz“ an. Er konnte als Teil einer Personengruppe ausgemacht werden, die offensichtlich einem Team angehörten – darauf deutet die Farbe seines Eintrittsbändchens hin. Während die ZuschauerInnen rote Bändchen ausgehändigt bekamen, waren Kämpfer und deren Anhang mit blauen Bändchen versehen. In der Gruppe um Marco Münzer trug eine Person zudem ein T‑Shirt des „Boxclub Dynamo“. Münzer selbst trainiert Judo im Sportverein TSG Oederan. Bisher unbekanntes Team aus Bayern
Linkes Bild: Michél Sajovitz im Shirt der Neonazi-Partei „Der III. Weg“. Rechtes Bild: Das Team der „Ikarus Kampfkunst Akademie“, v.l.n.r. Raphael Ernst, Christian Altegger, Simon Menhard (Quelle: Pixelarchiv)
Einheitlich in T‑Shirts der Ikarus Kampfkunst Akademie aus Königsbrunn bei Augsburg gekleidet, reisten drei bislang unbekannte Personen zum „Tiwaz“ an: Simon Menhard und Raphael Ernst als mutmaßliche Kämpfer, begleitet von ihrem Teamkollegen Christian Altegger. Alle drei werden in dem Gym in Königsbrunn von Stephan Morykin trainiert, dessen Name ebenfalls in großen Lettern auf den in Grünhain präsentierten T‑Shirts abgebildet ist. Morykin ist Sifu (Lehrmeister) in Wing Tsun. Er teilt Beiträge rechtspopulistischer Plattformen, seine Schüler Altegger, Ernst und Menhard unterhalten Kontakte zu Personen aus dem Umfeld der „Alternative für Deutschland“ und sympathisieren mit extrem rechten Plattformen wie „EinProzent“ oder PEGIDA. Die Teilnahme der drei unauffälligen Kämpfer aus Königsbrunn an einer offensichtlichen Neonazi-Veranstaltung spricht für eine breite Mobilisierung seitens der VeranstalterInnen des „Tiwaz“. Weitere Kämpfer aus Russland und Bulgarien
Nach eigenen Angaben nahm Denis Nikitin selbst als Kämpfer in Grünhain teil. Auch dadurch sichert er sich seinen Status und seine Authentizität innerhalb der extrem rechten Kampfsportszene. Seinen letzten bekannten Kampf vor „Tiwaz“ absolvierte Nikitin im Dezember 2017 beim „Reconquista Fight Club“ in Kiew. Nur wenige Monate später, Ende April 2018, war er erneut in der ukrainischen Hauptstadt und moderierte die Kämpfe der extrem rechten Veranstaltungsreihe. Im Nikitins Gefolge befanden sich in Kiew auch Mitglieder des rassistischen „Rise Above Movement“ aus dem Süden Kaliforniens. Einer von ihnen, Robert Rundo, trat im Rahmen des ukrainischen Events ebenfalls in den Ring. Rundo hatte schon beim „Kampf der Nibelungen“-Turnier im April 2018 in Ostritz auf der Matte gestanden.
In Kiew, Ostritz und zuletzt auch in Grünhain trat wie angekündigt auch der französische Neonazi Tomasz Skatulsky als Kämpfer an. Darüber hinaus sollen auch Kämpfer aus Bulgarien beim „Tiwaz“-Turnier angetreten sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte es sich dabei um Neonazis aus dem „NS Fightclub Bulgaria“ gehandelt haben. Diesen besuchten u.a. Alexander Deptolla und Christoph Drewer vom „Kampf der Nibelungen“ im Rahmen einer Bulgarien-Reise im März 2018. Die bulgarischen Neonazis traten auch KdN-Turnier in Ostritz an und sind für die Hauptveranstaltung des KdN im Oktober 2018 angekündigt.
Die BesucherInnen
Christian Wolf und Marcel Bendel bei der Anreise (Quelle: Pixelarchiv)
Unter den ZuschauerInnen aus der Region Chemnitz befanden sich zahlreiche alte Bekannte. Darunter Neonazi-AktivistInnen aus den Reihen der verbotenen Kameradschaft „Nationale Sozialisten Chemnitz“ (NSC), der rechten Ultragruppe „New Society Chemnitz“ (NS Boys) und der kurzzeitig aktiven Gruppe „Rechtes Plenum“. So etwa der regelmäßige Demogänger Martin Pfeil, der Chemnitzer Jörg Endesfelder, der als öffentlichkeitsscheuer Aktivist eine organisatorische Rolle bei den NSC spielte, Marcel Bendel, NSC-Aktivist und heute bei der Partei „Der III. Weg“ aktiv, oder Christian Wolf aus Lugau, aktives Mitglied der ehemaligen Kameradschaft „Nationale Sozialisten Erzgebirge“.
Sie wurden begleitet von weiteren Personen aus dem rechten Fan-Umfeld des Chemnitzer FC sowie der Chemnitzer Neonazi-Szene.
Hervorheben möchten wir die Anwesenheit des Chemnitzer Neonazis Anton Ehrhardt. Er gehörte dem Umfeld der Kameradschaft „Nationale Sozialisten Chemnitz“ an und war später im „Rechten Plenum“ aktiv.
Anton Ehrhardt beim Abkleben seines KFZ-Kennzeichens (Quelle: Pixelarchiv)
Ehrhardt gilt heute vor allem aber als einflussreiche Person innerhalb der rechten Hooligangruppe „Kaotic Chemnitz“. Bilder zeigen ihn im Rahmen der 10-Jahres-Feier der Gruppe gemeinsam mit u.a. Christoph Drewer. Auch zu dessen Bruder Matthias Drewer unterhält Anton Ehrhardt beste Kontakte. Der Chemnitzer ist zudem häufig im Umfeld der rechten Cottbuser Fanszene zugegen. So feierte er mit William „Willi“ Puder, der wie erwähnt als Kämpfer beim „Tiwaz“ antrat, den Aufstieg des FC Energie Cottbus. Politisch müssten sich beide ebenso glänzend verstehen, denn beide waren Teil des Konzepts der „Unsterblichen“, eines Projekts der „Spreelichter / Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“, denen auch William Puder bis zu ihrem Verbot angehörte. Eine der medial wirksamsten Aktionsformen der Gruppen waren konspirativ organisierte Fackelmärsche, an denen sich bis zu 140 Neonazis beteiligten. Einheitlich in schwarz und mit weißen Masken gekleidet, wollten die Neonazis auf den „drohenden Volkstod“ aufmerksam machen. Ehrhardt war Teilnehmer eines solchen Aufmarsches am 30. September 2011 im sächsischen Stolpen.
Neben Protagonisten neonazistischer Kameradschaftstrukten waren auch führende AkteurInnen aus dem extrem rechten Netzwerk „Heimat & Tradition Chemnitz Erzgebirge“ im Publikum des „Tiwaz“ vertreten, u.a. Sven Mathes und Peggy Thalmann. Die Gruppe war nicht nur an den rassistischen Mobilisierungen gegen eine Geflüchtetenunterkunft im sächsischen Einsiedel beteiligt, sondern ist bis heute auf Aufmärschen von lokalen PEGIDA-Ablegern und diversen „Nein zum Heim“-Initiativen anzutreffen.
Sven Mathes und Peggy Thalmann bei der Anreise in der langen Autoschlange, die durch die Polizeikontrolle erzeugt wurde (Quelle: Pixelarchiv)
Nach außen hin pflegen sie ein bürgerliches Image, das ihnen auch in organisatorischer Rolle die Anknüpfungsfähigkeit an rassistische „Bürgerproteste“ bewahrt. Ihre Teilnahme am „Tiwaz“ sowie am Naziaufmarsch am 1. Mai 2018 in Chemnitz lässt an ihrer neonazistischen Ideologie jedoch keinen Zweifel.
Dem Chemnitzer Neonazi Robert Andres kam beim „Tiwaz“ offenbar eine spezielle Rolle zu: Er postierte sich am Eingang und musste anreisenden Neonazis ohne Ticket anscheinend vermitteln, dass sie keinen Zutritt erhalten. Dies war bereits im Vorfeld online angekündigt worden und hätte ein Sicherheitsrisiko für die Veranstaltung bedeutet, da der Schleusungspunkt dann auch Personen ohne erworbenes Ticket hätte mitgeteilt werden müssen. Andres, der ursprünglich aus Cottbus stammt, ist Teil der rechten Partei „PROCHEMNITZ“, für die er 2014 zur Stadtratswahl kandidierte. Die selbsternannte „Bürgerbewegung“ wurde 2009 von dem Burschenschaftler und Rechtsanwalt Martin Kohlmann ins Leben gerufen, der heute im Chemnitzer Stadtrat sitzt und nebenbei in der Chemnitzer Brauhausstraße 6 ein Haus erwarb, das neben seiner Kanzlei auch eine neonazistischen Gruppe aus dem Umfeld der CFC-Fanszene beherbergt. Robert Andres betätigt sich derzeit zusammen mit dem Manager der verbotenen „Nationalen Sozialisten Chemnitz“, Eric Fröhlich, als Organisator von Vortrags- und ZeitzeugInnen-Veranstaltungen im Raum Chemnitz. Er vermeidet es mittlerweile, sich öffentlich in direktem Zusammenhang mit Neonazi-Strukturen zu zeigen. Sein Aktivismus wird unterdessen zunehmend professioneller, weshalb Robert Andres heute als einer der bedeutendsten Köpfe der organisierten Naziszene der Stadt Chemnitz gesehen werden kann.
Unter den Anreisenden aus Chemnitz befanden sich nicht nur bekannte Neonazis. Auch bislang unauffällige Chemnitzer wie der im Sicherheitsgewerbe tätige Stephan Heinl nahmen den beschwerlichen Weg über Ticketkauf und Schleusungspunkt auf sich und dürften nicht erst zu Beginn der Veranstaltung gewusst haben, in welchem ideologischen Umfeld sie sich damit bewegen. Heinl war mit dem Firmenwagen seines Arbeitgebers „SCC Group“ angereist, gemeinsam mit drei Kampfsportlern der „Jabman“-Selbstverteidigungsgruppe, die im Studio des „Germano’s Team“ in Chemnitz trainieren.
Linkes Bild: Stephan Heinl (1.v.l.) und Max Woidtke (1.v.r.) aus „Germano’s Team“, (Chemnitz), Rechtes Bild: Mario Wolf (1.v.l.) und Norman Albrecht (2.v.l.) aus Chemnitz aus „Germano’s Team“ bzw. „Jabman Chemnitz“ (Quelle: Pixelarchiv)
Neben Norman Albrecht und Max Woidtke befand sich in der Gruppe auch Mario Wolf, der als Trainer in „Germano’s Team“ arbeitet und als offizieller Mentor der Selbstverteidigungsart „Jabman“ für Chemnitz eingetragen ist.
Ein beträchtlicher Teil der zum „Tiwaz“ angereisten Neonazis kam aus der Region Zwickau und aus dem Erzgebirge. Darunter befand sich auch der Annaberger NPD-Funktionär Rico Hentschel. Andere reisten aus Mittelsachsen, dem Landkreis Görlitz, Freising, Fürstenfeldbruck, Oberspreewald-Lausitz, Neubrandenburg und Fürth an.
Linkes Bild: Rico Hentschel (NPD) Mittleres Bild: David Dschietzig (Leipzig) Rechtes Bild: Benjamin Leine und Nicki Schwake auf der Suche nach einem Parkplatz (Quelle: Pixelarchiv)
Aus Leipzig war David Dschietzig anwesend. Früher in der NPD und deren Jugendorganisation JN aktiv, wird er heute der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ zugerechnet. Er befand sich auch unter den 215 Neonazis und Hooligans, die im Januar 2016 nach einem koordinierten Angriff auf Leipzig-Connewitz von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden. Den Weg nach Grünhain fand auch der Connewitz-Angreifer Jason Senst aus Wurzen. Teil des in Connewitz festgesetzten Nazi-Mobs war weiterhin Benjamin Leine aus dem nordsächsischen Delitzsch. Er reiste ebenfalls zum „Tiwaz“ an, gemeinsam mit seiner Freundin Nicki Schwake, die Mitglied der Chemnitzer Nazigruppe „Rechtes Plenum“ war. Beide scheinen heute erneut an aktivistischen Aufwind zu gewinnen – zuletzt waren das Paar beim „3. Europakongress der Jungen Nationalisten“ am 11. und 12. Mai 2018 im sächsischen Riesa anzutreffen. Leine nahm ebenso am Aufmarsch der Partei „Der III. Weg“ am 1. Mai 2018 in Chemnitz teil.
Die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“ schien beim „Tiwaz“ einen nicht unerheblichen Teil innerhalb der Organisation beigetragen zu haben. So waren nicht nur zahlreiche BesucherInnen, etwa der fränkische Parteikader Sascha Rudisch aus Fürth, mit T‑Shirts der Partei bekleidet. Auch David Dschietzig war als Parteiabgesandter zu erkennen.
Seit geraumer Zeit unterhält die sich elitär gebende Neonazi-Partei eine „Arbeitsgruppe Körper & Geist“, die sich mit Kampfsporttraining, Selbstverteidigungskursen (u.a. für Kinder) und Vorträgen dem Aspekt der „Wehrhaftigkeit des deutschen Volkes“ widmet. Auf dem „Tiwaz“ wurde die „AG Körper & Geist“ mit drei Kämpfern auch im Ring vertreten
Linkes Bild: Einer der Kämpfer, hier im beigen Shirt der „AG Körper & Geist“, kennzeichnend durch den stilisierten Wolfskopf im Ehrenkranz. Mit ihm reiste eine Besucherin an, die eine Kette mit der verbotenen Wolfsangel trug. Rechtes Bild: Sascha Rudisch (rechts, „Der III. Weg“) (Quelle: Pixelarchiv)
Die Anbindung rechter Kampfsportler aus den Reihen der Partei zeigt sich auch am Beispiel des „Kampf der Nibelungen“. Für deren Team trat u.a. Kai Andreas Zimmermann im Juni 2017 beim „Force & Honneur“ in der Nähe von Genf an. Zimmermann ist Kader des bayrischen Landesverbands des „III. Weg“. Im Oktober 2017 besuchte er mit weiteren Protagonisten der Partei die zahlreichen Immobilien der „National Korps“ in Kiew (Ukraine), dem parlamentarische Arm des faschistischen „Azow“-Regiments. Eines der vereinenden Elemente der Gäste und GastgeberInnen dürfte Kampfsport gewesen sein. Das „National Korps“ unterhält diverse Trainingsräume und richtet in regelmäßigen Abständen den sogenannten „Reconquista Fight Club“ aus.
Auch Protagonisten des Berliner „Stützpunkts“ der Neonazi-Partei waren beim „Tiwaz“ anwesend, etwa Oliver Oeltze. Dieser durchlief in Berlin mehrere militante Netzwerke und Kameradschaften – angefangen bei der 2005 verbotenen „Kameradschaft Tor“, über Strukturen des „Nationalen Widerstand Berlin“ bis hin zur 2016 verbotenen, bundesweit aufgestellten Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“. Oeltze war zudem einer der 215 Neonazis und Hooligans, die im Januar 2016 den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz angriffen. Der Berliner Neonazi ist heute nicht nur in den Strukturen der Partei „Der III. Weg“ aktiv, sondern ist seit mindestens einem Jahr Vollmitglied der Berliner Neonazi-Bruderschaft „Vandalen – Ariogermanische Kampfgemeinschaft“. Die einflussreiche Gruppierung steht maßgeblich unter der Regie von Michael „Lunikoff“ Regener, ehemals Sänger der verbotenen Rechtsrock-Band „Landser“ und heute Sänger bei „Die Lunikoff Verschwörung“.
Im Rahmen des Verbots der Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“ wurde auch u.a. die Wohnung von Pierre Schumann in Wittstock/Dosse in Brandenburg durchsucht. Dieser nahm gemeinsam mit Nico Gollnick aus Köthen (Sachsen-Anhalt) am Neonazi-Turnier „Force & Honneur“ im Juni 2017 in der Nähe von Genf teil. Der Kraftsportler Gollnick reiste ebenfalls zum „Tiwaz“ an, gemeinsam mit seinem Trainingskollegen, dem Neonazi Maik Schubert. Nico Gollnick holte 2013 auf einem Kraftsport-Turnier in Eilenburg für sein Gym, den „Köthener Sportverein 2009 e.V“, einen deutschen Rekord der Junioren im Bankdrücken und begleitete noch 2017 seinen Trainingspartner, den Neonazi Ron Krieg, auf diversen Kraftsport-Wettkämpfen. Auch Maik Schubert ist auf Bildern des „Köthener Sportverein 2009 e.V.“ zu sehen.
Mit dem aus Wistedt (Niedersachsen) stammenden André Bostelmann als Zuschauer des „Tiwaz“ ist eine weitere Verbindung zur militanten Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (WWT) erkennbar. Neben 16 anderen Wohnungen von Protagonisten der WWT wurde im März 2012 auch Bostelmanns Wohnsitz durchsucht. Grund dafür war ein konspirativ organisierter Aufmarsch im Stil der „Unsterblichen“ im Dezember 2011 in Hamburg-Harburg. 35 Neonazis zogen damals maskiert und mit Fackeln flankiert kurzweilig durch die Straßen des Bezirks, bis sie die Polizei stoppte und einer Personalienfeststellung unterzog. Der Kampfsportler Bostelmann zählt heute zur Tostedter Neonazi-Schlägerclique um den vor allem im Rechtsrock-Geschäft aktiven Stefan Winkler (ehemals Silar).
Letztlich war beim „Tiwaz“ mit Kevin Seifert aus Köthen auch ein Vertreter der neonazistischen Medienplattform „Media Pro Patria“ anwesend. Fotografen der Gruppe begleiten regelmäßig Neonazi-Konzerte, rechte Parteitagungen und Aufmärsche. Auch Aktivitäten im Bereich „Anti-Antifa“ werden von der Gruppe abgedeckt.
Erwähnenswert ist auch ein Vorfall am selben Abend. Auf dem Volksfest „Annaberger Kät“ im nahen Annaberg-Buchholz kam es zu einer Auseinandersetzung von bis zu 30 Personen mit der Polizei. Nachdem ein 26-Jähriger sich geweigert hatte, nach Pöbeleien gegen die Polizei seine Personalien feststellen zu lassen und stattdessen nach den BeamtInnen schlug und trat, versuchte die Gruppe zunächst ein Polizeifahrzeug anzugreifen. Später belagerte die Gruppe die Polizeiwache (Quelle: Freie Presse). Ob es sich hierbei um BesucherInnen des „Tiwaz“ handelt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es ist allerdings bestätigt, dass es nach Ende des Turniers noch einige TeilnehmerInnnen zum dem nahegelegenen Stadtfest zog.
Linkes Bild: Kevin Seifert von „Media Pro Patria“ Rechtes Bild: Teilnehmer des „Black Legion“-Teams auf dem Weg zum Veranstaltungsort (Quelle: Pixelarchiv)
Fazit
Mit dem „Tiwaz“-Turnier kann die neonazistische Kampfsportszene auf ein weiteres Event blicken. Neben der Tatsache, dass die anwesenden Personen aus allen Himmelsrichtungen anreisten, ist vor allem auffällig, dass fast alle relevanten Neonazi-Strukturen aus den unterschiedlichsten Erlebniswelten der Naziszene vertreten waren. Unter den TeilnehmerInnen befanden sich Anhänger diverser rechter Ultra-und Hooligangruppen, Mitglieder bundesweit bedeutender Mottoradclubs, Angestellte aus dem Sicherheitsgewerbe und Rechtsrock-Musiker. Dazu VertreterInnen aus dem gesamten rechten Parteien-Spektrum und dem neonazistischen Kameradschafts-Milieu.
Mit der Beteiligung lokaler Neonazis Organisation des „Tiwaz“ konnten etablierte Netzwerke wie „White Rex“ und „Kampf der Nibelungen“ auf verlässliche PartnerInnen zählen. Die Region zwischen Chemnitz und dem Erzgebirge bietet außerdem günstige Umstände, ein solches Event störungsfrei durchführen zu können. Dies verdeutlicht auch die steigende Zahl anderer konspirativ organisierter Veranstaltungen in der Region – etwa regelmäßig stattfindende „National Socialist Black Metal“-Konzerte oder sich jüngst häufende Zeitzeugenvorträge mit bis zu 300 ZuschauerInnen.
Begünstigt wird dies auch durch das Auftreten der Polizei, die zum „Tiwaz“ zwar Personalienfeststellungen an den Ortseingängen durchführte, aber sichtlich kein Interesse hatte, die TeilnehmerInnen im Veranstaltungsablauf einzuschränken. Bereits jetzt ist eine Fortsetzung des „Tiwaz“ für das kommende Jahr angekündigt. Es ist davon auszugehen, dass die Fortsetzung Zulauf gewinnen wird – die vergangene Veranstaltung wird in Neonazikreisen als Erfolg gewertet.
Mehr Bilder des „Tiwaz“-Turniers findet ihr unter pixelarchiv.org.
Seit Anfang Juni 2018 beobachten wir einen Prozess gegen zwei kurdische Geschäftsleute aus Brandenburg. Der Vorwurf: gefährliche Körperverletzung.
Vermeintlich Geschädigter und Nebenkläger in dem Prozess ist Herr S. Dieser ist im Ort kein Unbekannter. Seit Jahren terrorisiert er vor allem migrantische Geschäftstreibende, pöbelt in ihren Gaststätten, beleidigt sie rassistisch, weigert sich seine Speisen und Getränke zu zahlen und wird handgreiflich, sobald er darauf angesprochen wird. Wiederholt übte er körperliche Gewalt aus. Fast überall hat er deshalb Hausverbot. Die Betroffenen sind von S. jedoch so stark eingeschüchtert, dass kaum ein Vorfall je zur Anzeige kommt.
Auch Herr F. und Herr L., Angeklagte im oben genannten Prozess, haben seit Jahren Probleme mit S. Über das Hausverbot in ihrem Laden hat er sich wiederholt hinwegsetzt. Die Lage ist so bedrohlich, dass F. und L.s Kund*innen wegbleiben und sie Schwierigkeiten haben, Mitarbeiter*innen zu finden. An einem Abend im Frühjahr 2015 eskaliert die Situation erneut: S. hämmert an die Scheibe, zeigt einen Hitlergruß und den emporgestreckten Mittelfinger und beschimpft die Inhaber rassistisch. Diese stellen S. zur Rede, verweisen auf ihr Hausrecht und rufen die Polizei, um Anzeige zu erstatten. Was dann passiert, gleicht einem Albtraum: Denn wie so oft bei solchen Vorfällen geriert sich der eigentliche Täter als Opfer und erstattet eine Gegenanzeige wegen angeblicher Körperverletzung. Diese Strategie baut auf einer rassistischen Komplizenschaft zwischen Täter und Polizei auf, für die keine Absprache notwendig ist und sie hat Erfolg: Die Beamt*innen ermitteln nur lückenhaft und gehen den Vorwürfen von S. nach, während sie die der beiden Ladeninhaber fallen lassen. In der Folge stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen S. ein und erhebt stattdessen Anklage gegen F. und L. Das liegt nicht nur an der rassistischen Ermittlungsarbeit der Polizei, sondern auch daran, dass sich kaum Zeug*innen finden lassen, die bereit sind, gegen S. auszusagen. Zu groß ist die Angst vor seinen Gewaltausbrüchen.
Im Prozess setzt sich die Täter-Opfer-Umkehr weitgehend fort. Die Verteidigung kommt trotz guter Vorbereitung nicht gegen den rassistischen Grundverdacht an, der besagt, dass ein „vermeintlich oder tatsächlich ausländisches Opfer zunächst immer ein Täter ist“. Trotz zum Teil wirrer und widersprüchlicher Zeugenaussagen ist eine Verurteilung von F. und L. nicht unwahrscheinlich. Für die beiden Angeklagten steht viel dem Spiel: Dieser und ähnliche Vorfälle bedrohen ihre Existenz. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, wären sie außerdem vorbestraft, was für F. auch negative Auswirkungen auf sein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben kann.
Rassistische Gewalt, einseitige Ermittlungen der Polizei, Kriminalisierung und Aufenthaltsregime, auch für Brandenburg scheint zu gelten: „Staat und Nazis Hand in Hand“. Wir solidarisieren uns mit den Angeklagten, fordern die sofortige Einstellung dieses absurden Verfahrens gegen F. und L. sowie ein Ende der rassistischen Gewalt!
Fotos: Private Zusendung
Ein aufmerksamer Bürger bemerkte gegen 9.45 Uhr eine beschrifte weiße Stofffläche an einem Geländer der Bahnhaltestelle Nauen. Auf dem Banner forderten Unbekannte die „Freiheit“ für die rechtskräftig verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Der Bürger entfernte geistesgegenwärtig die Stofffläche mit dem Slogan und übergab diese, nach eigenen bekunden, der Polizei.
Einer weiteren Person soll das Banner ebenfalls aufgefallen sein. Diese sprach außerdem von ähnlichen Propagandamitteln in der Innenstadt und an Schulen. Eine erste Erkundung konnte weitere Aktivitäten der unbekannten Haverbeck-Sympathisierenden jedoch nicht bestätigen.
Es ist allerdings nicht das erste mal, dass sich in der Region mit der inhaftierten Holocaustleugnerin solidarisiert wird. Erst im März forderten Neonazis im Rahmen einer unangemeldeten Versammlung auf einem Kasernengelände in Wustermark OT Elstal die Freilassung von Haverbeck.
In Dortmund (Nordrhein-Westfalen) beabsichtigen Neonazis im Laufe des heutigen Tages zudem mehrere Mahnwachen für die u.a. wegen Volksverhetzung Verurteilte durchzuführen.
Haverbeck gilt als Symbolfigur des bundesweit aktiven neonazistischen Milieus.
Potsdam ist eine der teuersten Städte in den neuen Bundesländern. Potsdam ist eine gespaltene Stadt. In Potsdam können immer mehr Menschen die steigenden Mieten nicht mehr bezahlen. Freiräume verschwinden und werden abgerissen, Menschen werden verdrängt. Zwei Tage lang zeigt das Bündnis „Stadt für alle“, wie Stadtentwicklung anders geht. Steigende Mieten, Luxusbauprojekte, Verdrängung und Gentrifizierung sind kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis neoliberaler Stadtpolitik.
Wir werden an diesen Tagen Konzepte, Projekte und Aktionsformen vorstellen und diskutieren, wie Stadt anders gestaltet werden kann:
Sozial, solidarisch und selbstbestimmt. Termine und Orte:
Freitag, den 22. Juni 2018 ab 18.00 Uhr: Film – und Diskussionsabend im Kino Thalia:
u.a. mit dem Film „Bye, Bye St. Pauli“ und dem Stadtsoziologen Andrej Holm
Samstag, den 23. Juni 2018 ab 10.00 Uhr: Vorträge, Workshops im Kulturzentrum „freiland“ :
u.a. zu Themen wie Wohngemeinnützigkeit, Milieuschutzsatzungen, sozialen Kämpfen, Mietenvolksentscheid Weitere Informationen findet Ihr unter:
www.potsdam-stadtfueralle.de Anmeldungen und alle Eure Nachfragen:
wohnforum@potsdam-stadtfueralle.de
„Kein schöner Land – Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg“
Ausstellung zu Brandenburger Todesopfern wird eröffnet
Der Verein Opferperspektive präsentiert am 23. Juni 2018 seine neue Ausstellung „Kein schöner Land – Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg“. Sie wird erstmals bei den Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen des Handlungskonzeptes „Tolerantes Brandenburg“ am morgigen Samstag in der Alten Chemiefabrik in Cottbus gezeigt.
Im Bundesland Brandenburg sind die meisten Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung zu beklagen. Auf insgesamt 26 Tafeln erinnert die Opferperspektive an 22 Menschen, die plötzlich aus ihrem Leben gerissen wurden. Sie mussten sterben, weil die Täter menschenverachtende Einstellungen verinnerlichten und den Wert eines Menschen an seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seines sozialen Status, seiner körperlichen oder seiner psychischen Beeinträchtigung bemaßen.
„Diese Ausstellung sehen wir als eine Form der Dokumentation der Taten und des Gedenkens an ihre Opfer. Wir rücken die Menschen, die Familienväter, Lebensgefährten, Söhne und gute Freunde waren, in den Mittelpunkt“, beschreibt Geschäftsführerin Judith Porath das Anliegen der Ausstellung. „Häufig fehlt es an Informationen über diese Menschen. Wir wollen und können mit dieser Dokumentation keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern gerade auch darauf hinweisen, dass viele von ihnen vor Ort vergessen wurden.“, so Porath weiter.
„Kein schöner Land – Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg“ thematisiert darüber hinaus das Gedenken und die langen Debatten um Anerkennung als politisch motivierte Verbrechen. Das Land Brandenburg hat als Erstes die Todesopfer rechter Gewalt neu überprüft und bewertet.
Die Wanderausstellung kann ab 1. August über den Verein Opferperspektive ausgeliehen werden.
Cottbus kommt nicht zur Ruhe. Am Sonntag den 17. Juni werden Rechtsradikale von
Zukunft Heimat und AfD in unserer Stadtmitte ein Hetzbüro eröffnen! Während
Studierende am Freitag beim Laut gegen Nazis und am Sonntag beim Cottbus Open
gemeinsam mit vielen Akteuren der Zivilgesellschaft ein Zeichen für ein weltoffenes
Cottbus setzen, gehen Rechte Kräfte zur nächsten Eskalationsstufe über.
Seit Monaten folgt ein Vorfall dem anderen. Bundesweit ist die Stadt in den Medien.
Der rechte Verein Zukunft Heimat zerstört das Klima in der Stadt. Auf ihren
Demonstrationen hetzen sie gegen Geflüchtete und alle Menschen, die sie als solche
wahrnehmen. Auch der Aufstieg von Energie Cottbus wurde von rechten Ausschreitungen
überschattet. Um die Probleme in Cottbus lösen zu können, brauchen wir Zusammenhalt.
Was wir nicht brauchen, ist ein rechtes Hetzbüro!
Die Betreiber des Ladens kommen von auswärts und sie haben ein Interesse an der
Eskalation, die unserer Stadt schadet. Das sind die, die für die laute und
rassistische Demonstrationskampagne seit einem Jahr verantwortlich sind – die uns
einreden wollen, dass an allen Problemen Geflüchtete schuld sein sollen. Dass dies
nicht stimmt, bewies unlängst die Kriminalstatistik.1
Die Zahlen des Vereins Opferperspektive Brandenburg zeigen dagegen klar, von wem spürbar vermehrt Gewalt ausgeht: Rechte und rassistische Gewalt ist in Brandenburg seit 2016 auf ihrem
Höchststand seit Beginn der Aufzeichnungen. Die traurige Spitze der menschenfeindlichen Gewalt in Brandenburg bildet dabei Cottbus. 2
Mit ihrem Hetzbüro erbauen sich die rechten Provokateure eine Basis, von der aus sie
die Spaltung in Cottbus zu einem Dauerzustand machen können. Von dort wollen sie
weiter ihre menschenfeindlichen Denkmuster verbreiten und sich gegenseitig in ihrem
Rassismus bestärken. Sie planen, weitere Konflikte in unser Zusammenleben zu
bringen. Der rechte Vordenker Götz Kubitschek, kürzlich erst Redner in Cottbus, gibt
das offen zu: Es geht darum den Riss, der durch die Gesellschaft geht, noch zu
vertiefen! 3
Doch wir lassen uns nicht zerreißen! Wir antworten mit Solidarität! Wir sind
Zugezogene und Eingeborene, Studierende, wir sind Menschen mit Fluchtbiografie, wir
sind alle unterschiedlich und gleichzeitig teilen wir so viel. Wir brauchen nur den
gemeinsamen Willen und Mut, an einer offenen und gerechten Stadt mitzuwirken.
Lassen wir es nicht zu, dass in unserer Mitte Rechte ihre rassistische Politik
betreiben können! Treten wir für ein Cottbus ein, in dem alle friedlich miteinander
leben können.
Nazis raus aus unserer Mitte!
Cottbus Nazifrei unterstützte am heutigen Donnerstag eine Verteilaktion
rund um die Spremberger Straße in Cottbus. Die Bewohnerschaft wurde
damit über das in ihrer Mitte entstehende rechtsradikale Büro
informiert. Auch beim Campus-Openair “Laut gegen Nazis” am morgigen
Freitag sowie beim Stadtfest wird darauf aufmerksam gemacht werden, dass
in der Cottbuser Stadtmitte am Sonntag ein von “Ein Prozent” (Sachsen),
“Zukunft Heimat” (Spreewald) und AfD (Bundes- und Landesebene)
getragenes Hetzbüro eröffnet. Cottbus Nazifrei fordert eine klare
Positionierung seitens der Stadt und Zivilgesellschaft, eine solche
Hass-Schmiede in Cottbus nicht zu dulden.
“Solch ein Laden darf in der Stadt nicht geduldet werden! Wir alle
dürfen in Cottbus nicht zulassen, dass ein Hetzbüro entsteht, von dem
aus weitere Konflikte in der Stadt gesät werden.”, sagt Luise Meyer von
Cottbus Nazifrei.
Am 17. Juni soll in der Mühlenstraße 44, in unmittelbarer Nähe zur
Synagoge, ein Infoladen zur Verbreitung menschenfeindlicher Ideen
eröffnet werden. Die Betreiber sind „Zukunft Heimat“ und die AfD.
Gefördert werden sie vom rechten Kampagnen-Netzwerk „Ein Prozent“ (aus
Oybin in Sachsen). Der Laden folgt in vielem dem Vorbild eines rechten
Hausprojektes in Halle, wo seit 2017 “Identitäre”, AfD und Ein Prozent
unter einem Dach arbeiten und für Unruhe und Gewalt sorgten. Ziel eines
solchen Ladens in Cottbus kann es nur sein, die Situation vor Ort zu
eskalieren, die Stadt weiter zu spalten und sich dann selbst als
politische Lösung anzubieten.
“Es geht diesen Leuten darum, den Riss, der durch die Gesellschaft geht,
noch zu vertiefen. Das erklärte ihr rechter Vordenker Götz Kubitschek
bereits in Cottbus. Sie haben keinerlei Interesse an einem Dialog. Sie
wollen die Konflikte verschärfen, um ihre autoritären und rassistischen
Positionen durchdrücken und dabei geben sie sich einen bürgerlichen
Saubermann-Anstrich!”, so Meyer weiter.
Der Anstrich von Bürgerlichkeit kann jedoch nicht aufrecht erhalten
werden. Denn, wärend die AfD zur Eröffnung eines “harmlosen” Bürgerbüros
einlädt und Zukunft Heimat den Laden beschönigend “patriotisch” nennt,
wirbt Ein Prozent mit dem Laden als eine Widerstandsschmiede. Die
Abgrenzung der AfD von Zukunft Heimat sowie anderen extrem rechten
Kräften ist mit der gemeinsamen Ladeneröffnung hinfällig.
Am Freitag, den 15. Juni 2018, beginnt um 9:45 am Amtsgericht Bernau die Fortsetzung des Verfahrens wegen Beleidigung und Bedrohung eines 15-jährigen Schülers. Die Opferperspektive begleitet den Prozess und
ruft zur solidarischen Prozessbeobachtung auf.
„Wir hoffen, dass auch bei diesem Termin viele Besucher_innen ihre Unterstützung für den Betroffenen zeigen. Im Februar war der Verhandlungssaal bis auf den letzten Platz besetzt“, sagt Anne Brügmann,
Beraterin der Opferperspektive, die am Verhandlungstag vor Ort sein wird.
Angeklagt ist ein 20-jährigen Panketaler. Ihm wird vorgeworfen, am 7. September 2017 gemeinsam mit zwei weiteren Männern den Schüler wegen seiner Antifa-Sticker auf der Straße angehalten und bedroht zu haben.
Als sich der Betroffene ins Bürgerbüro der Partei „Die Linke“ flüchtete, tauchten die drei Männer auch dort auf und hämmerten gegen die Tür, die von den anwesenden Parteimitgliedern zugehalten wurde. Dabei fielen u.a. antisemitische Beleidigungen und Drohungen gegen den Jugendlichen. Erst als die Anwesenden mit der Polizei drohten, verschwanden die Täter.
Der Vorsitzende Richter Andreas Müller hatte am ersten Verhandlungstag im Februar verkündet den Prozesstermin unter anderem anberaumt zu haben, um die Namen der Mittäter zu erfahren. Der Angeklagte, der den Tatablauf weitgehend eingeräumt hatte, war hierzu ohne Rücksprache nicht bereit. Als der Betroffene im Zuge seiner Zeugenaussage von einer weiteren Bedrohung durch die Angeklagten im November 2017 berichtete, wurde die Verhandlung unterbrochen.
Auch die Außenstelle des BAMF in Eisenhüttenstadt gehört zu den zehn Standorten, die aufgrund der vom Standard abweichenden Entscheidungen überprüft werden soll. Zurecht, denn in Brandenburg liegt die Anerkennungsquote bei Asylentscheidungen weit unter dem Bundesdurchschnitt, hiesige Quoten weichen zum Teil bis zu vierzig Prozent von diesem ab. Brandenburgs verheerende Asyllotterie
Eine Verteilung nach Brandenburg bedeutet für viele Geflüchtete eine weit geringere Chance auf Schutz und Anerkennung ihrer Fluchtgründe. Das zeigen die Anerkennungszahlen des letzten Jahres im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer:
Afghanistan: 31,7% in Brandenburg, 47,3% Bundesdurchschnitt
Iran: 16% in Brandenburg, 58,4% Bundesdurchschnitt
Irak: 51,8% in Brandenburg, 64,4% Bundesdurchschnitt
Somalia: 75,7% in Brandenburg, 83,1% Bundesdurchschnitt
Türkei: 6,8% in Brandenburg, 29,9% Bundesdurchschnitt
Das Recht auf ein faires Asylverfahren wird außerdem massiv eingeschränkt durch die fehlende Asylverfahrensberatung in der Erstaufnahmeeinrichtung in Brandenburg. Fehlende Beratung bedeutet für Schutzsuchende, dass sie Fluchtgründe im Rahmen des Asylverfahrens nicht in vollem Umfang geltend machen können sowie einen erschwerten Rechtsweg. Tempo statt Sorgfalt bei Asylverfahren
Von der Politik angetrieben wurde nach 2015 alles unternommen, um mit schnell angeworbenen und schlecht geschulten Entscheider_innen bis zur Bundestagswahl ein Höchstmaß an Asylentscheidungen zu treffen. Deren Qualität war bis Herbst 2017 kein Thema. Gut bezahlte Unternehmensberatungsfirmen wurden engagiert, um die Abläufe zu optimieren. Im Vordergrund stand das Tempo. Genauigkeit und Sorgfalt der Entscheidungen, wie es für die Prüfung einer möglichen Grundrechtsgewährung angemessen ist, trat bundesweit in den Hintergrund. Dies hatte hunderttausende mangelhafte Asylentscheidungen zur Folge, was der eigentliche Skandal ist, über den kaum gesprochen wird. Verwaltungsgerichte als Korrektiv für BAMF-Schlamperei
Auch bundesweit sind die Schutzquoten 2017 im Vergleich zu 2016 drastisch gesunken, obwohl sich die Situation in den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge seit 2015 – wie etwa in Afghanistan – in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat.
Dies ist zurückzuführen auf neue Vorgaben und Leitsätze der BAMF-Führung und letztlich des Bundesinnenministeriums. Die politisch motivierte, systematische Absenkung der Zahl positiver Entscheidungen durch eine Änderung der Anerkennungskriterien und die inakzeptable Fehlerquote bei negativen Entscheidungen werden in der einseitigen öffentlichen Debatte nicht thematisiert. Die hohe Erfolgsquote der Klagen vor den Verwaltungsgerichten zeigt die strukturellen Mängel bei den BAMF Entscheidungen. Dabei folgte das BAMF offensichtlich der Devise: Unser Korrektiv sind die Verwaltungsgerichte – anstelle einer wirklichen Qualitätskontrolle im Hause selbst.
Ende 2017 waren über 370.000 Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anhängig. 2017 hatten 40,8 Prozent der Kläger_innen Erfolg (bereinigte Schutzquote). Fast die Hälfte der überprüften Asylbescheide wurde also durch die Verwaltungsgerichte korrigiert – bei syrischen und afghanischen Asylsuchenden waren es sogar über 60 Prozent. Etwa 32.500 Fehlentscheidungen des BAMF mussten im Jahr 2017 von den Gerichten zu Gunsten von Geflüchteten korrigiert werden. Hinzu kommen etwa 4.500 Fälle, in denen das BAMF die eigene Entscheidung im Sinne der Betroffenen korrigiert hat. Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert eine umfassende Qualitätskontrolle im Bundesamt, wie PROASYL und viele weitere Verbände und Organisationen dies schon seit Jahren fordern.
Verweise
1http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/003/1900385.pdf <https://deref-gmx.net/mail/client/-icjb_Svlio/dereferrer/?redirectUrl=http%3A%2F%2Fdip21.bundestag.de%2Fdip21%2Fbtd%2F19%2F003%2F1900385.pdf>_
2https://www.proasyl.de/news/breite-kritik-an-maengeln-in-asylverfahren-und-abschiebungen-ins-unsichere-afghanistan/
3https://www.proasyl.de/news/memorandum-zu-asylverfahren-zeigt-qualitaetsmaengel-beim-bamf/
4http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/013/1901371.pdf_