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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gedenken an Erico Schreiber

In der Nacht zum 28. März 2018 gedacht­en Antifaschist*innen in Frank­furt (Oder) dem Punk Enri­co Schreiber, der vor fünzehn Jahren von Neon­azis in sein­er Woh­nung aus­ger­aubt und getötet wurde. An diversen Plätzen wur­den Kerzen und Fly­er angebracht: 

Wir wollen nicht vergessen — Mord durch Neon­azis in Frank­furt (Oder)
Heute vor 15 Jahren wurde Enri­co “Pun­ki” Schreiber von drei stadt­bekan­nten Neon­azis ermordet. Sie waren zuvor in die Woh­nung seines Fre­un­des einge­brochen, wo sie ihn über­rascht­en. Danach haben sie ihn gefoltert, beraubt, ver­let­zt und dann ster­bend zurück­ge­lassen. Zwar wur­den die Täter zu jahre­lan­gen Haft­strafen verurteilt, ihr men­schen­ver­ach­t­en­des Welt­bild soll allerd­ings bei der Tat keine Rolle gespielt haben. Fol­gerichtig wurde der Mord staatlich­er­seits nicht als Ver­brechen durch Neon­azis eingestuft. Anti­ras­sis­tis­che Ini­tia­tiv­en und Unterstützer*innen der Betrof­fene von Neon­azige­walt beurteilen den Fall anders, für sie stellt die recht­sradikale Welt­sicht der Angreifer eine entschei­dende Voraus­set­zung für die schreck­liche Tat dar. Tat­säch­lich wird die offizielle Ein­stu­fung als Raub­mord dadurch unglaub­würdig, dass die Täter einen Men­schen stun­den­lang ver­prügel­ten und folterten, den sie als “Punker” und “Asozialen” betrachteten.
Immer wieder kommt es zu Angrif­f­en auf Men­schen durch Neon­azis, die von diesen als unpro­duk­tiv, faul und nut­z­los ange­se­hen wer­den. Obdachlose, Punks und Alko­holkranke wer­den von Faschis­ten als min­der­w­er­tig ange­se­hen und aus­ge­gren­zt, ange­grif­f­en und sog­ar ermordet. Die Vorstel­lung, der Wert eines men­schlichen Lebens würde sich an dessen Arbeit­sleis­tung definieren, ist allerd­ings bis wein in den Main­stream hinein ver­bre­it­et. Neon­azis­tis­che Angriffe ste­hen in diesem Sinne nicht gegen dominierende gesellschaftliche Trends, son­dern befind­en sich eher im Fahrwass­er der kap­i­tal­is­tis­chen Leis­tungs­ge­sellschaft. Zumin­d­est zum Teil kön­nen sich Neo­faschis­ten so als Voll­streck­er des Mehrheitswil­lens fühlen, wenn sie ver­meintlich “unpro­duk­tive” oder “leis­tungss­chwache” Men­schen angreifen. Einem solchen Denken gilt es sich entschlossen ent­ge­gen­zustellen, egal ob Men­schen ver­bal abgew­ertet oder kör­per­lich ange­grif­f­en werden.
In Frank­furts jüng­ster Geschichte ist recht­en und neon­azis­tis­ches Denken und Han­deln lei­der eine Kon­stante. Anfang der Neun­ziger Jahre sind die ersten pol­nis­chen Reise­busse aus ein­er ras­sis­tis­chen Gruppe her­aus mit Steinen bewor­fen wor­den. Neon­azis verabre­de­ten sich, um gewalt­tätige Angriffe auf Men­schen aus Polen durchzuführen. Punks, Obdachlose und Antifaschist*innen gehörten zum Feind­bild der Neon­azis und wur­den regelmäßig bru­tal ange­grif­f­en. Dem Mord an Pun­ki fol­gte ein Jahr darauf ein Angriff von acht Neon­azis auf einen Asyl­be­wer­ber, den dieser nur mit Glück über­lebte, nach­dem er tage­lang im Koma gele­gen hat­te. Im Spät­som­mer 2004 ent­führten Neo­faschis­ten einen alko­holkranken Men­schen, folterten und verge­waltigten ihn stun­den­lang in ein­er Woh­nung in Neu­bere­sienchen. Diese Angriffe schock­ierten die städtis­che Öffentlichkeit und führten zu großen und entschlossen antifaschis­tis­chen Demon­stra­tio­nen. An der Dauer­präsenz neon­azis­tis­ch­er Sym­bo­l­ik im Stadt­bild und der laten­ten Gefahr rechter Angriffe kon­nten auch sie allerd­ings nicht viel ändern.
In den fol­gen­den Jahren gab es vielfältige Neon­azi­ak­tio­nen. Im Umfeld des Frank­furter Fußbal­lvere­ins bildete sich eine große und angriff­s­lustige rechte Hooli­gan­szene. Diese wurde von neon­azis­tis­chen Aktivis­ten aus dem Umfeld der freien Kam­er­ad­schafts­be­we­gun­gen zu poli­tisieren ver­sucht. Immer wieder kam es zu gewalt­täti­gen Über­grif­f­en durch Leute aus dem Umfeld, beson­ders gehäuft im Rah­men von Fußball­welt- und Europameis­ter­schaften, bei denen vielfach nicht-deutsche Fans attack­iert wor­den sind.
In der jüng­sten Ver­gan­gen­heit machte die ras­sis­tis­che Gruppe “Frank­furt (Oder) wehrt sich” Stim­mung gegen ein Kli­ma von Sol­i­dar­ität und Willkom­men­skul­tur. Den von dieser Gruppe organ­isierten Aufmärschen stell­ten sich immer wieder Men­schen ent­ge­gen, die damit sowohl sym­bol­isch, als auch prak­tisch die Stadt nicht ras­sis­tis­chen und neon­azis­tis­chen Akteuren über­lassen haben. Auch wenn eine starke und gewalt­tätige Neon­aziszene in Frank­furt seit der Wende zum Stadt­bild gehört, es gab auch immer eine Tra­di­tion des Wider­standes gegen solche ras­sis­tis­chen und men­schen­ver­ach­t­ende Werte und Tat­en. So ist es aktiv­en Antifaschist*innen und ihrem Engage­ment zu ver­danken, dass die Sit­u­a­tion nicht noch schlim­mer ist. Von Seit­en der Stadt und viel­er Men­schen wird das Prob­lem allerd­ings bis heute kaum aus­re­ichend ernst genom­men und oft­mals lei­der auch ver­harm­lost. Dabei spie­len die Image­gründe eine Rolle: Nichts soll unter­nom­men wer­den, was dem Wirtschafts­stan­dort schaden und eventuelle Inve­storen abschreck­en kön­nte. Passt es doch, sind Amtsträger*innen und Autoritäten oft schnell dabei, die Prob­leme mit Ras­sis­mus und Nazige­walt kleinzure­den und zu ver­harm­losen. Auch das Morde als “unpoli­tisch” klas­si­fiziert wer­den, ist Teil ein­er solchen Strate­gie der Ver­harm­lo­sung und Verblendung.
Auch wenn nach zahlre­ichen erfol­gre­ichen antifaschis­tis­chen Gegen­mo­bil­isierun­gen derzeit keine recht­en Aufmärsche stat­tfind­en, wer­den regelmäßig Leute aus ras­sis­tis­chen und sozial­dar­win­is­tis­chen Motiv­en belei­digt und ange­grif­f­en. Für uns ste­ht fest, dass wir nicht wegschauen oder schweigen wollen, wenn Freund*innen und Mit­men­schen von Neon­azis erniedrigt und ange­grif­f­en wer­den. Geflüchtete und Men­schen, die Hil­fe brauchen, anzu­greifen, ist feige und man­i­festiert ein poli­tisch-wirtschaftlich­es Sys­tem, für das Kap­i­talver­w­er­tung die ober­ste Maxime ist. Diese an Kap­i­tal­in­ter­essen ori­en­tierte Poli­tik führt zu glob­aler sozialer Ungerechtigkeit, Leitungszwang und Armut. Daran trägt kein Flüchtling und kein Obdachlos­er Schuld, son­dern das poli­tis­che und wirtschaftliche Sys­tem. Deut­lich­er sozialpoli­tis­ch­er Aus­druck dieser Agen­da was die Durch­führung der Hartz‑4 genan­nten Arbeits­mark­tre­form, die die Schaf­fung eines riesi­gen Niedriglohnsek­tor ermöglicht­en, von dem die deutsche Wirtschaft bis heute sehr prof­i­tiert. Die men­schlichen Fol­gen für die Gesellschaft, etwa die massen­hafte Zunahme von Armut und sozialer Aus­gren­zung, wer­den heute kaum noch im poli­tis­chen Main­stream disku­tiert. Wer nach unten tritt und andere aus­gren­zt, beteiligt sich damit am Erhalt des Bestehenden.
Wir stellen uns gegen Aus­beu­tung, Ungerechtigkeit und Herrschaft pro­duzieren­des poli­tis­ches und wirtschaftlich­es Sys­tem und ste­hen dafür ein, in ein­er pos­i­tiv­en Weise Per­spek­tiv­en für ein besseres Leben für alle Men­schen zu erkun­den. Solange Ras­sis­ten und Neon­azis ihre men­schen­ver­ach­t­ende Pro­pa­gan­da auf die Straße tra­gen, wer­den wir uns Ihnen in den Weg stellen. Seid auch ihr dabei, mis­cht euch ein wenn ihr mit­bekommt, dass Leute aus ras­sis­tis­chen, homo­phoben, sex­is­tis­chen, anti­semi­tis­chen und anderen Grün­den angemacht oder ange­grif­f­en wer­den. Zeigt Empathie und sol­i­darisiert euch mit den Betroffenen!
Für eine sol­i­darische Gesellschaft und ein schönes Leben für alle!
Weit­ere Infor­ma­tio­nen zum Mord an Enri­co “Pun­ki” Schreiber:
www.opferpespektive.de / www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Gegen die Heimat – Das Spiel von Zukunft Heimat verderben

Ein Zusam­men­schluss von Rassist*innen und Neon­azis hat für Fre­itag den 13.04.2018 in Jüter­bog eine Demon­stra­tion angekündigt. Seit einiger Zeit demon­stri­eren jene Rassist*innen unter dem Namen „Zukun­ft Heimat“ in Cot­tbus und anderen Städten der Lausitz. Immer wieder sind diese Aufmärsche das „Who’s Who“ der Neon­aziszene. So brin­gen Neon­azis gemein­sam mit soge­nan­nten „besorgten Bürger*innen“ men­schen­ver­ach­t­ende Pro­pa­gan­da auf die Straße.
Doch das soll nicht unkom­men­tiert bleiben!
Wenn der deutsche Mob anfängt von Heimat zu sprechen, ist es höch­ste Zeit auf die Straße zu gehen und ihnen entschlossen ent­ge­gen­zutreten. Wenn Neon­azis und ihre ras­sis­tis­chen Freunden*innen behaupten ihre Heimat „vertei­di­gen“ zu müssen, dann fol­gen auch ras­sis­tis­che Über­griffe, Morde oder bren­nende Geflüchteten­heime. „Zukun­ft Heimat“ hat mit ihrer Kundge­bung in Jüter­bog bewusst eine deutsche Kle­in­stadt aus­ge­sucht, um an die erfol­gre­ichen Mobil­isierun­gen von mehreren tausenden Men­schen in Cot­tbus anzuschließen. Dies gilt es in Jüter­bog zu ver­hin­dern, um danach auch Cot­tbus wieder naz­ifrei zu machen.
Warum auf die Straße gehen?
„Zukun­ft Heimat“ betreibt auf ihren Demon­stra­tio­nen und Kundge­bung ras­sis­tis­che Het­ze. Sie het­zten gegen alles was „ihrer“ Heimat nicht entspricht. Alles was in ihren Augen schlecht für die Heimat ist wird dif­famiert, belei­digt, bedro­ht und bei Bedarf auch kör­per­lich ange­gan­gen. So haben beispiel­weise mehere Neon­azis in der Sil­vester­nacht eine Geflüchtete­nun­terkun­ft ange­grif­f­en und in Cot­tbus Pressevertreter*innen bedrängt und bedro­ht. „Zukun­ft Heimat“ ver­sucht den deutschen Mob aufzus­tacheln und anzuheizen.
Jet­zt ist es an uns, dem etwas ent­ge­gen­zuset­zen! Wir dür­fen nicht zulassen, dass Neon­azis – ganz egal wo – Fuß fassen. Raus aus der Kom­fort­zone – rein ins bran­den­bur­gis­che Umland! Also kommt am 13.04. nach Jüter­bog! Ganz gle­ich ob ihr mit dem Zug oder dem Auto kommt. Wir wer­den mit euch gemein­sam vom Bahn­hof zur Kundge­bung demonstrieren! 

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Arbeit & Soziales Gender & Sexualität

Feministische Thesen zu Sexarbeit

Wie hängt die Stig­ma­tisierung von Sexar­beit mit der gesellschaftlichen Mis­sach­tung von Care-Arbeit zusammen?
Warum ist die Emanzi­pa­tion nicht geschafft, solange „Hure“ ein Stig­ma bleibt? Was bedeutet der Dual­is­mus von Heilige und Hure für das Selb­st­bes­tim­mungsrecht aller Mäd­chen* und Frauen*?
Was hat das mit Ras­sis­mus zu tun?
Dazu haben wir The­sen for­muliert, die wir mit euch disku­tieren wollen.
16.04.2018
19:00
Buch­laden Sputnik
Char­lot­ten­straße 28
14476 Potsdam
Wir, Maria&Magdalena4ever,
sind eine kleine Gruppe von Frauen, die aus fem­i­nis­tis­ch­er Per­spek­tive gegen die Stig­ma­tisierung von Sexar­beit Posi­tion bezieht.

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Arbeit & Soziales Bildung & Kultur Sonstiges

Einführung in die Kapitalismuskritik — Seminar im Horte

Pro­duk­tiv­er Arbeit­er zu sein ist kein Glück, son­dern ein Pech” (Marx)
(Dro­hende) Arbeit­slosigkeit, ein Arbeit­splatz, an dem man einiges an
kör­per­lichen und psy­chis­chen Stress auszuhal­ten hat und eine Freizeit,
in der man zu fer­tig ist oder zu wenig Geld hat, um sie für sich zu
nutzen; dies alles sind Sachen, mit denen die meis­ten Menschen
irgend­wann mal Bekan­ntschaft machen. Das ist die Kon­se­quenz einer
Gesellschaft, in der man geset­zlich verpflichtet ist, sich als
Eigen­tümer aufeinan­der zu beziehen (Verträge einge­hen, mit Geld
einkaufen etc.) und dabei über kein nen­nenswertes Eigen­tum ver­fügt. Man
ist dann gezwun­gen als Lohnar­beit­er seine Dien­st­barkeit einzutauschen
gegen Geld. Ob man dann Geld zum Leben hat und wieviel, ist so voll
dadurch bes­timmt, was die soge­nan­nte „Wirtschaft“ (die Unternehmen) will
und hin­bekommt: Geld investieren, damit am Ende mehr raus kommt und das
immer wieder und im größeren Maßstab.
In dem Work­shop sollen einige Prinzip­i­en des Kap­i­tals dargestellt werden
und wie dabei die Lohnar­beit und deren men­schliche Träger, die Arbeiter
vorkom­men. Dabei sollen auch einige fehler­hafte Kri­tiken des Kapitals
zur Diskus­sion gestellt wer­den. Nicht zulet­zt soll gefragt wer­den, ob
der Staat nun der Schutz vor Aus­beu­tung ist oder nicht eher der Garant
ein­er Gesellschaft, in der Aus­beu­tung die Regel ist.
Eine Ver­anstal­tung der Grup­pen gegen Kap­i­tal und Nation (www.gegner.in)
Sam­stag, d. 14.04.2018 um 13 Uhr
Alter­na­tives Jugend­pro­jekt „Horte“
Peter-Göring-Str. 24
15344 Strausberg

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Buch- und Veranstaltungstipp „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß”

Roman von Man­ja Präkels (Ver­brech­er Ver­lag 2017)
…oder wie es sich in ein­er bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt aufwach­sen lässt, umgeben von der plöt­zlichen Per­spek­tivlosigkeit nach dem Mauer­fall und der zunehmenden Faschisierung der Freund*innen der Kindheit.
 
Mimis Fre­und Oliv­er, mit dem sie sich früher mit Schnap­skirschen der Eltern betrank, wird Anfang der 1990er Jahre zum Anführer ein­er recht­en Schläger­gruppe. Von den Glatzen und Seit­en­schei­t­el tra­gen­den Jungs als „Zeck­en“ beschimpft und bedro­ht, ver­suchen Mimi und ihre Freund*innen sich durchzuschla­gen. Eine Menge Alko­hol und gemein­sam ver­brachte Nächte in den Jugendz­im­mern scheinen hier und da die Auseinan­der­set­zung mit sich und den eige­nen näch­sten Schrit­ten zu ver­drän­gen. Und als ihr Fre­und „Krischi“ 1992 bei einem Dis­cothekbe­such getötet wird, scheinen die einzi­gen Optio­nen der Wegzug nach Berlin zu sein oder den Kampf gegen die Neon­azis weit­er zu führen, der schein­bar nicht gewon­nen wer­den kann.
 
Ungeschminkt und mit auto­bi­ografis­chen Anteilen schafft es Man­ja Präkels in ihrem Roman der Leser*innenschaft nahe zu brin­gen, was es bedeutet, in ein­er Kle­in­stadt mit „No-Go-Areas“ zu leben, Freund*innen durch Neon­azige­walt zu ver­lieren und mit der ständi­gen Angst vor dem näch­sten Angriff aus dem Haus zu gehen.
 
Ger­ade ein­er ursprünglich aus West­deutsch­land kom­menden Leser*innenschaft, wird durch das Buch das Entste­hen des poli­tis­chen Macht­vaku­ums nach der Wende sowie das Beset­zen dieses durch rechte Struk­turen verdeut­licht. So nah die Geschichte und Charak­tere einem als Per­son, die heute eben­falls in ein­er bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt lebt, im Laufe des Buch­es wer­den, leben wir den­noch in ein­er anderen Zeit. Antifaschis­tis­che und zivilge­sellschaftliche Grup­pen organ­isieren sich und gehen auf die Straße, um gegen Ras­sistIn­nen und Nation­al­istIn­nen zu demonstrieren.
 
Das Buch von Man­ja Präkels ergänzt bere­its existierende wis­senschaftliche Artikel, Inter­views und Tagungs­bände, zur Aufar­beitung der Faschisierung in den 90er Jahren in Ost­deutsch­land, um eine emo­tionale Ebene. Staat und Polizei haben über Jahre weggeschaut und die sich radikalisierende rechte Szene als ran­dalierende Jugendliche abge­tan. So laufen auch heute noch unges­traft neon­azis­tis­che TäterIn­nen von damals herum. Das Buch schafft es, die Betrof­fe­nen der Gewalt in den Fokus zu rück­en und ihre Geschichte sicht­bar zu machen.
 
Wie auch in dem Fall von „Krischi“. Bei „Krischi“ han­delt es sich um Ingo Lud­wig, dem das Buch gewid­met ist und dessen Tod Präkels als Zeu­g­in in dem Roman beschreibt. Ingo Lud­wig ist eines der vie­len Todes­opfer rechter Gewalt, die keine Erwäh­nung find­en in der offziellen Zäh­lung der Bun­desregierung zu Opfern rechter Gewalt nach 1990. Als das Moses Mendelssohn Zen­trum Pots­dam im Auf­trag des Bran­den­burg­er Innen­min­is­teri­ums von 2013 bis 2015 rund zwei Dutzend Ver­dachts­fälle rechter Gewalt mit Todes­folge näher unter­suchte, zählte der Fall von Ingo Lud­wig nicht dazu. So sei eine Unter­suchung nicht mehr möglich gewe­sen, weil die Ermit­tlungsak­ten auf­grund der geset­zlichen Bes­tim­mungen  zwis­chen­zeitlich ver­nichtet wor­den waren. Für das Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz (LfV) war laut ein­er Bun­destagsan­frage von 1994 der Tod von Lud­wig auf einen Trep­pen­sturz zurück­zuführen. Noch bizarrer wird die Geschichte, als der LfV behauptete, Neon­azis wären Lud­wig zur Hil­fe geeilt und hät­ten ihn erst dann ver­prügelt, als er sie beschimpfte. In der Wochen­zeitung Jun­gle World übt Man­ja Präkels an der Darstel­lung des LfV scharfe Kri­tik: „Wenn man die drei flachen Stufen der Dor­fkneipe vor Augen hat und die Pogrom­stim­mung jen­er Jahre in den Knochen, zer­fällt die Geschichte von der hil­fs­bere­it­en Horde Skins.”  (https://jungle.world/artikel/2013/45/48759.html)
 
Während Präkels ein authen­tis­ches Bild der Ereignisse in der Retrope­spek­tive zeich­net, eckt sie bewusst an die aktuelle Lit­er­atur an, die eher ein beschöni­gen­des Bild der, durch die Ver­gan­gen­heit geze­ich­neten, Gegen­wart in Ost­deutsch­land zeich­nen will. Mit dem Buch und der darauf fol­gen­den Berichter­stat­tung löste Präkels einen regel­recht­en Autor*innenstreit zwis­chen ihr und Moritz von Uslar aus. Von Uslar brachte 2010 den Reportage-Roman „Deutsch­bo­den“ her­aus, der später ver­filmt wurde. In dem Roman beg­ibt sich von Uslar nach Zehdenick, und ver­sucht lit­er­arisch einen Ein­blick in eine abge­hängte ost­deursche Prov­inzs­tadt zu geben und porträtiert jene Per­so­n­en heute, die Präkels in in den 1990er Jahren das Leben schw­er gemacht haben. In einem aus­führlichen Spiegel-Artikel wirft Präkels von Uslar verk­lärende Kumpel­haftigkeit vor, mit denen er die gewalt­täti­gen Neon­azis von damals als geläuterte Män­ner darstellt, die heute ein­fach nur zu „kernige Pro­lls“ gewor­den sind.  http://www.spiegel.de/spiegel/moritz-von-uslars-roman-deutschboden-und-die-wirklichkeit-a-1182454.html
 
Was in „Als ich mit Hitler Schnap­skirschen aß“ deut­lich wird: Dies ist nur eine von vie­len Geschicht­en aus ein­er oft unge­hörten Per­spek­tive. Lasst uns ihnen Gehör ver­schaf­fen, die Geschichte ver­ar­beit­en und daraus lernen.
 
Am Don­ner­stag, den 10. Mai ab 20:00 Uhr liest Man­ja Präkels in der Schrein­er­straße 47 beim Bran­den­burg-Abend in Berlin aus ihrem Buch „Als ich mit Hitler Schnap­skirschen aß“ vor.
Eine weit­ere Ver­anstal­tung find­et außer­dem am 22. Mai ab 19:30 in Eber­swalde im Café des Bürg­er­bil­dungszen­trums Amadeu Anto­nio, Puschkin­straße 13 statt.

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Sonstiges

Und jährlich grüßt das “Feiertagsgesetz”

… das ver­bi­etet “öffentliche Tanzver­anstal­tun­gen und Ver­anstal­tun­gen in Räu­men mit Schank­be­trieb, […] am Kar­fre­itag von 0 Uhr bis Karsam­stag 4 Uhr” (FtG §6 Abs.1). Als Begrün­dung dafür wird oft die Ver­let­zung religiös­er Gefüh­le oder Störung religiös­er Riten genan­nt. Dabei ist sehr fraglich, inwieweit diese Begrün­dung in einem Bun­des­land mit 20% Prozent gläu­biger Gesellschaft greift. Selb­st in München (Bay­ern) wird am kom­menden Fre­itag eine offiziell genehmigte Ver­anstal­tung unter dem Titel “Hei­denspaß” stat­tfind­en. Dieser Par­ty voraus ging eine zehn­jährige gerichtliche Auseinandersetzung.
 
Tanzen ist eine Form der Selb­stent­fal­tung, Musik birgt Frei­heit. Und die Frei­heit — sowohl die, gemein­sam zu feiern, als auch jene, sich zu religiösen Feierta­gen zusam­men­zufind­en — endet dort, wo sie die des Gegenübers ein­schränkt. Dass Reli­gion weitaus öfter Men­schen­rechte ver­let­zt als Musik, zeigen his­torische Beispiele wie Kreuz­züge und Inqui­si­tion, aber auch aktuelle wie Homo­pho­bie, die Aufrechter­hal­tung des Patri­ar­chats oder auch (ganz pro­fan) Tanzver­bote. Hier sprechen wir erst ein­mal nur vom Chris­ten­tum, da Kar­fre­itag der Anlass für das anste­hende Tanzver­bot in Bran­den­burg ist.
Im Gegen­satz dazu ist das Spar­ta­cus ein Ort, an dem Men­schen unter­schiedlich­er Hin­ter­gründe zusam­menkom­men und gemein­sam ver­suchen, eine alter­na­tive Kul­tur aufzubauen ohne Reli­gion, ohne Diskri­m­inierung und ohne Zwang. Dafür mit einem kri­tis­chen Blick für Ungerechtigkeit, mit Respekt und jed­er Menge Freude am Tanzen!
Gegen diese Form der gelebten Utopie zeigt sich zu Anlässen wie Kar­fre­itag die Allianz von Kirche und Staat. Ger­ade in ein­er Stadt wie Pots­dam, wo nur 18% der Bevölkerung Christ*innen (rech­ner­isch 30600) sind, sollen über Hun­dert­tausend Men­schen deswe­gen schweigen. Zugle­ich wer­den 16.000 Men­schen, die per Unter­schrift ihren Wider­stand gegen den Neuauf­bau der Gar­nisonkirche erk­lären, kom­plett ignori­ert. Wie gut, dass wir in einem säku­laren Staat leben …
 
Doch in die Schnürsenkel unser­er Tanzschuhe kriegt niemen­sch ‘nen Knoten! Das Spar­ta­cus lädt zum athe­is­tis­chen Nicht-Tanz in gewohnt reflek­tiert­er Gesellschaft. Am Fre­itag fordert die “I will dance” aber Achtung Tanzver­bot, zur Auseinan­der­set­zung mit den Ver­hält­nis­sen. Für alle, die sich auch ohne Gott ganz wohl fühlen
 
Hier einige Berichte aus dem let­zten Jahr https://www.usatoday.com/story/news/world/2017/04/13/no-dancing-good-friday-german-party-goers-rebel/100427164/ https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2017/04/brandenburg-potsdam-karfreitag-streit-um-tanzverbot.html https://www.lr-online.de/nachrichten/brandenburg/es-gehoert-in-die-geschichtsbuecher_aid-2637297

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Größte Massenversöhnung aller Zeiten

Kommt nach Pots­dam zur größten Massen­ver­söh­nung aller Zeit­en — der Stadt, in der Täter auch mal ihren Opfern verzeihen!
Das große Fes­ti­val der poli­tis­chen Beliebigkeit: Inspiri­ert vom Gar­nisonkirchen-Ver­söh­nungsaller­lei laden wir alle Men­schen guten Wil­lens ein, sich endgültig zu ver­söh­nen — mit was und wem auch immer. Ob Ladendieb­stahl, Ehe­bruch oder Völk­er­mord: Genug geschmollt, Ver­söh­nung kann so ein­fach sein!
Wir ver­sprechen drama­tis­che Erin­nerungs­fo­tos vor his­torischen Kulis­sen. Kommt nach Pots­dam: Es ist soweit!
Euer Komi­tee für preußis­che Leichtigkeit https://www.facebook.com/KPLPotsdam/
 
Titel: Größte Massen­ver­söh­nung aller Zeiten
Wann: 14. April 2018, 10 — 22 Uhr
Wo: Alter Markt, Potsdam

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(Anti-)Rassismus

Tschetschenische Flüchtlinge in Brandenburg vom antimuslimischen Rassismus betroffen

Anlässlich des inter­na­tionalen Tags gegen Ras­sis­mus fordert der Flüchtlingsrat Bran­den­burg ein Ende der ras­sis­tis­chen insti­tu­tionellen und alltäglichen Diskri­m­inierung von Flüchtlin­gen aus Tschetsche­nien und anderen Herkunftsländern.
Min­is­ter­präsi­dent Woid­ke hat in die het­zerischen Aus­sagen des neuen Innen­min­is­ters See­hofer einges­timmt und propagiert, der Islam gehöre nicht zu Deutsch­land. Die Auswirkun­gen dieser öffentlichkeitswirk­sam präsen­tierten Stig­ma­tisierung bekom­men in Bran­den­burg ins­beson­dere Flüchtlinge zu spüren. So sind tschetschenis­che Flüchtlinge von einem weit ver­bre­it­eten anti-mus­lim­is­chen Ras­sis­mus betrof­fen. „Ein Kind wurde kür­zlich vom Jugen­damt abge­holt, unter Ein­satz von drei Polizei­wan­nen. Damit schüren die Behör­den völ­lig unver­hält­nis­mäßig Äng­ste, die ein Sig­nal nach außen set­zen und die Betrof­fe­nen als eine Gefahr darstellen.“, berichtet Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. Dabei sind es häu­fig Men­schen aus Tschetsche­nien mit beson­derem Schutzbe­darf, die vor Ver­fol­gung und Folter fliehen und sich hier eine Per­spek­tive fern von Gewalt auf­bauen möchten.
Bere­its im Asylver­fahren haben tschetschenis­che Flüchtlinge in Bran­den­burg eingeschränk­ten Zugang zu einem fairen Ver­fahren. Trotz vielfach doku­men­tiert­er Ver­fol­gungs­geschicht­en von Folter- und Kriegser­fahrung wer­den ihre Asylge­suche abgelehnt. Ohne Zugang zu ein­er unab­hängi­gen und qual­i­fizierten Asylver­fahrens­ber­atung kön­nen sie sich kaum dage­gen wehren. Dem Flüchtlingsrat liegen Berichte von Tschetschen_innen vor, denen bere­its während der Anhörung, das heißt vor dezi­diert­er Prü­fung der für die Flucht­geschichte rel­e­van­ten Beweis­doku­mente, ein neg­a­tiv­er Aus­gang des Ver­fahrens vorherge­sagt wird. Das BAMF behauptet in seinen ablehnen­den Beschei­den eine soge­nan­nte inländis­che Fluchtal­ter­na­tive in Rus­s­land, ungeachtet dessen, dass diese für Flüchtlinge aus Tschetsche­nien dort nicht existiert.
Der Ras­sis­mus, der Flüchtlin­gen aus Tschetsche­nien ent­ge­gen schlägt, hat weitre­ichende Fol­gen für ihre Ver­sorgung und gesellschaftliche Teil­habe. Sie sind immer wieder in ihrer Schutzbedürftigkeit ver­let­zt. Laut EU-Auf­nah­merichtlin­ie sind die Bedürfnisse beson­ders schutzbedürftiger Flüchtlinge vor­rangig zu berück­sichti­gen. „Immer wieder begeg­nen uns Men­schen aus Tschetsche­nien, deren Kinder mit schw­er­sten Behin­derun­gen nicht aus den Ein­rich­tun­gen der Erstauf­nahme verteilt wer­den, obwohl sie dort nicht ver­sorgt wer­den kön­nen. Ein an Epilep­sie erkrank­tes Kind befind­et sich etwa seit fünf Monat­en in der Erstauf­nah­meein­rich­tung, seine Mut­ter kann nicht ein­mal allein auf die Toi­lette gehen.“ berichtet Ivana Domazet.
Die Ressen­ti­ments spiegeln sich auch in der Poli­tik und lokalen Behör­den wieder. In der Ver­gan­gen­heit haben Land­kreise und kre­is­freie Städte immer wieder öffentlich oder in Run­den Tis­chen die Auf­nahme von Flüchtlin­gen aus Tschetsche­nien ver­weigern wollen. Sie bedi­enen dabei ras­sis­tis­che Klis­chees und bestärken den Ras­sis­mus in der Gesellschaft, statt dage­gen zu wirken. So erleben Flüchtlinge aus Tschetsche­nien zahlre­iche ras­sis­tisch motivierte Anfein­dun­gen und Übergriffe.
„Satt Men­schen aus Tschetsche­nien immer wieder als dif­fuse Gefahren­quelle zu kon­stru­ieren und zu dämon­isieren, müssen wir sie aus den entle­ge­nen Erstauf­nah­meein­rich­tun­gen dor­thin verteilen, wo unter­stützende Struk­turen sind und sie am gesellschaftlichen Leben teil­haben lassen. Dazu gehört zuallererst der Zugang zu einem fairen Asylver­fahren“, fordert Ivana Domazet. Poli­tisch Ver­ant­wortliche müssen Ras­sis­mus entsch­ieden ent­ge­gen treten, statt ras­sis­tis­che Ressen­ti­ments zu befeuern. Die Per­spek­tive von Geflüchteten muss endlich Gehör finden.

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Tag der politischen Gefangenen in Potsdam

Für den heuti­gen Son­ntag hat­ten Neon­azis aus dem Bran­den­burg­er Nord­west­en eine Kundge­bung vor dem Jus­tizzen­trum angemeldet. Ihr Plan war es, sich einen linken Kampf- und Gedenk­tag anzueignen. In dieser Form ein Novum. Rund 40 Neon­azis forderten hier unter anderem Frei­heit für die Holo­caustleugner­in Ursu­la Haver­beck. Weit­ere Beiträge gab es zu dem §130 (Volkver­het­zungspara­graphen) und dem Neon­azi Horst Mahler.
Bei dem Anmelder han­delt es sich offen­bar um Nick Zschirnt von den ‚Freie Kräfte Neu­rup­pin‘, der auch schon bei Pogi­da in Pots­dam mit­ge­laufen ist. Auf der Kundge­bung gesprochen haben der Anwalt der recht­ster­ror­is­tis­chen ‚Gruppe Fre­ital‘ Mar­tin Kohlmann sowie Zschirnt selb­st. Zur musikalis­chen Unter­malung wur­den Lieder von der Recht­srock­band Die Lunikoff Ver­schwörung gespielt. Der ein­schlägig bekan­nte Neon­azi und rechte Gewaltäter Dave Trick erk­lärte nach ein­er knap­pen Stunde die Ver­samm­lung für beendet.
Für uns ein Tag zum Kämpfen und Erin­nern, für die Nazis ein Tag mit einem lächer­lichen Ver­such in Pots­dam ein Zeichen zu set­zen. So demon­stri­erten auf ein­er linken Ver­anstal­tung rund 700 Per­so­n­en gegen Nazis und Knäste. Bei ein­er Ver­anstal­tung von Pots­dam beken­nt Farbe waren weit­ere 150 Nazigegner*innen. Einige Kandidat*innen für die Oberbürgermeister*innenwahl im Herb­st nutzten die Gele­gen­heit, um sich in Szene zu set­zen. Am Rande der Ver­anstal­tun­gen kam es zu über­flüs­si­gen Ver­haf­tun­gen von 6 linken Aktivist*innen.
Die Abreise der Nazis war eine Farce. So mussten 37 von ihnen mit Polizeigeleit durch den Park Sanssouci zum Bahn­hof Sanssouci gebracht wer­den. Hier­bei kam es zu bru­tal­en Über­grif­f­en seit­ens der Polizei. Da wur­den auch schon mal Fahrradfahrer_innen zu Boden geris­sen. Hier stellt sich uns die große Frage, wie es sein kann, dass die Stiftung Preußis­che Schlöss­er und Gärten Berlin-Bran­den­burg es nicht für nötig gehal­ten hat, einzu­greifen und von ihrem Haus­recht Gebrauch zu machen. Hier muss eine Aufk­lärung der Stiftung fol­gen, warum sie Neon­azis auf dem Gelände dulden!
Für die Zukun­ft merken wir uns: wenn wir früher auf­ste­hen, kann auch eine Anreise zur Farce wer­den. Ein riesiges Polizeiaufge­bot von 450 Beamt_innen, einem Hub­schrauber, 2 Wasser­w­er­fern (bei minus 3 °C) und eine Hun­destaffel wur­den für nötig erachtet. Nur so kon­nte offen­bar ein Spazier­gang der Faschos durch den Park gewährleis­tet werden.
Der Tag der poli­tis­chen Gefan­genen* bleibt unser! Nieder mit den Knästen! Für eine befre­ite Gesellschaft!
#pots­dambleibt­sta­bil #antifa­heißt­frühauf­ste­hen #dankean­tifa

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Der 18.3. ist unser Tag!

An diesem Woch­enende wollen Nazis in Pots­dam eine Sol­i­dar­ität­skundge­bung für einen wegen anti­semi­tis­ch­er Belei­di­gun­gen verurteil­ten Neon­azi durch­führen. Das Datum, das sie sich dafür aus­ge­sucht haben, ist der 18. März, der Tag der poli­tis­chen Gefan­genen. Dies ist nur ein weit­er­er, wenn auch beson­ders dum­mer Ver­such von (Neo-)faschistInnen, sich Dat­en und Sym­bole link­er Bewe­gun­gen anzueignen.
1923 erk­lärte die Inter­na­tionale Rote Hil­fe (IRH) den 18. März zum „Inter­na­tionalen Tag der Hil­fe für die poli­tis­chen Gefan­genen“. Das Datum wurde in Erin­nerung an den Beginn der Paris­er Com­mune am 18. März 1871 gewählt. Die Paris­er Com­mune war ein Sig­nal des Auf­bruchs und der Hoff­nung für die Linke weltweit. Ent­standen während des Deutsch-Franzö­sis­chen Krieges verkör­perte sie einen Gege­nen­twurf zu Nation­al­is­mus und Chau­vin­is­mus. In der Erin­nerungskul­tur der Arbei­t­erIn­nen­be­we­gung stand dieses Datum für das Gedenken ein­er­seits an einen der ersten poli­tis­chen Erfolge der rev­o­lu­tionären Arbei­t­erIn­nen­be­we­gung und ander­er­seits an die Opfer, die die Nieder­schla­gung der Rev­o­lu­tion in Paris kostete. 25.000 Men­schen fie­len dem kon­ter­rev­o­lu­tionären Ter­ror unmit­tel­bar zum Opfer, weit­ere 3000 star­ben in den Knästen und 13700 wur­den zu meist lebenslänglichen Haft­strafen verurteilt. Nach der Nieder­schla­gung der rev­o­lu­tionären Kämpfe Anfang der 1920er Jahre saßen weltweit wieder viele Rev­o­lu­tionärIn­nen im Knast, mussten unter­tauchen und wur­den ver­fol­gt. Um die Kämpfe gegen diese Ver­fol­gung zu bün­deln führte die IRH den Tag der poli­tis­chen Gefan­genen ein. Er war ein Sym­bol ein­er inter­na­tionalen sol­i­darischen Emanzi­pa­tions­be­we­gung, die sich auch dem aufk­om­menden Faschis­mus ent­ge­gen­stellte. In den Rei­hen der Roten Hil­fe Deutsch­lands (RHD) engagierten sich viele Linke mit einem jüdis­chen Hin­ter­grund, viele jüdis­che JuristIn­nen und Intellek­tuelle unter­stützen die RHD.
Seit den 1990er Jahren bege­ht die Rote Hil­fe als linke strö­mungsüber­greifende Sol­i­dar­ität­sor­gan­i­sa­tion den 18. März wieder als Tag der poli­tis­chen Gefan­genen. An diesem Tag erin­nern wir an Men­schen, die wegen ihres Ein­tretens für eine Welt ohne Krieg, Aus­beu­tung und Ras­sis­mus in den Knästen sitzen. Wir stellen uns damit in die Tra­di­tion inter­na­tionaler Kämpfe um Emanzipation.
Das Vorhaben der Nazis ste­ht diesen Tra­di­tio­nen und damit der Idee des „Tages der poli­tis­chen Gefan­genen“ diame­tral ent­ge­gen. Als Rote Hil­fe Pots­dam rufen wir deshalb dazu auf, am 18. März die Nazikundge­bung vor dem Landgericht Pots­dam zu verhindern.

Inforiot