Unter den am Montag abgeschobenen Personen kam einer der 15 Afghanen aus Brandenburg. Das Bundesland beteiligt sich zum ersten Mal an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan – die nunmehr vierte seit Dezember 2016. Damit ist Brandenburg das erste Bundesland mit Regierungsbeteiligung der LINKEN, das nach Afghanistan abschiebt.
Im Vorfeld der Abschiebung aus München wurde der afghanische Mann in Brandenburg an der Havel von seiner Arbeit abgeholt. Der Flüchtlingsrat kritisiert die Abschiebung in das Kriegsgebiet aufs Schärfste und appelliert an die Landesregierung, Abschiebungen nach Afghanistan sofort zu stoppen und alle Schritte in die Wege zu leiten, dass die betroffene Person wieder zurückkehren kann.
Einzelfallprüfung ersetzt keinen Abschiebestopp
Die Abschiebung fand wenige Tage statt, nachdem im Landtag der Beschluss über die „Aussetzung von Abschiebungen nach Afghanistan“ gefasst wurde. Darin sind eine sorgfältige Einzelfallprüfung und das Ausschöpfen von Ermessensspielräumen festgeschrieben. Den Landtagsabgeordneten war sehr wohl bewusst, dass Schutzsuchende aus Afghanistan in ein Kriegsgebiet abgeschoben würden. Mit der Ermessens- und Einzelfallprüfung entschied der Landtag sich gegen einen Landes-Abschiebestopp nach Afghanistan.
Die Abschiebung des afghanischen Mannes macht deutlich, dass der Landtagsbeschluss keinen Abschiebestopp ersetzen kann. Beamt_innen sind in jedem Fall – nicht nur bei Flüchtlingen aus Afghanistan – verpflichtet, im Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebehindernisse vorliegen bzw. die Abschiebung einen Eingriff in Grundrechte darstellen würde. Folgt man dem aktuellen Bericht des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), gefährdet jede Abschiebung nach Afghanistan die körperliche Unversehrtheit von Menschen und stellt damiteinen Grundrechtseingriff dar. Der Landtagsbeschluss bietet angesichts dessen keinen wirksamen Schutz für von Abschiebung bedrohte Afghan_innen. Das Innenministerium solltestattdessen den Ausländerbehörden ein klares Signal geben, von Abschiebungen nach Afghanistan abzusehen. Eine Möglichkeit wäre, dem Bremer Beispiel zu folgen und die Ausländerbehörden anzuweisen, Afghan_innen Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen bestehender Unzumutbarkeit (und damit Unmöglichkeit) einer Rückkehr auszustellen. Zudem muss Brandenburgendlich Zugang zu Sprachkursen für Afghan_innen
gewähren, denn nur so kann der Weg zu einer langfristigen Bleibeperspektive geebnet werden.
Laut einer aktuellen Studie der Universität Konstanz hatten die in der Außenstelle des BAMF in BrandenburgentschiedenenAsylgesuche mit 10% bundesweit die niedrigste Anerkennungsquote afghanischer Flüchtlinge in den Jahren 2010–2015 (im Vergleich Nordrhein-Westfalen:34%). Das bedeutet, dass in Brandenburg überdurchschnittlich viele Afghan_innen dauerhaft gefährdet sind, abgeschoben zu werden.
Brandenburg hält an harter Linie gegen Geflüchtete fest
Aufgrund der zahlreichen Berichte zur verheerenden Sicherheitslage lehnen Bundesländer wie Schleswig-Holstein Abschiebungennach Afghanistan grundsätzlich ab. In der Presse hatte sich der Brandenburger Innenminister Karl-Heinz Schröter zuvor wiederholt als Verfechter der rigiden Abschiebepolitik de Maizières geoutet und die humanitäre Politik seinesKollegenaus Schleswig-Holstein, derals ersterund bisher einzigereinen Abschiebestopp verhängt hatte, scharf kritisiert.
Mit der Entscheidung gegen einen Abschiebestopp und der erstmaligen Beteiligung an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan zeigt die Landesregierung, dass sie an der harten Linie von Bundesinnenminister Thomas de Maizière festhält. Damit übergeht sie den Willen und das Engagement vieler Menschen in Brandenburg, die die aktuelle Landes- und Bundespolitik kritisieren und mit landesweiten Aktionen ihre Solidarität bekunden. Mit einer Petition,
die bereits fast 70.000 Unterstützer_innen gefunden hat, setzen sich beispielsweise Schüler_innen einer Cottbuser Schule für ihre von Abschiebung bedrohten afghanischen Mitschüler ein. Bei Kundgebungen in Neuruppin und Potsdam forderten in diesem Monat Demonstrant_innen, darunter viele Afghan_innen,Flüchtlingsschutz und Abschiebestopp.
Zusammen mit Initiativen und Ehrenamtlichen fordert deshalb der Flüchtlingsrat Brandenburg weiterhin: Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Brandenburg muss das Lotteriespiel mit dem Leben afghanischer Flüchtlinge beenden und den hier lebenden Afghan_innen endlich Sicherheit und Schutz gewähren!
Monat: März 2017
Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ ruft zum Protest gegen den Landesparteitag der Brandenburgischen AfD am Samstag, den 8. April in der Oderstadt auf. Mit einer Kundgebung ab 10 Uhr an der Brandenburghalle (Stendaler Str. / Kieler Str.), dem Tagungsort der AfD, will das Bündnis ein deutliches Zeichen gegen Rechtspopulismus setzen.
„Die Hetze von AfD, Pegida und Co hat den Boden bereitet für die gestiegene Zahl an rechten Gewalttaten in Brandenburg. Allein in Frankfurt (Oder) hat sich deren Zahl 2016 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.“, so Janek Lassau, Sprecher des Bündnisses. Das Bündnis lädt aller Bürger*innen ein, am 8. April gemeinsam für eine
antifaschistische, demokratische Kultur zu demonstrieren. „Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, die Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit oder unterschiedlichem sozialem Hintergrund in ihrer Mitte willkommen heißt. Für die AfD hingegen darf es keine Willkommenskultur geben, ihr und ihren menschenverachtenden Positionen wollen wir eine Absage erteilen.“, so Lassau weiter.
Beide Werktore sind mit Betonfässern verstellt, an denen sich insgesamt vier Menschen festgekettet haben. Eine weitere Person befindet sich in ca. fünf Metern Höhe auf einem Metalldreibein über einem der Fässer. Einige Aktivist*innen sind auf LKWs geklettert. Zur gleichen Zeit haben sich an die 10 Personen zu einer Kundgebung versammelt.
Der Protest ist keine vereinzelte Aktion gegen die gewaltsame Schlachtmaschinerie, die Tiere fabrikmäßig in Fleischteile zerteilt. Die Schlachtfabrik, die wir als konkretes Ziel unserer Aktion gewählt haben, vereint in sich all die Verhältnisse, die es anzugreifen und zu überwinden gilt. Sie steht für die Degradierung alles Lebens und deren Ressourcen zu verkaufbaren Waren, welche mit unserem Angriff heute gestört werden soll.
Die Aktion ist Teil der Antworten linker Kämpfe auf die gesamtgesellschaftliche Katastrophe des global herrschenden Kapitalismus, nach dessen Logik unterdrückt, ausgebeutet und ausgegrenzt wird, was rechte Ideologie, Konkurrenzkampf und Entsolidarisierung zur Folge hat. Sie ist gegen die kapitalistische Produktion gerichtet, die Arbeiter*innen, Tiere und Natur verwertet und in deren Sinne Grenzen und Mauern gegen jene errichtet werden, die in dieser Verwertungssystematik derzeit als überschüssige und unnütze Arbeitskräfte gelten.
Die Aktion ist eine Solidarisierung mit den geknechteten Arbeiter*innen, den verdinglichten Tieren und den durch eine extrem repressive, rassistische Politik ins Elend getriebenen Geflüchteten. Sie ist eine Bemächtigung gegen die auferlegte Ohnmacht, ein Zuwortmelden emanzipativer Politik gegen rechte und konservative Parolen.
In Zeiten von Pegida und Afd, in denen sich Menschen allzuoft in den Straßen zusammenrotten, um selbst gegen entstehende Geflüchtetenunterkünfte oder Geflüchtete vorzugehen, empfinden wir es als sehr unterstützenswert, dass es wie hier in Königswusterhausen auch Menschen gibt, die sich als Bürger*inneninitiative formieren, um gegen einen Schlachtfabrik aktiv zu werden.
In den Schlachtfabriken wird der Zwang und die Gewalt des Kapitalismus gut sichtbar: Im Antransport der lebendigen Ware, den Tieren, und ihrer gewalttätigen Zurichtung am Schlachtband. In den prekären Arbeitsbedingungen der Schlachthofmitarbeiter*innen. In der zerstörten und emissionsbelasteten Natur, die den Schlachthof umgibt.
Aber auch in den Produktionsprozessen, die denen in der Schlachtfabrik vor- bzw nachgeschaltet sind: Beispielsweise dem Futtermittelanbau, der mit Land Grabbing, Vertreibung und Naturzerstörung verbunden ist. Oder dem Export der Fleischwaren in den globalen Süden, der die Produktion in diesen Ländern und deren Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zerstört.
Dieser Export dient auch in der Tierausbeutungsindustrie der Gewinnmaximierung, die innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unumgänglich ist. Damit einher gehen Wachstumspläne der führenden Unternehmen, die bereits an ihren Standorten Anträge auf Erweiterungen oder für Neubauten von Schlachtanlagen gestellt haben.
So plant auch die PHW Gruppe Marke Wiesenhof bei der hier ortsansässigen Firma „Märkische Geflügelhof-Spezialitäten“, die Schlachtleistung von 190 auf 352 Tonnen Lebendgewicht pro Tag nahezu zu verdoppeln. Umgerechnet entspricht dies der Tötung von ca. 160.000 tierlichen Individuen tagtäglich.Diese Schlachtpläne sollen durchkreuzt, das Schlachten beendet werden und mit diesem alle Formen von Ausbeutung, Unterdrückung, Gewalt und Zerstörung.
Wir verstehen diese Aktion als eine Aufforderung, Wege zu einer befreiten Gesellschaft zu suchen, gegen die behauptete Alternativlosigkeit der Unfreiheit und des Zwangs des Kapitalismus. Die Aktion wird von Aktivist*innen von Tierfarbriken Widerstand, Kampagne gegen Tierfarbriken, Mastanlagen Widerstand, BI KW stinkt’s, BI Saustall Wadelsdorf, Berliner Tierbefreiungsaktion, Animal Climate Action und Einzelpersonen unterstützt.
Aktuelle Infos unter:
https://tierfabriken-widerstand.org/newsticker-schlachthofblockade-niede…
facebook.com/tierfabrikenwiderstand
Die zunehmende Annäherung des „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ an extrem rechten Ausdruck und extrem rechter Symbolik schreitet offenbar von Versammlung zu Versammlung fort. Nach der „Reichsgründungsfeier“ am 21. Januar 2017 und dem Gedenken an den vermeintlichen „deutschen Völkermord“ am 14. Februar 2017 stellt die im Rahmen der heutigen Abendveranstaltung der Vereinigung erstmals öffentlich als neues Erkennungszeichen gezeigte so genannte „Lebensrune“ einen weiteren Meilenstein auf dem Weg nach ganz Rechtsaußen dar.
„Lebensrune“ als neues Identifikationssymbol
Bereits seit dem 23. Februar 2017 nutzt die rechte Vereinigung Bürgerbündnis Havelland e.V. auf seinem Socialmedia-Profil im Internet statt des bisher verwendeten sechszackigen schwarzen Sternes die Rune in ihrem Logo. Im Zuge einer darauf im Netz entbrannten Diskussion, verfasste der Vereinsvorsitzende Christian Kaiser ein kurzes Statement, demnach es sich bei dem neueingefügten Symbol um die so genannte „Lebensrune“ („Man“-Rune) handele. Diese sei offenbar bewusst gewählt worden, weil sie angeblich „ein Zeichen des Deutschen Volkes seit über 2.000 Jahre(n)“ darstelle. Eine Begründung die allerdings höchst zweifelhaft erscheint, da sich tatsächlich weder im „Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation)“, welches als erstes deutsches Staatengebilde vom 10. Jahrhundert bis 1806 existierte, noch im „Deutschen Kaiserreich“ (1871 bis 1918) Belege für die Nutzung dieser Rune finden. Erst im nationalsozialistischen „Dritten Reich“ (1933 bis 1945) ist eine breite Verwendung der „Lebensrune“ belegbar. Dort wurde sie beispielweise in der „NS Frauenschaft“ und in der Hitlerjugend (HJ) sowie (gemeinsam mit der „Todesrune“) als genealogisches Symbol in Todesanzeigen oder auf Grabanlagen verwendet. Der auffällig breiten Verwendung der Rune im Nationalsozialismus dürften dabei vor allem ideologische Motive zu Grunde liegen. Es sollte eine historische Kontinuität zwischen der (nationalsozialistischen) deutschen „Volksgemeinschaft“ und seiner vermeintlichen germanischen Wurzeln konstruiert werden.
Das vielfach kaum historische Quellen zum Runen-Alphabet sowie zu den Germanen im Allgemeinen vorlagen, störte dabei offenbar wenig. Es wurde einfach auf das Wissen ideologisch bequemer Scharlatane zurückgegriffen. Ein Beispiel hierfür ist der Österreicher Guido von List (1848–1919). Er gilt als „Erfinder“ der „Lebensrune“. List, der auch als Vorkämpfer der völkischen Bewegung und Begründer der rassistisch-okkultistischen Ariosophie angesehen wird, orientierte sich dabei weniger am wissenschaftlichen Stand der Sprachforschung zu den historisch verbürgten Runenalphabeten, sondern erfand mit seinem „Armanen-Futhark“ einfach sein eigenes Runen-ABC. Diesem lieferte List auch gleich seine ausgedachten esotherischen Deutungen mit. In der „Lebensrune“ bzw. „Man-Rune“, sah er beispielweise das „geheiligte Zeichen der Fortpflanzung des Menschengeschlechtes“. Sein Armanen-Futhark sowie seine Runendeutung wurden später von der so genannten „Thulegesellschaft“, von denen einzelne Mitglieder wiederum einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Parteisymbolik der NSDAP hatten, übernommen.
Die heutige Verwendung des Begriffs „Lebensrune“ hat somit nicht nur eine eindeutige Tendenz, sondern kann auch als ein Indiz für die Öffnung des „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ gegenüber völkischen Ideologien, mindestens aber Ideologiefragmenten angesehen werden.
Stagnation am extrem rechten Rand
Ein neues Publikum hat sich die Vereinigung damit jedoch bisher noch nicht erschlossen. Zu den Versammlungen des rechten „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ kommen konstant – so auch heute wieder – ca. 25 Personen. Neben Mitgliedern und Sympathisanten der veranstaltenden Vereinigung sind dies auch Einzelpersonen der Untergruppe „NS Havelland“ sowie aus Berlin angereiste Akteure der extremen Rechten. Letzt genannte können dem Spektrum des „BÄRGIDA e.V.“ sowie der „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ zugeordnet werden. Beide Vereinigungen werden vom Verfassungsschutz des Landes Berlin beobachtet. Im aktuellen Berliner Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2015 werden sowohl „BÄRGIDA e.V.“ als auch die „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ als islamfeindliche Mischszenen im Bereich des Rechtsextremismus erwähnt.
Fotos: hier
Bundes- und europaweiter Aktionstag gegen Rassismus, Faschismus und Austerität
Samstag, 18.03.2017 in Potsdam:
Demo: 15 Uhr ab Nauener Tor
Kundgebung: 16 Uhr Landtag/Steubenplatz
Am 18.03.2017 findet ein bundes- und europaweiter Aktionstag gegen Rassismus, Faschismus und Austerität statt. An diesem Tag jährt sich die Unterzeichnung des EU-Türkei Deals, der die „Regulierung der Flüchtlingsströme“ zum Ziel hat und so zur Brutalisierung des europäischen Grenzregimes beiträgt. Bundesweit setzen sich Initiativen an diesem Tag mit Aktionen, Demonstrationen und Kundgebungen für „das Recht zu kommen, zu gehen und zu bleiben“ ein. Wir schließen uns dieser Forderung an. Für eine europaweite Solidarität mit Menschen auf der Flucht!
Bund, Länder und Kommunen haben eine neue Gangart eingelegt: Sinkende Anerkennungs- und steigende Abschiebezahlen bestimmen die aktuelle Politik. Auch Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam kurbelt die Abschiebemaschinerie an und setzt auf die Entsolidarisierung der Gesellschaft. Dagegen rufen wir zu Protest und Widerstand auf: Asylrecht und Flüchtlingsschutz jetzt und hier!
1. Bundesweite Verschärfung der Abschiebepraxis
Auf der Bund-Länder-Konferenz wurde die Einrichtung eines Zentrums zur Unterstützung von Rückführungen (ZUR) besprochen. Diese Logistikstelle für Sammelabschiebungen soll Behörden bündeln und Abschiebungen beschleunigen. Dieses klare Zeichen für eine repressive Abschiebepolitik reiht sich ein in die Politik, wirkliche Problemlösungen zu verweigern und stattdessen auf populistische Scharfmacherei, einfache Antworten und Sammelabschiebungen zu setzen.
Abschottung und Abschreckung stehen einem humanen und verantwortungsvollen Umgang mit Schutzsuchenden eklatant entgegen. Es bedarf keiner Struktur, die sich darum bemüht, Reisedokumente für Menschen zu organisieren, damit diese in Länder abgeschoben werden, die politisch als befriedet definiert wurden. Vielmehr werden Stellen benötigt, die ein faires und individuelles Asylverfahren sicherstellen. Die Asylgründe von jungen, alleinstehenden Menschen aus Afghanistan, die dort vor Tod, Folter und Haft geflohen sind, werden zunehmend falsch bewertet. Anstelle einer individuellen Entscheidung über die persönliche Gefährdungslage der Menschen, treten politisch motivierte, standardisierte Entscheidungen. Die Bundesregierung veröffentlichte erst kürzlich Reisewarnungen für Afghanistan und entsandte neue Bundeswehrsoldaten, die explizit die Sicherheitslage in Afghanistan stabilisieren sollen.
Das Asylrecht ist ein Individualrecht und darf nicht durch pauschale Bewertungen von Herkunftsländern ausgehebelt werden. Wir verlangen von Brandenburg, sich nicht zum verlängerten Arm einer verfehlten bundesweiten Asylpolitik zu machen. Wir fordern, dass die Landesregierung klar und öffentlich Stellung gegen Abschiebungen in das Kriegsgebiet Afghanistan bezieht! Afghanistan ist kein sicheres Land!
2. Kehrtwende in Potsdam
Potsdam brüstet sich damit, eine weltoffene und tolerante Stadt zu sein. Das Potsdamer Toleranzedikt und das Integrationskonzept der Stadt sind viel benutzte Aushängeschilder der Landeshauptstadt. In breiten Bündnissen wird gegen Rassismus und für Teilhabe aufgerufen. Doch durch die Korridore der Potsdamer Verwaltung weht zunehmend ein anderer Wind. Das neue Integrationskonzept liegt auf Eis. Die aktuelle Entwicklung im flüchtlingspolitischen Handeln der Verwaltung läuft konträr zum breiten Engagement der Potsdamer Bevölkerung. Potsdam schließt sich einer bundesweiten, zunehmend restriktiven Flüchtlingspolitik wider jeder Humanität und Verantwortung für Schutzsuchende an.
„Konsequente Abschiebung“ – pauschal und traumatisierend:
Derzeit gibt es ca. 150 Dublin-Fälle in Potsdam. Potsdams Verwaltung will die betroffenen Menschen in den nächsten Monaten konsequent in die Ersteinreiseländer zurückschieben. Die Rückschiebungen sollen überwiegend nachts stattfinden.
Was heißt Rückschiebung?
Es geht darum, Menschen in das Land zurückzuschieben, in dem sie als erstes Europa betreten haben. Dies sind zunächst die Länder am Rand der EU (Polen, Italien, Griechenland, Bulgarien, etc.). Manche Menschen reisen weiter. Dafür gibt es vielfältige Gründe: überfüllte Lager, unwürdige Lebensumstände, undurchschaubare Asylverfahren, fehlende Rechtsberatung oder der Wunsch, zu Verwandten in andere Länder zu gelangen. Wird per Fingerabdruckdatenbank festgestellt, dass die asylsuchende Person bereits in einem anderen EU-Land war, soll sie in dieses rückgeschoben werden, um dort ihr Asylverfahren durchzuführen. Allerdings bestehen in vielen Ersteinreiseländern erhebliche systemische Mängel im Asylverfahren. Deutschland hat ein Selbsteintrittsrecht in das Asylverfahren und kann entscheiden, das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.
Potsdam möchte Menschen, die über bestimmte Länder eingereist sind, pauschal zurückschieben. Die Entscheidung, ob ein Mensch in ein anderes europäisches Land zurückgeführt wird, um dort sein Asylverfahren durchzuführen, muss jedoch laut Gesetzesintention immer eine Einzelfallprüfung sein.
Die Rückschiebung soll in der Regel mitten in der Nacht durchgeführt werden. So soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Flüchtlinge anwesend sind und dass Proteste von Nachbar*innen erschwert werden. Diese Praxis bedeutet ein traumatisierendes Ereignis für den einzelnen Menschen, darunter viele Kinder: Mitten in der Nacht dringen der Wachschutz und die Ausländerbehörde in den einzigen Schutzraum ein, den die Menschen nach ihrer Flucht gefunden haben. Sie sind wieder durch eine äußere Gewalt gezwungen, alle ihre Habseligkeiten zusammenzupacken und werden zu einer weiteren Grenze deportiert. Auch Mitbewohner*innen, die vor Krieg und Zerstörung geflohen sind und im selben Zimmer oder in derselben Unterkunft wohnen, sind diesem nächtlichen Überfall zur Durchsetzung von Verwaltungsanweisungen ausgesetzt. Nachts sind nicht einmal Sozialarbeiter*innen anwesend, um die Situation zu begleiten, zu unterstützen oder aufzufangen. Immer wieder kommt es zu Gewaltanwendung durch Polizei und Ausländerbehörden in Brandenburg.
Wir fordern den Zugang zu einem fairen und individuellen Asylverfahren statt nächtliche und unangekündigte Abschiebungen! Potsdam muss Farbe bekennen und Verantwortung für hier lebende Geflüchtete übernehmen.
Unterbringung fernab von Menschlichkeit:
Zum 1. März eröffnet(e) unter Trägerschaft von „European Homecare“ weitab von jeglicher Nachbarschaft mitten im Industriegebiet Rehbrücke/Drewitz eine neue Unterkunft für Asylsuchende. Bemerkenswert schnell und ohne lästige Mitsprache des Sozialausschusses oder des Migrantenbeirates wurde „European Homecare“ der Zuschlag für eine neue Flüchtlingsunterkunft im Handelshof 20 zugesprochen. Der umstrittene Träger ist ein rein wirtschaftliches Unternehmen, das in der Unterbringung von Asylsuchenden ein lukratives Geschäftsfeld gefunden hat. Bekannt wurde European Homecare spätestens 2014 – als Bilder von misshandelten und gedemütigten Flüchtlingen in nordrhein-westfälischen Heimen in den Tagesnachrichten gezeigt wurden. Der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger äußerte sich beschämt und zeigte sich sicher, dass auch seine Kolleg*innen aus anderen Bundesländern mehr als kritische Fragen an „European Homecare“ stellen würden. Potsdam sieht sich dazu leider nicht berufen.
Für die Ab- und Rückschiebemaschinerie ist es praktisch, wenn Gemeinschaftsunterkünfte einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf die Menschen ermöglichen. Besonders reibungslos klappen nächtliche Behördeneinsätze, wenn eine Unterkunft soweit am Stadtrand liegt, dass es keine Nachbarschaft gibt, die eingreifen oder sich beschweren kann. So können Proteste einer aktiven Bürgerschaft – wie im letzten Jahr in Potsdam-West – vermieden werden.
Die Unterbringung von Asylsuchenden darf nicht dubiosen Sicherheitsunternehmen obliegen. Für eine menschenwürdige Unterbringung von Schutzsuchenden inmitten der Potsdamer und Brandenburger Gesellschaft! Für eine Unterbringung in Wohnungen!
Wer heute durch Potsdam geht, wird sie unschwer übersehen: Über Nacht haben sich einige Werbetafeln verändert. Statt wie immer die übliche sexistische Werbung unkommentiert zu zeigen, ist diese nun mit ergänzenden Überklebern versehen. „Wir hatten echt kein Bock mehr, uns den ganzen sexistischen Kackscheiß jeden Tag aufs Neue anzutun!“ sagte Erna, die Initiator*in der Aktion Selbstbestimmte Werbevitrinen für Emanzipation und Herrschaftsfreiheit (SWfEuH)“ und selber Werbevitrine, die oft unter sexistischer Werbung leiden muss.
Beitrag der Werbung zur Potsdamer Frauenwoche
Anlässlich des Frauenkampftages am 8. März ist in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam Frauenwoche. Unter dem Motto „Frauen Macht faire Chancen“ wird mit vielen Veranstaltungen auf die leider weiter bestehenden Diskriminierungen von allem, was nicht männlich, weiß und heterosexuell ist, hingewiesen. Ein besonderes Highlight ist dabei die Ausstellung „Wer braucht Feminismus?“ im Rathaus. Die Angebote scheinen derart überzeugend zu sein, dass sich in der Nacht vom 11. auf den 12.3.2017 einige Werbetafeln in der Potsdamer Innenstadt der feministischen Bewegung anschlossen und mittels Überkleber auf sexistische Werbung aufmerksam machten.
Rathaus
Mit dabei sind zwei Werbetafeln am Rathaus. Auf einer Werbung für Parfüm fragt der abgebildete Frauenkopf nun: „Warum sind Frauenkörper nur Eyecatcher?“ Gegenüber zeigte eine Werbetafel ursprünglich Werbung für ein Einkaufszentrum und bildete dabei eine weiße Klischee-Kleinfamilie ab. Die Werbetafel schloss sich dem Protest an und ergänzte sich dazu um einen Überkleber. Statt „Generation Stern-Center“ lautet der Slogan nun „Generation Patriarchat“ und „Unsere Werbung: Sexistisch“.
Platz der Einheit
Auch am Platz der Einheit drei Werbevitrinen offensichtlich unzufrieden mit den Werbekampagnen ihrer Mieter*innen. Die Werbung für das Einkaufszentrum änderte sich auf „Generation Sexismus“ und wahlweise „Unsere Mode: Rock und Hose“ oder „Boys in blue. Girls in pink“. Eine weitere Variante ergänzte sich um eine Sprechblase. Eine der weiblich gelesenen Personen kommentiert das Plakat nun mit den Worten: „Gut, dass ich diese Show nur für‘s Bild ertragen muss…“.
Bildungsforum
Am Bildungsforum veränderte sich u.a. eine Werbung für Zigaretten. In der ursprünglichen Version zeigt das Plakat eine männlich gelesene Person, die in mackriger Pose neben einem Motorrad sitzt. Die Schrift lautete „1 Bike. 3 Stunden Tuning. 5 Minuten Freiheit“. Nun steht dort: „1 Bike. 3 Stunden Tuning. Alle Klischees bedient“ und „Geschlechter-Stereotype überwinden!“ Die bereits oben beschriebe Parfümwerbung ergänzte sich über Nacht um die die Abbildung kommentierende Frage: „(Warum) haben Frauen keine Achselhaare?“ Die Werbung für eine Internet-Partner*innenvermittlung hatte auch keine Lust mehr auf die Reproduktion sexistischer Wahrnehmungsmuster. Dem Kommentar „Ein Ausschnitt sexistischer Kackscheiße“ ist wohl nichts hinzu zu fügen.
Nachtrag: Blöde Geschichte am Schloss/Landtag
Viel Glück hatte die Aktion Selbstbestimmte Werbevitrinen für Emanzipation und Herrschaftsfreiheit (SWfEuH) am als Brandenburgischer Landtag genutzten Potsdamer Stadtschloss. Hier fiel der Aktionsgruppe ein vom Platz der Einheit zunächst mit Blaulicht heranrasender Streifenwagen auf. Beim Einfahren auf die Straßenbahnspur schalteten die Beamt*innen das Blaulicht ab. Das Muster der sogenannten Stillen Fahndung erkennend, setzen sich die heimlichen Werbevitrinen-Veränderer*innen unauffällig ab.
Unbeteiligte von Polizei behelligt
Weniger Glück hatten Passant*innen, die neugierig vor den Werbevitrine stehen blieben. Als der Streifenwagen die Personen erreichte, versuchten die Beamt*innen vermutlich, sich diese vorzuknöpfen. Das führte dazu, dass die Personen versuchten, wegzurennen (wir wollen gar nicht darüber spekulieren, wieso, es gibt genug gute Gründe, warum man in einer Samstag Nacht keine Lust auf Polizei haben könnte, und eine Menge davon sind erst mal sympathisch…). Leider scheint die Streifenwagenbesatzung mindestens eine Person gestellt zu haben.
Bitte um Verständnis
Wir haben das Geschehen nicht weiter verfolgt und die Gunst der Stunde genutzt, dass die Cops mit irgendwelchen Leute beschäftigt sind, um ein paar Meter zwischen uns und das Geschehen zu bringen. Wir möchten dafür auf diesem Wege für Verständnis bitten. Falls irgendwelche Leute da draußen jetzt Stress wegen uns haben sollten, meldet euch bitte bei unserer Mailadresse (swfeuh@riseup.net). Wenn ihr nicht gerade Nazis seid, und sie euch jetzt nicht ausgerechnet wegen Nazikram Ärger machen, bemühen wir uns, bei dem Tragen der Folgen einen Beitrag zu leisten.
Aktion Selbstbestimmte Werbevitrinen für Emanzipation und Herrschaftsfreiheit (SWfEuH)
Bilder zu der Aktion gibt es hier.
Am 11.03.2017 sollen drei Bands mit zweifelhaften Hintergrund in dem besetzten Haus „Trebbe 12“ in Luckenwalde (Brandenburg) auftreten. Sie stammen aus Magdeburg, Bremerhaven, Wismar und spielten auch schon in dem besetzten Haus. Beworben wird das Konzert unter anderem vom ungarischen Ableger des neonazistischen Musiknetzwerks „Blood & Honour“.
Die Trebbe 12
Die „Trebbe 12“, in der Trebbiner Straße in Luckenwalde, wurde im Jahr 2000 von Jugendlichen und jungen Erwachsenen besetzt. Die Nutzerschaft der „Trebbe 12“ rühmt sich damit, dass man weiterhin keinen Vertrag und somit noch einen Besetzerstatus habe. Neben einem Konzertraum und einer Kneipe hat das Objekt Wohnräume für bis zu 20 Menschen.
Inzwischen scheint man sich vom ursprünglich linken Anspruch des alternativen Lebens und des Freiraums „emanzipatorischen Austausches“, wie es auf der Webseite heißt, distanziert zu haben. Bei vergangenen Konzerten gab man Flugblätter als Werbemittel heraus, auf denen vor politischer Unkorrektheit gewarnt wurde. Gleichzeitig nutzte man das antifaschistische Symbol, bei dem ein Hakenkreuz in einen Mülleimer entsorgt wird, und erweiterte es um das kommunistische Symbol dem Hammer und der Sichel. Sie beziehen dabei Position gegen sog. „Extremismus“, bzw. sehen sich als ein Raum, der frei von Politik sein soll.
Ebenfalls teilt der Facebook-Account der „Trebbe 12“ Inhalte von rechten und verschwörungstheoretischen Facebook-Seiten, wie „KenFM“, „Der Wächter“, „Freie Medien“ oder Texte, die sich gegen sog. „Linksfaschisten“ richten.
Die Bands
Alle drei Bands, „Rien ne va plus“ aus Magdeburg, „Loi!chtfeuer“ aus Bremerhaven und „4. Division Ostfront“ aus Wismar, sehen sich als „unpolitische“ Interpreten der Skinheadszene und spielen eine harte Musikrichtung mit dem Namen „Oi!“. Doch die Texte, die Hintergründe und Kontakte solcher Bands sind oft alles andere als unpolitisch, weshalb Kritiker hier häufig eine „Grauzone“ ausmachen. Es handelt sich dabei nicht um Neonazis, aber Bands und/oder Musiker bewegen sich in eindeutigen Milieus, sowie im sog. „alternativen Raum“.
Die Wismarer von „4. Division Ostfront“ als Beispiel besingen die Tötung von Antifaschisten im Lied „Antifa“. Dort heißt es u.a. „Ein Baum, ein Strick, ein Antifagenick“. Auf der selben Veröffentlichung befindet sich auch das Lied „FC Anker Wismar“ über den lokalen Fußballverein. Dessen Fanszene verbindet eine enge Freundschaft zu Dynamo Schwerin, bei denen Fans sich im rechten Hooliganspektrum von HoGeSa-Nachfolgestrukturen engagierten. Ebenfalls ist man mit Dynamo Wismar befreundet. Dort ist einer der Sponsoren der NPD-Aktivist Steffen Meinecke, welcher zum Umfeld des „Thinghaus“ in Grevesmühlen gehören soll.
Die Band hatte sich 2011 aufgelöst, ihr Sänger „Pöhnisch“ half damals u.a. bei der RAC-Band „Ultio Regni“ aus – beide Bands verband offenbar eine Freundschaft. „Ultio Regni“ spielte Konzerte in neonazistischen Räumlichkeiten, wie dem „Thinghaus“ in Grevesmühlen. RAC steht für „Rock Against Communism“ und stammt als Label von Blood & Honour, welche unter diesem Motto in den 1980er Jahren Konzerte in Großbritannien organisierten.
Die Gruppe „Rien ne va plus“ aus Magdeburg hat da noch nähere Kontakte. Ihre CDs findet man in einschlägigen neonazistischen Versänden, wie „Opos Records“. Angeboten wird deren Musik unter anderem mit dem Begriff „RAC“. Die Labels auf denen „Rien ne va plus“ die Musik verlegten, nennen sich „Feindkontakt Records“ oder „Aggressive Zone Records.“ Eine CD trägt den Titel „Schützt die Heimat vor fremden Fahnen“. Bei ihrem aktuellen Label „Aggressive Zone“ finden sich im Fanshop Kleidungsstücke, die in der rechten Szene beliebt sind, sowie verschiedene Tonträger von Neonazibands.Darunter CDs der 1981 gegründeten Rechtsrck-Band Endstufe, welche mit den bei „Aggressive Zone“ gelisteten Bands „Last Resort“ gemeinsam CDs produzierten. Weitere CDs, die angeboten werden, kommen von mittlerweile aufgelösten Rechtsrock- und Nazipunkbands wie „Ultima Thule“ oder „Migdards Söner“.
Bereits in der Vergangenheit traten „Rien ne va plus“ mit Bands aus dem Bereich Grauzone bis Braunzone auf.
Bei der dritten Band, „Loi!chtfeuer“ aus Bremerhaven wird es sogar noch deutlicher. Deren Sänger, Michael Schäfer, war NPD-Funktionär in Bremerhaven, sein Mitmusiker Lasse Krüger Aktivist der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). Beide behaupten von sich, inzwischen aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein. Michael Schäfer vollzog Mitte der 2000er Jahre schon einmal einen solchen „Ausstieg“ und landete am Ende auf dem Posten des stellvertretenen Landesvorsitzenden der NPD. Lasse Krüger soll u.a. die NPD-Jugend in Lüneburg geleitet und bis Ende 2014 auf der Bühne der HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten)-Demonstration in Hannover – als Redner und Mitorganisator gestanden haben.
Es ist also kein Wunder, wenn „Lo1chtfeuer“ ankündigen, dass bei diesem Konzert „Keine PC Fotzen. Keine Extreme. Keine Jihadisten“ erwünscht seien. Der neonazistische HoGeSa-Kontext setzt sich trotz des vermeintlichen Ausstieges fort.
Blood & Honour
Das rechte Musiknetzwerk „Blood & Honour“ entstand 1987 in Großbritannien und sollte der subkultureller Vorbau der militanten Neonaziszene darstellen. Initiator war der Skrewdriver-Sänger Ian Stuart Donaldsson. Mitglieder der Band wurden am Rande von rassistischen Ausschreitungen in Cottbus Anfang der 1990er Jahre festgenommen. Donaldsson starb 1993 in Folge eines Verkehrsunfalls. An seinem Todestag finden in Europa immer wieder Gedenkkonzerte statt.
Das Netzwerk besitzt einen paramilitärischen Terrorarm mit dem Namen „Combat 18“, wobei die 18 für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets steht. Der Name lautet übersetzt also „Schlacht Adolf Hitler“. Im Jahr 2000 erfolgte das Verbot des „Blood & Honour“ Netzwerkes in Deutschland, inzwischen fungieren sie mit dem Zahlencode „28“. Aktivisten der „Blood & Honour“ Sachsen sollen wichtige Unterstützer der NSU-Terroristen gewesen sein. Ähnlich wie der NSU, entwickelte sich auch in Dortmund eine bewaffnete Zelle des „Combat 18“-Netzwerkes, versorgte sich mit Waffen und die lokale Band „Oidoxie“ gehört ebenfalls diesem Netzwerk an.
Auch in Brandenburg war „Blood & Honour“ bis zum Verbot aktiv. So produzierte man unter anderem einen Sampler der „Blood & Honour Brandenburg“, auf dem verschiedene bekannte Neonazibands aus Berlin und Brandenburg versammelt wurden. Nach dem Verbot wich die Postadresse von Berlin nach Lehnin aus. Der NPD-Aktivist Stefan Rietz aus Lehnin saß 2008 vor Gericht, da er und andere Neonazis das verbotene Netzwerk weitergeführt und Konzerte organisiert haben sollen. Ein Brandenburger der ebenfalls die verbotene Struktur weiterführte, wurde Später V‑Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. Auch Toni Stadler, V‑Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes und aktiv im Umfeld des NSU, soll aus dem „Blood & Honour“-Netzwerk stammen, auch wenn „niemand persönlich kennen“ möchte.
Viel an Werbung läuft über die Seite der ungarischen „Blood & Honour“ Sektion. In der Übersicht aus dem Oktober für „NS & Oi Konzerte“ findet man den Flyer für das Konzert der Trebbe. Ein Screenshot der Seite ist hier hinterlegt: LINK
Brandenburg-Ungarn-Connection

Brandenburger Neonazis in Budapest bei Blood & Honour-Marsch. Vordergrund Robert Wolinski, rechter Rand Maik Schneider © Inforiot
Auch zum ungarischen Ableger des Musiknetzwerkes gibt es direkte Verbindungen nach Brandenburg. Rund um den 11. Februar veranstaltet das Netzwerk jährlich in Budapest einen „Marsch der Ehre“ und simuliert dabei den Ausbruchsversuch der Achsenmächte aus dem sowjetischen Kessel. 2014 nahm auch eine NPD-Delegation am Aufzug teil. Unter ihnen befand sich der Veltener Robert Wolinski. Er ist neben der Parteiarbeit auch im Rechtsrockgeschäft umtriebig. Vor Jahren vertrieb er Musik im inzwischen gelöschten neonazistischen „Thiazi-Forum“, was zu Ermittlungen und Hausdurchsuchungen bei ihm führte. Auch soll er am Vertrieb einer CD der Berliner Neonaziband „Deutsch, Stolz, Treue“ beteiligt gewesen sein. Inzwischen organisiert er selber Konzerte, vorwiegend in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Doch auch international hat er Kontakte zu Neonazis hergestellt. Nicht nur nach Ungarn, sondern auch nach Italien und Skandinavien – ebenfalls Länder mit starken „Blood & Honour“-Strukturen.
Ein anderer Brandenburger, der damals teilnahm wurde vor einem Monat vom Landgericht Potsdam zu einer fast zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Maik Schneider lief direkt hinter Robert Wolinski, inzwischen hat man sich wohl eher entfremdet. Während Wolinski und seine NPD mit den Abendspaziergängen in Oberhavel versuchte auf Bürgerlichkeit zu setzen, ging Maik Schneider den Weg des Rechtsterrorismus. Er soll Rädelsführer eines Netzwerkes gewesen sein, welches mehrere Anschläge in Nauen an öffentlichen Plätzen, dem Linksparteibüro und einer potentiellen Asylunterkunft verübt hat. Gegen das Urteil haben Schneider und einer seiner Mitangeklagten Revision eingelegt, welches nun vom Bundesgerichtshof geprüft wird.
Wieso das ungarischen Neonazinetzwerk ausgerechnet darauf kommt diese Veranstaltung zu bewerben ist nicht bekannt. Aber die Verbindungen Brandenburger Neonazis ins Netzwerk und die Auswahl der Bands könnte hierfür durchaus eine Rolle gespielt haben. Laut den Veranstaltern ist das Konzert bereits ausverkauft.
Der Verein Opferperspektive e.V. zählt für das Jahr 2016 in Brandenburg 221 rechte Angriffe. Dies ist ein erneuter Anstieg im Vergleich zum Jahr 2015 (203). Gegenüber 2014 haben sich die Angriffszahlen mehr als verdoppelt (98).
Die Mehrheit der Taten waren rassistisch motivierte Angriffe. Sowohl ihre absolute Zahl als auch ihr prozentualer Anteil an den rechten Gewalttaten nahmen erneut erheblich zu – von 142 Angriffen im Jahr 2015 auf 175 im Jahr 2016, bzw. von 68 auf 79 Prozent.
Neben den 175 rassistischen Angriffen, wurden 24 Taten aus Hass gegen politische GegnerInnen verübt, 14 richteten sich gegen nicht-rechte Personen, je 1 war sozialdarwinistisch bzw. antisemitisch motiviert. Zwei Mal wurden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angriffen und vier Gewalttaten richteten sich gegen JournalistInnen, die über rechte Aktivitäten berichteten. Bei der überwiegenden Mehrheit der Taten handelte es sich um Körperverletzungen, davon 85 einfache (2015: 61) und 101 gefährliche (2015: 76). Es wurden 13 Nötigungen und Bedrohungen (2015: 30), 6 Sachbeschädigungen (2015: 19) und 9 Brandstiftungen (2015: 10) Brandstiftungen gezählt. Von den Angriffen waren 335 Menschen direkt betroffen und mindestens 196 indirekt (z.B. Angehörige und ZeugInnen). Weiterhin geht die Opferperspektive von einem hohen Dunkelfeld aus, vor allem bei Angriffen gegen Geflüchtete.
Die Situation bleibt landesweit besorgniserregend. Zwar ist punktuell ein Rückgang rechter Gewalttaten festzustellen (in Potsdam, Oberhavel und Dahme-Spreewald). In den meisten Landkreisen ist jedoch ein weiterer Anstieg bzw. gleichbleibend hohe Angriffszahlen zu verzeichnen. Besonders bedrohlich ist die Situation in Frankfurt/Oder und Cottbus. Hier ist eine überproportionale Zunahme rechter Gewalt zu verzeichnen. In Cottbus zeugen 41 rechte Angriffe im Jahr 2016 davon, dass eine militante rechte Szene versucht, den öffentlichen Raum der Stadt zu dominieren.
Insbesondere der hohe Anteil rassistischer Gewalttaten lässt sich auf einen enthemmten Vertreibungswillen bei den TäterInnen zurückführen. Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive erklärt dazu: „Die vielen rassistischen Angriffe sprechen dafür, dass es den TäterInnen darum geht, MigrantInnen und Geflüchtete um jeden Preis zu vertreiben – sowohl aus ihrer Nachbarschaft als auch aus dem Land. Bedrohlich viele Menschen in Brandenburg haben keine Hemmungen, ihren rassistischen Ansichten im Alltag gewalttätig Ausdruck zu verleihen. Dabei schrecken sie auch nicht davor zurück, Frauen, Kinder oder Jugendliche anzugreifen.“
Die Opferperspektive ruft Zivilgesellschaft, Kommunalverwaltungen und Landesregierung auf, alles dafür zu tun, die rechte Gewaltwelle zu beenden. Dazu ist es notwendig rassistischer Hetze entschieden entgegenzutreten, Diskriminierungen abzubauen und ein gewaltfreies Zusammenleben aller Menschen in Brandenburg zu fördern.
Im Anhang finden Sie das Hintergrundpapier der Opferperspektive zur Veröffentlichung der Angriffszahlen mit ausführlichen Analysen, sowie eine grafische Aufschlüsselung der Zahlen zur freien Verwendung. Bei Nutzung der Grafik bitten wir um Nennung der Quelle (Peer Neumann / Opferperspektive).
Für Rückfragen am 9.3.2017 ab 12 Uhr stehen Ihnen zur Verfügung:
Die AfD ist eine rechts-nationalistische Partei, die durch ihre asyl- und migrationsfeindlichen Positionen den Boden für ein rassistisches Klima in Deutschland und auch in Frankfurt (Oder) bereitet. Sie ist gegen die EU, gegen offene Grenzen und für die Bevorzugung Besserverdienender auf Kosten jener, die sie als „sozial Schwache“ degradiert. Ihre Vorstellungen von Geschlechterrollen und Familie sind konservativ bis völkisch.
Wie wir feststellten, konnte die AfD seit dem letzten Jahr unter anderem in folgenden Lokalitäten einen Ort finden, an dem sie ihre rechten Positionen ungestört unter die Leuten bringen konnte:
Am 6. April 2016 fand ein Vortrag zum Thema „Quo vadis, Deutschland? Wie wird unsere Zukunft aussehen?“ in „Die kleine Pension und Café Oase“ statt.1 Das Etablissement befindet sich im Sandgrund 9–10; die Inhaber sind Axel und Kerstin Voigt.

Quelle: http://www.auto-daske.com/
Ihr islamfeindliches Gesicht zeigte die AfD am 30. Juni 2016, als im „Autohaus Service Center Daske“ in Markendorf eine weitere öffentliche Veranstaltung unter dem Titel „Warum der Islam nicht zu Deutschland gehört“ stattfand.2 Am gleichen Ort lud, die mit Putins Russland sympathisierende AfD,3 am 9. November 2016 zu einem Vortrag zum Thema „Frieden in Europa – nicht ohne Russland“.4 Inhaberin ist Krystyna Daske, Geschäftsführer ist Hendrik Gunke. Dass erstere der AfD nahe steht, verwundert nicht, stimmt sie doch auf ihrem Facebookprofil schon Ende 2015 in die Hasstiraden gegen Geflüchtete ein.5

Quelle: https://www.facebook.com/events/1091335940889530/

Quelle: https://www.facebook.com/profile.php?id=100008967609748
Darüber hinaus ermöglichte der Frankfurter SPD-Lokalpolitiker Tilo Winkler und immerhin Fraktionsvorsitzender der SPD in der hiesigen Stadtverordnetenversammlung durch die Bereitstellung seiner Imbissbude „Wupis Tränke am Waldhaus Rosengarten“ mindestens zwei Mal im Juli 2016 der AfD in geschützter Atmosphäre bei Bratwurst und Bier zusammenzukommen.6 Sowohl der Betreiber als auch die Gäste hatten offenbar auch keine Berührungsängste mit Personen, die sich zumindest durch ihre Kleidung der Marke „Thor Steinar“7 als neonazistisch zu erkennen gaben.8 Der Sozial- und Bildungsdezernent der Stadt Frankfurt (Oder) und gleichzeitiger Vorsitzender des SPD Unterbezirks Frankfurt (Oder) und lokaler Hoffnungsträger der SPD, Jens-Marcel Ullrich, fühlt sich bemüßigt, die Situation zu verharmlosen und auf die wirtschaftliche Lage seines Parteikollegen abzuheben.9 Winkler selbst wird in einem Artikel der Märkischen Oderzeitung mit den Worten: „Das war keine Wahlkampfveranstaltung und die AfD ist auch nicht verboten. Trotzdem bin ich da naiv herangegangen“10. Abschließend versichert er „Noch einmal passiere ihm dies nicht“11. Die antifaschistische recherchegruppe frankfurt (oder) hatte ihn und den SPD-Unterbezirk Frankfurt (Oder) bereits im Oktober 2016 zum ersten Mal bezüglich der Thematik im Stellungnahme gebeten. Leider war von keiner Stelle eine Positionierung zu erhalten. Zumindest scheint die Irrfahrt des Herrn Winkler nun beendet.

Quelle: http://www.wupis.de/

Quelle: https://www.facebook.com/afdffo/
Auch im Frankfurter Kleist Forum fand 2016 eine Veranstaltung der AfD statt. Am 11. Mai veranstaltete sie einen „Bürgerdialog“, bei dem die Landtagsabgeordneten Alexander Gauland, Franz Wiese und Thomas Jung zu Gast waren.12
Ebenso 2017 fanden bereits drei sogenannte „Stammtische“ der frankfurter AfD statt. Der Gastronom Nico Druss stellte seine Räumlichkeiten, die „Bewirtung 1900“, am 25. Januar und am 8. Februar sowie am 22. Februar 2017 der Partei zur Verfügung.13 Für den 8. März ist bereits der nächste „Stammtisch“ geplant.14

Quelle: http://bewirtung1900.restaurantsworld.de/
Insbesondere in Vorbereitung auf die Bundestagswahlen im September 2017 – bei der Alexander Gauland als Direktkandidat im Bezirk Frankfurt (Oder) / LOS antreten wird – ist zu erwarten, dass die AfD vermehrt öffentliche Veranstaltungen durchführen wird. Auch wenn es der Partei in der Vergangenheit leicht fiel, Lokalitäten in Frankfurt anzumieten oder bereitgestellt zu bekommen, muss dies nicht so bleiben! Nehmen Sie Ihre Verantwortung, die Sie als Akteur in Ihrer Stadt haben, wahr – tragen Sie nicht dazu bei, dass die AfD ihre rechts-nationalistischen Positionen weiter salonfähig machen kann! Wir appellieren an die Frankfurter Gastronom_innen, der AfD nicht die Möglichkeit zu geben, sich weiter in der Stadt zu etablieren. Durch die Bereitstellung Ihrer Räumlichkeiten tragen Sie zur Normalisierung der Partei bei, die Menschenfeindlichkeit propagiert und praktiziert.
Quellen
1 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „Quo vadis, Deutschland? Wie wird unsere Zukunft aussehen?“, http://www.afd-ffo.de/event/quo-vadis-deutschland-wie-wird-unsere-zukunft-aussehen/, https://www.facebook.com/events/504114123106405
und Beitrag vom 08.04.2016 um 18:09, https://www.facebook.com/afdffo/posts/804030949730592 .
2 Vgl. Ute Spallek: „Stammtisch in Frankfurt (Oder) OT Markendorf“, 04.07.2016, http://www.afd-ffo.de/stammtisch-in-frankfurt-oder-ot-markendorf und AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „Warum der Islam nicht zu Deutschland gehört“, https://www.facebook.com/events/1091335940889530/ .
3 Vgl. zur Position der AfD zum Umgang mit Russland beispielsweise „Alternative für Deutschland“: „Gauland: Drohungen und Sanktionen gegen Russland schaden nur uns selber“, 06.01.2017, http://www.alternativefuer.de/gauland-drohungen-und-sanktionen-gegen-russland-schaden-nur-uns-selber/ oder „Pazderski: Dialog statt Militärmanöver“, 10.01.2017, http://www.alternativefuer.de/pazderski-dialog-statt-militaermanoever/ .
4 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „Bürgerstammtisch – Frieden in Europa – nicht ohne Russland“, https://www.facebook.com/events/1692492197733903/ .
5 Vgl. Krystyna Daske, Beitrag von Krystyna Daske vom 07.11.2015 um 13:20, https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1478613705780869&id=100008967609748 .
6 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „Feier der AfD-Mitglieder bei Wupis Tränke im Waldhaus Rosengarten“, 05.07.2016, http://www.afd-ffo.de/feier-der-afd-mitglieder-bei-wupis-traenke-im-waldhaus-rosengarten/ und „Junge Alternative Brandenburg in Frankfurt (Oder)“, 27.07.2016, http://www.afd-ffo.de/die-leiter-der-jungen-alternative-brandenburg-kamen-nach-frankfurt‑o/ .
7 Allgemein zur neonazistischen Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ vgl. Recherchegruppe „Investigate Thor Steinar“:„Investigate Thor Steinar – Die kritische Auseinandersetzung mit einer umstrittenen Marke (zweite erweiterte Auflage)“, 2008 und http://investigatethorsteinar.blogsport.de/ und „Thor Steinar“, http://www.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/thor-steinar .
8 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder), Beitrag von 05.07.2016 um 20:38 Uhr, https://www.facebook.com/afdffo/photos/a.656520021148353.1073741828.656516367815385/847572125376474/?type=3&theater .
9 Vgl. Thomas Gutke: „Jens-Marcel Ullrich und dann lange nichts“. Märkische Oderzeitung vom 01.03.2017, http://www.moz.de/heimat/artikel-ansicht/dg/0/1/1555895/ .
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „Erfolgreicher Bürgerdialog in Frankfurt (Oder)“, 15.05.2016, http://www.afd-ffo.de/erfolgreicher-buergerdialog-in-frankfurt-oder/ .
13 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „1. AfD-Stammtisch Frankfurt (Oder)“, https://www.facebook.com/events/947280165408324/ und „AfD-Stammtisch“, https://www.facebook.com/events/656449107890483/ .
14 Vgl. AfD-Stadtverband Frankfurt (Oder): „AfD-Stammtisch Frankfurt (Oder)“, https://www.facebook.com/events/1847365158860835/.
Potsdam, Stadt der Toleranz, der Millionäre und Mäzene, wo jeder nach seiner Façon selig werden solle – das ist das Bild, das Politik und Medien gerne von dieser Stadt zeichnen. Die Grenzen dieses idyllischen Bildes werden bei Bedarf aber schnell mal klargemacht. Und nun ist es mal wieder soweit. Ja, wir haben Flüchtlinge aufgenommen; ja, wir haben ihnen unsere alten Klamotten geschenkt und ja, wir haben uns gut gefühlt – nun aber reicht es. Weg sollen sie, die Menschen aus den „sicheren Drittstaaten“, die „Wirtschaftsflüchtlinge“, die „Dublinfälle“. Und das möglichst schnell. Gerade wird auch in Potsdam die Infrastruktur geschaffen, um die anstehenden
Massenabschiebungen zu organisieren und die Abschottung der Festung Europa noch ein wenig effizienter zu machen.
Legitimiert wird das von toleranten und friedlichen Demokrat*innen, die auch gegen NPD und AfD sind – gerne mit der Begründung, dass man Platz schaffen müsse, für jene, die wirklich verfolgt werden. Und es wird geglaubt, dass man mit Ausreiseprämien und Abschiebungen, höheren Zäunen, Flüchtlingsabkommen und ein bisschen Entwicklungshilfe die Lage wieder beruhigen könne, ohne sich die Hände allzu schmutzig zu machen.
Doch dem ist nicht so. Das Wüten der kapitalistischen Ökonomie hat uns einen gründlich verwüsteten Planeten hinterlassen, das Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft ist spätestens seit 1990 kassiert. Die von den kapitalistischen Großmächten – Deutschland seit knapp drei Jahrzehnten ganz vorn mit dabei – niederkonkurrierten Nationalökonomien brechen zusammen und mit ihnen ihre staatlichen Hüllen. Die Zukunftsaussichten für immer größere Teile der Weltbevölkerung sind irgendwo zwischen Subsistenzlandwirtschaft und Bürgerkrieg angesiedelt. Die Flucht davor kann nur ein Ziel kennen: in die Zentren der kapitalistischen Wirtschaft; dahin, wo man hoffen kann, noch etwas mehr als das nackte Überleben zu finden.
Unter diesen Bedingungen heißt Abschiebung und Abschottung Massenmord, ob auf dem Mittelmeer, der Ägäis oder in den Lagern Griechenlands und in der libyschen Wüste, ob vor Zäunen und Mauern oder auf den verschneiten Straßen des Balkans, ob auf einer Müllkippe im Kosovo oder in den Slums von Lagos.
Wir stehen – wie andere Gruppen und Projekte in dieser Stadt – in der Tradition einer Bewegung, die Freiheit und ein gutes Leben für alle einforderte und die wusste, dass man das nicht geschenkt bekommt, sondern selbst erledigen muss. Deswegen stehen wir auf gegen Abschiebehaft und Lager, gegen DublinIV und European Homecare, gegen Frontex und Ausländerbehörde. Und deswegen wissen wir, dass es damit noch lange nicht getan ist.
Kommt zum „die freaks formerly known as squatters“-Block auf der “Für das Recht, zu kommen, zu gehen und zu bleiben”-Demo am 18.03.2017 in Potsdam, 15.00 Uhr Nauener Tor.
Eine andere Welt ist nötig!