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(Anti-)Rassismus Geschichte & Gedenken

Aktionswoche in Erinnerung an Noël Martin

25 Jahre nach dem ras­sis­tis­chen Angriff: Aktionswoche in Erin­nerung an Noël Martin

Rund um den 25. Jahrestag des ras­sis­tis­chen Angriffs auf Noël Mar­tin find­et vom 13.–19. Juni 2021 eine Aktionswoche gegen Ras­sis­mus in Blanken­felde-Mahlow statt. Viele unter­schiedliche Organ­i­sa­tio­nen sind daran beteiligt. Den Abschluss der Aktionswoche bildet die hybride Ver­anstal­tung „Nach dem Angriff: Podi­ums­ge­spräche zu ras­sis­tis­ch­er Gewalt, Sol­i­dar­ität und Erin­nerungskul­tur“ am 19. Juni 2021 von 14.30 bis 18.00 Uhr – organ­isiert von der Inte­gra­tions­beauf­tragten des Lan­des Bran­den­burg, der Opfer­per­spek­tive, und dem Aktions­bünd­nis Bran­den­burg gegen Gewalt, Recht­sex­trem­is­mus und Fremdenfeindlichkeit.

Am 16. Juni 1996 grif­f­en Neon­azis Noël Mar­tin und seine Kol­le­gen Arthur B. und Mikel R. in Mahlow an. Mar­tin über­lebte nur knapp und war seit­dem quer­schnitts­gelähmt. Er lebte mit mas­siv­en kör­per­lichen Ein­schränkun­gen – und ver­starb infolge dieser am 14. Juli 2020 im Alter von 60 Jahren. „Wir möcht­en an diese ras­sis­tis­che Tat und gle­ichzeit­ig auch an die bewun­dern­swerte Lebens­be­jahung und Stärke erin­nern, mit der Noël Mar­tin sein schw­eres Schick­sal gemeis­tert hat. Damit kann er uns allen ein Beispiel sein“, so Dr. Doris Lem­mer­meier, Inte­gra­tions­beauf­tragte des Lan­des Brandenburg.

Die Fol­gen des Angriffs für Noël Mar­tin sind auch The­ma bei der Podi­umsver­anstal­tung am 19. Juni 2021. Sie the­ma­tisiert zudem rechte Gewalt in den 1990er Jahren in der Region und ihren gesellschaftlichen Nährbo­den – aber auch Gedenken, anti­ras­sis­tis­ches Engage­ment und Sol­i­dar­ität. „Noël Mar­tin ist ein­er von vie­len, die in den 1990er Jahren in Bran­den­burg recht­en Angrif­f­en aus­ge­set­zt waren. Damit sich rechte Gewalt nicht immer weit­er fort­set­zt, ist es unverzicht­bar, sich auch mit diesem Teil der Nach­wen­dezeit auseinan­derzuset­zen, erk­lärt Judith Porath, Geschäfts­führerin der Opfer­per­spek­tive, den Hin­ter­grund der Ver­anstal­tung. „Wichtig ist uns der Fokus auf die Per­spek­tive der Betrof­fe­nen und der­er, die mit ihnen sol­i­darisch waren oder auf die Missstände aufmerk­sam gemacht haben. Denn ihre Stim­men find­en zu wenig Gehör – auch heute noch“, ergänzt Frauke Büt­tner, Lei­t­erin der Geschäftsstelle vom Aktions­bünd­nis Bran­den­burg. Darin spiegelt sich auch die generelle Aus­rich­tung der Ver­anstal­tungsrei­he „Bran­den­burg­er Base­ballschläger­jahre: Wende, rechte Gewalt und Sol­i­dar­ität“ wider, in die das Podi­ums­ge­spräch in Mahlow einge­bet­tet ist. Das Gespräch find­et in Präsenz im Vere­in­shaus Mahlow (Immanuel-Kant-Straße 3–5, 15831 Blanken­felde-Mahlow) statt und wird par­al­lel via Zoom gestreamt.

Die Ver­anstal­tung ist nur ein­er von vie­len unter­schiedlichen Pro­gramm­punk­ten. Im Zen­trum der Woche ste­ht die Gedenkver­anstal­tung am 16. Juni 2021 um 18 Uhr am Mah­n­mal „Der Stein von Mahlow“, bei der auch die feier­liche Namensge­bung der „Noël-Mar­tin-Brücke“ began­gen wird. Der Vor­bere­itungskreis der Aktionswoche ruft zudem zum dezen­tralen dig­i­tal­en Gedenken mit dem Hash­tag #Noel­Martin auf.

Weit­ere Informationen:
Pro­gramm, Mitwirk­ende und Hin­ter­grund der Aktionswoche:
https://www.blankenfelde-mahlow.de/aktionswoche/
Ver­anstal­tungsrei­he „Bran­den­burg­er Base­ballschläger­jahre: Wende, rechte Gewalt und Sol­i­dar­ität“ mit Ankündi­gung der Ver­anstal­tung „Nach dem Angriff“ am 19. Juni 2021:
https://www.opferperspektive.de/aktuelles/30jahre
https://www.aktionsbuendnis-brandenburg.de/30jahre/

Hin­ter­gründe zum Fall und zu Noël Martin:
https://www.todesopfer-rechter-gewalt-in-brandenburg.de/victims-noel-martin.php

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Geschichte & Gedenken

Am 8. Mai auf dem Weg der Würde

Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, beteiligten sich etwa 30 Erwach­sene und 15 Kinder an ein­er Fahrrad­tour durch Biesen­thal. Dabei besucht­en die Teilnehmer*innen die sieben Gedenkste­len des Weges der Würde. Zudem legten sie auch am Denkmal der Opfer des Faschis­mus und am Haus in der Bre­it­en Str. 59 einen Halt ein.

Am Denkmal der Opfer des Faschis­mus wurde unter anderem an das Schick­sal der Wehrma­ch­st­de­ser­teure erin­nert. Im März oder April 1945 in Biesen­thal erkundigten sich drei junge Wehrma­chtssol­dat­en nach dem Weg Rich­tung Lobe­tal. Später fand man sie in ein­er Sche­une am der Kirschallee erhangen, was als Strafe für Deser­tion gedeutet wurde.

An der Stele für den nieder­ländis­chen Diplo­mat­en Adri­anus Mil­lenaar, der in der Neuen Müh­le wohnte und vie­len Zwangsarbeiter*innen und KZ-Gefan­genen half, wurde eine Gruss­wort sein­er Tochter Adri­ana H. Mil­lenaar Brown verlesen:

Liebe Biesen­thaler Radfahrer*innen!
Es macht mir grosse Freude Euch zu begrüssen an diesem so bedeu­tungsvollen 8. Maitag 2021. Vor allem bin ich froh und sehr geehrt, dass Ihr an der Stele für meinen Vater: Adri­anus Mil­lenaar, halt macht und an ihn erin­nert, der in den vierziger Jahren so viel wie er nur kon­nte den hol­ländis­chen Zwangsar­beit­ern half. Diese Zwangsar­beit­er und auch die Gefan­genen, die im KZ Sach­sen­hausen sich nach Frei­heit sehn­ten, hat mein Vater jahre­lang ver­sucht irgend­wie zu befreien, jeden­falls dies zu unterstützen.
Gerne wuerde ich mit Euch fahren, so wie ich das damals in 1942, ’43 oder ’44 ver­suchte als 4- oder 5- oder 6‑Jährige und ich auf ein erwach­senes, riesiges Fahrrad stieg, und immer weit­er tram­pelte bis ich in den Stachel­draht fuhr und dann wie ver­rückt vor Schmerz schrie. Eine grosse Narbe habe ich noch immer am linken Arm.
Jet­zt begrüsse ich Euch und bin dankbar, dass Ihr Biesen­thaler den Befreiungstag feiert und so die Zwangsarbeiter*innen aus Biesen­thal und der Umge­bung ehrt. Ich danke Euch und werde aus Ameri­ka an Euch am 8. Mai denken.

Alles Gute und seid mit Frieden gesegnet.
Adri­ana H. Mil­lenaar Brown

Im Haus in der Bre­it­en Str. 59 betrieb das jüdis­che Ehep­aar Borchert ein Milch- und But­tergeschäft und wohnte dort mit ihren 3 Söh­nen. Bis 1936 kon­nten sie ihr Geschäft hal­ten. Die ganze Fam­i­lie wurde von der Gestapo ver­haftet, ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die Stadtchro­nistin der Stadt Biesen­thal Frau Poppe, die mit ihren Recherchen die Gedenk­tour erst möglich gemacht hat, legte an jed­er Stele eine Blume nieder.

Die Stele mit ein­er Taube erin­nert an das KZ-Aussen­lager das sich zwis­chen Biesen­thal und dem Hellsee befand.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Eröffnung Gedenkgarten “AuszenDrauszen”

8. Mai 1945 – Tag der Befreiung! — Nie Wieder Deutschland!

Am 08. Mai 1945 wurde das Nazi-Regime durch den mil­itärischen Sieg der Anti-Hitler-Koali­tion — der Stre­itkräfte der Alli­ierten, der Partisan*innen und Widerstandkämpfer*innen – zer­schla­gen. Somit erin­nern wir an diesem Tag an die Befreiung Europas vom deutschen Faschis­mus und an die Befreier*innen.
Mehr als 60 Mil­lio­nen Men­schen fie­len dem Naziter­ror, Shoa und Ver­nich­tungskrieg zum Opfer und viele weit­ere erfuhren schreck­lich­es Leid. Für die Über­leben­den der Shoa, der Konzen­tra­tionslager und Zuchthäuser und deren Ange­hörige, sowie für die befre­it­en Zwangsarbeiter*innen – war der 8. Mai 1945 – der lang ersehnte Tag der Befreiung. Aber auch wir Alle, die heute leben, ver­danken die Chance eines Lebens in Frieden, Frei­heit und Vielfalt den alli­ierten Stre­itkräften und erin­nern mit beson­der­er Dankbarkeit an die Befreier*innen.

Kranz am sowjetischen Ehrendenkmal in Neuruppin
Gesteck zum Gedenken am 8. Mai auf dem sow­jetis­chen Ehren­fried­hof in Neuruppin

Anlässlich des 76. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutsch­land gedacht­en wir, als Soziales Zen­trum JWP „Mit­ten­Drin“ am 08.05.2021, auf dem Sow­jetis­chen Fried­hof den Befreier*innen und legten Ihnen zu Ehren einen Kranz nieder.

Im Anschluss daran eröffneten wir den Gedenkgarten „Auszen­Drauszen“ auf dem Ron­dell vor dem JWP „Mit­ten­Drin“. Dort wird anhand von Schildern an die ermorde­ten Neu­rup­pin­er Jüdin­nen und Juden, sowie der Opfer der nation­al­sozial­is­tis­chen „Euthanasie“-Aktion T4 gedacht. Die Dreizehn Schilder, sollen auch 76. Jahre nach der Befreiung an die nation­al­sozialis­chen Ver­brechen erin­nern, mah­nen, und diese sicht­bar machen.

Eine Tafel aus dem Gedenkgarten “Auszen­Drauszen”.

Doch sie sollen uns auch mah­nen, dass Erin­nerung und Gedenken nicht fol­gen­los bleiben dür­fen. Gemein­sam müssen wir den Recht­en und Rassist*innen entsch­ieden ent­ge­gen­treten – auf der Straße, in den Par­la­menten und in den Insti­tu­tio­nen! Antifaschis­tis­ches Engage­ment darf nicht krim­i­nal­isiert wer­den, denn es ist und bleibt notwendig — in Zeit­en in denen rechte Parteien ver­suchen linke und emanzi­pa­torische Vere­ine zu krim­i­nal­isieren, an denen linke Pro­jek­te von Neon­azis ange­grif­f­en und auf diese Anschläge verübt wer­den, an denen rechter Ter­ror an der Tage­sor­d­nung ist und fast wöchentlich Mord­dro­hun­gen, Waf­fen­funde, Todeslis­ten und Anschlags­pla­nun­gen bekan­nt werden.

Wir ste­hen sol­i­darisch zusam­men und fordern: Kein Ver­bot antifaschis­tis­ch­er Grup­pen #Wirsin­dAl­leAn­tifa

8. Mai als Feiertag

Wir fordern außer­dem, dass der 8. Mai endlich als Tag der Befreiung von Faschis­mus und Krieg in ganz Deutsch­land ein offizieller Gedenk­tag wird, um den Tag würdig zu feiern.

In diesem Sinne zitieren wir Esther Bejarano:
„Der 8. Mai muss ein Feiertag wer­den! Ein Tag, an dem die Befreiung der Men­schheit vom NS-Regime gefeiert wer­den kann. Das ist über­fäl­lig seit sieben Jahrzehn­ten. Und hil­ft vielle­icht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Nieder­schla­gung des NS-Regimes.“

Wir fordern mehr Zeit für Antifaschis­mus – Der 8. Mai muss endlich zum Feiertag werden!

Weit­ere Impres­sio­nen des Gedenkgartens “Auszen­Drauszen”:

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Geschichte & Gedenken

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg

Am 8. Mai 1945 kapit­ulierte die deutsche Wehrma­cht. Das war das Ende des
deutschen Faschis­mus und des Ver­nich­tungskrieges dem 70 Millionen
Men­schen zum Opfer fielen.

Auch Biesen­thal war in dieser Zeit ein Ort des Grauens. Jüd*innen wurden
entrechtet, enteignet und in das Ver­nich­tungslager Auschwitz deportiert
und dort ermordet. Men­schen aus ganz Europa wur­den in Biesenthal
interniert um hier Zwangsar­beit zu ver­richt­en und es gab ein Außenlager
des Konzen­tra­tionslagers Sachsenhausen.

Wir wollen uns an diese Geschichte erin­nern und den Opfern gedenken. Wir
besuchen mit ein­er Fahrrad­tour die Gedenkste­len (“Weg der Würde”,
https://zukunft-durch-erinnerung.de/) die uns an Orte der Zwangsarbeit
und des Konzen­tra­tionslagers erin­nern. An den Ste­len und auch am Denkmal
für die Opfer des Faschis­mus und am Haus ein­er jüdis­chen Fam­i­lie die
nach Auschwitz deportiert wurde, wollen wir stop­pen um Blu­men abzulegen
und mit kurzen Rede­beiträ­gen auf die Geschichte dieser Orte eingehen.

Nie wieder Faschis­mus! Nie wieder Krieg

Beginn: 15 Uhr am Bahn­hof Biesen­thal, Dauer der Tour ca. 3 Stunden

Laut Bran­den­burg­er Coro­na-Verord­nung dür­fen nur sta­tionäre Kundgebungen
stat­tfind­en. Auf diesen acht­en wir darauf, dass wir die
Coro­na-Schutz­mass­nah­men ein­hal­ten, also den Min­destab­stand von 1,5 m
ein­hal­ten und alle Teilnehmer*innen Masken tra­gen. Auf dem Weg zwischen
den Kundge­bung­sorten dür­fen wir nicht als großer Pulk fahren son­dern in
Kleingruppen.

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gedenken an Farid Guendoul

Am 12. und 13. Feb­ru­ar wurde in Guben Farid Guen­doul gedacht, der vor 22 Jahren durch Faschis­ten ermordet wurde. Die Täter bracht­en damals nicht nur Farid Guen­doul um, son­dern zogen auch laut­stark durch die Stadt, bedro­ht­en weit­ere Men­schen und war­fen Fen­ster­scheiben eines asi­atis­chen Restau­rants ein. Ein Fre­und des Ermorde­ten, Issa­ka Kaba, kon­nte sich in ein Bistro ret­ten, wo er nur zöger­lich aufgenom­men wurde. Die Polizei ver­haftete ihn grund­los und die Ras­sis­ten fol­gten Kaba bis zur Wache und ver­sucht­en hineinzuge­lan­gen. Diese Nacht zeigte, wozu der Deutsche Mob und seine Insti­tu­tio­nen fähig sind. Das Erricht­en eines Gedenksteins für Farid Guen­doul war damals ein zäher Kampf und als er stand wurde er mehrfach beschädigt.

Kranznieder­legung durch Antifaschist*innen am 12. Februar

Auch heute gibt es in Guben zahlre­iche Prob­leme. Nur wenige kämpfen gegen das Nazi-Prob­lem an, eine Unter­stützung für Geflüchtete und/oder Men­schen, die Opfer von ras­sis­tis­chen Attack­en wer­den, gibt es vor Ort nicht. Das Net­zw­erk für Flucht und Migra­tion, welch­es eine Arbeits­gruppe der Stadt ist, ist derzeit inak­tiv man­gels Per­son­als und Willen, die Stellen zu beset­zen. Eine*n Integrationsbeauftragte*n gibt es schlichtweg derzeit nicht. Vielle­icht kein Wun­der bei ein­er Stadtver­wal­tung, in der die AFD von allen Parteien die meis­ten Sitze belegt.

Unter anderem deshalb möcht­en wir die Rede ein­er Teil­nehmerin des Gedenkens an Farid Guen­doul hier veröf­fentlichen, denn sie zeigt die Kon­ti­nu­itäten des ras­sis­tis­chen Nor­malzu­s­tandes in Guben. Unter­stützt die Struk­turen vor Ort, die sich dem ent­ge­gen­stellen — Remem­ber­ing means fighting!

Rede­beitrag ein­er Teil­nehmerin beim Gedenken am 13.2.2021

Warum gedenken wir? Woher kommt das Bedürf­nis, an Opfer oder Betrof­fene von schreck­lichen Tat­en oder Ereignis­sen zu erin­nern? Wir ver­suchen oft, aus einem Ereig­nis zu ler­nen, irgen­det­was Sin­nvolles daraus zu ler­nen – aber wir kön­nen das in diesem Fall nicht. Es wird oft gesagt: Erin­nerung dient der Mah­nung – dieser Gedanke liegt uns eigentlich nicht fern. Aber: auch wenn viele von uns zum Tatzeit­punkt noch ziem­lich jung waren, ist uns die Tat zu frisch und sind uns die Täter zu poli­tisch aktiv, als dass wir „nur“ mah­nen möchten.

Wir wollen nicht aufhören auf die Täter aufmerk­sam zu machen. Wir wollen nicht nur auf die ras­sis­tis­che Per­spek­tive der von Neon­azis zu Hil­fe gerufe­nen Polizis­ten aufmerk­sam machen, die fast reflex­haft erst ein­mal die bedro­ht­en Asyl­suchen­den fes­t­nehmen anstatt die bedro­hen­den Neon­azis. Wir wollen nicht aufhören zu the­ma­tisieren, wie glimpflich in guter alter deutsch­er Gericht­stra­di­tion die Täter davon gekom­men sind – in ein­er Tra­di­tion von Run­ter­spie­len und ent­poli­tisieren ras­sis­tis­ch­er Attack­en. Wir wollen auch immer noch darauf aufmerk­sam machen, wie Alexan­der Bode – ein­er der Haupt­täter — auch Jahre nach sein­er Tat nicht müde wurde und wird, anderen seinen Ras­sis­mus zuzumuten.

Wir wollen aber nicht nur auf die Täter als Per­so­n­en schauen. Wir wollen auch auf die grup­pen­be­zo­gene Men­schen­feindlichkeit aufmerk­sam machen, die eine solche Men­schen­jagd in den Köpfen der Täter erst möglich wer­den ließ. Auf welchem Lev­el ste­hen wir denn heute? Wie viel Ras­sis­mus ist für uns und unser Umfeld ertrag­bar gewor­den? Der Hass lässt sich leichter schluck­en, wenn er gut bürg­er­lich gek­lei­det ohne rasierte Glatzköpfe in Form ein­er Partei darge­boten wird, die sich nur noch entschei­den muss, wie ras­sis­tisch, men­schen­ver­ach­t­end und faschis­tisch sie eigentlich noch sein will. Wie viel Ras­sis­mus ist für uns ertrag­bar gewor­den – für diejeni­gen von uns, die sich von ras­sis­tis­chen Attack­en nie direkt ange­grif­f­en fühlen müssen? Meis­tens kön­nen wir selb­st entschei­den, ob wir in Kon­fronta­tion mit rechtem Gedankengut gehen oder nicht – aber diese Entschei­dungs­frei­heit haben nicht alle.

Deshalb sagen wir: Unsere Entschei­dung muss viel häu­figer in Rich­tung Kon­fronta­tion gehen, in Rich­tung Wider­spruch zur Het­ze – und sei sie noch so sub­til. Kein Men­sch soll sich stark oder auch nur wohl dabei fühlen kön­nen, wenn er andere Men­schen ras­sis­tisch oder sex­is­tisch oder anders attack­iert – egal, ob ver­bal oder tätlich. Solch eine Herange­hensweise beseit­igt jedoch nicht die Gründe für diese grup­pen­be­zo­gene Men­schen­feindlichkeit. Dafür ist sie hierzu­lande his­torisch, insti­tu­tionell und in den Köpfen von vie­len Men­schen zu tief ver­wurzelt. Wir kön­nen aber hier und jet­zt und in jed­er zukün­fti­gen Minute unser zukün­ftiges Han­deln steuern. 

Bei all dem Gerede über Coro­na in unserem Land­kreis kön­nen wir zeigen, dass wir nicht glauben, Coro­na mache vor Asy­lun­terkün­ften halt, Coro­na mache vor über­füll­ten griechis­chen Lagern halt. Wir ste­hen hier und uns ist kalt, aber stellen wir uns mal vor, wir säßen jet­zt mit unseren Kindern bei 8°C neben unserem unter­spül­ten Zelt, teilen uns mit hun­derten anderen einen Wasser­hahn, aus dem nur kaltes Wass­er kommt, bekom­men eine unzure­ichende kalte Mahlzeit pro Tag und von san­itären Anla­gen oder medi­zinis­ch­er Ver­sorgung brauchen wir erst gar nicht anfangen.

Was wir als Stadt tun kön­nen ist fol­gen­des: wir brauchen eine offen­sive städtis­che Willkom­men­spoli­tik. Sym­bol­tat­en sind gut und wichtig und anzuerken­nen, aber wir brauchen sta­bile bezahlte Struk­turen, die beset­zt sind mit fähi­gen, engagierten Leuten, die in Net­zw­erke einge­bun­den sind – also nicht mit Leuten, die ein­fach aus der Ver­wal­tung abge­zo­gen wer­den und das The­ma ein­fach nur ver­wal­ten. In der Geflüchtete­nar­beit ehre­namtlich Aktive soll­ten keine Befürch­tun­gen haben, dass sie ihre „nor­malen“ Lohnar­beit nicht mehr schaf­fen, weil ihnen das Ehre­namt viel mehr abver­langt, als sie eigentlich geben können.
Um mit einem pos­i­tiv­en State­ment zu schließen: es gibt viel zu tun, viel zu etablieren – pack­en wir es an!

“Remem­ber­ing means fight­ing” — Aufk­le­ber in Guben
In Guben gibt es viel zu tun.
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Mahnwache zum Gedenken an Phan Văn Toản

Am 31. Jan­u­ar 1997 wird der damals 42-Jährige Phan Văn Toản am S‑Bahnhof Fred­er­s­dorf von zwei Neon­azis bru­tal zusam­mengeschla­gen. Nach einem Über­leben­skampf in der Notauf­nahme wird Phan Văn Toản quer­schnitts­gelähmt in eine Reha­bil­i­ta­tion­sklinik ver­legt. Dort stirbt er drei Monate später an akutem Herzver­sagen als Folge des Angriffs.

Er hin­ter­lässt Freund*innen und Fam­i­lie in Deutsch­land und Viet­nam. Wir kön­nen nur erah­nen, was eine solche Tat für sie bedeutet. Was es für seine Fre­undin beude­tet, die die Tat mit anse­hen musste. Was es bedeutet, dass die Täter einen Tag nach der Tat wie schon zuvor am Bahn­hof rumhin­gen, als sei nichts geschehen. Was es bedeutet, dass trotz ras­sis­tis­ch­er Äußerun­gen des Täters vor dem Gericht Ras­sis­mus als Motivnicht anerkan­nt wurde.

Die Fra­gen kön­nen wir nicht beant­worten, aber wir kön­nen Phan Văn Toản gedenken. Wir kön­nen dafür sor­gen, dass wed­er Phan Văn Toản noch die weit­eren Opfer rechter Gewalt vergessen wer­den. Wir kön­nen unsere Trauer und Wut sicht­bar machen. Und wir kön­nen uns dafür ein­set­zen, dass am S‑Bahnhof Fred­er­s­dorf ein Hin­weis entste­ht, was hier vor 24 Jahren geschehen ist.

Dafür wer­den wir eine (pan­demiebe­d­ingt) sehr kleine Mah­nwache am 31. Jan­u­ar ver­anstal­ten. Diese Mah­nwache soll der Auf­takt für ein jährlich­es Gedenken sein. Wir wollen, dass am S‑Bahnhof Fred­er­s­dorf eine Gedenk­tafel dauer­haft an Phan Văn Toản erin­nert und alle mah­nt, bei ras­sis­tis­chen Hand­lun­gen nicht wegzuschauen, son­dern aktiv einzugreifen!

Wir veröf­fentlichen keine Uhrzeit für die Mah­nwache, son­dern wer­den diese im sehr kleinen Kreis durch­führen. Wer trotz­dem mit ein­er kleinen Geste an Phan Văn Toản erin­nern möchte, den rufen wir dazu auf, auf dem Vor­platz des S‑Bahnhofs Fred­er­s­dorf Blu­men abzule­gen und uns Fotos davon zu schick­en. Näch­stes Jahr kön­nen wir sein­er dann hof­fentlich gemein­sam würdig gedenken.

 

 

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Erinnern Mahnen Kämpfen

***** UPDATE*****

Kundge­bung statt Demonstration
Wir hat­ten gehofft, dass eine Demon­stra­tion am 20. Feb­ru­ar möglich sein wird. Lei­der müssen wir euch nun mit­teilen, dass es keine Demon­stra­tion geben kann, da laut dem aktuellen Pandemie/Demonstrationsbestimmungen nur Kundge­bun­gen erlaubt sind und keine Demon­stra­tionszüge. Daher wird am 20. Feb­ru­ar um 13 Uhr in der Havel­straße 13 eine antifaschis­tis­che Gedenkkundge­bung für Sven Beuter stat­tfind­en. Bis zu diesem Ort hat­te der Totschläger Sascha L. Sven Beuter geschlif­f­en und an dieser Stelle wurde 2007 auch eine Gedenkplat­te für Sven Beuter verlegt.
Wir bedauern sehr, dass es keine Demon­stra­tion geben kann. Wir hof­fen, dass ihr trotz­dem den Weg in die Havel­straße 13 find­et um Sven Beuter zu gedenken.

Antifaschis­tis­che Gedenkkundge­bung – Havel­straße 13 – 20. Feb­ru­ar 2021 — 13 Uhr

Infek­tion­ss­chutz
Wir bit­ten euch während der gesamten Kundge­bung einen Mund-Nasen-Schutz zu tra­gen und nach Möglichkeit­en die Min­destab­stände zu wahren.
Soll­tet ihr nach der Kundge­bung einen pos­i­tiv­en Test haben, schreibt uns das gerne ver­schlüs­selt per Mail und wir kom­mu­nizieren dann, dass die Men­schen, die bei der Kundge­bung waren, in den kom­menden Tagen entsprechend noch aufmerk­samer sein soll­ten etc.

Neon­azis und Autoko­r­so von Querdenkern
Seit dem es ein Gedenken an den ermorde­ten Sven Beuter gibt, gehören neon­azis­tis­che Störun­gen der Ver­anstal­tun­gen dazu. Seit 2015 nah­men diese Störun­gen allerd­ings ab und zulet­zt gab es keine mehr. Den­noch beste­ht die Möglichkeit, dass es erneut zu Störun­gen kom­men kann. Sollte das der Fall sein, bit­ten wir euch, beson­nen zu reagieren.
Eben­falls find­et am 20. Feb­ru­ar um 14 Uhr am Wiesen­weg ein Autoko­r­so von „Bran­den­burg ste­ht auf“ statt. Dabei han­delt es sich um eine Gruppe von Coronaverharmloser*Innen, Verschwörungserzähler*Innen, Coronaleugner*Innen und auch Recht­en. Der erste Autoko­r­so fand am Sam­stag den 6. Feb­ru­ar 2021 mit ca. 150 Fahrzeu­gen statt und fuhr über 2 Stun­den im gesamten Stadt­ge­bi­et eine Runde. Wir gehen nicht davon aus, dass der Kor­so an der Kundge­bung vor­bei fahren wird. Allerd­ings wird man deren Hupen wahrschein­lich auch am Kundge­bung­sort hören.

Die Polizei
Das Ver­hal­ten der Polizeikräfte und die Anzahl der einge­set­zten Bedi­en­steten lässt sich nur schw­er abschätzen. In der Regel ist die Polizei bei Ver­anstal­tun­gen von Neon­azis und dementsprechen­den Gegen­protesten immer mas­siv präsent gewe­sen, bei den ver­gan­genen Gedenkver­anstal­tun­gen hielt sie sich jedoch zurück und es wur­den nur wenige Bedi­en­stete einge­set­zt. Bish­er machte die Polizeiführung eher den Ein­druck, als wollte sie die Gedenkkundge­bung ruhig und ohne größere Prob­leme durchführen.

Hin­ter­grund
7. Novem­ber 1992: Rolf Schulze wird in Lehnin von drei Neon­azis zusam­mengeschla­gen, ertränkt und verbrannt.

20. Feb­ru­ar 1996: Sven Beuter wird in Bran­den­burg an der Hav­el von einem Neon­azi zu Tode getreten.

Wir erin­nern an Sven Beuter, Rolf Schulze und an die mehr als 200 Todes­opfer faschis­tis­ch­er Gewalt in Deutsch­land allein seit 1990. Die bei­den Fälle eint, dass die Men­schen von beken­nen­den und organ­isierten Neon­azis ermordet wur­den. Bei­de Män­ner mussten ster­ben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlen­den Sonne zu leben“, wie es ein­er der Mörder von Rolf Schulze während der Gerichtsver­hand­lung ver­laut­en ließ.

Rolf Schulze war zu seinem Todeszeit­punkt im Jahre 1992 woh­nungs­los und schlief häu­fig auf Bahn­höfen. Des Weit­eren ging er kein­er geregel­ten Arbeit nach. Dies allein machte ihn zum poten­tiellen Opfer. Die drei Täter sahen in ihm nur eine Belas­tung für die Gesellschaft und befan­den daher, dass sie im Sinne dieser agieren wür­den, indem sie Rolf Schulze mis­shan­del­ten und let­z­tendlich töteten. Aus ihrer Ide­olo­gie macht­en sie während der Gerichtsver­hand­lung keinen Hehl. Auch gaben sie offen zu, in ver­schieden neon­azis­tis­chen Grup­pierun­gen aktiv zu sein. Dies lässt die Schlussfol­gerung zu, dass ihre Hand­lung nicht im Affekt geschehen ist, son­dern let­z­tendlich die Folge ihrer Weltan­schau­ung war. Nach dieser haben nur Men­schen ein Recht zu leben, die einen Mehrw­ert für die Gesellschaft darstellen.

Ähn­lich ver­hält es sich bei dem Mord an dem alter­na­tiv­en Jugendlichen Sven Beuter. Er wurde von dem noch heute in der Neon­aziszene aktiv­en Sascha L. ermordet. L. ver­suchte zwar während der Gerichtsver­hand­lung Reue zu zeigen, tat dies nach­weis­lich jedoch nur, um mit ein­er milderen Gefäng­nis­strafe davon zu kom­men. Nach Beendi­gung der Haft­strafe machte er da weit­er, wo er vor dem Mord aufge­hört hatte.

Seit dieser Gewalt­tat im Jahre 1996 gab es immer wieder Gedenkver­anstal­tun­gen, die ver­sucht­en, den Mord nicht auf eine Auseinan­der­set­zung von rival­isieren­den Jugend­grup­pen zu reduzieren, son­dern die poli­tis­che Dimen­sion klar zu benen­nen. An diese Tra­di­tion gilt es in diesem Jahr anzuknüpfen. Denn solche Morde, als auch die zahlre­ichen Über­griffe auf Geflüchtete und deren Unterkün­fte, geschehen nicht von unge­fähr. Sie sind die logis­che Kon­se­quenz der Ungerechtigkeit des kap­i­tal­is­tis­chen Sys­tems und faschis­tis­ch­er Denkmuster.

Wir mah­nen, die Auswirkun­gen men­schen­ver­ach­t­en­der Ide­olo­gien nicht aus den Augen zu ver­lieren und stets unsere Stim­men gegen Aus­gren­zung, Diskri­m­inierung und Ver­fol­gung zu erheben. Gemein­sam müssen wir den gesellschaftlichen Recht­sruck mit Sol­i­dar­ität und Entschlossen­heit stop­pen und unsere Vorstel­lun­gen von ein­er offe­nen, antikap­i­tal­is­tis­chen und freien Gesellschaft leben und verbreiten.

Die Auswirkun­gen des Ter­rors der Nationalsozialisten*innen sind für viele Men­schen bis heute präsent und spür­bar. Das Aufkom­men und der Radikalisierung­sprozess der AfD ste­ht in der unge­broch­enen Tra­di­tion deutsch­er Faschist*innen, das Dritte Reich wieder aufleben lassen zu wollen, den Men­schen ihr Selb­st­bes­tim­mungsrecht zu nehmen und sie in Kat­e­gorien einzuteilen. Dies führt von Aus­gren­zung über Diskri­m­inierung bis hin zum Mord, wie bei Rolf Schulze und Sven Beuter.

Wir mah­nen, aus der Geschichte zu ler­nen und sich mit aller Kraft gegen jegliche antie­manzi­pa­torischen Strö­mungen zur Wehr zu setzen.

Eine sol­i­darische und antifaschis­tis­che Gesellschaft ist möglich!

Wir kämpfen selb­st­be­wusst für eine offene und freie Gesellschaft – frei von Aus­beu­tung, Aus­gren­zung und Diskri­m­inierung. Egal wo und in welch­er Form kap­i­tal­is­tis­che und faschis­tis­che Denkmuster auftreten, ist es unsere Auf­gabe, ihnen auf jed­er Ebene ent­ge­gen­zutreten und sie mit allen Mit­teln zu bekämpfen.

Zum let­zten großen Gedenken 2016 gin­gen wir inten­siv in unserem Aufruf auf die ras­sis­tis­chen Mobil­isierun­gen ein. Jet­zt, fünf Jahre später, erleben wir eine Art Revival dieser Mobil­isierun­gen. Dieses Mal laufen wieder ver­meintlich besorgte Bürger*innen Seite an Seite mit Rechtsextremist*innen. In Bran­den­burg an der Hav­el gehen seit dem 2. Novem­ber nun jeden Mon­tag rund 300 Corona-Verharmloser*innen mit Rechtsextremist*innen unter dem Label „Bran­den­burg ste­ht auf“ auf die Straße. Mit dabei ist auch die AfD. Sie fordern die sofor­tige Beendi­gung des „Lock­downs“. Damit wer­den wirtschaftliche Inter­essen vor die Gesund­heit von Vor­erkrank­ten und anderen Risikopatient*innen geset­zt. Darin lassen sich Ten­den­zen zu faschis­tisch-kap­i­tal­is­tis­chen Denkmustern erken­nen. Men­schen, deren Arbeit als ver­meintlich weniger Wert eingeschätzte wird, wird das Recht auf Leben abge­sprochen. Hinzu kom­men weit­ere Über­schnei­dun­gen in der Gesin­nung bzw. Ide­olo­gie. So glauben sowohl Recht­sex­treme als auch Querdenker*innen an eine geheime Elite, welche im Ver­bor­ge­nen agieren würde. Für Recht­sex­treme ste­ht hier­bei klar fest, wer die Fäden in der Hand hält. Sie glauben an eine jüdis­che Weltherrschaft und bedi­enen damit das alte anti­semi­tis­che Feind­bild. Es ist daher auch nicht weit­er ver­wun­der­lich, dass sich die Demonstrant*innen von „Bran­den­burg ste­ht auf“ mit dem Vor­wurf des Recht­sex­trem­is­mus kon­fron­tiert sehen.

Hier ist es unsere Auf­gabe, diese Denkmuster zu ent­lar­ven, sie als falsch, gefährlich und men­schen­ver­ach­t­end zu benen­nen und sie mit aller Härte zu bekämpfen. Wenn wir jet­zt keine entschlossene und entsch­iedene antifaschis­tis­che Antwort auf diese Mobil­isierun­gen geben, wer­den wir die Kon­se­quen­zen noch weitre­ichend zu spüren bekom­men. Das kön­nte sich beispiel­sweise in ein­er noch stärk­eren AfD auswirken, die weit­er­hin alles bekämpft, das sie links der CDU verortet, ihnen Mit­tel kürzen will, wie dem Lan­desver­band der Falken Bran­den­burg oder emanzi­pa­torische Pro­jek­te wie das Utopia e.V. in Frankfurt/Oder angreift. Dem gilt es über­all und geschlossen ent­ge­gen­zutreten. Wann immer jemand ver­sucht, Min­der­heit­en aus der Gesellschaft auszu­gren­zen und zu diskri­m­inieren, find­et ein Angriff auf unsere Gesellschaft statt, zu der eth­nis­che und kul­turelle Vielfalt dazuge­hört. Wir kämpfen gegen das Vergessen von zwei Mor­den durch Neon­azis und deren faschis­tis­chen Welt­bilder, wie sie lei­der bis heute tief im Denken viel­er Men­schen ver­ankert sind. Nie­mand hat das Recht zu entschei­den, welch­es Leben (lebens)wert ist und welch­es nicht. Daraus ergibt sich für uns auch die Notwendigkeit des Kampfes gegen die Coronaverhamloser*innen. Nie wieder Faschis­mus heißt auch Geschichtsrevisionist*innen, die ger­ade einen Aufwind bekom­men und Anschluss bei de Coronaverhamloser*innen find­en, zu bekämpfen. Nie­mand ist vergessen! Nichts ist vergeben!

Deshalb:

Organ­isiert euch! Wehrt euch! Kämpft!

20. Feb­ru­ar 2021 – 13 Uhr – Haupt­bahn­hof Bran­den­burg an der Hav­el – Antifaschis­tis­che Gedenkdemonstration

Hier find­et ihr die Vor­la­gen für die Fly­er, Plakate und Stick­er

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken

Gewalt der Vereinigung

Am 2. und 3. Okto­ber 1990 feierten Mil­lio­nen von Men­schen in BRD und DDR die Vere­ini­gung der bei­den deutschen Staat­en. Der 3. Okto­ber wurde zuvor zum Feiertag erk­lärt und wird als solch­er bis heute began­gen. In diesem „Ein­heit­staumel“ zogen am Abend des 2. Okto­ber 1990 bewaffnete Neon­azis und Rechte los und über­fie­len gezielt Linke und beset­zte Häuser sowie Migrant:innen und Vertragsarbeiter:innen und deren Woh­nun­gen. Es gren­zt an ein Wun­der, dass die teils mas­siv­en Angriffe, von denen einige auch noch am 3. Okto­ber stat­tfan­den, keine Todes­opfer forderten. Während ein Großteil der Gesellschaft aus­ge­lassen feierte, kämpften die Ander­sausse­hen­den und Ander­s­denk­enden, vielfach allein­ge­lassen von Gesellschaft und Polizei, um ihre Häuser – und mancherorts auch um ihr Leben.

Angekündigt und absehbar

Die Angriffe vom 2. und 3. Okto­ber 1990 hat­ten sich im Vor­feld ange­bah­nt und waren entsprechend abse­hbar. In den Monat­en zuvor hat­ten Neon­azis am Rande gesellschaftlich­er Großereignisse wie dem Him­melfahrt­stag oder der Fußball-WM immer wieder Linke und Migrant:innen attack­iert. Zudem hat­ten sie für den 2. und 3. Okto­ber 1990 solche Angriffe konkret angekündigt. Sowohl der Staat als auch die Bevölkerung als auch die Presse wussten also davon und kon­nten sich darauf einstellen.

In einem Aufruf vom Sep­tem­ber 1990 zu ein­er anti­na­tion­al­is­tis­chen Demon­stra­tion am 3. Okto­ber wer­den die Absicht­en der Neon­azis von den Organisator:innen der Demon­stra­tion klar benan­nt: „Das ist umso wichtiger, da auch mehrere Faschis­ten-Grup­pen an diesem Tag Aufmärsche pla­nen. Außer­dem wollen sie diejeni­gen über­fall­en, die in ihren Augen ‚undeutsch‘ sind. Aus diesen Grün­den ist am 3. Okto­ber eine Demo zum Alexan­der­platz geplant, der ein Zen­trum dieser Jubelfeiern sein wird. Dort wer­den wir uns auch dem Auf­marsch der Neon­azis ent­ge­gen­stellen.“2

Die Behör­den waren eben­falls informiert, gaben aber zumeist zu ver­ste­hen, dass sie nicht ein­schre­it­en kön­nen oder wer­den. In Berlin wurde eine PDS-Kundge­bung abge­sagt, da „die Partei durch das Innen­min­is­teri­um und Berlin­er Behör­den gewarnt wor­den [sei], daß die Sicher­heit nicht gewährleis­tet wer­den könne.“4 In Jena rieten die Behör­den den Hausbesetzer:innen, ihr Haus aufzugeben, da sie den Schutz nicht gewährleis­ten kön­nten: „Am 2. Okto­ber dann, am Abend vor der deutschen Ein­heit, ver­ließen die ‚Autonomen‘ ihr Dom­izil. Der Dez­er­nent Stephan Dorschn­er riet ihnen dazu, da Mag­is­trat und Polizei erneut Gewalt­tat­en befürchteten.“5 In Zerb­st erk­lärte die Polizei über eine Pressemit­teilung in der Lokalzeitung: „Informiert ist die Volk­spolizei, daß es in der Nacht vom 2. zum 3. Okto­ber zu einem Zusam­men­stoß ein­er großen Anzahl rechts­gerichteter Jugendlich­er aus Zerb­st, Roßlau und Magde­burg mit links­gerichteten Jugendlichen aus Zerb­st in der Kötschauer Müh­le kom­men soll. Das Zerb­ster VPKA sieht sich auf Grund sein­er zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kräfte jedoch außer­stande, dort einzu­greifen.“6 In Hoy­er­swer­da war die Polizei eben­falls durch konkrete Dro­hun­gen über die geplanten Über­fälle u.a. auf die Woh­nun­gen der mosam­bikanis­chen Vertragsarbeiter:innen informiert. Diese wur­den schlicht angewiesen, ihre Woh­nun­gen nicht zu ver­lassen.7 In Ros­tock wur­den die poten­ziellen Opfer der Angriffe immer­hin in Sicher­heit gebracht: „Recht­sradikale Über­griffe befürch­t­end, sind bere­its zu Wochen­be­ginn 25 aus­ge­siedelte sow­jetis­che Juden an einen unbekan­nten Aufen­thalt­sort gebracht wor­den.“8

Die so im Vor­feld angekündigte Zurück­hal­tung (im dop­pel­ten Wortsinn) der Polizei und des Staates hat­te eine zweifache Sig­nal­wirkung: Zum einen wurde den Neon­azis zu ver­ste­hen gegeben, dass sie freies Feld haben. Zum anderen wurde den poten­ziellen Opfern der Angriffe klar gemacht, dass sie sich selb­st schützen müssen.

Dementsprechend bere­it­eten sich in beset­zten Häusern in ganz Ost­deutsch­land die Besetzer:innen auf die Angriffe vor: Sie ver­ram­melten und ver­bar­rikadierten ihre Häuser, ver­net­zten, koor­dinierten und bewaffneten sich. In der Ost­see-Zeitung hieß es: „In mehreren beset­zten Häusern in Ost-Berlin wur­den in Erwartung von Auseinan­der­set­zun­gen Türen und Fen­ster ver­nagelt.“10 Für Pots­dam lässt sich nach­le­sen: „In der Nacht zum ‚Tag der Deutschen Ein­heit‘ 1990 erwarteten Hausbesetzer_innen einen Über­fall auf das alter­na­tive Pots­damer Kul­turzen­trum ‚Fab­rik‘. Ein damals Anwe­sender beschreibt die Sit­u­a­tion: ‚Vor dem Tor Wach­posten. […] Auf dem Hof Punks, bewaffnet mit Knüp­peln, mit denen sie kampfes­lustig oder nervös klap­pern. In der Fab­rik gedämpfte Stim­mung. Leise Musik, Grup­pen, die beieinan­der ste­hen oder sitzen.‘“11

Eine Welle von Angriffen und Gewalt

Kon­ser­v­a­tiv geschätzt beteiligten sich min­destens 1000 Neon­azis und Rechte direkt an den Angrif­f­en. In min­destens dreizehn ost­deutschen Städten kam es zu größeren Attacken:

  • In Zerb­st grif­f­en min­destens 200 Neon­azis über mehrere Stun­den und von der Polizei ungestört das beset­zte Haus an. Schließlich set­zten sie das Haus in Brand. Die Besetzer:innen wur­den von der Feuer­wehr in let­zter Minute gerettet. Beim Sprung vom Dach zogen sie sich teils schwere Ver­let­zun­gen zu.
  • In Erfurt grif­f­en 50 Neon­azis das Autonome Jugendzen­trum an. Dabei geri­et das Nach­barhaus in Brand. Die Polizei schritt erst spät ein.
  • In Weimar grif­f­en über 150 Neon­azis das beset­zte Haus in der Ger­ber­straße 3 u.a. mit Molo­tow-Cock­tails an. Die Belagerung dauerte mehrere Stun­den. Dann schritt die Polizei ein.
  • In Jena stürmten und ver­wüsteten Neon­azis das beset­zte Haus in der Karl-Liebknecht-Straße 58. Dabei waren sie von der Polizei ungestört.
  • In Leipzig ran­dalierten 150 Neon­azis in der Innen­stadt, grif­f­en Passant:innen an und ent­glas­ten anschließend das soziokul­turelle Zen­trum „Die Vil­la“. Die Polizei schritt jew­eils am Ende ein.
  • In Halle (Saale) über­fie­len 15 Neon­azis und Hooli­gans drei Mal in Folge das alter­na­tive Café „“ im Reformhaus, dem Haus der Bürg­er­be­we­gun­gen, und ver­wüsteten es. Die Polizei griff danach ein.
  • In Hoy­er­swer­da grif­f­en bis zu 50 Neon­azis ein Wohn­heim mosam­bikanis­ch­er Vertragsarbeiter:innen an. Die Polizei war vor Ort, schritt aber nur halb­herzig ein.
  • In Guben grif­f­en 80 Neon­azis ein Wohn­heim mosam­bikanis­ch­er Vertragsarbeiter:innen an und set­zten einen pol­nis­chen Klein­bus in Brand. Die Polizei schritt spät ein.
  • In Magde­burg ran­dalierten 70 Neon­azis in der Innen­stadt und grif­f­en einen Jugend­club an. Die Polzei griff zu spät ein. In Magde­burg-Olven­st­edt grif­f­en die Neon­azis das Wohn­heim der viet­name­sis­chen Vertragsarbeiter:innen an. Hier war die Polizei vor Ort und hat­te auch ein Schutzkonzept.
  • In Frankfurt/Oder griff eine kleine Gruppe von Neon­azis zwei Busse mit pol­nis­chen Arbeiter:innen an. Die Busse wur­den beschädigt, ein Fahrer wurde verletzt.
  • In Bergen auf Rügen belagerten teils ver­mummte Neon­azis ein Migrant:innenwohnheim. Der Mob wurde später von der Polizei aufgelöst.
  • In Selms­dorf an der ehe­ma­li­gen innerdeutschen Gren­ze zer­störten 50 Neon­azis die Gebäude der Gren­zkon­troll­sta­tion. Die Polizei schritt spät ein.
  • In Schw­erin kam es zu ein­er Straßen­schlacht zwis­chen ins­ge­samt 200 Linken und Neon­azis sowie der Polizei.

Diese größeren Angriffe waren nur die Höhep­unk­te ein­er Welle neon­azis­tis­ch­er Aktio­nen und Gewalt, von der das gesamte Land erfasst wurde: In Riesa ver­prügel­ten Neon­azis die Gäste ein­er Feier13, in Dres­den zogen Neon­azis durch den alter­na­tiv­en Stadt­teil Neustadt14, in Reck­ling­hausen skandierten 70 Neon­azis ras­sis­tis­che Slo­gans15, in Biele­feld pöbel­ten Neon­azis „Aus­län­der“ an16, in Ham­burg ver­sucht­en Neon­azis die beset­zten Häuser der Hafen­straße anzu­greifen17 – um nur einige zu nen­nen. Ins­ge­samt kon­nten bish­er 39 Vor­fälle in Deutsch­land und in der Schweiz ermit­telt werden.

Koor­diniert und organisiert

Bei nahezu allen Vor­fällen waren die Neon­azis schw­er bewaffnet – mit Flaschen, Pflaster­steinen, schw­eren Schrauben, Holzknüp­peln, Base­ballschlägern, Messern, Schreckschusspis­tolen, Pis­tolen mit Reiz­gas, Feuer­w­erk­skör­pern, Kanis­tern, Fack­eln oder Molotow-Cocktails.

Zudem beteiligten sich an den Angrif­f­en oft Neon­azis aus ver­schiede­nen Städten, auch zugereiste aus dem West­en. An den Ran­dalen in der Leipziger Innen­stadt und am Angriff auf „Die Vil­la“ nah­men etwa Mit­glieder der neon­azis­tis­chen „Gesin­nungs­ge­mein­schaft der Neuen Front“ (GdNF) aus Franken teil.19 Unter den Neon­azis, die das beset­zte Haus in Weimar angrif­f­en, befan­den sich laut der Thüringer Lan­deszeitung eben­falls „viele Zugereiste“.20 Das­selbe gilt für den Angriff auf die Kötschauer Müh­le in Zerbst.

Diese bei­den Sachver­halte – die mas­sive Bewaffnung und die oft städteüber­greifende Koor­di­na­tion der Angriffe – lassen darauf schließen, dass die Neon­azis viele der Angriffe im Vor­feld und in hohem Maße geplant und vor­bere­it­et haben.


Bürger:innen und Polizei

In eini­gen Städten beteiligten sich auch Bürger:innen, die nicht Teil der recht­en Szene waren, an den Angrif­f­en der Neon­azis. So beschreibt ein Augen­zeuge den Angriff auf das Wohn­heim viet­name­sis­ch­er Vertragsarbeiter:innen in Magde­burg-Olven­st­edt: „Da wurde halt gle­ich um die Ecke, wo ich gewohnt hab, da war ein Viet­name­sen-Wohn­heim, welch­es dann über­fall­en wurde, was dann nicht nur einge­fleis­chte Nazis waren, son­dern wo das halbe Vier­tel mit­gemacht hat.“21 In Leipzig sol­i­darisierten sich eben­falls Teile der Umste­hen­den mit den Neon­azis, wie eine Zeitung berichtet: „Nach ein­er Ver­fol­ungs­jagd durch den Stadtk­ern kon­nte die Polizei mehrere z.T. mit Messern bewaffnete Jugendliche fes­t­nehmen. Dabei kassierte sie sowohl den Beifall der Schaulusti­gen als auch Rufe wie ‚Rote Schweine‘ und ‚Stasiknechte‘.“22 Auch unter den Angreifer:innen in Zerb­st befan­den sich etliche Jugendliche, die nicht der recht­en Szene angehörten.

In den meis­ten Fällen schritt die Polizei nicht, halb­herzig oder zu spät ein – so wie sie es im Vor­feld in Teilen bere­its angekündigt hatte.

Bemerkenswert­er­weise war die Polizei am 3. Okto­ber 1990 wiederum sehr gut und aus­ge­sprochen offen­siv aufgestellt, als es darum ging, in Berlin gegen die von linken Bewe­gun­gen ini­ti­ierte Demon­stra­tion gegen die Vere­ini­gung der deutschen Staat­en – und die in deren Schat­ten zunehmende neon­azis­tis­che Gewalt – vorzuge­hen, diese schlussendlich aufzulösen und dort etliche Teilnehmer:innen anzu­greifen und festzunehmen. Zu diesem Großein­satz der Polizei waren sog­ar Ein­heit­en aus zahlre­ichen Städten West­deutsch­lands und Hub­schrauber herange­zo­gen worden.

Die Gesamtschau lässt hier kaum einen anderen Schluss zu als den, dass staatlich­er­seits den angekündigten Angrif­f­en von Neon­azis auf Linke und Migrant:innen weniger Aufmerk­samkeit geschenkt wer­den sollte als der Unter­drück­ung der linken Proteste gegen die Vereinigung.

Der Presse und den Medi­en generell waren die Angriffe der Neon­azis rund um den 2. und 3. Okto­ber 1990 nur einige Rand­no­ti­zen wert. Eine The­ma­tisierung oder gar der Ver­such ein­er Einord­nung der Gewalt blieb genau­so aus wie eine The­ma­tisierung oder gar öffentliche Empörung von poli­tis­ch­er Seite. Auch scheinen die Täter:innen kaum strafrechtlich ver­fol­gt wor­den zu sein.


Eine Etappe auf dem Weg zu den Pogromen

Die Gewalt zum Tag der Vere­ini­gung der deutschen Staat­en unter­schei­det sich so von den Pogromen der Jahre 1991 und 1992 in Hoy­er­swer­da24, Mannheim-Schö­nau25, Ros­tock-Licht­en­hagen26 und Quedlin­burg27. Diese wur­den von den Medi­en aktiv begleit­et und in Teilen sog­ar mitin­sze­niert. Ein weit­er­er Unter­schied beste­ht darin, dass die Gewalt vom 2. und 3. Okto­ber 1990 weit­ge­hend von der einiger­maßen klar abgrenzbaren Neon­azi- und Skin­head-Szene aus­ging und sich bre­it­ere Teile der Gesellschaft kaum daran beteiligten.

Insofern lassen sich die Angriffe zum Vere­ini­gungstag einord­nen als einen – bish­er kaum beachteten – vor­läu­fi­gen Höhep­unkt ein­er immer weit­er eskalieren­den recht­en Gewalt, die sich in den Pogromen 1991 und 1992 vol­lends entfesselte.


Auch zwei Terroranschläge

In diese Gewaltwelle ord­nen sich auch zwei Ter­ro­ran­schläge ein. In Bonn verübten Unbekan­nte einen Bran­dan­schlag auf das Stadthaus und hin­ter­ließen ein neon­azis­tis­ches Beken­ner­schreiben.28 In Win­terthur in der deutschsprachi­gen Schweiz verübten drei Neon­azis einen Hand­grana­te­nan­schlag auf die ver­meintliche Woh­nung eines antifaschis­tis­chen Jour­nal­is­ten. Dabei kam aus reinem Glück nie­mand zu Schaden. Jedoch wurde die Woh­nung weit­ge­hend zer­stört.29

Anmerkung der Redaktion: 
Im Online-Artikel ist eine Karte der Fälle, diverse Zeitungsar­tikel und Fotos sowie die Quellen der Fußnoten zu finden

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Antifaschismus Bildung & Kultur Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus Wohnen & Stadt

Kongress & Kundgebung gegen die Einheitsfeier in Potsdam.

3. Oktober 2020, 11 Uhr, Lustgarten
Kundgebung gegen de Einheitsfeier

Mit Rede­beiträ­gen und Musik von Jay­cop, Ost­ber­lin Androg­yn und Egotronic.

2.–4. Oktober 2020, FreiLand Potsdam
“Keine Ende der Geschichte” — Der Kongress, in Zusammenarbeit mit dem konkret Magazin

In Zeit­en, in denen die faschis­toiden Ele­mente die Gesellschaft immer weit­er durch­drin­gen, die Zumu­tun­gen der Konkur­renz immer stärk­er auf die Men­schen drück­en, in denen im sym­bol­trächti­gen Pots­dam mit dem Wieder­auf­bau der Gar­nisonkirche oder Ver­hand­lun­gen mit den »Hohen­zollern« über Rück­gabeansprüche die Reak­tion beden­klich Raum gewon­nen hat und die AfD und andere Nazis uner­bit­tlich zivilge­sellschaftliche Organ­i­sa­tio­nen, Ideen, und Pro­jek­te angreifen – wollen und kön­nen wir, als Teil ein­er pro­gres­siv­en Linken, die belästi­gen­den Feier­lichkeit­en zur deutschen Ein­heit nicht unwider­sprochen lassen.

Zu erwarten und vor allem zu fürcht­en ist eine Neuau­flage des Mythos eines wiedergut­ge­wor­de­nen Deutsch­lands mit all seinen Welt­meis­ter­schaften und fro­hem Zukun­fts­blick. Mit den Mit­teln der Kri­tik pla­nen wir vom 02. bis 04.10.2020 einen kleinen Kongress, der jenen Stim­men Raum für Rede und Podi­en geben soll, die sich diesem nationalen Mythos wider­set­zten. Dabei gilt unsere Sol­i­dar­ität den Opfern der beste­hen­den Ver­hält­nisse und Erzäh­lun­gen. Unser Ansatz muss ein nega­torisch­er bleiben.

In Pla­nung sind dabei ver­schiedene Podi­en und Debat­ten, die hier kurz angedeutet sein sollen. Am 02.10.2020 öff­nen wir den Raum für ein Podi­um der Absage an die deutschen Zustände gestern und heute. In pointiert­er Form sollen hier u. a. die let­zten 30 Jahre noch ein­mal reka­pit­uliert wer­den, Preußens Wahn ange­grif­f­en und Heimat ver­achtet wer­den. Eine ver­söhn­liche Nuance ist dabei zunächst nicht im Ange­bot. Am 03.10.2020 wollen wir resümieren und disku­tieren, wie sich hierzu­lande die anti­na­tionalen Strö­mungen der let­zten 30 Jahre entwick­elt haben. Eine Reflex­ion zur Radikalen Linken sowie die Nie wieder Deutsch­land Demon­stra­tion 1990 bildet dabei den Ausgangspunkt.

Am 04.10.2020 laden wir zum Abschluss zu einem »Kom­mu­nis­tis­chen Brunch« der sich vor­sichtig dem The­men­feld »Wirk­lichkeit und Möglichkeit« annäh­ern möchte. Ohne ins Illu­sorische abzu­gleit­en, sollen dabei in kurz­er Form The­men­bere­iche eröffnet wer­den, die in zukün­fti­gen Ver­anstal­tun­gen zu besprechen seien. Begriffe wie Fortschritt, Tech­nik, Sozial­is­mus oder die Kri­tik der Bedürfnisse sollen dabei in den Vorder­grund rück­en und ein wenig an ein Wis­sen erin­nern, das um das ganz Andere und gegen das Beste­hende zu kämpfen wusste.

Die Ver­anstal­tung find­et auf dem frei­Land- Gelände in Pots­dam statt. Die Zeitschrift Konkret aus Ham­burg beteiligt sich an dem Kongress. Als Referent*innenüber die gesamte Kon­gresszeit haben u. a. zuge­sagt Jut­ta Ditfurth,Thomas Ebermann,Thorsten Mense und Friederike Grem­l­iza. Diet­mar Dath wird sich in dig­i­taler Form beteili­gen eben­so Max Czollek. Weit­ere Anfra­gen laufen. Neben Reden und Debat­ten wird es eigene kleinere Beiträge geben sowie kul­turelle Ein­spielun­gen u. a. eine Lesung von Tex­ten Ronald M. Schernikaus.

Der genaue Ablauf wird ca. 1 Woche vor der Ver­anstal­tung bekan­nt gegeben.

Zu Ori­en­tierung hier zunächst fol­gende Eckdaten:
Der Kongress wird am Fre­itag, dem 02.10.2020 gegen 17 Uhr begin­nen und in einem län­geren Abend mün­den. Am Sam­stag, dem 03.10.2020 gibt es einige Aktio­nen in Pots­dam und Berlin, der Kongress wird dann gegen 17 Uhr mit dem »Nie wieder Deutschland«-Podium weit­erge­führt. Der kom­mu­nis­tis­che Brunch am Son­ntag, dem 04.10.2020 ist von 12 bis 16 Uhr geplant. Auf dem frei­Land-Gelände wird es genug Raum für Aus­tausch, Ken­nen­ler­nen und Ver­net­zung geben.

Da die Ver­anstal­tung auf­grund von Coro­na nicht mit vollbe­set­zten Pub­likum umzuset­zen ist, wir aber eine größt­mögliche Verteilung wün­schen, sollen die Haupt­de­bat­ten am Fre­itag und Sam­stag auch gestreamt wer­den u. a. in weit­ere inter­essierte Ver­anstal­tung­sorte. Wenn Ihr selb­st Inter­esse habt, ein anti­na­tionales View­ing des Kon­gress­es zu ver­anstal­ten, meldet Euch gern bei uns.

Weit­ere Infor­ma­tio­nen und das detail­lierte Pro­gramm folgen.

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Antifaschismus Gender & Sexualität Geschichte & Gedenken

Digitale Aktionstage zum Gedenkort KZ Uckermark

Der Ort

Das weit­ge­hend unbekan­nte Jugend­konzen­tra­tionslager Uck­er­mark wurde 1942 ca. 90 km nördlich von Berlin in unmit­tel­bar­er Nähe des Frauenkonzen­tra­tionslagers Ravens­brück durch KZ-Gefan­gene aus Ravens­brück gebaut. Es war das einzige Jugend­konzen­tra­tionslager während der Zeit des Nation­al­sozial­is­mus, das gezielt
für die Inhaftierung von Mäd­chen und jun­gen Frauen ein­gerichtet wurde. In der Zeit zwis­chen 1942 und 1945 wur­den 1.200 Frauen und Mäd­chen im KZ Uck­er­mark interniert und mussten dort unter extrem schlecht­en Lebens­be­din­gun­gen Zwangsar­beit leis­ten. Viele der Mäd­chen und Frauen wur­den als ‚asozial‘ kat­e­gorisiert und in das KZ Uck­er­mark gebracht. Im Jan­u­ar 1945 wurde auf dem teil­geräumten Gelände ein Ver­nich­tung­sort für Häftlinge aus dem KZ Ravens­brück und anderen Konzen­tra­tionslagern errichtet. Bis April 1945 wur­den dort ca. 5.000 Men­schen ermordet.

Dieses Jahr…

…wird das Bau- und Begeg­nungscamp auf­grund der Coro­na-Pan­demie lei­der nicht wie geplant über einen län­geren Zeitraum stat­tfind­en kön­nen. Stattdessen wird es eine dig­i­tale Aktionswoche und einige Führun­gen vor Ort geben. Ein­ge­laden sind alle, die das Gelände ken­nen­ler­nen wollen und Inter­esse haben, sich mit der Geschichte des Ortes und antifaschis­tis­ch­er Erin­nerungspoli­tik zu beschäfti­gen. Der Gedenko­rt Uck­er­mark ist offen zugänglich. Seit diesem Jahr gibt es eine neue Ausstel­lung über die Geschichte des Ortes.

Organisatorisches
  • Uhrzeit­en und Tre­ff­punk­te wer­den auf unserem Blog bekan­nt gegeben
  • Die Führun­gen und Rundgänge sind offen für alle Geschlechter und kosten­los. Wir freuen uns aber über Spenden!
  • Für Teil­nahme an ein­er Führung bitte vorher anmelden unter bau-begeg­nungscamp [at] web.de
  • Alle Infos zur Anfahrt unter: gedenkort-kz-uckermark.de/info/kontakt.htm
  • Das Gelände ist nur bed­ingt bar­ri­erearm – wenn ihr weit­ere Infor­ma­tio­nen oder Unter­stützung bei der Anreise braucht, meldet euch gern bei uns!

3.–9. August 2020: Dig­i­tale Aktionswoche

In dieser Woche wer­den wir euch auf einem Blog Infor­ma­tio­nen, Videos, Audiobeiträge, Texte, Por­traits etc. zu der Geschichte des ehe­ma­li­gen KZ Uck­er­mark und der dort Inhaftierten und deren Ange­höri­gen zur Ver­fü­gung stellen. Wir wer­den ver­schiedene Beiträge posten, die einen täglich wech­sel­nden Schw­er­punkt haben, z.B.:

  • Vorstel­lung der Ini­tia­tive für einen Gedenko­rt ehe­ma­liges KZ Uck­er­mark e.V.
  • Offenes Gedenken
  • Die Ver­fol­gung von Per­so­n­en als soge­nan­nte ‚Asoziale‘ sowie ‚Berufsver­brecherin­nen und Berufsver­brech­er‘ im Nation­al­sozial­is­mus und der Kampf um die Anerken­nung dieser ver­fol­gten Per­so­n­en als NS-Opfergruppe
  • Klas­sis­mus

13.–15. August 2020: Ver­anstal­tun­gen vor Ort

  • 13. August: Führung auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravens­brück (ange­fragt)
  • 14. August, 16–18 Uhr: Rundgang der Ini­tia­tive für einen Gedenko­rt ehe­ma­liges KZ Uck­er­mark e.V. über das Gelände
  • 15. August, 14–16 Uhr: Bauhis­torische Führung mit Bar­bara Schulz über das Gelände des ehe­ma­li­gen Jugend KZ und späteren Ver­nich­tung­sorts Uckermark

Da es wegen Hygien­ebes­tim­mungen eine max­i­male Teilnehmer*innenzahl gibt, bitte vorher anmelden unter: bau-begeg­nungscamp [at] web.de

Blog: gedenken.noblogs.org

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