Am Dienstag, den 17.11.2015, kam es in Rathenow im Zuge eines Aufmarsches des rassistischen „Bürgerbündnis Havelland“ zu einem Übergriff auf einen befreundeten Fotografen. Unser Freund wurde dabei glücklicherweise nicht verletzt, allerdings ein Teil seiner Ausrüstung durch die “besorgten Bürger” zerstört. Der Täter konnte im Anschluss festgenommen werden und erhielt eine Anzeige.
Wir rufen dazu auf, sich mit allen Betroffenen, der Übergriffe des rechten Mobs, zu solidarisieren! Konkret wollen wir eine kleine Spendenkampagne starten, damit die zerstörte Ausrüstung nicht nur ersetzt, sondern eventuell sogar erweitert werden kann! Unser Freund macht seit Jahren eine hervorragende Arbeit und begibt sich dafür immer wieder in Gefahr. Es ist Zeit, ihm auch dafür zu danken! Bitte spendet an:
JWP-MittenDrin e.V.
IBAN: DE81 1605 0202 1730 0101 95
BIC: WELADED1OPR
Verwendung: Unterstützung Rathenow
Desweiteren fordern wir die Zivilgesellschaft in Rathenow auf, endlich Farbe gegen die rechten Umtriebe in ihrer Stadt zu bekennen. Es muss Gegenprotest in Sicht- und Hörweite stattfinden, um zu zeigen, dass es Widerspruch zu den rechten Hetzparolen gibt. Ebenso werden wir den Gegenprotest am kommenden Dienstag auch personell unterstützen und rufen alle Antifaschist_Innen auf, sich ebenfalls zu beteiligen. Weitere Infos folgen!
Rechten Hetzern das Handwerk legen!
Refugees are welcome here!
Weitere Infos: https://presseservicern.wordpress.com/2015/11/17/rathenow-trauermarsch-mit-ubergriff/
Bilder: https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/sets/72157661270189856/with/22705532359/
Jahr: 2015
Nach dem gestern bereits die evangelische Kirche, unter Beteiligung von 200 Menschen, eine Gedenkzeremonie für die Opfer der heimtückischen Anschläge des so genannten „Islamischen Staates“ durchgeführt hatte, zog heute das flüchtlingsfeindliche „Bürgerbündnis Havelland“ mit einer eigenen Veranstaltung nach. An diesem so genannten Trauermarsch beteiligten sich ungefähr 180 Personen. Deutlich weniger als bei den Veranstaltungen an den drei voran gegangenen Dienstagen. Und klar aggressiver. Nach dem bereits bei den vorangegangenen Veranstaltungen gegen die vermeintliche „Lügenpresse“ gehetzt und seit letzter Woche konkret auch gegen einen bestimmten Fotojournalisten Stimmung gemacht wurde, eskalierte die Situation heute am Rande. Mehrere Personen umringten zunächst den Fotografen, dann griff einer nach dessen Technik und zerstörte einen Teil seiner Ausrüstung. Der mutmaßliche Täter wurde durch die Polizei gestellt und Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet.
Gegen den Marsch des „Bürgerbündnisses“ gab es auch heute keine Proteste. Lediglich am Märkischen Platz gab es eine Lichtinstallation, die darauf hinwies, dass Anschläge nicht nur in Frankreich stattfinden, sondern beispielsweise in Syrien alltäglich und somit Ursache für die Flucht nach Europa sind.
Fotos: hier
An einer von einem Kreistagsabgeordneten der rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) angemeldeten Versammlung in Pritzwalk (Landkeis Prignitz) nahmen am Montagabend ungefähr 160 Menschen teil. Die Veranstaltung hatte das Motto „Gegen das Politikversagen“ und richtete sich überwiegend gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Die Kundgebung in der Marktstraße wurde zuvor sowohl vom AfD Kreisverband Prignitz, von einem „Prignitzer Bürgerzusammenschluss“ und der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ beworben. Zeitgleich zu der flüchtlingsfeindlichen Versammlung fand zwischen St. Nikolaikirche und Markt eine Gegenveranstaltung statt, an der insgesamt 100 Menschen teilnahmen.
Proteste in Hör- und Sichtweite
Zentraler Protestort war der Platz nördlich der Marktstraße, zwischen Stadtverwaltung und einem Kreditinstitut. Dort hatten sich ungefähr 50 Menschen versammelt und lautstark versucht, die AfD-Kundgebung auf der anderen Straßenseite mit Pfiffen und Rufen zu stören. Die Polizei hielt jedoch die Teilnehmer_innen beider Veranstaltungen weitgehend auf Distanz. Zwischen den konträren Versammlungen war ein Raum von 15 bis 20m in der Breite, der mit Gittern abgetrennt war. Dort hielten sich auch zusätzliche Beamt_innen der Bereitschaftspolizei, mit Blickrichtung Gegendemonstration, auf. Der Protest in Hör- und Sichtweite blieb allerdings friedlich.
Eine zweite Versammlung, die ebenfalls als Gegenkundgebung zur AfD-Versammlung gewertet werden kann, fand wenige Meter weiter in um die St. Nikolaikirche statt. Bei dieser Veranstaltung handelte es sich um ein Friedensgebet. Ungefähr 50 Menschen beteiligten sich daran.
AfD-Kundgebung mit flüchtlingsfeindlichem Charakter
Hintergrund der AfD-Versammlung soll die derzeitige „Asylpolitik” gewesen sein. Anmelder Thomas Schlaffke hatte der Lokalzeitung „Der Prignitzer“ gegenüber erwähnt, dass sich bei so genannten „Bürgerstammtischen“ seiner Partei einige Menschen nicht ausreichend über das Thema Asyl informiert sahen. Obwohl er als Kreistagsabgeordneter Zahlen und Fakten kenne, sei er trotzdem um eine Anmeldung zu einer Demonstration gebeten worden.
Die Gründe hierfür scheinen auf der Hand zu liegen. Flüchtlingsfeindliche Versammlungen sind momentan populär und versprechen künftige Wähler_innenstimmen. Momentan liegt die momentan nicht im Bundestag vertretende AfD, laut Forsa-Umfrage vom 11. November 2015, im Bundestrend bei stolzen 7 %, bei INSA sogar bei 10 % (Umfrage vom 9. November 2015).
Bei den letzten Kommunalwahlen im Mai 2014 holte die „Alternative für Deutschland“ im Landkreis Prignitz allerdings gerade einmal 1,0 % der gültigen Wähler_innenstimmen und lag damit sogar noch unter dem Landesdurchschnitt von 1,3 %. Für das Mandat von Thomas Schlaffke im Landkreis Prignitz reichte es also gerade so. Deshalb vielleicht zur Verstärkung, hatte die AfD am Montagabend mit Andreas Kalbitz und Steffen Königer auch zwei ihrer Landtagsabgeordneten zur Kundgebung nach Pritzwalk entsandt. Ihr Thema war vor allem die derzeitige Flüchtlingssituation.
Kalbitz, der eine Biografie in der extremen Rechten hat, beklagte vor allem die, seiner Meinung nach, „völlig unkontrollierte Zuwanderung“ und wandte sich gegen den Zuzug von Familienangehörigen von Flüchtlingen. Weiterhin schürte er Überfremdungsängste und warf den „Politikern“ im Allgemeinen den „Verrat am deutschen Volk“ vor. Speziell wurde aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in seiner Rede angegriffen. Weiterhin thematisierte Kalbitz den demografischen Wandel und präsentierte als einfaches Rezept, statt Ausländer ins Land zu holen, einfach mehr Kinder zu machen. Ähnlich argumentiert übrigens auch die extreme Rechte innerhalb ihrer so genannten „Volkstod“-Kampagne. Mit „Nazis“ wolle die AfD jedoch nichts zu tun haben. Diesbezüglich meinte Steffen Königer in seinem Redebeitrag, dass er hier, auf der Kundgebung, keine Verfassungsfeinde sehe. Diese vermutete er eher im Bundestag in Berlin. Die Schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die auf der AfD Kundgebung wehte, war Königer anscheinend nicht aufgefallen. Er bejammerte stattdessen, dass gegen seine Partei immer wieder die „Nazikeule“ geschwungen werde. Dies beklagte auch der aus Neuruppin angereiste ehemalige Vorsitzender des Parteiverbandes Ostprignitz-Ruppin, Klaus Engelbertz, in seinem Redebeitrag. Er kritisierte vor allem die Gewerkschaften für deren vermeintlichen „Goebbels-Jargon“ und setzte die Antifa mit der „SA“ gleich. Zu dem deutlichen Anstieg von Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verlor er hingegen kein Wort.
Neonazis auf der AfD-Kundgebung
Trotz der scheinheiligen Distanzierungsversuche, scheinen die „Alternative für Deutschland“ und die extreme Rechte zumindest in der Beantwortung der Flüchtlingsfrage gemeinsame Schnittstellen zu haben. Auch gestern zog es so einige Sympathisant_innen des neonazistischen Milieus, es mögen zwischen 30 und 40 gewesen sein, zu der AfD-Kundgebung auf den Pritzwalker Marktplatz. Auch Neonazis aus lose organisierten Gruppen, wie den „Freien Kräften Prignitz“ oder den „Freien Kräften Wittstock/Dosse“ waren anwesend. Sie waren offenbar dem Aufruf der latent neonazistischen Internet-Initiative „Pritzwalk sagt NEIN zur Asylpolitik“ gefolgt. Eine deutliche Distanzierung der AfD zu dieser Seite gab es im Vorfeld nicht. Ebenso wenig erfolgte der Ausschluss der Neonazis von der Versammlung. Dies wäre übrigens ohne weiteres möglich gewesen, da der Kundgebungsort komplett mit Polizeigittern abgezäunt war und die Zugänge von Ordner_innen der Versammlung kontrolliert wurden. Stattdessen wurden einzelne Neonazis von den Ordnungskräften per Handschlag persönlich begrüßt.
Fotos: hier
Für Montag, den 16.11. wird im Internet zu einer Demonstration gegen das angebliche “Asylchaos” aufgerufen. Wir stellen uns dagegen und treffen uns um 19.00 Uhr in der Altstadt. Wir wollen in Strausberg weiter friedlich zusammen leben! Gemeinsam gegen Hetze, Ausgrenzung, Unmenschlichkeit!
Wer jetzt den Weg über das Mittelmeer hierher schafft, flieht unter Lebensgefahr vor Krieg, aus zerstörten Ländern, vor unmenschlichen Zuständen und Hunger in Flüchtlingslagern. Wenn wir diesen Menschen ein menschenwürdiges Leben bieten wollen, muss deshalb keine Strausbergerin und kein Strausberger sein Zuhause verlassen, niemand ist dadurch in seiner Existenz bedroht. Viele von uns helfen — beruflich, ehrenamtlich, privat. Wir wollen hier weiter friedlich zusammen leben, egal, wer wo geboren und aufgewachsen ist.
Wir lehnen die Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen ab: Es gibt kein einziges Problem, das mit Hass und Gewalt gegen Ausländerinnen und Ausländer gelöst werden könnte, außer unbefriedigten rassistischen Gewaltphantasien. Wer das bestreitet, belügt sich und andere und will mit Rassismus nach und nach die Grundlagen unseres Zusammenlebens zerstören.
Stellen Sie sich mit uns dieser rassistischen
Verhetzung entgegen!
Montag, 13. November, 19 Uhr, Strausberg, Altstadt.
Bündnis „Strausberg Nazifrei“
INFORIOT Bereits zum dritten Mal marschierte die NPD unter dem Motto “Das Boot ist voll” gegen Geflüchtete in Cottbus-Sachsendorf auf. An der Demonstration nahmen 150–200 Neonazis und RassistInnen teil. Während sich die NPD bei den ersten Demonstrationen noch um ein “bürgerliches” Auftreten bemüht hatte, leugnete sie an dem gestrigen Freitag nicht mehr die Parteinähe der Veranstaltung.

Die Demonstration begann am Zelt auf dem Gelsenkirchener Platz mit einer Ansprache von dem Anmelder Oliver Schierack und der Brandenburger NPD-Schatzmeisterin und Vorsitzende des Kreisverbandes Barnim-Uckermark, Aileen Rokohl. Danach bewegte sich der Aufzug unter Rufen wie “Kriminelle Ausländer Raus” oder “Wie wollen keine Asylantenheime” in die Gelsenkirchener Straße. In Höhe des Lidls, mitten im Nichts, hielt die Demonstration eine Zwischenkundgebung ab, auf der der stellvertretende Vorsitzende der NPD Berlin, Stefan Lux, der von Oliver Schierack als “Politikwissenschaftler” angekündigt wurde. Stefan Lux sprach von einer “wahren Sinnflut von Fremden”, die Deutschland “überschwemmen” würde. Er hetzte gegen Geflüchtete und bezeichnete sie als “bildungsfeindlich”, von der “islamistischen Hassideologie” und “menschenverachtendem Rassismus” besessen, die nur wegen Sozialleistungen her kommen würden. Nach einer kurzen Ansprache ging die Demonstration zurück und bog in die Ricarda-Huch-Straße ein.

Im Wohngebiet in der Helene-Weigel-Straße wurde eine weitere Zwischenkundgebung abgehalten. Dort hielt der Görlitzer NPD-Funktionär Andreas Storr eine längere Rede. In seiner Hetzrede prangerte er die Politik an, die “die Lebensinteressen [des] Volkes Tag täglich verrät und verletzt”. Er sprach von “paradisischen Zuständen” in Cottbus, anders als der “vordere Orient in Europa”, womit er den Duisburger Stadtteil “Marxlohe” (Fehler im Original) meinte. Außerdem sprach er davon, dass ganze “Völkerschaften” nach Deutschland kommen würden, die “naturgegeben” unter sich bleiben wollen. Storr prophezeite, dass die Deutschen zu einer Minderheit werden und dass Deutschland “Mord und Totschlag” vorherrschen würde.
Von der Helen-Weigel-Straße führte die Demonstration dann über die Berthold-Brecht-Straße zurück zum Ausgangspunkt. Ohne einer Abschlussrede meldete Oliver Schierack die Demonstration ab. Proteste gegen den NPD-Aufmarsch blieben an diesem Tag aus.
NPD kein Zugpferd in Cottbus
Die geringe TeilnehmerInnenzahl deutet darauf hin, dass die flüchtlingsfeindlichen Proteste in Cottbus an Antrieb verlieren. Am 9. Oktober versammelten sich knapp 40o Menschen auf den Norma Parkplatz in der Lipezker Straße zu einer unangemeldeten Versammlung, um von dort aus zur Notunterkunft in der Pozaner Straße zu ziehen. Dort fand zeitgleich ein Willkommensfest statt (Inforiot berichtete). Wöchentlich folgten Demonstrationen von der NPD und durch den mutmaßlichen Reichsbürger Rico Handta.
Wie schon bei den Demonstrationen zuvor offenbart sich, dass die NPD nicht das richtige Zugpferd für die Anti-Asyl-Mobilisierung in Cottbus ist. Mit den abwechselnden Demonstrationen der NPD und von Rico Handta im zweiwöchigem Rhytmus splittet sich inzwischen die potenzielle TeilnehmerInnenzahl in unterschiedliche Spektren auf.
Bekannte NPD-Aktivisten geben sich aggressiv
Während Andreas Storr in seiner Rede betonte, dass in seiner 30-jährigen NPD-Arbeit noch nie Gewalt durch die Partei ausging, sondern nur von den “bezahlten Antifa-Truppen”, bewiesen einige NPD Funktionäre im Verlauf der Demonstration genau das Gegenteil. So versuchte der Vize-Vorsitzende des Lausitzer NPD-Kreisverbandes, Alexander Bode, Pressevertreter_innen einzuschüchtern. Bode gilt als der Haupttäter der Hetzjagd von Guben 1999, in Folge dessen der Asylsuchende Farid Guendoul verstarb. Nach Auflösung der Demonstration kam es zu einem versuchten Übergriff: Mehrere Personen, darunter auch der Gubener NPD-Verordnete Markus Noack, nahmen Pressevertreter_innen ins Visier. Durch die Polizei konnte die Eskalation jedoch verhindert werden.

Weitere Veranstaltungen in Brandenburg
In zwei Wochen will die NPD erneut in Cottbus aufmarschieren. Ebenso hat die Alternative für Deutschland für den 25. November eine weitere Demonstration mit dem Brandenburger Parteichef Alexander Gauland angekündigt.
Auch in weiteren Städten Brandenburgs hält die rassistische Mobilisierung an. Am Samstag, den 14. November, wollen die BB.Patrioten eine Demonstration in Prenzlau abhalten. Für Montag, den 16. November, will BraMM eine Kundgebung in Strausberg abhalten. Ebenfalls will die AfD am Montag eine Demonstration in Pritzwalk abhalten. Als Redner werden die landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz und Steffen Königer angekündigt. Am Dienstag, den 17. November will das NPD-nahe “Bürgerbündnis Havelland” eine dritte Demonstration in Rathenow abhalten. Weitere Demonstrationen sollen am Freitag, den 20. November, in Jüterbog und am 21. November in Lindow stattfinden. Indes plant die NPD ebenfalls am kommenden Sonnabend eine Kundgebungstour duch Nordbrandenburg. In Templin, Angermünde und Bad Freienwalde wollen sie Halt machen. Als Redner der Kundgebungstour sind der Stargarder NPD-Stadtverordnete Norman Runge und der Landtagsabgeordnete Michael Andrejewski aus Mecklenburg-Vorpommern angekündigt.
Bilder: hier.
Fighting for 20 years!
Am 7. November 1992 wurde Rolf Schulze in Lehnin von drei Neonazis zusammengeschlagen, ertränkt und verbrannt.
Am 20. Februar 1996 wurde Sven Beuter in Brandenburg an der Havel von einem Neonazi zu Tode getreten.
Diese Morde sind nur zwei von über 180 die seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik verübt wurden. Beide Fälle eint, dass die Menschen von bekennenden und organisierten Neonazis ermordet worden sind. Beide Männer mussten sterben, weil sie „kein Recht, [haben] unter der strahlenden Sonne zu leben“, wie es einer der Mörder von Rolf Schulze während der Gerichtsverhandlung verlauten ließ.
Rolf Schulze war zu seinem Todeszeitpunkt im Jahre 1992 wohnungslos und schlief häufig auf Bahnhöfen. Des Weiteren ging er keiner geregelten Arbeit nach. Dies allein machte ihn zum potentiellen Opfer. Die drei Täter sahen in ihm nur eine Belastung für die Gesellschaft und befanden daher, dass sie im Sinne dieser agieren, wenn sie ihn misshandelten und in letzter Konsequenz töteten. Aus ihrer Ideologie machten sie während der Gerichtsverhandlung keinen Hehl. Auch gaben sie offen zu in verschieden neonazistischen Gruppierungen aktiv zu sein. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ihre Handlung nicht im Affekt geschehen ist, sondern letztendlich die Konsequenz ihrer Weltanschauung ist, in der nur Menschen ein Recht zu leben haben, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen
Ähnlich verhält es sich bei dem Mord an dem alternativen Jugendlichen Sven Beuter. Er wurde von dem noch heute in der Neonaziszene aktiven Sascha L. ermordet. Dieser versuchte zwar während der Gerichtsverhandlung Reue zu zeigen, tat dies nachweislich jedoch nur, um mit einer milderen Gefängnisstrafe davon zu kommen. Nach Beendigung dieser, machte er da weiter, wo er vor dem Mord aufgehört hatte. Seit diesem im Jahre 1996 gibt es immer wieder Gedenkveranstaltungen die versuchten, diesen nicht auf eine Auseinandersetzung von rivalisierenden Jugendgruppen zu reduzieren, sondern die politische Dimension klar zu benennen. An diese Tradition gilt es in diesem Jahr anzuknüpfen, denn solche Morde, als auch die zahlreichen Übergriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte geschehen nicht von ungefähr, sondern sind die logische Konsequenz der Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems.
Dieses basiert auf der Ausnutzung von Vor- und Nachteilen. Wer den Vorteil des Reichtums hat, kann weitestgehend tun und lassen was er_sie will. Wer diesen Vorteil nicht hat, muss sich ausbilden lassen, um möglichst nützlich zu sein und anschließend hoffen, dass er_sie irgendwo benötigt wird. Randgruppen passen nicht in dieses System, weil sie kaum Vorteile haben, welche sie zu ihren Gunsten nutzen können oder wollen. Der Kapitalismus kennt nur zwei Größen: Kapital und Arbeit, wer das eine nicht hat, muss das andere verkaufen. Wohnungslose Personen haben nur eine sehr kleine Chance sich wieder in die normale Gesellschaft zu integrieren. Randgruppen sind fremd und kaum eine_r möchte freiwilligen Kontakt zum Fremden. Das Fremde ist unangenehm, ob es nun LGBTIs, Geflüchtete, Wohnungslose oder andere sind, sie haben keinen Platz in der Gesellschaft, sie sind nicht präsent, sie haben nur ein kleine oder gar keine Lobby. So klärt sich auch die Frage wer Schuld an der aktuellen Misslage hat. Keine_r übernimmt gern die Verantwortung, also wird sie jenen zugeschoben, welche in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent sind. Soziale Gruppen werden zu Verursacher_innen stilisiert. Momentan wird dies, ohne zu hinterfragen, hauptsächlich auf geflüchtete Menschen angewendet.
Immer wieder bedienen sich namenhafte Politiker_innen der aktuellen Flüchtlingsthematik um gegen diese oder jene geflüchteten Gruppe mobil zu machen. Es wird versucht zwischen diese Menschen ein Keil zu treiben in dem zwei Gruppen geschaffen werden, zum einen die politischen Geflüchteten die vor dem Bürgerkrieg in Syrien, dem Irak und Afghanistan fliehen, und womöglich einen Mehrwert für unsere Gesellschaft haben, und zum anderen die ökonomischen Geflüchteten, die angeblich nur wegen der wirtschaftlichen Situation aus den Westbalkanländern fliehen. Ganz klar verschwiegen wird hierbei jedoch, dass gerade Länder wie Deutschland Fluchtursachen wie Krieg und Armut schaffen. Dies geschieht durch den Export von Waffen, die Unterstützung von diktatorischen und monarchistischen Regimen sowie die hemmungslose Ausbeutung von Rohstoffen, um nur einige Gründe zu nennen. Solange jedoch die oberste Maxime ist, unter allen Umständen Profit zu erwirtschaften, die Menschen gegeneinander auszuspielen und die Verantwortung für die eigenen Handlungen wegzuschieben, wird sich nichts ändern.
Die aktuelle Situation lässt sich gut mit den 1990er Jahren vergleichen als zahlreiche Menschen auf der Suche nach Schutz in die Bundesrepublik kamen. Schnell wurde für schon vorher bestehende Probleme genau diese Menschen verantwortlich gemacht. Der Hass entlud sich in Mölln, in Rostock-Lichtenhagen, aber auch in Lehnin und Brandenburg an der Havel. Die Konsequenz etwa war nicht, die Menschen vor den Übergriffen zu schützen, sondern die Asylgesetze zu verschärfen und die Polizei besser auszurüsten. Ähnliches geschieht gerade wieder, denn nahezu täglich brennen geplante Geflüchtetenunterkünfte, kommt es zu Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterstützer_innen. Die Konsequenzen sind ähnlich denen in den 1990er Jahren: Verschärfung der Gesetze, Ausweitung der Liste mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, Aufstockung der Polizeibediensteten und die Forderung nach Grenzkontrollen und ‑zäunen.
Ebenso ist die antifaschistische Antwort der der 1990er Jahre nicht unähnlich. Der antifaschistischen Reaktion auf die rassistische Gewalt und Politik wird und wurde stark repressiv begegnet. Während in Rostock-Lichtenhagen über mehrere Tage bürgerliche Rassist_innen und Neonazis gemeinsam Unterkünfte angreifen konnten, in denen Asylbewerber_innen und ehemalige Vertragsarbeiter_innen untergebracht waren, war es möglich einer antifaschistischen Demonstration sechs Tage später mit 3.000 Polizeibediensteten zu begegnen. Es wurden Zufahrtswege nach Rostock, sowie der Bahnverkehr kontrolliert und unterbrochen, mehrere Polizei- und Bundesgrenzschutzhubschrauber kreisten über Rostock, mehrere tausend Demonstrationsteilnehmer_innen konnten noch vor Rostock festgehalten werden. Das heutige Äquivalent ist nahezu jede Woche zu beobachten, regelmäßig brennen Asylbewerber_innenunterkünfte, es ist bemerkenswert, dass es noch keine Toten gab. Wie in den 1990er Jahren ist die antifaschistische Bewegung, durch rassistische Gewalt und Repression, zur Reaktion gezwungen. Es gibt keine universell funktionierende Gegenstrategie. Damals wie heute ist man damit beschäftigt die Brände zu löschen und die Mitstreiter_innen gegen Repression zu unterstützen.
Wir werden nicht zulassen, dass Sven Beuter, Rolf Schulze und all die anderen Todesopfer neonazistischer und kapitalistischer Weltanschauung vergessen werden. Wir werden am 20. Februar gemeinsam auf die Straße gehen und zeigen, wohin Neonazismus und Kapitalismus führen – zum Mord an Menschen. Dies bedeutend für uns, dass der antifaschistische Kampf auch immer ein antikapitalistischer ist. Solange Menschen vertrieben, unterdrückt und ermordet werden, gehen wir auf die Straße. Wir kämpfen für eine Welt ohne Grenzen, in der sich Menschen frei entfalten können. In der Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung der Vergangenheit angehören. Kommt mit uns am 20. Februar auf die Straße, gedenkt den zahlreichen ermordeten Menschen und zeigt deutlich, dass der Kapitalismus für uns keine Option ist.
Wir werden dafür kämpfen, dass den Opfern neonazistischer und kapitalistischer Gewalt erinnert wird, und aus Taten Konsequenzen gezogen werden. Dies schließt die kritische Auseinandersetzung, und Bekämpfung, des kapitalistischen Systems ein. Eine Gesellschaft welche aus der Ausbeutung der Unterschiede, vor allem den daraus resultierenden Nachteilen, basiert, wird als Folge unausweichlich die Gewalt ernten, die von den Vertreter_innen des Systems zuvor noch verurteilt worden ist. Das antifaschistische Gedenken und der damit verbundene Kampf schließt für uns auch die Auseinandersetzung mit der Abschottung Europas und die Unterstützung von Geflüchteten mit ein. Es kann nicht nur eine Spielregel des Regelbuchs bekämpft werden, die Problematik liegt im Ganzen. Wie in den 1990er Jahren werden wir dafür kämpfen, dennoch darf nicht vergessen werden, dass wir uns selbst (weiter-)bilden müssen. Antifaschistisches Handeln bedeutet nicht nur, dass man sich durch Kleidung, Aufnäher und Musik mit ihr identifiziert. Sie bedeutet vor allem geistig und körperlich fit zu sein, um auf allen Ebenen agieren zu können. Wir müssen in der Lage sein rassistischen Bürger_innen auch argumentativ entgegenzutreten, da diese keine Minderheit, sondern ein Großteil unserer Gesellschaft sind. Eine gewisse körperliche Fitness ist in Zeiten, in denen rassistische und neonazistische Gewaltäter_innen, immer freier agieren können, unabdingbar, um sich selbst und andere zu verteidigen.
Es ist deswegen nicht notwendig mit Motorradhelmen auf Demos zu gehen, dennoch können Aktion und Theorie nur funktionieren, wenn sie kombiniert werden.
Deshalb:
Organisiert euch!
Bildet euch!
Wehrt euch!
– Am 20. Februar 11 Uhr – Antifaschistische Demonstration in Brandenburg an der Havel –
Wehret den Anfängen
Die inzwischen sechste Versammlung der rechten Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ fand am Sonntag, den 01.11.2015 in Frankfurt (Oder) statt. Nach den sinkenden Teilnehmer*innenzahlen der letzten Veranstaltungen konnte die neonazistische Gruppierung etwa 100 Neonazis und sogenannte „Wutbürger*innen“ aus Frankfurt (Oder) und andernorts um sich scharen. Der von der Gruppe „Frankfurt/Oder wehrt sich“
organisierte Aufmarsch wurde, dieses Mal noch mehr als in der Vergangenheit, von auswärtigen Neonazis unterstützt. So kamen Delegationen diverser rechter Parteien wie der „NPD“, dem „III.Weg“ und der Partei „Die Rechte“ zur Unterstützung. Abgeschirmt von der Polizei konnten sie ihre Demonstration vom Stadion
bis zum Bahnhof durchführen. Mit den immer gleichen stumpfsinnigen Parolen und Redebeiträgen schienen sich die Neonazis dieses Mal selbst gelangweilt zu haben. Ein großer Teil der Teilnehmer*innen verließ die Zwischenkundgebung im Zentrum. Die Inhalte waren dann wohl doch zu ermüdend.
Im Vorfeld hatte das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ erneut zu Blockaden auf der Route des Neonaziaufmarsches aufgerufen. Diese waren aus mehreren Gründen kaum umsetzbar. Zu einen lag dies an der geringen Teilnehmer*innenzahl von 200 Personen. Das Prinzip der Blockade kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Anzahl derer, die den Aufmarsch verhindern wollen, so hoch ist, dass eine Räumung einer Blockade unverhältnismäßig wäre. Es braucht also mehr Bürger*innen, die sich den Rassist*innen in den Weg stellen.
In der Karl-Marx-Straße auf Höhe des Oderturms versperrten allerdings weit über 100 Antifaschist*innen erfolgreich den Weg zur geplanten Geflüchtetenunterkunft am Karl-Ritter-Platz. An der Franz-Mehring-Straße konnte eine 30-köpfige Blockade zeitweilig aufrechterhalten werden. Das aggressive Auftreten einiger Polizeibeamter tat sein Übriges um Blockaden unmöglich zu machen.
„Trotz der nunmehr sechsten neonazistischen Versammlung in diesem Jahr müssen wir zahlreich auf die Straße gehen. Um Dresdner oder Cottbuser Zustände vorzubeugen, braucht es eine demokratische Zivilgesellschaft, die den Nazis keine Räume für ihre Hetze gibt. Schon an diesem Wochenende findet ein erneuter neonazistischer Aufmarsch in Brieskow-Finkenheerd statt. Auch mit weiteren Aufmärschen in Frankfurt (Oder) ist zu rechnen. Diesen rechten Umtrieben müssen wir uns zahlreich und engagiert in den Weg stellen“ so Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses.
Bundesweit brennen Unterkünfte von Asylbewerber*innen, gibt es gewalttätige Übergriffe auf Geflüchtete und alltäglicher Rassismus trägt zu einer weiteren Traumatisierung der Geflüchteten bei. Seit Anfang der
1990er Jahre gab es nicht mehr einen so hohen Grad an rechten Demonstrationen und militanten rechten Aktionen. „Wir müssen uns gegen die Normalisierung von Rassismus stark machen. Einen Rückfall in
Zustände der 1990er Jahre gilt es mittels antifaschistischen Engagements zu verhindern.“ so Lassau.
Frankfurt (Oder), den 13.11.2015
Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“

Als Mitte September bekannt wurde, dass in der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt mehrfach Nazi-Parolen gerufen worden sein sollen und wenig später auch Vorwürfe gegen einen Lehrgangsleiter im Raum standen, ermittelte bald der polizeiliche Staatsschutz gegen neun Berufsfeuerwehrleute. Bei einem Lehrgang sollen diese RechtsRock abgespielt und dabei mehrfach „Sieg-Heil“ gerufen haben. [1] Weiterhin ist in Oberhavel der NPD-nahe Neonazi Maik Neuber in der örtlichen Feuerwehr Oberkrämer Marwitz als Oberfeuerwehrmann aktiv. Dieser war auch Anmelder eines rassistischen „Abendspazierganges“ in Velten am 5. November diesen Jahres. Neben ihm ist auch der NPD-Anhänger und Neonazi Marko Fichte in Oberhavel als Feuerwehrmann aktiv. Erst 2014 machte er noch eine Truppmannausbildung bei der Freiwilligen Feuerwehr Borgsdorf. Ebenso in einer Freiwilligen Feuerwehr in Oberhavel soll auch der Neonazi Maik Naumann aktiv sein. [2]
Nun wird, wie üblich, mehr oder weniger nach Aufklärung und Konsequenzen verlangt, doch die grundlegenden Probleme, die dahinter stehen, sind an sich keine Neuen. Neonazis und ihre ideologischen Versatzstücke sind in sämtlichen gesellschaftlichen Bereichen präsent. Warum sie gerade nicht in der Feuerwehr auftauchen und aktiv sein sollen, kann niemand wirklich beantworten. Gerade hier gibt es, z.B. in der Jugendfeuerwehr, ein Freizeitangebot, klare Regeln, männliche Vergemeinschaftung sowie Uniformen und Abzeichen. Alles Dinge von denen sich auch, und vor allem, Neonazis angesprochen fühlen können. Dazu kommt ein starker Korpsgeist, in Feuerwehrkreisen „Kameradschaft“ genannt, der sich vor allem bei Kritik von außen und innen zeigt und sich in dem oben geschilderten Fall an der Landesfeuerwehrschule beispielsweise als Mobbing äußert. [3] Insbesondere die Darstellung der eigenen heroischen Männlichkeit, häufige frauen‑, homo- und trans*feindliche Geschlechterbilder und stark hierarchische Strukturen, die sich nicht nur auf Einsatzsituationen beschränken, können genauso Anreize für durchschnittliche Mitglieder wie für Neonazis sein. Zwar gibt es auch progressive Tendenzen in Bezug auf Geschlechterrollen und Leistungsgedanken innerhalb der Feuerwehr, doch befinden sich diese noch deutlich in den Kinderschuhen. Oft hängen emanzipatorische Ansätze in der Ausbildung an der einzelnen Ausbilder_in oder Jugendfeuerwehrwart_in und deren jeweiligen Methoden und Schwerpunkten.
Am 14. November 2015 soll nun in der Biosphäre in Potsdam auf der Delegiertenversammlung des Landesfeuerwehrverbandes Brandenburg auch sein 25-jähriges Bestehen gefeiert werden und der brandenburgische Innenminister Schröter wird ein Grußwort halten. Stellt sich die Frage, ob es auch um die Geschehnisse der letzten Monate gehen wird und wie mögliche Konsequenzen seitens des Feuerwehrverbandes gegen neonazistische Tendenzen aussehen werden. Immerhin bearbeiten andere offizielle Strukturen das konkrete Auftreten von Neonazis in Feuerwehruniformen seit einiger Zeit. So bemerkte vor ca. fünf Jahren, im Rahmen des Deutschen Feuerwehrtages in Leipzig, der Landesjugendfeuerwehrwart aus Mecklenburg-Vorpommern: „Man kann es nicht Schönreden […] Rechtsextreme Vorfälle gibt es vielerorts in den Feuerwehren.“ [4] Eigentlich sollte es an diesem Tag darum gehen, zu zeigen, dass die Feuerwehr nicht ausschließlich aus deutschen heterosexuellen Männern besteht, doch überlagerte auch hier das Thema Neonazis den eigentlich angedachten Diskurs.
Wenn es vielerorts in der Feuerwehr Neonazis gibt, stellt sich für Potsdam schnell die Frage – hier auch?
Neonazis in Fahrland – Im Jugendclub und in der Feuerwehr
Die Antwort lautet schlicht: Ja – und zwar hinlänglich bekannt in Fahrland.
Der Blick nach Potsdam-Nord beschäftigt Antifaschist_innen in Potsdam seit über zehn Jahren. Damals sorgte eine Initiative von linken Jugendlichen aus Potsdam und Potsdam-Nord unter dem Namen „Engagierte Jugend – Potsdamer Umland“ für den Anstoß einer länger andauernden Debatte um Neonazis in Potsdams Norden und speziell in Fahrland. Sie verteilten Flyer, schrieben einen offenen Brief und gaben ein Presseinterview. Der später mit dem „Band für Mut und Verständigung“ ausgezeichnete Verein „Jugend engagiert in Potsdam“, der Betroffenen rechter Gewalt zur Seite stand und ihnen eine Stimme verschaffte, organisierte eine Veranstaltung zum Thema rechte Gewalt im örtlichen Jugendclub. [5]
Der Jugendclub „Treffpunkt Fahrland e.V.“ sowie der örtliche Jugendleiter Thomas Liebe gerieten in die Kritik. Laut den damals von Neonazigewalt Betroffenen und ihrem Umfeld hielten sich dort regelmäßig Neonazis auf und nutzten diesen als ihren Rückzugsort. Sie beanspruchten den Jugendclub und das Dorf als „ihr Territorium“ und gingen gegen jede_n vor die_der sich ihnen – aus ihrer Perspektive – in den Weg stellte. [6]
Antifaschistische Gruppen ergänzten dieses Bild mit ihren Recherchen und belegten die Berichte der Betroffenen mit weiteren Details über die neonazistischen Aktivitäten und die Organisierung der örtlichen Neonazis. [7] Dabei ging es aber nie nur um die Aktivitäten der extremen Rechten in den Dörfern, sondern auch stets um den fatalen Umgang mit diesen durch Thomas Liebe und andere Verantwortliche in und um den Jugendclub „Treffpunkt Fahrland e.V.“. Das Konzept der „akzeptierenden Jugendarbeit“ führte zu einer Hegemonie neonazistischer und menschenfeindlicher Jugendlicher in Potsdams Norden. [8]

Zu den damals in Potsdam-Nord aktiven Neonazis gehörten in Fahrland: Benjamin Oestreich, Tino Nindelt, Paddy Bohm, Matthias Wiechert, Dustin Schlemminger und Paul Enderling; in Neu-Fahrland Jens Zimmer und in Marquardt war es Steffen Meyer. Zu den Potsdamern, die gelegentlich zu Besuch im Dorf oder im Jugendclub waren, gehörten Manuel Baruth, der ehemalige Bassist der RechtsRockband „Preussenstolz“, und sein Mitschüler Lasse Risch. In ihrem Umfeld, dass die Neonazifreund_innen tolerierte und mitunter selbst „Thor Steinar“ und andere Neonazikleidung trug, zählten u.a. Personen wie Kevin Bohm, Bruder von Paddy Bohm, Max R., Dustin E., auch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Fahrland, Sascha Li. und Oliver St.. Bereits damals war ein Teil dieser jungen organisierten und unorganisierten Neonazis auch in der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr aktiv.
Neonazistischer Hintergrund – Paul Enderling als Jugendwart und Hauptfeuerwehrmann
Zwei der eben genannten tauchten Jahre später als „Gruppenführer“ in der Ortswehrführung der Freiwilligen Feuerwehr Fahrland wieder auf. Paul Enderling als „Jugendwart“ sowie „Hauptfeuerwehrmann“ und Sascha Li. als „Löschmeister“. Beide sind von Beruf Soldat und durch den Erwerb einer „Jugendleitercard“ und weiterer Qualifikationen aus Sicht der Feuerwehr Fahrland berechtigt mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Sascha Li. ist seit 1999 bei der Freiwilligen Feuerwehr, Paul Enderling seit dem Jahr 2000. [9]
Darum, dass sie ausbildungstechnisch und handwerklich vermutlich geeignet sind, soll es hier nicht vordergründig gehen. Jedoch ist ihre fachliche Kompetenz nicht allein darauf zu beschränken. Gerade bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kommt der Rolle der Vorbildpersonen eine wichtige Bedeutung zu. Neonazis sind hierbei aus vielerlei Gründen an der absolut falschen Stelle.

Paul Enderling gehört seit mindestens neun Jahren zur Potsdamer Neonaziszene. Er war Teil der Neonazikameradschaft die sich sowohl „Alternative Jugend Potsdam“ (AJP) als auch „Aktionsgruppe Potsdam Nord“ (AGPN) nannte. Die AJP trat erstmals am 21.10.2006 bei einem Neonaziaufmarsch in Berlin-Tegel in Erscheinung und ging 2009 mit ihrer Homepage ins Netz. Auf dieser präsentierten sie ihre Propagandaaktionen und berichteten von neonazistischen Aufmärschen, Vernetzungstreffen, Fußballturnieren und revisionistischen Gedenkveranstaltungen. Die Zeitspanne von 2007–2011 bildete dabei die Hochphase der neonazistischen Aktivitäten im Potsdamer Norden. In dieser festigten sie ihre Strukturen, tobten sich aktionistisch mit Verbreitung von Propaganda und kleinen Aktionen aus, vernetzten sich zum Teil auch überregional und beanspruchten Potsdam-Nord als ihr Territorium. Durch ihre Aktivitäten versuchten sie vehement eine so genannte „National befreite Zone“ zu errichten. All dies ist in den vergangenen Jahren, detailliert von Gruppen wie der Antifaschistische Linke Potsdam und dem Antifaschistischen Pressearchiv Potsdam dokumentiert worden und auch heute noch zugänglich und nachvollziehbar.

Als einer der Jüngsten nahm Enderling am 13. Februar 2007 an einer spontanen Demonstration von Potsdamer Neonazis in der Potsdamer Innenstadt teil. Diese fand anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens statt. An Propagandaaktionen in und um Potsdam hat er regelmäßig teilgenommen, verteilte u.a. zusammen mit dem Neonazi Benjamin Oestreich Flyer für die NPD und verbreitete mittels Plakaten und Aufklebern neonazistische Inhalte in Fahrland und umliegenden Dörfern. Über die Grenzen von Potsdam-Nord hinaus, war Paul Enderling in seiner Freizeit regelmäßig mit weiteren Neonazis in der Großraumdisko „Music Parc“ in Teltow feiern sowie auf regionalen wie auch überregionalen Neonaziaufmärschen aktiv (z.B. am 12.04.2008 in Lübben und am 12.01.2008 in Magdeburg). Neben regelmäßigen Versuchen der Einschüchterung und Bedrohung alternativer Jugendlicher im Dorf führte er, zusammen mit den oben genannten Neonazis, auch gewalttätige Übergriffe durch. Am 14. August 2007 war er direkt an einem Angriff auf einen alternativen Jugendlichen in Fahrland beteiligt.
Sascha Li., bei der Feuerwehr Fahrland als Gruppenführer und Löschmeister aktiv, hat seit seiner Jugend Kontakt in die neonazistische Szene im Potsdamer Norden – sei es auf Fußballturnieren oder auf Parties mit den örtlichen jugendlichen Neonazis und Mitläufer_innen. Freundschaftlichen Kontakt pflegt er zu vielen der oben genannten neonazistischen Clique – auch zu den Neonazis Jens Zimmer, Tino Nindelt und Benjamin Oestreich.

Dieser Kontakt wird auch über den Zusammenschluss „PdmNord“ aufrecht erhalten. In diesem sind neben Enderling und Li. viele der oben Genannten „organisiert“ und verabreden sich zu (Haus)Partys oder ähnlichem. In ihrer Außendarstellung setzen sie dabei u.a. auf Rockerästhetik mit Kutte und Aufnähern sowie Aufkleber. Zusammen mit dem Label „PdmNord“ tauchen immer wieder auch neonazistische Aufkleber oder Schmierereien, z.B. der Schriftzug „Potsdam Nord 88“ am 25. November 2012 auf dem Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße, auf. [10] „Mitglieder“ von „PdmNord“ tragen mitunter neonazistische Aufdrucke auf Ihrer Kleidung zur Schau und bedrohten bereits alternative Jugendliche am Potsdamer Hauptbahnhof.
Dorfgemeinschaft und deutsche Abwehrdiskurse
Neonazis und Menschen, die sich von menschenverachtenden Standpunkten nicht eindeutig distanzieren oder diesen unkritisch gegenüber stehen, haben in der Arbeit mit Jugendlichen nichts verloren. Auch, wenn mit solchen Vorwürfen konfrontierte Vereine oder Institutionen mit Vorliebe darauf hinweisen und argumentieren, dass die gemeinten Neonazis doch so nett, umgänglich und vertrauenswürdig seien.
Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre mit dem Thema Neonazis in Fahrland zeigen, dass es wenig Bereitschaft der Akteur_innen vor Ort gibt, substanzielle Kritik, geschweige denn Selbstkritik, zu üben. Es ist davon auszugehen, dass auch in diesem Fall den vorgelegten Tatsachen mit Verschlossenheit, Ablehnung und einer Abwehr der Kritik „von Außen“ begegnet werden wird.
So unreflektiert und einfältig reproduzierte Klischees des deutschen dörflichen Abwehrdiskurses auch seien mögen, so real werden diese immer wieder, wenn sich Antifaschist_innen oder Betroffenen von Neonazigewalt in kleineren Gemeinden und Dorfgemeinschaften zu Wort melden. In Fahrland ist Thomas Liebe, in seiner Funktion als Leiter des Jugendclubs, einer derjenigen, die diese Abwehrhaltung immer wieder einnimmt und so der den Neonazis Schutz bietenden Dorfgemeinschaft Argumentationen und Bezugspunkte liefert. Auf einer Sitzung des „Lokalen Aktionsplan gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ vertrat er tatsächlich die Meinung, dass in Fahrland „mehr Probleme mit Linken als mit Rechten“ zu behandeln wären. [11] Eine Aussage von der er sich, trotz vielfacher Kritik, bis heute nicht distanzierte.
Dass es auch anders ablaufen kann, zeigt das Beispiel Eisenhüttenstadt. Hier trauten sich Verantwortliche den Mund auf zumachen und nicht weg zusehen, wenn klar neonazistisches und menschenfeindliches Gedankengut verbreitet wird. Es bleibt zwar abzuwarten, wie sich der dortige Fall entwickelt und welche kurz‑, mittel- und langfristige Konsequenzen gezogen werden, aber immerhin haben sich Mitglieder der Feuerwehrschule gegen Neonazis und menschenverachtende Tendenzen in ihren Reihen gestellt. Etwas, was in Fahrland und der dortigen Freiwilligen Feuerwehr bisher nicht geschah.
[1] http://www.maz-online.de/Brandenburg/Nazi-Sprueche-vom-Feuerwehr-Ausbilder und http://www.maz-online.de/Brandenburg/Feuerwehren-Neonazi-Verdacht-erhaertet und http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1005979/ und http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1005111/
[2] http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1019827/ und http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/abendspazierg-nger-sind-zur-ck
[3] http://www.maz-online.de/Brandenburg/Feuerwehrschule-Mobbing-gegen-internen-Kritiker
[4] http://www.news.de/politik/855060779/die-roten-sehen-braun/1/
[5] Quelle „Engagierte Jugend – Potsdamer Umland“ und http://www.pnn.de/potsdam/79872/
[6] http://www.pnn.de/potsdam/114314/, http://www.pnn.de/potsdam/114314/, http://www.pnn.de/leserbriefe/78213/, http://www.pnn.de/potsdam/31006/, http://www.pnn.de/potsdam/43528/
[7] https://inforiot.de/nazis-in-potsdam-nord/, https://inforiot.de/potsdamer-neonazis-bestaendig-aktiv/, https://inforiot.de/nicht-weg-sondern-hinsehen-es-gibt-ein-problem/, https://inforiot.de/potsdamer-neonazis-gut-organisiert-npd-als-treibende-kraft/, https://inforiot.de/naziaktivitaeten-in-potsdam-und-umgebung-im-fruehjahr-2010/
[8] u.a. „Hinter den Kulissen – Hinter- und Vordergründe der brandenburgischen Neonaziszene“; 2013; Seite 34
[9] http://www.feuerwehr-fahrland.de/ortswehrfuehrung.html
[10] http://apap.blogsport.eu/2013/01/chronik-neonazistischer-aktivitaten-in-potsdam-und-umgebung-2012/; Eintrag vom 25.11.2012
[11] http://www.pnn.de/potsdam/43528/
Angriff auf’s Jugendprojekt Horte
Am 09. November 2015 kam es gegen 06.15 Uhr zu einem Angriff auf das Horte in Strausberg. Dabei ging eine Scheibe im oberen, bewohnten Teil des Hauses durch Steinwurf oder Zwillenschuss zu Bruch. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.
Ohrenscheinlich handelte es sich um einen einzelnen Täter unbestimmten Alters, der sich im Weiteren auch lautstark gegen „scheiß Zecken und Juden“ äußerte und anschließend leider unerkannt verduften konnte. Da besteht unsererseits noch Gesprächsbedarf, Freundchen!
Wir als AJP gehen von einem Zusammenhang zu den in letzter Zeit wieder erwachenden Neonazikadern und ‑strukturen Strausbergs aus. Auch, dass der 77te Jahrestag der Reichsprogromnacht als Anlass gedient hat, kann angenommen werden.
Nazis über’s Maul fahren — jetzt und hier!
Venceremos & hasta la vista, culo!
An der nunmehr dritten Versammlung des flüchtlingsfeindlichen „Bürgerbündnisses Rathenow“ haben sich wieder mehrere hundert Menschen beteiligt. Schätzungen gehen von ungefähr 400 Personen aus. Die Veranstaltung wurde erstmals auch als Demonstration durch einen Teil der Stadt durchgeführt. Während des Marsches durch die Goethestraße entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz auch Brandfackeln und verliehen dem Aufzug so den Charakter eines Fackelmarsches. Allerdings blieb die Anzahl der Versammlungsteilnehmer_innen, die dem neonazistischen Milieu zugeordnet werden konnten, relativ konstant bei ungefähr 50–60 Personen, also innerhalb der Versammlung deutlich in der Minderheit. Dennoch war wieder zu beobachten, dass diese Personenkreise die Veranstaltung benutzten um sich zu inszenieren. Weiterhin war die Steigerung einer aggressiven Grundstimmung bei einem Großteil der Versammlungsteilnehmer_innen deutlich spürbar. Eine Gegenveranstaltung gab es übrigens nicht. Das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ wollte jeglichen möglichen Konflikt aus dem Weg gehen. Stattdessen wurden an Straßenlampen Schilder angebracht, die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen entkräften sollten. Zudem wurde durch die Kirche ein Friedensgebet als Protest zur der Veranstaltung des Bürgerbündnisses angeboten. An diesem beteiligten sich ungefähr 30 Menschen. Den Versuch eines direkten Protestes gab es hingegen nur in der Berliner Straße, wo sich eine kleine Gruppe von ungefähr zehn alternativen bzw. antifaschistischen Jugendlichen gesammelt hatte.
Ton wird schärfer
Deutlich mehr Menschen standen hingegen wieder auf dem Märkischen Platz, wo ab 18.30 Uhr die Auftaktkundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ stattfand. Viele kamen auch wieder mit der Nationalflagge oder der Fahne des Landes Brandenburg. Akzeptiert wurde aber anscheinend auch revisionistisch anmutende Beflaggung des heute zur Republik Polen gehörenden Gebietes „Westpreußen“ sowie die seit den 2010er Jahren hauptsächlich von Gruppen der extremen Rechten genutzte, so genannte „Wirmer-Flagge“. Bisher sind die Veranstalter_innen offenbar um eine Geschlossenheit ihres „Volkes“ bemüht. Bemerkenswert ist diesbezüglich auch eine schleichende Radikalisierung in der Gestaltung der Reden. Nicht nur Ressentiments gegen Flüchtlinge werden immer wieder ausgiebig artikuliert, sondern auch Menschengruppen, die sich nicht dem kollektiven Rausch der Demagogen auf dem Märkischen Platz hingeben, als „Lügenpresse“ oder „Volksverräter“ verunglimpft. Dabei wird zum Teil auch nicht davor zurückgeschreckt bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, um das „Volk“ anzustacheln. Die permanente Abwertung dieser Feindbilder, bei zunehmender Aggressivität wirkt, von außen betrachtet, immer bedrohlicher und könnte in Zukunft durchaus zu einer Senkung der Hemmschwelle zur Ausübung physischer Gewalt führen, zumal in den Reihen des „Bürgerbündnisses“ auch viele bekannte Gewalttäter mitlaufen.
Wieder einschlägige Neonazi-Ordner
Zum Teil waren beispielsweise bei der zweiten Veranstaltung des „Bürgerbündnisses Havelland“ in der vergangenen Woche sogar gewalttätige und diesbezüglich vorbestrafte Neonazis, die zudem mehrfach an NPD Versammlungen teilnahmen, als Veranstaltungsordner eingesetzt. Zwar wurde die Parteinähe der Ordner durch den Sprecher des havelländischen „Bürgerbündnisses“, Nico Tews, in einem wohlwollenden Interview mit einer Lokalzeitung beharrlich bestritten, diese Personen aber andererseits bei der jüngsten Kundgebung auch nicht mehr aufgestellt. Dafür wurde auf andere, ebenfalls bekannte Neonazis zurückgegriffen. Beispielsweise auf Andy K., einem in den 2000er Jahren aktiven Sympathisanten des NPD Ortsbereiches Rathenow, der wegen Gewalt- und Propagandadelikten vorbelastet ist. Er und eine weitere Person aus dem neonazistischen Milieu sollen u.a. am 11. August 2005 einen 20-Jährigen in der Goethestraße mit einer Bierflasche gegen das Kinn geschlagen haben. Weiterhin war auch der Rathenower Neonazi Thomas L. als Ordner eingesetzt. L. gilt ebenfalls als NPD Sympathisant und nahm in der Vergangenheit an zahlreichen Versammlungen dieser Partei teil. Zu einer Kundgebung der NPD im Jahr 2008 in Premnitz erschien er sogar eindeutig in Parteikluft. Auf alten, damals öffentlich einsehbaren Bildern in einem sozialen Internetnetzwerk posierte er zu dem vor einer Fahne der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN). Heute tritt L. vor allem als „nationaler“ Liedermacher unter dem Pseudonym „TOitonicus“ auf.
Neonazis inszenierten Fackelmarsch
Neben den einschlägig bekannten Ordnern war auch wieder eine Gruppe von 50–60 weiteren Neonazis Teil der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“. Dabei handelte es sich vor allem um bekannte Akteure aus Rathenow, Premnitz, Nauen und Ketzin/Havel. Diese suchten auch heute wieder die Veranstaltung des „Bürgerbündnisses“ für sich zu vereinnahmen. Nach Beendigung der Kundgebung auf dem Märkischen Platz, mit Beginn des vom Veranstalter Christian Kaiser als „Abendspaziergang“ bezeichneten Demonstrationszuges durch die Goethestraße, die Nauener Straße, die Friesacker Straße sowie der Forststraße, entzündeten mehrere bekannte Neonazis aus Rathenow und Premnitz Brandfackeln und verliehen dem gesamten Aufzug so den Charakter eines „Fackelmarsches“.
NPD sucht Anschluss
Auch die NPD, insbesondere in Person des Rathenower Stadtverordneten und Kreistagsabgeordneten Michel Müller, war ebenfalls wieder auf der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ vertreten. Die Partei sucht offenbar nach wie vor eine Brücke zu den bürgerlichen Versammlungsteilnehmer_innen zu schlagen. In der Nacht von Montag zu Dienstag verteilten mehrere Sympathisant_innen der Partei auch Flyer im Stadtgebiet von Rathenow, auf denen u.a. das Konterfei Müllers und sowie flüchtlingsfeindliche bzw. rassistische Parolen abgedruckt waren.
Aktionsbündnis zog sich zurück
Nach dem bekannt wurde, dass sich das „Bürgerbündnis Havelland“ am Dienstagabend erneut auf dem Märkischen Platz sammeln und anschließend sogar als Demonstrationsblock durch die Stadt laufen würde, nahm das Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ Abstand von der Ausrichtung einer eigenen Kundgebung mit „Herz statt Hetze“. Als Begründung wurde die Vermeidung einer „weitere(n) Polarisierung“ der Lager angegeben. Ein „Aufbau von Fronten“ sei „mit Sicherheit nicht der Weg zu Lösungen im Sinne eines Miteinanders in der Stadt Rathenow“, so das Aktionsbündnis weiter. Um sich dennoch zu positionieren versuchte „Rathenow zeigt Flagge“ das bürgerliche Publikum des „Bürgerbündnisses Havelland“ mit Fakten und Argumenten zu überzeugen. So wurden beispielsweise bereits am Nachmittag Pappschilder aufgehängt, auf dem jeweils ein Vorurteil und eine entsprechend sachliche Entkräftung abgedruckt waren. Nico Tews vom „Bürgerbündnis Havelland“ ging in seiner Hetzrede tatsächlich auch auf diese Plakate ein, tat sie jedoch als „Wisch“ und „Steuergeldverschwendung“ ab. Ähnlich fruchtlos blieb das Friedensgebet in der Lutherkirche, dass ebenfalls auch als Dialog angeboten wurde. Die „besorgten Bürger_innen“ zogen im Schein der Brandfackeln ohne Gesprächsinteresse an der Kirche vorbei. Immerhin wurde drinnen zumindest über eine künftige Verfahrensweise mit derartigen Veranstaltungen beraten und mögliche Optionen erörtert. Konkrete Gegenaktionen stehen aber momentan offenbar immer noch nicht zur Diskussion, obwohl die Aufgabe eines Standortes für direkte Gegenproteste indes von einigen Menschen als „Rückzug“ vor den Hetzern und ihren teilweise extrem rechten Anhang kritisiert wurde. Die Motivation für eventuelle Gegenveranstaltungen scheint in der Zivilgesellschaft momentan jedoch auch an dem Missverhältnis der Zahlen zu liegen. Zweimal wurde zu Gegenkundgebungen aufgerufen, zweimal war „Rathenow zeigt Flagge“, trotz für Rathenower Verhältnisse erheblichen Interesses, in der Minderheit. Am Dienstagabend sammelten sich zu dem auch nur ungefähr zehn alternative bzw. antifaschistische Jugendlichen für spontanen Protest in der Berliner Straße.
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