Zugang zu unabhängiger Rechtsmittelberatung in Gefahr? Flüchtlingsrat
Brandenburg kritisiert Pläne des Brandenburger Innenministeriums
Im Innenausschuss des Brandenburger Landtags steht im Zuge der
Haushaltsverhandlungen die unabhängige Geflüchtetenberatung in der
Erstaufnahmeeinrichtung zur Disposition. Nach Informationen des
Flüchtlingsrats soll die erst im letzten Jahr angelaufene Beratung nun
mit dem kommenden Haushalt schon wieder gestrichen werden.
Im aktuellen Haushalt 2019/2020 ist die Beratung mit einem jährlichen
finanziellen Volumen von 180.000€ unter dem Titel “unabhängige
Geflüchtetenberatung” eingestellt. Die Mittel werden für eine
unabhängige Rechtsmittelberatung in der Erstaufnahmeeinrichtung an den
Standorten Eisenhüttenstadt, Doberlug-Kirchhain, Wünsdorf und
Frankfurt/Oder eingesetzt. Initiiert wurde dies vom brandenburgischen
Innenministerium, da der Landtag eine unabhängige Beratung für
Geflüchtete forderte.
Durch die Beratung soll Asylsuchenden vermittelt werden, welche
rechtlichen Möglichkeiten sie im Fall eines negativen Bescheids haben.
Sollte diese unabhängige Beratung ersatzlos weg fallen, würden
Asylsuchende keine Unterstützung beim Einlegen von Rechtsmitteln und bei
der Rechtsdurchsetzung erhalten. Eine solche Beratung ist besonders
aufgrund der kurzen Fristen im Asylverfahren und der quasi nicht
vorhandenen Alternativen an den Standorten der Erstaufnahme unabdingbar.
Zudem häufen sich in jüngster Zeit in der Brandenburger Außenstelle des
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Eisenhüttenstadt
Asylentscheidungen, die Anträge auf Schutz fehlerhaft als offensichtlich
unbegründet ablehnen. Mit Hilfe der unabhängigen Rechtsmittelberatung
konnten Geflüchtete bereits mehrfach erfolgreich dagegen vorgehen.
„Wir sehen die mögliche Streichung der unabhängigen Rechtsmittelberatung
mit großer Sorge. Geflüchtete brauchen mehr denn je engagierte
Unterstützung, um gegen fehlerhafte Bescheide des Bundesamtes rechtlich
vorgehen zu können und ihre Rechte im Asylverfahren wahrnehmen zu
können“, sagt Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Die Begründung des Innenminsteriums, die Rechtsmittelberatung könne ab
dem kommenden Jahr durch das BAMF abgedeckt werden, ist fachlich und
rechtlich falsch. Die Asylverfahrensberatung des BAMF beinhaltet eben
keine individuelle Beratung zu möglichen Rechtsmitteln und unterstützt
nicht im Klageverfahren. Zudem ist es ein Gebot der Subsidiarität, dass
nicht die selbe Behörde, die eine womöglich fehlerhafte Asylentscheidung
trifft, zugleich dabei unterstützen kann, gegen diese Entscheidung
rechtlich vorzugehen.
„Nur eine behördlich unabhängige Beratung ist geeignet, Betroffene
unabhängig zu möglichen Rechtsmitteln und zum Klageverfahren zu beraten.
Daher ist die Weiterfinanzierung der sehr gut nachgefragten
Rechtsmittelberatung unerlässlich.“, so Ivana Domazet.
Am 2. und 3. Oktober 1990 feierten Millionen von Menschen in BRD und DDR die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Der 3. Oktober wurde zuvor zum Feiertag erklärt und wird als solcher bis heute begangen. In diesem „Einheitstaumel“ zogen am Abend des 2. Oktober 1990 bewaffnete Neonazis und Rechte los und überfielen gezielt Linke und besetzte Häuser sowie Migrant:innen und Vertragsarbeiter:innen und deren Wohnungen. Es grenzt an ein Wunder, dass die teils massiven Angriffe, von denen einige auch noch am 3. Oktober stattfanden, keine Todesopfer forderten. Während ein Großteil der Gesellschaft ausgelassen feierte, kämpften die Andersaussehenden und Andersdenkenden, vielfach alleingelassen von Gesellschaft und Polizei, um ihre Häuser – und mancherorts auch um ihr Leben.
Angekündigt und absehbar
Die Angriffe vom 2. und 3. Oktober 1990 hatten sich im Vorfeld angebahnt und waren entsprechend absehbar. In den Monaten zuvor hatten Neonazis am Rande gesellschaftlicher Großereignisse wie dem Himmelfahrtstag oder der Fußball-WM immer wieder Linke und Migrant:innen attackiert. Zudem hatten sie für den 2. und 3. Oktober 1990 solche Angriffe konkret angekündigt. Sowohl der Staat als auch die Bevölkerung als auch die Presse wussten also davon und konnten sich darauf einstellen.
In einem Aufruf vom September 1990 zu einer antinationalistischen Demonstration am 3. Oktober werden die Absichten der Neonazis von den Organisator:innen der Demonstration klar benannt: „Das ist umso wichtiger, da auch mehrere Faschisten-Gruppen an diesem Tag Aufmärsche planen. Außerdem wollen sie diejenigen überfallen, die in ihren Augen ‚undeutsch‘ sind. Aus diesen Gründen ist am 3. Oktober eine Demo zum Alexanderplatz geplant, der ein Zentrum dieser Jubelfeiern sein wird. Dort werden wir uns auch dem Aufmarsch der Neonazis entgegenstellen.“2
Die Behörden waren ebenfalls informiert, gaben aber zumeist zu verstehen, dass sie nicht einschreiten können oder werden. In Berlin wurde eine PDS-Kundgebung abgesagt, da „die Partei durch das Innenministerium und Berliner Behörden gewarnt worden [sei], daß die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne.“4 In Jena rieten die Behörden den Hausbesetzer:innen, ihr Haus aufzugeben, da sie den Schutz nicht gewährleisten könnten: „Am 2. Oktober dann, am Abend vor der deutschen Einheit, verließen die ‚Autonomen‘ ihr Domizil. Der Dezernent Stephan Dorschner riet ihnen dazu, da Magistrat und Polizei erneut Gewalttaten befürchteten.“5 In Zerbst erklärte die Polizei über eine Pressemitteilung in der Lokalzeitung: „Informiert ist die Volkspolizei, daß es in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober zu einem Zusammenstoß einer großen Anzahl rechtsgerichteter Jugendlicher aus Zerbst, Roßlau und Magdeburg mit linksgerichteten Jugendlichen aus Zerbst in der Kötschauer Mühle kommen soll. Das Zerbster VPKA sieht sich auf Grund seiner zur Verfügung stehenden Kräfte jedoch außerstande, dort einzugreifen.“6 In Hoyerswerda war die Polizei ebenfalls durch konkrete Drohungen über die geplanten Überfälle u.a. auf die Wohnungen der mosambikanischen Vertragsarbeiter:innen informiert. Diese wurden schlicht angewiesen, ihre Wohnungen nicht zu verlassen.7 In Rostock wurden die potenziellen Opfer der Angriffe immerhin in Sicherheit gebracht: „Rechtsradikale Übergriffe befürchtend, sind bereits zu Wochenbeginn 25 ausgesiedelte sowjetische Juden an einen unbekannten Aufenthaltsort gebracht worden.“8
Die so im Vorfeld angekündigte Zurückhaltung (im doppelten Wortsinn) der Polizei und des Staates hatte eine zweifache Signalwirkung: Zum einen wurde den Neonazis zu verstehen gegeben, dass sie freies Feld haben. Zum anderen wurde den potenziellen Opfern der Angriffe klar gemacht, dass sie sich selbst schützen müssen.
Dementsprechend bereiteten sich in besetzten Häusern in ganz Ostdeutschland die Besetzer:innen auf die Angriffe vor: Sie verrammelten und verbarrikadierten ihre Häuser, vernetzten, koordinierten und bewaffneten sich. In der Ostsee-Zeitung hieß es: „In mehreren besetzten Häusern in Ost-Berlin wurden in Erwartung von Auseinandersetzungen Türen und Fenster vernagelt.“10 Für Potsdam lässt sich nachlesen: „In der Nacht zum ‚Tag der Deutschen Einheit‘ 1990 erwarteten Hausbesetzer_innen einen Überfall auf das alternative Potsdamer Kulturzentrum ‚Fabrik‘. Ein damals Anwesender beschreibt die Situation: ‚Vor dem Tor Wachposten. […] Auf dem Hof Punks, bewaffnet mit Knüppeln, mit denen sie kampfeslustig oder nervös klappern. In der Fabrik gedämpfte Stimmung. Leise Musik, Gruppen, die beieinander stehen oder sitzen.‘“11
Eine Welle von Angriffen und Gewalt
Konservativ geschätzt beteiligten sich mindestens 1000 Neonazis und Rechte direkt an den Angriffen. In mindestens dreizehn ostdeutschen Städten kam es zu größeren Attacken:
In Zerbst griffen mindestens 200 Neonazis über mehrere Stunden und von der Polizei ungestört das besetzte Haus an. Schließlich setzten sie das Haus in Brand. Die Besetzer:innen wurden von der Feuerwehr in letzter Minute gerettet. Beim Sprung vom Dach zogen sie sich teils schwere Verletzungen zu.
In Erfurt griffen 50 Neonazis das Autonome Jugendzentrum an. Dabei geriet das Nachbarhaus in Brand. Die Polizei schritt erst spät ein.
In Weimar griffen über 150 Neonazis das besetzte Haus in der Gerberstraße 3 u.a. mit Molotow-Cocktails an. Die Belagerung dauerte mehrere Stunden. Dann schritt die Polizei ein.
In Jena stürmten und verwüsteten Neonazis das besetzte Haus in der Karl-Liebknecht-Straße 58. Dabei waren sie von der Polizei ungestört.
In Leipzig randalierten 150 Neonazis in der Innenstadt, griffen Passant:innen an und entglasten anschließend das soziokulturelle Zentrum „Die Villa“. Die Polizei schritt jeweils am Ende ein.
In Halle (Saale) überfielen 15 Neonazis und Hooligans drei Mal in Folge das alternative Café „NÖ“ im Reformhaus, dem Haus der Bürgerbewegungen, und verwüsteten es. Die Polizei griff danach ein.
In Hoyerswerda griffen bis zu 50 Neonazis ein Wohnheim mosambikanischer Vertragsarbeiter:innen an. Die Polizei war vor Ort, schritt aber nur halbherzig ein.
In Guben griffen 80 Neonazis ein Wohnheim mosambikanischer Vertragsarbeiter:innen an und setzten einen polnischen Kleinbus in Brand. Die Polizei schritt spät ein.
In Magdeburg randalierten 70 Neonazis in der Innenstadt und griffen einen Jugendclub an. Die Polzei griff zu spät ein. In Magdeburg-Olvenstedt griffen die Neonazis das Wohnheim der vietnamesischen Vertragsarbeiter:innen an. Hier war die Polizei vor Ort und hatte auch ein Schutzkonzept.
In Frankfurt/Oder griff eine kleine Gruppe von Neonazis zwei Busse mit polnischen Arbeiter:innen an. Die Busse wurden beschädigt, ein Fahrer wurde verletzt.
In Bergen auf Rügen belagerten teils vermummte Neonazis ein Migrant:innenwohnheim. Der Mob wurde später von der Polizei aufgelöst.
In Selmsdorf an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zerstörten 50 Neonazis die Gebäude der Grenzkontrollstation. Die Polizei schritt spät ein.
In Schwerin kam es zu einer Straßenschlacht zwischen insgesamt 200 Linken und Neonazis sowie der Polizei.
Diese größeren Angriffe waren nur die Höhepunkte einer Welle neonazistischer Aktionen und Gewalt, von der das gesamte Land erfasst wurde: In Riesa verprügelten Neonazis die Gäste einer Feier13, in Dresden zogen Neonazis durch den alternativen Stadtteil Neustadt14, in Recklinghausen skandierten 70 Neonazis rassistische Slogans15, in Bielefeld pöbelten Neonazis „Ausländer“ an16, in Hamburg versuchten Neonazis die besetzten Häuser der Hafenstraße anzugreifen17 – um nur einige zu nennen. Insgesamt konnten bisher 39 Vorfälle in Deutschland und in der Schweiz ermittelt werden.
Koordiniert und organisiert
Bei nahezu allen Vorfällen waren die Neonazis schwer bewaffnet – mit Flaschen, Pflastersteinen, schweren Schrauben, Holzknüppeln, Baseballschlägern, Messern, Schreckschusspistolen, Pistolen mit Reizgas, Feuerwerkskörpern, Kanistern, Fackeln oder Molotow-Cocktails.
Zudem beteiligten sich an den Angriffen oft Neonazis aus verschiedenen Städten, auch zugereiste aus dem Westen. An den Randalen in der Leipziger Innenstadt und am Angriff auf „Die Villa“ nahmen etwa Mitglieder der neonazistischen „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF) aus Franken teil.19 Unter den Neonazis, die das besetzte Haus in Weimar angriffen, befanden sich laut der Thüringer Landeszeitung ebenfalls „viele Zugereiste“.20 Dasselbe gilt für den Angriff auf die Kötschauer Mühle in Zerbst.
Diese beiden Sachverhalte – die massive Bewaffnung und die oft städteübergreifende Koordination der Angriffe – lassen darauf schließen, dass die Neonazis viele der Angriffe im Vorfeld und in hohem Maße geplant und vorbereitet haben.
Bürger:innen und Polizei
In einigen Städten beteiligten sich auch Bürger:innen, die nicht Teil der rechten Szene waren, an den Angriffen der Neonazis. So beschreibt ein Augenzeuge den Angriff auf das Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen in Magdeburg-Olvenstedt: „Da wurde halt gleich um die Ecke, wo ich gewohnt hab, da war ein Vietnamesen-Wohnheim, welches dann überfallen wurde, was dann nicht nur eingefleischte Nazis waren, sondern wo das halbe Viertel mitgemacht hat.“21 In Leipzig solidarisierten sich ebenfalls Teile der Umstehenden mit den Neonazis, wie eine Zeitung berichtet: „Nach einer Verfolungsjagd durch den Stadtkern konnte die Polizei mehrere z.T. mit Messern bewaffnete Jugendliche festnehmen. Dabei kassierte sie sowohl den Beifall der Schaulustigen als auch Rufe wie ‚Rote Schweine‘ und ‚Stasiknechte‘.“22 Auch unter den Angreifer:innen in Zerbst befanden sich etliche Jugendliche, die nicht der rechten Szene angehörten.
In den meisten Fällen schritt die Polizei nicht, halbherzig oder zu spät ein – so wie sie es im Vorfeld in Teilen bereits angekündigt hatte.
Bemerkenswerterweise war die Polizei am 3. Oktober 1990 wiederum sehr gut und ausgesprochen offensiv aufgestellt, als es darum ging, in Berlin gegen die von linken Bewegungen initiierte Demonstration gegen die Vereinigung der deutschen Staaten – und die in deren Schatten zunehmende neonazistische Gewalt – vorzugehen, diese schlussendlich aufzulösen und dort etliche Teilnehmer:innen anzugreifen und festzunehmen. Zu diesem Großeinsatz der Polizei waren sogar Einheiten aus zahlreichen Städten Westdeutschlands und Hubschrauber herangezogen worden.
Die Gesamtschau lässt hier kaum einen anderen Schluss zu als den, dass staatlicherseits den angekündigten Angriffen von Neonazis auf Linke und Migrant:innen weniger Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte als der Unterdrückung der linken Proteste gegen die Vereinigung.
Der Presse und den Medien generell waren die Angriffe der Neonazis rund um den 2. und 3. Oktober 1990 nur einige Randnotizen wert. Eine Thematisierung oder gar der Versuch einer Einordnung der Gewalt blieb genauso aus wie eine Thematisierung oder gar öffentliche Empörung von politischer Seite. Auch scheinen die Täter:innen kaum strafrechtlich verfolgt worden zu sein.
Eine Etappe auf dem Weg zu den Pogromen
Die Gewalt zum Tag der Vereinigung der deutschen Staaten unterscheidet sich so von den Pogromen der Jahre 1991 und 1992 in Hoyerswerda24, Mannheim-Schönau25, Rostock-Lichtenhagen26 und Quedlinburg27. Diese wurden von den Medien aktiv begleitet und in Teilen sogar mitinszeniert. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Gewalt vom 2. und 3. Oktober 1990 weitgehend von der einigermaßen klar abgrenzbaren Neonazi- und Skinhead-Szene ausging und sich breitere Teile der Gesellschaft kaum daran beteiligten.
Insofern lassen sich die Angriffe zum Vereinigungstag einordnen als einen – bisher kaum beachteten – vorläufigen Höhepunkt einer immer weiter eskalierenden rechten Gewalt, die sich in den Pogromen 1991 und 1992 vollends entfesselte.
Auch zwei Terroranschläge
In diese Gewaltwelle ordnen sich auch zwei Terroranschläge ein. In Bonn verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das Stadthaus und hinterließen ein neonazistisches Bekennerschreiben.28 In Winterthur in der deutschsprachigen Schweiz verübten drei Neonazis einen Handgranatenanschlag auf die vermeintliche Wohnung eines antifaschistischen Journalisten. Dabei kam aus reinem Glück niemand zu Schaden. Jedoch wurde die Wohnung weitgehend zerstört.29
Anmerkung der Redaktion:
Im Online-Artikel ist eine Karte der Fälle, diverse Zeitungsartikel und Fotos sowie die Quellen der Fußnoten zu finden
Am Dienstag, den 6.10.2020 zieht es wieder rechte BesucherInnen ins Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ in der Mahlsdorfer Str. 2 in Hönow. Veranstaltet von der AfD Marzahn-Hellersdorf und der Jungen Alternative Berlin treten dort zwei in rechten Kreisen hochkarätige Gäste auf: Der sogenannte „Stichwortgeber“ der Neuen Rechten Götz Kubitschek und sein Kollege Erik Lehnert. Beide sind die zentralen Figuren des „Instituts für Staatspolitik“. Dieses spannt vom Sachsen-Anhaltinischen Schnellroda aus ein rechtes Netz aus Kontakten, Veranstaltungen und Konferenzen, Buchprojekten und Zeitschriften über ganz Deutschland. Dabei reichen ihre Verbindungen von der rechtskonservativen Werteunion über die AfD und die Identitäre Bewegung bis hin zu NPD-Kadern. Schluss mit dem braunen Treiben in Hönow! Den rechten Treffpunkt „Mittelpunkt der Erde“ endlich dichtmachen! Kein Raum für rechte Hetze!
Kubitschek und Lehnert verstehen sich selbst als Intellektuelle, als Vordenker und Chefstrategen. Sie entwickelten zentrale Inhalte des Konzepts der sogenannten Metapolitik von rechts, das die Identitäre Bewegung dankend übernahm. Sie gaben Pegida Schützenhilfe und unterstützen mehr oder weniger aus dem Hintergrund den völkischen Flügel der AfD. Dabei werden sie unterstützt und gefeiert von unterschiedlichen AfD-Verbänden. Hier fallen der Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf und der Kreisverband Märkisch-Oderland besonders auf. Beide arbeiten mittlerweile eng zusammen und karrten erst kürzlich mit Björn Höcke den wohl prominentesten Vertreter völkischer Positionen nach Hönow.
Das Hönower Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ hat sich derweil zu einem der wichtigsten Treff- und Veranstaltungsorte der Berliner und Brandenburger AfD gemausert. Es ist einer der letzten Orte in Berlin und Umgebung, wo die AfD überhaupt noch Veranstaltungen durchführen kann. Hier finden nicht nur große öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie der Höcke-Vortrag oder die kommende Veranstaltung mit Kubitschek und Lehnert statt. Auch der AfD-Bezirksverband Marzahn-Hellersdorf trifft sich hier zu internen Sitzungen. Nur dreihundert Meter außerhalb von Berlin gelegen, bietet der „Mittelpunkt der Erde“ der AfD genau das, was sie suchen: Die Gaststätte ist für größere Veranstaltungen geeignet und heißt die Nazis mit offenen Armen willkommen. Die Betreiber*innen stören sich ganz offenbar kein bisschen an den faschistischen und menschenverachtenden Reden, die bei ihnen geschwungen werden.
So ist es der AfD gelungen, einen Ort zu finden, den sie aufgrund der Raumsituation in Berlin so dringend brauchen, denn in Berlin haben wir es mittlerweile geschafft, der AfD die allermeisten großen Räumlichkeiten streitig zu machen. Die AfD spekuliert darauf, dass wir es zwischen Berlin und Brandenburg nicht schaffen, den Protest aufrecht zu erhalten. Das macht den Protest am Mittelpunkt der Erde umso wichtiger: Lassen wir nicht zu, dass sich hier vor den Toren Berlins ein extrem rechter Knotenpunkt entwickelt! Kein Acker, kein Raum, keine Bühne der AfD – nirgendwo!
Kommt zur Antifaschistische Kundgebung vor dem „Mittelpunkt der Erde“!
Dienstag, 6. Oktober | 18 Uhr | Mahlsdorfer Straße 2, 15366 Hoppegarten (Hönow)
Am 11. September 2020 fand im Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow/Hoppegarten eine Veranstaltung mit dem Faschisten Björn Höcke statt. Organisator war der Vorsitzende der AfD MOL Lars Günther. Offiziell sollte das Thema die angebliche „Corona-Hysterie“ sein, tatsächlich sprachen Günther, die AfD-Abgeordnete des Brandenburger Landtages Birgit Bessin und auch Björn Höcke über alles Mögliche und nur zum Teil wirklich über Corona.
Gegen die Veranstaltung protestierten lautstark 150 Menschen direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Viele verschiedene Organisationen beteiligten sich, neben Antifas aus Berlin und Brandenburg waren auch Teilnehmende vom VVN-BdA, Linkspartei und Grüne aus dem Landkreis, die Omas gegen Rechts und viele Hönower Anwohner*innen mit dabei.
Bis zuletzt hatte Günther versucht den Veranstaltungsort geheim zu halten und war sichtlich verstört, dass „die Antifa“ dennoch den Ort herausgefunden und Protest organisiert hatte. Das zeigt, dass wir es durchaus geschafft haben, der AfD und den Betreiber*innen des Restaurants ordentlich den Abend zu vermiesen!
Lars Günther
Lars Günther sprach bei der Veranstaltung und bedankte sich ganz herzlich bei den Betreibern des Loakls „Mittelpunkt der Erde“. Vor einem, dem Video nach zu vernehmen, sichtlich gelangweilten Publikum sprach Günther zuerst über die Proteste vor der Tür: „Wir haben in Märisch-Oderland leider eine Vereinsstruktur die unterstützt wird von den Linken, finanziell vermutlich auch, aber das müssen wir halt parlamentarisch erfragen. Wo kommt das Geld her.“ Er spricht damit die Verschwörungserzählung an, es gäbe einen Antifa e.V. der zentral gesteuert und finanziert wird um der AfD das Leben schwer zu machen.
Anschließend beginnt eine Ausführung über die, wie er er nennt, „Corona-Hysterie-Pandemie“, die „unsere freiheitlichen rechtlichen ähm Grundrechte stark gefährdet.“ Dass einem wie Lars Günther das Wort Grundrechte schwer über die Lippen geht, ist kaum verwunderlich wenn man sich das Verhältnis der AfD zu Presse- oder Religionsfreiheit ansieht. Weiterhin sagt Günter: „unsere Kinder werden in Angst versetzt und drangsaliert. Lehrer beflügeln diese ganze Hysterie.“ Günther zeigt seine Loyalität gegenüber dem Flügel in dem er von der AfD als Bewegungspartei spricht und sich darüber freut, dass „die Wessis jetzt auch mal aufgewacht sind“. Dabei geht es ihm um die Zusammenarbeit mit Querdenken aus Stuttgart und behauptet auf der letzten Demo in Berlin vielleicht sogar 1 Millionen Menschen waren. Anschließend zitiert Günther Ärzte die Corona relativieren, der rote Faden in seiner Rede. Günther spricht auch von seinen Erfahrungen bei den ersten sogenannten Hygiene Demos am Berliner Rosa-Luxemburg Platz und beschwert sich über die Polizeigewalt um im selben Atemzug die Polizist*innen zur Dienstverweigerung aufzurufen. Er versucht die AfD als Law&Order-Partei in Stellung zu bringen: „Wir werden für die tapferen Polizisten immer da sein und sie schützen vor den linken Parteien. Wir schauen nicht weg und sind nicht leise wenn im Interesse der Herrschenden unrecht und Schikanen an unseren Mitmenschen verübt werden.” Zum Abschluss muss Herr Günther selbstverständlich über Moria sprechen und beschwert sich über die Kosten die bald entstehen werden. Weiteres ist nicht zu sehen, da das Video plötzlich abbricht. Vom Tenor des Abschlusses wäre es nicht verwunderlich wenn dabei absichtlich strafrechtiiches herausgeschnitten wurde.
Weitere Gäste
Aus Strausberg waren von Beginn an Rainer Thiel und Cornelia Roswitha Galler vor Ort. Beide waren bis zur Ankunft von Höcke vorrangig draußen, begrüßten die Ankommenden und hielten einen Schnack mit den Gästen. Trugen beide zu Beginn der Veranstaltung um 18 Uhr noch Masken, rutschten die im Laufe der Zeit immer weiter nach unten und verschwanden dann ganz. Das Thiel von Beginn an dort war und die Begrüßung auch von Höcke übernahm, deutet auf seine Involvierung bei der Organisation der Veranstaltung hin und beweist wiedereinmal die Nähe zu Lars Günther. Ebenfalls von Beginn vor Ort und Lars Günter nahestehend war Florian Jachnow. Der in Frankfurt (Oder) wohnende Jachnow ist in der Jungen Alternativen aktiv und bestreitet den Posten als Botschafter für die Region Märkisch-Oderland. Er und andere wie Oliver Stiffel oder Anna Leisten waren nicht das erste Mal in Märkisch-Oderland. Bereits im Juni trat die Junge Alternative bei der Mitgliederversammlung des Kreisverbandes auf. Günther tritt regelmäßig mit Fan-Nickie der Jungen Alternativen auf. Seine Begeisterung für die Truppe und das Zutun von Florian Jachnow dürften dafür sorgen, dass die Jungen Alternativen zu den regelmäßigen Gästen in MOL werden. Neben mitgebrachten Infomaterialien, die an einem Stand ausgelegt wurden, senkte die JA auch den Altersdurchschnitt erheblich. Neben ihnen waren nur eine knappe Handvoll jüngerer Menschen vor Ort.
Neben den Gästen mit weiteren Wegen, kamen auch viele Mitglieder und Anhänger des Kreisverbandes MOL zur Veranstaltung. Aus Seelow, waren der Stadtverordnete Mario Kuczera in Begleitung von Liana Aroko vor Ort. Sowie der Kreistagsabgeordnete und Stadtverordnete Falk Janke. Janke kam allein und mit Aktentasche, was dafür spricht, dass er gerade von seinem Job als Mitarbeiter des MdB Petr Bystron kam. Aus Rehfelde kamen das Paar Maria und Reinhold Patzer. Beide sind langjährig in der AfD aktiv und sind maßgeblich an Veranstaltungen in Rehfelde beteiligt, bei denen auch schon Andreas Kalbitz sprach. Ebenso vor Ort war der Alterspräsident des Kreisverbandes MOL und Taxi-Unternehmer Manfred Fengler. Und auch aus Wriezen kam eine große Delegation von insgesamt acht Personen. Einer davon tat sich besonders mit seinem „Kraft durch Freunde“-Shirt hervor. Der Spruch ist an die nationalsozialistische Losung „Kraft durch Freude“ angelehnt.
Mit Janke, Thiel, Patzer und Frye fanden sich insgesamt vier der zehn AfD-Kreistagsabgeordneten in Hoppegarten ein.
Wir haben der AfD im Steuerhaus und in Hönow gezeigt: Wir lassen euch nicht in Ruhe! Kein Acker, kein Hof, kein Raum der AfD!
Am 3. Oktober 2020 ist es genau 30 Jahre her, dass die Bundesrepublik Deutschland um das Gebiet der vormals aufgelösten DDR erweitert wurde. Fünf neue Bundesländer, u.a. Brandenburg wurden Teil eines neuen Deutschlands, dass einher ging mit einem rapiden Anstieg an rassistischer und neonazistischer Gewalt dem über 200 Menschen bislang zum Opfer gefallen sind.
Genau zu diesem Jahrestag ruft die extrem rechte Kleinstpartei „Der III. Weg“ zu einer großen Demonstration nach Berlin-Hohenschönhausen. Unter dem Motto „Ein Volk will Zukunft“ soll die eigentlich für den 1. Mai in Erfurt geplante Neonazi-Demonstration nachgeholt werden, die aufgrund der Pandemiebestimmungen abgesagt werden musste. Das Programm des „III. Weg“ sieht eine Lösung der aktuellen Krisen in Deutschland in einer alten Idee ihrer Vorbilder. Der Ruf nach einem „deutschen Sozialismus“ als „wirtschaftliche und gesellschaftliche Alternative“ wie es im Aufruf heißt, meint dabei nichts anderes als den Wunsch nach Wiedereinführung des Nationalsozialismus. Für die neonazistische Organisation ist es die erste große Demonstration in Berlin. Dennoch sind hier keine Unbekannten an der Mobilisierung beteiligt. Schon seit April 2015 gibt es in der Hauptstadt einen so genannten Stützpunkt. Die Aktivitäten bewegten sich in den vergangenen Monaten auf einem konstant hohen Niveau. Zahlreiche Neonazis aus dem Umfeld des „NW-Berlin“ schlossen sich inzwischen der Kaderpartei an. Für die Organisation der Demonstration Anfang Oktober sind die Berliner Neonazis aber auf Unterstützung von außerhalb angewiesen und diese ist gar nicht so weit entfernt.
Der III. Weg in Brandenburg besonders aktiv
Besonders aus dem umliegenden Brandenburg können die Berliner Kamerad_innen mit zahlreicher Unterstützung rechnen, befinden sich doch hier mit den Stützpunkten „Potsdam/Mittelmark“ und „Uckermark“ zwei der aktivsten Ortsgruppen der Neonazi-Partei. Aber auch der im April 2015 gegründete Berliner Stützpunkt ist für Brandenburger Neonazis bedeutend, umfasst er doch nicht nur die Metropole selbst und dessen direktes Umland, sondern bietet zudem Räumlichkeiten für Veranstaltungen, die ebenso von diesen genutzt werden. Immer wieder wird auf der Homepage des „III. Weg“ von gegenseitigen Besuchen berichtet.
Zu den regelmäßigen Aktivitäten der Brandenburger Ableger gehören indes nicht nur Flugblattaktionen und Infostände. Als Partei, der die deutsche Heimatpflege und Identität am Herzen liegt, engagieren sie sich in ihren Regionen auch ehrenamtlich, verteilen Spenden an Bedürftige, veranstalten Kinderfeste, helfen bei Aufräumaktionen oder unterstützen den Tierschutz. Dass es dabei nur um „deutsche“ Interessen geht, zeigen die Berichte dieser Aktivitäten auf ihrer Homepage. Alljenige, die in ihren Augen nicht zur Volksgemeinschaft dazu gehören, werden bei sogenannten „nationalen Streifen“ drangsaliert oder direkt körperlich angegriffen. Politische Gegner_innen werden durch Sprühereien und Stickeraktionen an ihren Wohnorten eingeschüchtert. Abseits der Öffentlichkeit finden in Brandenburg zudem regelmäßig Sport- und sogenannte Wehrübungen statt, welche die Neonazis im Umgang in Kampfsporttechniken und Waffen ausbilden sollen. Außerdem sind Brandenburger Neonazis des „III. Weg“ bundesweit auf Parteiveranstaltungen anzutreffen. Wie der Brandenburger Verfassungsschutz in seinem aktuellen Bericht schreibt: „verfügt ‚DERDRITTEWEG‘ über die höchste Aktionsorientierung, die effizienteste Organisation und zudem über eine rigorose nationalsozialistische Gesinnung. Insofern ist sie sehr attraktiv für aktivistisch orientierte Rechtsextremisten.“ Andere extrem rechte Parteien, wie die NPD, spielen dagegen nur noch eine untergeordnete Rolle für Neonazis im Bundesland.
Maßgeblich verantwortlich für diese Aktivitäten der sich als elitäre Bewegung verstehenden Kleinstpartei mit nur etwa 40 Mitgliedern, ist Matthias Fischer aus Angermünde (Uckermark).
Matthias Fischer als treibende Kraft der Partei
Fischer wuchs im uckermärkischen Templin auf und zog in den 1990er Jahren nach Nürnberg, wo er schon früh zu den zentralen Figuren der dortigen Neonaziszene gehörte und bald zu einem der wichtigsten Kader in der Region aufstieg. Angefangen bei der „Anti-Antifa Nürnberg“ und der „Fränkischen Aktionsfront“, wechselte er nach deren Verbot 2004 zur NPD und nahm als Kreisvorsitzender in Fürth an Wahlen teil. 2008 verließ er die Partei und gründete das „Freie Netz Süd“, welches er bis zu dessen Verbot 2014 leitete. Seit seiner Rückkehr in die Uckermark 2014 haben dort die extrem rechten Aktivitäten wieder sprunghaft zugenommen, obwohl es zunächst scheinbar ruhig um ihn wurde. Doch bereits im März 2015 trat er als Sprecher und Leiter von Kundgebungen und Veranstaltungen des „III. Weg“ auf. Innerhalb kürzester Zeit übernahm er hier Führungspositionen. Fischer ist nicht nur Vorsitzender des Stützpunkts „Uckermark“, deren Aktionsradius über den gleichnamigen Landkreis hinaus reicht. Er steht auch dem so genannten „Gebietsverband Mitte“ vor, der alle Verbände in den neuen Bundesländern als übergeordnete Struktur umfasst. Außerdem ist er noch stellvertretender Vorsitzender der Gesamtpartei. Das Grundstück des Multifunktionärs in der Innenstadt von Angermünde dient als kleines nationales Zentrum, wo regelmäßig Feiern und Parteiveranstaltungen stattfinden. Des Weiteren verfügt Fischer über beste Kontakte ins Ausland, die durch gegenseitige Besuche gepflegt werden. Das führt Neonazis aus Ungarn und der Ukraine, wie beispielsweise Angehörige des berüchtigten „Azov“ –Regiments, nach Brandenburg.
Schwerpunkt auch im Raum Potsdam
Aber nicht nur im Nordosten ist die Neonazi-Partei stark. Der Stützpunkt „Potsdam/Mittelmark“ fällt ebenso mit einer Vielzahl von Aktivitäten auf. Das ist nicht verwunderlich, lassen sich doch die Ursprünge des „III. Weg“ in Brandenburg im Landkreis Potsdam-Mittelmark sowie der Landeshauptstadt verorten. In den 1990er Jahren bildeten sich hier die militantesten Neonazi-Strukturen, wie die „Nationale Bewegung“, die für eine Vielzahl von Anschläge verantwortlich waren. Ab 2005 waren es vor allem die „Jungen Nationaldemokraten“, die mit Volksverhetzung und Rassismus für Aufsehen sorgten. Ab 2013 fielen vor allem die sogenannte „Gefangenenhilfe“ und die Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“ auf. Letztere war eng verbunden mit der 2012 verbotenen Organisation „Spreelichter“ aus Südbrandenburg, die ihre Aktionsformen für den Raum Potsdam kopierten. Alle genannten Organisationen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Person: Maik Eminger. Der Bruder des NSU-Unterstützers André Eminger zog 2005 aus dem Erzgebirge nach Brandenburg und übernahm hier schnell Führungspositionen. An der Gründung des ersten Brandenburger Stützpunkts 2015 war Eminger maßgeblich beteiligt und baute die ersten Strukturen des „III. Weg“ im Bundesland auf. Folgerichtig lassen sich vor allem Neonazis aus Potsdam und Umland in den Reihen der Partei finden.
Vor etwa vier Jahren hatte sich Maik Eminger überraschend aus der Parteiarbeit zurückgezogen. Öffentlich aufgetreten ist er seit 2016 nicht mehr. Die führende Rolle des „III. Weg“ in Brandenburg hat nun vollends Matthias Fischer übernommen. Emingers Grundstück im Dorf Grabow im südlichen Teil des Landkreises Potsdam-Mittelmark gilt dennoch weiterhin als zentraler Treffpunkt für Neonazis und wird ähnlich wie Fischers Anwesen in Angermünde als Fest- und Veranstaltungsort von der extremen Rechten regelmäßig genutzt.
Was ist am 3. Oktober zu erwarten?
Zum „Tag der Deutschen Einheit“ ruft die neonazistische Partei zur Demonstration in den Ostberliner Stadtteil Hohenschönhausen. Losgehen soll es ab 14 Uhr am S‑Bahnhof Wartenberg. Angemeldet sind offiziell nur 100 Teilnehmende. Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre ist jedoch damit zu rechnen, dass mindestens 500 Neonazis anreisen werden. Das Plattenbaugebiet im Bezirk Lichtenberg bietet dafür die perfekte Kulisse: Bereits seit den frühen 1990er Jahren wütet hier eine gefestigte und gut organisierte Neonaziszene, wie lokale Antifas rückblickend in ihrer Broschüre „20 Jahre Antifa Hohenschönhausen & Lichtenberg“ schreiben. Durch die überregionale Mobilisierung und die zunehmende Bedeutung des „III. Weg“ für die gewaltbereite extreme Rechte werden die Teilnehmenden aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet, die mit einem martialischen Auftreten in einheitlicher Kleidung ihren Führungsanspruch in der Szene unterstreichen wollen. Viele von ihnen werden auch aus Brandenburg anreisen. Mit dabei wird Matthias Fischer sein, der sicherlich an vorderster Stelle mitlaufen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass sein Haus als Sammelpunkt für Neonazis aus dem Norden fungiert, von wo aus diese gemeinsam nach Berlin anreisen werden.
Es liegt an den antifaschistischen Strukturen aus Berlin und Brandenburg hier im Vorfeld die Anreise der Neonazis zu erschweren und Schleusungspunkte sichtbar zu machen. Blockaden allein, das zeigt das brutale Vorgehen der Berliner Polizei bei vergleichbaren Aufmärschen der vergangenen Jahre, reichen dafür nicht aus.
„Der III. Weg“, seine Heimattümelei und seine völkische Mobilisierung muss am 3. Oktober (und natürlich auch danach) sabotiert, blockiert und entgegengetreten werden.
Am 3. Oktober ist neben den offiziellen Feierlichkeiten auch eine Protestkundgebung in Planung. Die anmeldende Initiative “Re:Kapitulation — kein Ende der Geschichte” beklagt nun, dass Ihnen die Anmeldung dergleichen verunmöglicht werden soll.
Bereits im März hatte die Gruppe eine Anmeldung für eine Kundgebung auf dem Bassinplatz eingereicht. Dieser Wunsch wurden ihnen verwehrt mit dem Verweis auf den dort in der Peter-Paul-Kirche stattfindenden Festgottesdienst. Die Polizei erklärt das gesamte Areal um den Bassinplatz zum „Sicherheitsbereich“ und untersagte eine gleichzeitige Versammlung zum Staatsakt. Als Ausweichort bot die Polizei selbst den Lustgarten an. Nur ist die angebotene Fläche Eigentum der ProPotsdam, die ihr Einverständnis bisher verweigert. Der Grund: Es gibt bereits eine Mieterin – die Staatskanzlei Brandenburg. Die Staatskanzlei wiederum teilte den Anmeldenden mit, auch alle anderen infrage kommenden Flächen in der Stadt außerhalb der Sicherheitszonen angemietet zu haben.
„Was hier passiert ist reine Schikane. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht mal eben mit wegzuwischen, indem die Staatskanzlei über 30 Tage das Hausrecht in der Potsdamer Innenstadt für sich beansprucht. Wenn sich die Beteiligten weiterhin verwehren, werden wir unser Demonstrationsrecht notfalls gerichtlich durchsetzen.”, zeigt sich Anmelderin Isabelle Vandre kämpferisch.
Die Veranstalter sind optimistisch, vor Gericht eine Entscheidung zu ihren Gunsten zu erwirken und rechnen damit, dass die Ausrichtung eines Staatsaktes und das Agieren der Staatskanzlei gegen das grundrechtlich verbriefte Versammlungsrecht vor Gericht keine Chance hat.
„Unser Protest soll zum Ausdruck bringen, dass wir mit dem Verlauf der letzten 30 Jahre nicht zufrieden sind. Beispiele sind die aktuelle Haltung Deutschlands zur Aufnahme von Geflüchteten, der Rückbau des Sozialstaats, die andauernden Probleme mit rechter Gewalt und Antisemitismus. Es muss Raum für unsere Kritik in Sicht-und Hörweite zum offiziellen Tamtam geben.“, begründet Vandre das Anliegen der Initiative.
Hintergrund
Neben der Kundgebung veranstaltet das Bündnis einen dreitägigen Kongress unter dem Motto „Kein Ende der Geschichte“. Inhaltlich wird es um eine kritische Auseinandersetzung mit den letzten 30 Jahren nach der Wiedervereinigung gehen. Der pandemiebedingt klein gehaltene Kongress ist bereits ausgebucht. Die Veranstaltung findet auf dem Gelände des freiLands Potsdam statt. Sie wird ebenfalls per Livestream übertragen. Näheres zum Programm unter https://re-kapitulation.org
Kontaktdaten für Rückfragen
Mail: info@re-kapitulation.org
Die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag hat am 15. September 2020
beantragt, unserem Kinder- und Jugendverband Sozialistische Jugend
Deutschlands – Die Falken, sowie unserer Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e.V. in Werneuchen, sämtliche öffentlichen Fördermittel zu streichen und die Rückzahlung bereits erhaltener Fördergelder durchzusetzen. Auch bei der Bundesregierung und dem Berliner Senat solle sich die Landesregierung dafür einsetzen die Falken und ihre Bildungsstätte nicht mehr zu unterstützen. Dieser Antrag reiht sich in eine bereits seit langem angewandte Strategie der AfD ein,
unseren Verband und seine Bildungsstätten in Parlamenten anzugreifen und unsere öffentliche Förderung zu diskreditieren.
Gerade die JBS Kurt Löwenstein wurde bereits mehrfach Ziel entsprechender Anfragen und Verleumdungen auf Landes- und Kreisebene.
Zur Begründung ihres Antrages legt die AfD dem Landtag diverse Unterstellungen vor. „Klare Bezüge zum Linksextremismus“ und „Verharmlosung linksterroristischer Randalierer“ werden uns vorgeworfen.
Unser Ziel einer herrschaftsfreien Gesellschaft sei zudem „im Sinne des Anarchismus“ zu verstehen.
„Es ist kein Zufall, dass die AfD zum wiederholten Male versucht uns
anzugreifen“, sagt Florian Schwabe, Landesvorsitzender der SJD – Die Falken Brandenburg. „Als entschiedene Demokrat*innen kämpfen wir in unserer alltäglichen Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit, sowie gegen jegliche andere Form menschenverachtender Ideologie. Junge Menschen, die gegen Ausbeutung, Marginalisierung und
Diskriminierung kämpfen und sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzen haben seit jeher den Hass von Nationalist*innen, Rechtsextremen und Faschist*innen auf sich gezogen. Nicht umsonst wurden die Falken während der Nazizeit brutal verfolgt und engagierten sich im antifaschistischen Widerstand.
Nach 1945 gehörten sie zu den ersten, die in Deutschland die Kinder- und Jugendverbandsarbeit wieder aufnahmen und den Deutschen Bundesjugendring mitgründeten.“
Christine Reich, Geschäftsführerin der Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein e.V., fügt hinzu: „Generationen von Kindern und Jugendlichen haben bei den Falken und in unserer Bildungsstätte gelernt sich als selbstbewusste Persönlichkeiten zu
engagieren und Demokratie praktisch zu leben. Unsere Zeltlager, Seminare und Veranstaltungen stehen unter dem Zeichen der Selbstorganisation junger Menschen, die dort gemeinsam lernen sich selbstständig zu bilden, miteinander zu leben und ihre eigenen Interessen zu vertreten. Wenn die AfD nun gerade diese Orte zur Zielscheibe ihrer rechten Propaganda macht ist dies nicht nur ein
Angriff auf einen linken Jugendverband, sondern auf alle grundlegenden Institutionen des demokratischen Zusammenlebens in Deutschland.“
Der brandenburgische Landtag wird voraussichtlich nächsten Mittwoch, 30.09. über den Antrag der AfD-Fraktion befinden. Zeitgleich werden die SJD – Die Falken Brandenburg eine Kundgebung unter dem Titel „Mehr statt keine Fördermittel – Rassismus und Hetzte sind für UNS keine Alternative!“ in Potsdam organisieren.
Wir fordern alle demokratischen Abgeordneten des Brandenburgischen Landtages auf, sich klar und unmissverständlich gegen die Angriffe der AfD auf die Demokratie zu stellen und den Antrag abzulehnen. Alle sind herzlich dazu eingeladen an unserer Kundgebung teilzunehmen, um ein klares Zeichen gegen Hass, Kriminalisierung und Diffamierung und für eine pluralistische, weltoffene Gesellschaft zu setzen.
Kontakt:
Sozialistische Jugend – Die Falken, Landesverband Brandenburg
Jane Baneth (Geschäftsführung)
Friedrich-Engels-Str. 22
14473 Potsdam
0331/281296340
sjd@falken-brandenburg.de
Jugendbildungsstätte Kurt Löwenstein
Christine Reich (Geschäftsführung)
Freienwalder Allee 8–10
16356 Werneuchen, OT Werftpfuhl
033398/899912
c.reich@kurt-loewenstein.de
Am 15. und 22. September fand ein Prozess am Amtsgericht Oranienburg statt, bei dem ein rassistisch motivierter Angriff auf einen Paketboten aus dem September vergangenen Jahres verhandelt wurde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die zwei älteren angeklagten Männer den jungen Berliner während seiner Arbeit im Mühlenbecker Land mehrfach rassistisch beleidigten und einer der Angeklagten diesen auch tätlich anging.
Am 24. September 2019 lieferte der Paketbote aus Berlin Pakete im Mühlenbecker Land aus und stellte sein Fahrzeug auf einem Gehweg ab. Daraufhin beleidigte ihn ein älterer Anwohner rassistisch. Nach einer verbalen Auseinandersetzung sprang der Anwohner über seinen Zaun und griff den jungen Mann anschließend auch körperlich an. Der Betroffene konnte den Angriff abwehren und blieb bis auf eine kleine Schürfwunde am Oberarm unverletzt. Ein weiterer älteren Mann, der bei dem Täter zu Besuch zu sein schien, beteiligte sich an den rassistischen Beleidigungen.
Aufgrund der aktuellen Verordnungen zum Schutz vor dem Covid-19-Virus ist eine Anmeldung zur Veranstaltung obligatorisch und die Platzzahl begrenzt. Bitte melden Sie sich vorher an unter kontakt@fachstelle-antisemitismus-bb.de
Einfache Wahrheiten über eine komplizierte Welt. Corona ist eine Erfindung der Pharmaindustrie! Menschen, die daran erkranken, müssen so für ihre Sünden büßen! Oder: Das Virus wurde in chinesischen Geheimlaboren gezüchtet! Verschwörungstheorien verbreiten sich nicht nur im Netz wie im Lauffeuer und sind schon lange kein Randphänomen mehr.
Katharina Nocun und Pia Lamberty beschreiben, wie sich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft durch Verschwörungstheorien radikalisieren und die Demokratie als Ganzes ablehnen. Welche Rolle spielen neue Medien in diesem Prozess? Wie schnell wird jeder von uns zu einem Verschwörungstheoretiker? Und wie können wir verdrehte Fakten aufdecken und uns vor Meinungsmache schützen?
Pia Lamberty ist Psychologin und Expertin im Bereich Verschwörungsideologien. Ihre Forschung führte sie an die Universitäten in Köln, Mainz und Beer Sheva (Israel). Darüber hinaus ist sie Mitglied im internationalen Fachnetzwerk “Comparative Analysis of Conspiracy Theories”. Interviews und Berichte über ihre Forschung sind in zahlreichen nationalen und internationalen Medien erschienen.
Katharina Nocun ist Wirtschafts- und Politikwissenschaftlerin. Sie leitet bundesweit politische Kampagnen, u.a. für Mehr Demokratie e.V. und den Verbraucherzentrale Bundesverband. Ihr erstes Buch „Die Daten, die ich rief“ wurde in zahlreichen namhaften Medien aufgegriffen.
Die Veranstaltung wird ausgerichtet von der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle am Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam, der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg und vom Graduiertenkolleg Gesundheits- und Sozialberufe der BTU Cottbus-Senftenberg.
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
Am Donnerstag, 15. Oktober 2020 um 19:00 Uhr BTU Cottbus-Senftenberg
Campus Sachsendorf
Gebäude 10, Raum 112
Lipezker Straße 47, 03048 Cottbus
mit
· Katharina Nocun (Ökonomin und Politologin)
· Pia Lamberty (Sozialpsychologin)
Moderation: Prof. Heike Radvan (Erziehungswissenschaftlerin, BTU Cottbus)
und am Donnerstag, 22. Oktober 2020 um 19:00 Uhr
Haus der Brandenburgischen-Preußischen Geschichte
Kutschstall
Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam
mit
· Katharina Nocun (Ökonomin und Politologin)
· Pia Lamberty (Sozialpsychologin)
Moderation: Dorina Feldmann (Fachstelle Antisemitismus Brandenburg)
Eintritt frei, die Anzahl der Plätze ist auf ca. 40 begrenzt;
Reservierungen: s.gruenwald@opferperspektive.de
Die Mittelmeer-Monologe erzählen von den politisch Widerständigen Naomie aus Kamerun und Yassin aus Libyen, die sich auf einem Boot nach Europa wiederfinden, von brutalen ‚Küstenwachen’ und zweifelhaften Seenotrettungsstellen und von Aktivist*innen, die dem Sterben auf dem Mittelmeer etwas entgegen setzen.
Diese Aktivist*innen überzeugen beim ‚Alarmphone‘ die Küstenwachen, nach Menschen in Seenot zu suchen oder lernen auf der Seawatch, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren – kurzum sie tun das eigentlich Selbstverständlichste, das im Jahr 2020 alles andere als selbstverständlich ist: menschliches Leben retten!
„Die Monologe berühren, schaffen Nähe, machen wütend und benennen Wege, um sich persönlich zu engagieren. Sie widersetzen sich der Entmenschlichung der Tragödie.“ Die tageszeitung, taz
Veranstaltet von der Antidiskiminierungsberatung Brandenburg / Opferperspektive e.V. und Diakonisches Werk Potsdam e.V. – Beratungsfachdienst für MigrantInnen
Wichtiger Hinweis:
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die durch demokratie‑, menschen- oder verfassungsfeindliche Äußerungen oder Handlungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zu unseren Veranstaltungen zu verwehren oder sie von diesen auszuschließen. Hierzu zählen insbesondere Personen, die neonazistischen oder extrem rechten oder sonst extremistischen Parteien oder Organisationen angehören, der extrem rechten oder sonst einer extremistischen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische, sexistische, homosexuellen- oder transfeindliche Äußerungen oder Handlungen in Erscheinung getreten sind.