Im vergangenen Jahr trauerten wir während des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen um unsere Schwester Rita in Hohenleipisch. Wir forderten Gerechtigkeit vor den Behörden in Herzberg und Potsdam. In diesem Jahr berichten uns Frauen, die in der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt wohn(t)en: Das Lager ist nicht nur ein gefährlicher Corona-Hotspot. Es ist auch ein Hotspot für sexuelle Übergriffe und Belästigungen gegen Frauen, insbesondere Lesben. Lesben und Transpersonen werden diskriminiert und von den Behörden nicht geschützt.
Dies geschieht nicht nur in Eisenhüttenstadt, sondern auch in Wünsdorf und anderen Lagern. M., eine 21-jährige lesbische Frau aus Georgien. Sie erzählt, was es bedeutet, in dem so genannten “Schutzhaus” in Eisenhüttenstadt zu leben. M. wurde von anderen Geflüchteten belästigt, die wussten, dass sie lesbisch ist. Einige wollten sie schlagen und sie zum Sex mit ihnen zwingen, während andere sie beleidigten. Sie wurde depressiv und benötigt psychologische Begleitung. Die Security und die Zentrale Ausländerbehörde sagten ihr, sie solle in ihrem Zimmer bleiben, um sich in Sicherheit zu bringen. Für uns zeigt dies: Das so genannte Schutzhaus ist kein sicherer Ort, sondern eher ein Ort der hausgemachten Krise und das Zimmer wie ein Gefängnis. In diesem Bewusstsein bat M. um ihre Verlegung nach Wünsdorf, in der Hoffnung, dass die Dinge anders sein könnten. In Wünsdorf steht sie vor den gleichen Problemen. Sie sucht nun nach Unterstützung, um aus dem Lager herauszukommen und die LGBT community hier kennen zu lernen.
Wir, von Women in Exile and Friends, kämpfen seit langem dafür, dass Frauen und Kinder nicht in Lagern untergebracht werden und dass alle Lager abgeschafft werden. Denn wir wissen, was in diesen Lagern geschieht und teilen die Erfahrung. Wenn ein Mann eine Frau angreift, wird er in ein anderes Lager versetzt, wo er auch weiterhin leicht Andere angreifen kann. Aktuelle Berichte über den Mord an Rita besagen, dass der Verdächtige in ein anderes Lager verlegt wurde. Dieses behördliche Handeln macht uns wütend. Warum werden diese Übergriffe verschwiegen? Warum werden Frauen in Situation gezwungen, in denen sie solchen Gräueltaten viel mehr ausgeliefert sind?
Wir fordern Schutz für geflüchtete Menschen und die Achtung unserer Würde, insbesondere für Frauen, Lesben und Kinder! Sie werden durch Unterbringung in Lagern gefährdet.
Auch wollen wir uns anlässlich des 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen*, mit Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen solidarisieren. Besonders geflüchtete Frauen*, Minderjährige und Personen der LGBTIQ* — Gemeinschaft sind vielfältiger Gewalt ausgesetzt. Wir fordern deshalb auch dort die sofortige Evakuierung aller Menschen aus den überfüllten Lagern an der EU-Außengrenze und eine würdige Unterbringung in aufnahmebereite Länder und Kommunen.
Mit einer bundesweiten Posteraktion und
einem heute gestarteten Twittersturm geht die Kampagne Lufthansa
#Abschiebefrei in die zweite Runde. Die Berliner Gruppe "No Border
Assembly" fordert Lufthansaauf, keine Abschiebungen mehr durchzuführen
und sich klar gegen Rassismus zu positionieren. Mehr als 20
Organisationen haben sich bereits zum Kampagnenstart im Juli Lufthansa
#Abschiebefrei angeschlossen.
Nicht nur mit einem Twittersturm, auch in der Offline-Welt machen
Aktivist*innen in ganz Deutschland auf die rassistische Abschiebepraktik
der Lufthansa aufmerksam. In den letzten Wochenhaben sie den
öffentlichen Raum mit Plakaten verschönert. Am Samstag und Sonntag
werden sie den digitalen Sturm auf Instagram fortsetzen. Ihre Botschaft:
Die Lufthansa profitiert seit Jahren davon, Menschen das Recht auf
Bewegungsfreiheit zu entziehen. Das muss aufhören.
„Die rassistische Polizeigewalt auf Abschiebeflügen ist symptomatisch
für den neokolonialen Charakter von Abschiebungen", erklärt Nadija
Martin, Sprecherin der Gruppe "No Border Assembly". "Um den Zugang zum
europäischen Reichtum auf die weißen Nachfahren der Kolonialmächte zu
begrenzen, wird Reisefreiheit zum Privileg gemacht, und die zwangsweisen
Abschiebungen mit Gewalt durchgesetzt. Es ist höchste Zeit, dass
Abschiebungen als das anerkannt werden, was sie sind: rassistische
Gewaltakte“, so Martin weiter.
22.097 Menschen wurden im Jahr 2019 aus Deutschland abgeschoben, unter
ihnen 3.806 Minderjährige. Mit 5.885 führten die Lufthansa und ihre
Tochtergesellschaftenmehr als 25 Prozent allerAbschiebungen durch. Auch
während der Coronapandemie gab es keinen Abschiebestopp: Seit mehreren
Monaten erfolgen wieder Abschiebungen etwa nach Albanien, Pakistan,
Nigeria, Georgien, Serbien oder in die Republik Moldau. Nur auf Bitten
der afghanischen Regierungkonnte eine Sammelabschiebung
insCorona-geplagte Landzu Beginn dieser Woche abgewandt werden. Nach
ihrer Abschiebung sind die Betroffenen damit nicht nur in existenzieller
finanzieller Not und müssen häufig um ihr Leben bangen, sondern auch
durch das Virus besonders gefährdet.
Indes werden immer mehr Abschiebung unter massiver Gewaltanwendung
durchgeführt. Laut einer Anfrage der Linken im Bundestag sind es im Jahr
2019 offiziell 1.764 Personen, gegen die „Hilfsmittel der körperlichen
Gewalt" eingesetzt wurden. Die Dunkelziffer rassistischer Polizeigewalt
bei Abschiebungen dürfte noch signifikant höher sein. Für zwei Menschen
endete die Abschiebung durch Lufthansa tödlich: 1999 erstickte der
Sudanese Aamir Ageeb bei einer Abschiebung in einem Lufthansa-Flugzeug
durch Fesselung der Polizei. Kola Bankole aus Nigeria starb 1993 auf
ähnliche Weise bei einer Lufthansa-Abschiebung.
Dabei istdie Lufthansa keineswegs dazu verpflichtet, Abschiebungen
durchzuführen. Fluggesellschaften haben das Recht, den Verkauf von
Sitzplätzen zu verweigern, wenn dadurch Passagiere gefährdet werden.
Virgin Atlantic verkauft bereits seit 2018 keine Tickets mehr für
Abschiebungen aus Großbritannien und Australien. Im Jahr 2019
informierten sechs US-Fluggesellschaften, darunter United, Delta und
American Airlines, dass sie keine Kinder mehr befördern, die an den
US-Grenzen von ihren Familien getrennt wurden. Pilot*innen der
Lufthansa-Group weigerten sich im Jahr 2019 in 309 Fällen,
Abzuschiebende zu befördern.
Anlässlich des Kampagnenstart von Lufthansa #Abschiebefrei erklärte die
Fluggesellschaft, dass sie Abschiebungen gegen den Willen der
Betroffenen grundsätzlich ablehne. No Border Assembly bezweifelt, wie
ernst es Lufthansa mit dieser Aussage ist. "Wir wollen keine warmen
Worte mehr, wir wollen Taten sehen", erklärt Martin,"Oder hat die
Lufthansa etwa 9 Milliarden Euro an staatlicher Hilfe bekommen, um
weiter Menschenrechte zu verletzen? Die Lufthansa muss endlich von ihrem
Recht Gebrauch machen, niemand gegen den eigenen Willen zu transportieren".
Zwar gibt die Bundesregierung inzwischen nicht mehr bekannt, welche
Fluggesellschaften Abschiebungen durchführen. Doch nichts deutet darauf
hin, dass Lufthansa nicht mehr an Abschiebungen beteiligt ist. "Es ist
ein Skandal, dass das Innenminsterium verschleiert, welche
Fluggesellschaften an Abschiebungen beteiligt sind", so Martin, "Solange
wir die genauen Zahlen zu Abschiebungen per Flugzeug aus Deutschland
nicht kennen, werden wir weiterhin davon ausgehen, dass Lufthansa die
meisten von ihnen durchführt."
Lufthansa #Abschiebefrei #LockdownLufthansa
#SayNoToDeportations #AmBodenBleiben
*Pressekontakt: *
Nadija Martin
noborderassembly@riseup.net
*Über uns: *
In der Gruppe "No Border Assembly" organisieren sich Menschen für das
Recht auf Bewegungsfreiheit für alle und gegen Abschiebungen. Viele der
Aktivist*innen aus Berlin und Brandenburg kämpfen gegen ihre eigene
Abschiebung.
Mehr Informationen: https://noborderassembly.blackblogs.org/
<https://noborderassembly.blackblogs.org/>
Der folgende Bericht von Christine Schwenke zeigt auf, welche Mittel u.a. von Knästen genutzt werden, um widerständige Gefangene zu unterdrücken und eine Organisierung von Gefangenen zu verhindern.
Christine, Gefangene der JVA Luckau-Duben, versucht sich auf mehrere Art und Weisen gegen die Verhältnisse im Knast zu wehren. So stellte sie zum Beispiel seit Mai 2015 3700 Anträge an den Knast (das sind kleine Zettel, welche von Gefangenen ausgefüllt werden und dann durch verschiedene bürokratische Abteilungen im Knast wandern), welche kritische Fragen und Antworten zum Knast(alltag) beinhalten. Ein immer wieder aufkommendes Thema ist dabei die Interessenvertretung von Gefangenen, d.h. eine Gemeinschaft von Gefangenen, welche sich angeblich für die Interessen aller einsetzt. Wichtig anzumerken: Interessenvertretungen werden, wenn sie sich in Knästen überhaupt etablieren, von den Knästen absolut überwacht und kontrolliert. Sie gehören zum Knastsystem und sind nicht unabhängig davon zu betrachten (§ 113 BbgJVollzG).
Dazu merkte Christine in ihren Anträgen z.B. an:
„Warum findet seit 4 Jahren keine Interessenvertreterwahl statt? Warum wird eine Interessenvertreterin durch die JVA Luckau-Duben eingesetzt, die keiner kennt? Weder Aushänge noch Sprechzeiten werden angeboten. Interessen der Gefangenen werden somit bewusst und ganz gezielt unterbunden!“
Der Knast ließt solche Fragen und Antworten natürlich nicht gerne. Knastverhältnisse zu hinterfragen bedeutet auch das System zu hinterfragen, welches ihn hervorbringt: den Staat. Deswegen ist es Staatsknechten ein dringendes Anliegen, jegliche kritische Stimme zum schweigen zu bringen, selbst, wenn es nur um Anträge geht, die lediglich intern im Knast herumfliegen und die Anstaltstore nicht verlassen. Dafür halten sich Staatsknechte verschiedene Repressalien bereit.
So wurde Christine am 21.März 2019 beispielsweise mit einer Zellen-Razzia konfrontiert, es folgte ein seit August 2018 geltendes „Notiz-Zettel-Verbot“ bei Besuchsterminen. Weiter ging es mir der Nichtgenehmigung einer Schreibmaschine, zusätzlich muss Christine 7,5 Monate auf einen Besuch bei ihrem Sohn im Knast Tegel warten. Ein möglicher Dreimonatsrhythmus wird ebenso abgelehnt, wie ein direkter Telefonkontakt zu ihrem Sohn. Außerdem wird Christine bei der Vorbereitung ihres Wiederaufnahmeverfahrens behindert, indem ihr das Lesen der Verfahrensakten und Gesetzestexte verboten wird: „Seit 4 Jahren wird das Lesen der Verfahrensakten nicht genehmigt. Während der U‑Haft in der JVA Luckau-Duben war es am PC möglich, da alle 80 Akten digitalisiert sind. Seit dem 28. Februar 2019 ist mir das Lesen der für Gefangene angeschafften Gesetzbücher ebenso untersagt, wie z.B. die Nutzung von Wikipedia im Bildungsbereich. In Briefen mitgeschickte Infos (Gesetzesauszüge u.ä.) werden mir nicht ausgehändigt! Mir wird jegliche Möglichkeit der Information untersagt!“
Christine ist sich bewusst, dass der Knast sie mit alltäglichen Schikanen mundtot machen will. Beugen will sie sich dem aber nicht, im Gegenteil: stetig versucht sie, andere Gefangene zu motivieren, sich dem Knastsystem nicht zu fügen, sondern widerständig zu sein. Allein der Versuch der Organisierung wird allerdings vom Knast durch mehrere Methoden im Keim erstickt:
„Ich habe verzweifelt versucht wenigstens auf der Station 31 eine Einheit zu schaffen. Völlig zwecklos. In vier Jahren auf Station 31 (Durchgangsstation) waren hier über 1300 Gefangene, bei 15 Haftplätzen untergebracht. Der Durchlauf ist zu schnell. Es kommt noch hinzu, dass wir untereinander, damit meine ich zwischen den vier Stationen mit je 16 Plätzen, kaum Kontakt haben, nur die eine Stunde Freigang.“ Was das für Gefangene im Alltag bedeutet, erklärt sie ebenfalls: „Eine Gefangene von Station 21 hatte Geburtstag – ein Geschenk muss zur Freistunde geschmuggelt werden. Ein Stück Geburtstagskuchen rüberzugeben wird verboten.“
Durch starken Durchlauf und der Isolierung der Gefangenen wird eine Organisierung dementsprechend kaum ermöglicht. Hinzu kommt, dass die Vollzugsabteilungsleiterin anderen Gefangenen droht: wer Kontakt mit Christine hat, würde Nachteile riskieren.
„Mehrfach wurde mir zugetragen, dass die Vollzugsabteilungsleiterin S. andere Mitgefangene vor meiner Person warnt – der Kontakt mit mir könnte sonst Nachteile bringen.“
Spaltungsversuche wie diese zeigen die Angst der Staatsknechte auf: zwar geht es nur im mickrige Anträge einer Gefangenen, wenn sich deren Inhalte aber erst einmal im Knast herumsprechen würden und andere Gefangene auch auf die Idee kämen, ähnliche Fragen zu stellen und Antworten zu geben, wäre der Knast mit mehreren kritischen Gefangenen konfrontiert. Wenn diese Gefangenen jetzt auch noch auf die Idee kommen würden, sich zu verbündeln, gemeinsam Kritik zu äußern und sich Gegenstrategien einfallen ließen, käme das einer Organisierung gleich, welche für jeden Knast eine Gefahr darstellt. Jeder Anfang einer Organisierung, folglich einzelne kritische Gefangene, sollen daher, z.B. mittels alltäglicher Schikane, mundtot gemacht werden. Weiterhin werden die Gefangenen voneinander isoliert. Durch Drohungen wie in Christines Fall soll Angst geschürt und damit Spaltung vorangetrieben werden.
Diese Repressalien sind nicht nur Alltag in der JVA Luckau-Duben, sondern gehören zur Logik eines jeden Knastes, eines jeden Staates. So wie herrschaftsfreie Perspektiven und Organisierungen dem Staat ein Dorn im Auge sind, so versuchen auch Knäste jegliche Kritik und Organisierung von Gefangenen zu unterdrücken. So wie wir uns draußen an vorherrschende Regeln halten sollen und bestraft werden, wenn wir bei Missachtung erwischt wurden, so sollen auch Gefangene zu einem angepassten Verhalten gezwungen werden. „Angepasst“ bedeutet dabei immer, vorherrschende Regeln und Machtverhältnisse nicht zu hinterfragen, sondern sich ihnen stillschweigend zu beugen. Wehren sich Gefangene gegen die Logik „Herrschende und Beherrschte“, indem sie Machtverhältnisse z.B. mittels einer Organisierung verschieben wollen, schwingt die Repressionskeule noch stärker, als eh schon. So auch bei Christine.
Entgegen dieser Logik ist es deswegen umso wichtiger, Christine zu zeigen, dass sie nicht alleine ist. Schreibt ihr, folgt den Infos aus dem Knast auf Twitter (gerade leider gesperrt) und informiert euch auf ihrer Homepage (geht nicht über Tor zu öffnen). Lasst euch vieles einfallen, um ihr zu zeigen, dass wir sie nicht vergessen und unsere widerständigen Herzen bei ihrem sind.
Eberswalde, Halle, Hanau, Kassel, Mölln … nur eine Auswahl von Orten, an denen rassistisch-motivierte Morde und Angriffe ein trauriger Teil der Stadtgeschichte sind. Es sind Orte und Ereignisse, die uns daran erinnern, dass noch nicht genug gegen menschenfeindliche Stimmung und Gesinnung getan getan worden ist und die uns auch weiterhin aufrütteln sollten, mehr zu tun. Denn nur zu oft vergessen wir, dass schon
abfällige und ausgrenzende Blicke, Bemerkungen, Beleidigungen und Bedrohungen erste Alarmsignale für Alltagsrassismus sind. Wir wollen, dass sich alle Menschen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit positionieren, einschließlich jener, die nicht selbst von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit betroffen sind bzw. diese erfahren haben!
Anlässlich des 30. Todestages von Amadeu Antonio möchte die Barnimer Kampagne „Light Me Amadeu“ in Kooperation mit der Stadt Eberswalde und dem Landkreis Barnim gemeinsam mit möglichst vielen Menschen ein deutliches Zeichen gegen Rassismus, Hass und Hetze, für Solidarität, Demokratie und Menschenrechte setzen.
Trotz der Corona-Pandemie wird dieses Gedenken stattfinden. Nicht so, wie wir es ursprünglich geplant haben, sondern dezentral.
Wir rufen deshalb dazu auf, sich in der Zeit zwischen dem 25. November (Tag nach dem Angriff) und dem 6. Dezember 2020 (Tag seines Todes) an einem digitalen und dezentralen Gedenken zu beteiligen.
Legt in dem gesamten Zeitraum einzeln oder in kleinen Gruppen am Gedenkstein Blumen und Botschaften nieder! Streamt Videobotschaften!
Verbreitet eure Statements und Fotos unter dem Hashtag #amadeuantonio. Schickt bitte alles auch an palancaev(at)gmx.de.
Eine kleine Gedenkveranstaltung mit begrenzter Teilnehmerzahl findet unter Beachtung der Corona Auflagen statt am
Sonntag, den 6. Dezember 2020 um 14 Uhr in Eberswalde
Geplant ist eine Auftaktkundgebung am ehemaligen “Hüttengasthof” (Ecke Lichterfelder / Eberswalder Straße) mit anschließendem Demonstrationszug zur etwa 250 m entfernten Mahn- und Gedenktafel für Amadeu Antonio. Dort können nach den kurzen Wort- und Musikbeiträgen Kerzen oder Blumen niederlegt werden.
Um 17.00 Uhr findet ein digitaler Workshop zum Thema Alltagsrassismus statt. Achtet auf aktuelle Ankündigungen. Wir laden alle Menschen zur Teilnahme ein, die für Respekt und Solidarität, gegen Hass, Hetze und Gewalt einstehen.
Zeichen setzen für unsere Brandenburger Zivilgesellschaft. Ein Appell anlässlich der Angriffe vonseiten der AfD-Landtagsfraktion
Autokratische, antidemokratische und nicht zuletzt faschistische Tendenzen sind weltweit ein Problem. Zwar ist das Vertrauen in die demokratischen Institutionen nach wie vor hoch. Doch die vielen Debatten, Demonstrationen und gar Terroranschläge darüber zeigen auch: Die Zwietracht ist gesät und viele beginnen, das Selbstverständliche mit anderen Augen zu betrachten. Und manche überlegen bereits: Wenn man die Demokratie zerstören wollte – wie und mit wem wäre zu agieren? Und nicht wenige Beziehungen, global oder auch in Frankfurt Oder und Słubice, führen zur AfD.
So wird klein Angefangen. Und dafür kann man auf die demokratischen Institutionen selbst zurückgreifen. Etwa, indem man im Landtag „Kleine Anfragen“ zu Akteur*innen der Zivilgesellschaft stellt, die vor allem eines demonstrieren sollen: „Wenn wir kommen, wird „aufgeräumt“!“ So getan hat es kürzlich die brandenburgische AfD-Fraktion, indem sie die Landesregierung nach „Erkenntnissen“ zum „Utopia e.V.“ aus Frankfurt (Oder) fragt – und Informationsveranstaltungen (wie Thementage zu Nationalismus und Antisemitismus), Demonstrationsvorbereitungen (wie zur Pride oder Seebrücke), Seminare und Konzerte sowie Kulturveranstaltungen in die Nähe des extremistischen drängen möchte. Als seien solche Aktivitäten nicht die Grundlage der Demokratie.
Die AfD „fragt“ gerne und oft zu Vereinen und Initiativen, die sich gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus einsetzen, vor allem wenn sie im zivilgesellschaftlichen Netzwerk „Tolerantes Brandenburg“ engagiert sind oder einfach nicht in ihr Weltbild passen wollen. Wie zum Beispiel die Beratungsstelle „Opferperspektive“, die seit über 20 Jahren Betroffene rechter Gewalt im Land Brandenburg unterstützt. Die AfD scheut auch nicht davor zurück, eine Anfrage zu den demonstrierenden Schüler*innen von „Fridays for Future“ zu stellen. Dies erscheint auf den ersten Blick harmlos, doch muss man niemandem erklären, welches Ziel hinter diesen Anfragen steht: die Diskreditierung, Lähmung und Einschüchterung einer solidarischen Zivilgesellschaft. 2019 waren es die Antidiskriminierungsarbeit und Teile der Umweltbewegung, 2020 das muslimische Gemeindeleben an der Oder und der „Utopia e.V.“. Nächstes Jahr werden sie versuchen, die Legitimität weiterer Vereine, Initiativen und demokratischen Netzwerke zu untergraben.
Wir Brandenburger Akteur*innen der Zivilgesellschaft machen unsere wichtige Arbeit in der Nachbarschaft, im Sport, im sozialen und im kulturellen Bereich. Ob ehrenamtlich, hauptamtlich oder in kleinen Gesten – wir beziehen im Alltag Stellung für eine solidarische und emanzipatorische Gesellschaft. Die meisten von uns sind es dabei nicht gewohnt, sich in der politischen Öffentlichkeit laut Gehör zu verschaffen. Doch kein Verein, keine Initiative, kein Netzwerk oder Einzelperson soll sich von den lärmenden Rechtsaußen unter Druck gesetzt fühlen. Niemand sollte sich die Frage stellen müssen, wie die eigene Arbeit wohl aussähe, wenn die AfD „das Sagen“ hätte
Deswegen unterzeichnet diesen Appell und ladet alle ein, es uns gleich zu tun! Wir sind bunt, solidarisch und stehen zusammen! Bei „kleinen Anfragen“ und bei großen Herausforderungen, vor denen wir überall gleichermaßen stehen: den Stimmungsmacher*innen am rechten Rand die Stirn zu bieten. Und unsere vielfältigen Kulturen in der Stadt und auf dem Land zu verteidigen.
Am Vorabend des sogenannten “Volkstrauertag” besuchten Neonazis den Soldatenfriedhof auf dem Friedhof in der Fontanestraße in Strausberg. Am „Soldatenfriedhof“, auf dem gefallene Wehrmachtssoldaten liegen, legten Neonazis ein in schwarz-weiß-rot gehaltenes Blumengesteck nieder, an dem eine Schleife mit der Aufschrift „Eure Heldentaten bleiben Unvergessen“ angebracht war. Außerdem fanden sich neben dem Blumengesteck Grabkerzen mit Stickern der neonazistischen Kleinstpartei der III. Weg sowie eine aus Holz selbstgebaute, gestürzte Lebensrune, die den Tod symbolisiert. Sie posierten mit einem Fackelmarsch für Fotos zur Veröffentlichung auf der Website des III. Weges.
Diese Aktion kann als Ersatz gesehen werden für das von Neonazis seit Jahren vollzogenen Aufmärsche in Wunsiedel in Oberfranken. Das offensive Auftreten der Neonazis mit Fackeln und klarer Bezugnahme auf den NS in dieser Größenordnung ist bedrohlich und besorgniserregend. Sie verkennen die Verbrechen der Wehrmacht und glorifizieren die Morde und Verbrechen gegen die Menschheit, die auch die Wehrmacht begangen hat. Dass Neonazis mit öffentlichen Aktionen und Blumensträußen am heutigen Tag ihre Ideologie verbreiten, geschieht bundesweit und ist auch nicht das erste Mal in Strausberg erfolgt. Immer wieder waren ähnliche Gebinde und Aktionen auf dem „Soldatenfriedhof“ zu finden. So haben in der Vergangenheit die “Kameradschaft Märkisch-Oder Barnim (KMOB)”, als auch Strausberger Nazis zusammen mit Nazis aus umliegenden Landkreisen Kränze und Ähnliches niedergelegt. Die ca. 20 anwesenden Personen lassen vermuten, dass auch hier Neonazis aus ganz Märkisch-Oderland und darüber hinaus zusammengekommen sind. Zwar war der III. Weg bisher in der Region wenig präsent, wenn von Aus
Exzess-Versand bietet das Aktivisten Handbuch vom III. Weg an.
flügen in die Märkisch-Schweiz durch Aktivisten aus anderen Regionen wie im Oktober 2017 abgesehen wird. Es tauchen immer mal wieder Sticker der Partei in Strausberg und Umgebung auf, aber die geringe Quantität lässt nicht auf eine aktive Zelle des III. Weges in der Region schließen — aber immerhin zu Verbindungen, über die das Material verteilt wird.
Dennoch: Strausberg blickt auf eine lange und aktive Kameradschaftsszene zurück. Auch wenn es nach dem Verbot der „ANSDAPO“ 2005 ruhiger um die Nazis geworden ist, so sind sie immer noch unter dem Label der Bruderschaft „AO Strausberg“ aktiv und gut vernetzt. Ihr Hang zur NS-Symbolik und Gewaltaffinität verbindet sie zumindest theoretisch mit dem III. Weg. Darüber hinaus gibt es auch mit der bundes- und europaweit bekannten Strausberger Rechtsrock Band “Exzess” weitere Akteure vor Ort, die auch Kontakte in das militante Neonazi-Spektrum haben, zu dem auch der III. Weg gezählt werden kann. So verkauft Exzess über ihr eigenes Label auch das Handbuch für die Aktivisten des III. Weges “National, Revolutionär, Sozialistisch”. Der Frontmann von Exzess Tobias Vogt wird auch dem Organisatorenkreis des neonazistischen Kampfsportevent “Kampf der Nibelungen” zugerechnet. Da hier auch regelmäßig Aktivisten des III. Weges antreten und involviert sind, könnte hierüber ein Kontakt nach Strausberg entstanden sein.
Andrew R. Stelter (hellblaues Hemd, mit schwarzer Maske) auf dem Aufmarsch vom III. Weg in Berlin Hohenschönhausen am 3. Oktober 2020
Ähnlich verhält es sich mit Andrew Stelter. Der schon in den 90er Jahren aktive Neonazi war lange Jahre NPD-Kader und rund um die verbotene Heimattreue Deutsche Jugend aktiv. Stelter, der auch am 3.Oktober 2020 bei dem bundesweit mobilisierten Aufmarsch des III. Weg in Berlin-Hohenschönhausen anwesend war, war in Strausberg bis vor kurzem als Boxtrainer im „Boxclub Strausberg e.V.“ vom KSC Strausberg aktiv. Es lässt sich vermuten, dass dieser auch an der Aktion zum “Volkstrauertag” beteiligt war. Es ist davon jedenfalls davon auszugehen, dass die Aktion aus einem ähnlichen Personenspektrum kommt bzw. über die Kontakte der Strausberger Kameradschaftsszene und Exzess organisiert wurde.
Wir haben das einzig sinnvolle mit dem Nazizeug gemacht: die Rune wurde zu Feuerholz und die Blumen werden kompostiert.
Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen. Ein einziger Tag, der lange nicht ausreicht, um der Dimension von Gewalt, die Frauen 365 Tage im Jahr erleben genug Aufmerksamkeit zu schenken. Diese patriarchale Gewalt findet in der Öffentlichkeit statt. Auf der Straße in Form von Street Harassement und sexualisierter Gewalt. Im Internet, in dem Frauen regelmäßig Mord- und Vergewaltigungsdrohungen bekommen, wenn sie den patriarchalen Normalzustand angreifen. Und patriarchale Gewalt findet im Privaten statt, in Form von häuslicher und sexualisierte Gewalt und Femiziden, die meist nicht einmal als das gesehen werden, was sie sind: das Ergebnis puren Frauenhasses.
Der Staat trägt als Stütze des Patriarchats diesen Normalzustand mit, wenn er uns durch das Verbot von Abtreibungen unsere körperliche Selbstbestimmung abspricht und unsere Selbstgeschaffenenen Schutzräume räumen lässt. Indem er geflüchtete Frauen in Gemeinschaftsunterkünfte steckt, in denen sie noch stärker Gewalt durch Personal und Mitbewohner ausgesetzt sind.
Die Corona-Pandemie verschlimmert die Situation für alle Frauen, Zahlen zu häuslicher Gewalt steigen nachweisbar an.
Lasst uns den Kampf gegen patriarchale und sexistische Gewalt auf die Straße und ins Netz tragen! Stellen wir uns den Einschränkungen von der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen entgegen!
Verschönert bis zum 25.11. eure Städte und Dörfer mit euren Botschaften gegen die ganze Scheiße. Postet entsprechende Plakate, Banner, Sticker und Graffitis in den sozialen Medien. Zum Beispiel unter dem Hashtag #femizidestoppen
Wenn ihr Inspiration braucht, gibt es hier ein paar Vorlagen.
Wir schweigen nicht. Feministischer Widerstand jetzt und hier!
Wir, Women in Exile & Friends organisieren mittags eine Kundgebung vor dem BAMF und dem Lager Eisenhüttenstadt (Erstaufnahmezentrum).
Wir verurteilen, dass das Lager in Eisenhüttenstadt nicht nur ein gefährlicher Corona-Hot-Spot ist, sondern auch ein Hot-Spot für Gewalt gegen Frauen, insbesondere Lesben. Die Dunkelziffer ist sehr hoch. In diesem Sommer gab es zwei Vergewaltigung und eine versuchte Vergewaltigung in den Brandenburger Erstaufnahmen – auch in Eisenhüttenstadt. Dazu kommen sexuelle Belästigungen und Übergriffe, Körperverletzungen jeder Art, häusliche Gewalt, psychische Gewalt und Stalking. Wir können unsere Augen nicht vor dieser Gewalt verschließen, die durch das rassistische Asylsystem mit verursacht wird.
Letztes Jahr am 25.11., während des internationalen „Tages gegen Gewalt an Frauen“, trauerten wir um unsere ermordete Schwester Rita in Hohenleipisch und forderten Gerechtigkeit vor den Behörden in Herzberg und Potsdam. Dieses Jahr werden wir laut und deutlich vor dem Lager in Eisenhüttenstadt sein. Wir werden weiterhin Gerechtigkeit für Rita fordern und immer wieder zeigen, dass Lager keinen sicheren Ort für Frauen und Kinder sind.
Anlässlich des 82. Jahrestages der Pogromnacht haben wir am 9. November an die Opfer des Nationalsozialismus in Guben erinnert. In dieser Nacht wurden 1938 in Deutschland und Österreich Synagogen zerstört, jüdische Friedhöfe geschändet, Geschäfte jüdischer Menschen angezündet und Jüd*innen ermordet und inhaftiert. Die Pogrome markierten den Übergang des NS-Regimes von Diskrimminierung und Stigmatisierung jüdischer Menschen hin zu deren systematischer Vertreibung und Vernichtung.
Die erste Synagoge in Gubin wurde 1837 erbaut und bei den Novemberpogromen von den Nazis zerstört.
Auch die Synagoge in Guben fiel den Pogromen zum Opfer. Sie wurde 1878 im heutigen
polnischen Teil der Stadt (Ulica Dabrowskiego) erbaut. Die jüdische Gemeinde zählte damals mehr als zweihundert Menschen, von denen nur zwei die Shoa überlebten. Das Gebäude wurde während der Pogromnacht in Brand gesetzt und zerstört. Auch die Ruine wurde später abgerissen.
Heute erinnert ein Gedenkstein an den Ort, an dem die Synagoge einst stand. Jüdische Menschen hatten zuvor die Stadt geprägt, wie bspw. der Oberbürgermeister Alfred Glücksmann oder der Hutfabrikant Herrmann Lewin, dessen Sohn nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt war und im Schweizer Exil verstarb.
Am Naemi-Wilke-Stift gedachten wir weiteren Opfern des NS-Regimes. Im Jahr 1940 wurden aus dem Stift 32 junge Frauen abtransportiert und umgebracht. Man hatte sie in der Landespflegeanstalt in Brandenburg an der Havel euthanasiert. Heute erinnern Stolpersteine unter anderem an Elisabeth Martina, Margarete Janzen, Luise Staffeldt und Edith Unke. Dies sind nur einige Schicksale, die exemplarisch für die systematische Vernichtung von Menschen im Nationalsozialismus stehen.
Damit dies nie wieder geschieht, dürfen wir die Opfer nicht vergessen. Erinnern heißt handeln und heißt auch kämpfen gegen faschistische Tendenzen in der Gegenwart.
Am Dienstag den 27. Oktober 2020 wurde Horst Mahler aus der JVA Brandenburg an der Havel entlassen. Der Antisemit und Shoaleugner Horst Mahler war seit 2009 in der JVA Brandenburg an der Havel inhaftiert. Die Freilassung nehmen wir zum Anlass eine kleine Chronik mit einigen ausgewählten Ereignissen um Horst Mahler von 1998 bis heute zu veröffentlichen. Die Chronik spiegelt viele, gewiss aber nicht alle, Geschehnisse wieder. Daher erheben wir hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit, wollen dennoch einen breiteren Überblick ermöglichen.
Horst Mahler oder mit vollständigen Namen Horst Werner Dieter Mahler wurde am 23. Januar 1936 in Haynau (Niederschlesien) geboren. Er war Mitglied der SPD und des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS). Als Mitbegründer des Sozialistischen Anwaltskollektivs vertrat er viele Aktivist*Innen der Studentenbewegung, darunter auch spätere Mitglieder der „Rote Armee Fraktion“. Im Jahr 1970 wird Mahler Mitbegründer der RAF und im gleichen Jahr auch noch verhaftet und anschließend zu 14 Jahren Freiheitsstrafe u. a. wegen Bankraubs verurteilt. Horst Mahler ist seit Ende der 1990er Jahre im rechtsradikalen Milieu aktiv. So war er Mitglied der NPD und vertrat die Partei auch im Verbotsverfahren, welches 2003 scheiterte. Um die 2000er war Mahler einer der Köpfe des „Deutschen Kollegs“. Wegen verschiedener Delikte, darunter verfassungswidrige Betätigung, Shoaverleugnung, Mord- und Gewaltandrohungen sowie antisemitische und neonazistische Äußerungen wurde Mahler zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt. Von Mai 2006 an befand sich Mahler mit einer Unterbrechung vom Juli 2015 bis Mai 2017 in Haft. Horst Mahler war aufgrund der Nähe zu seinem Wohnort in Kleinmachnow, seiner letzten Meldeadresse vor der Inhaftierung, in der JVA Brandenburg an der Havel inhaftiert. Mahler ist ein Antisemit, der auch unter Reichsbürger*Innen mit seinen Thesen und Behauptungen viel Ansehen genießt. Mahler trat mit dem „Deutschen Kolleg“ für die Errichtung eines „4. Reiches“ ein. Des Weiteren sieht er den Tag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht als den Tag des letzten in Deutschland gültigen Rechtsstands. Laut Mahler arbeiten die Juden „bewusst an der Zersetzung der Volksgeister und erstreben die Herrschaft über die Völker“. Deshalb seien, so Mahler, „auch die Protokolle der Weisen von Zion – auch wenn es sich dabei um eine Fälschung handelt – authentische Zeugnisse des jüdischen Geistes“.
1998: Im Jahr 1998 ist Mahler einer der Mitbegründer der deutschnationalen Bürgerbewegung „Für Unser Land“. Diese ruft alle Deutschen auf, sich ihr anzuschließen, „damit Deutschland deutsch bleibt.“ Er veranstaltete zusammen mit anderen Funktionär en des Bundes freier Bürger Montagsdemonstrationen unter anderem gegen das geplante Holocaust-Mahnmal in Berlin und in Frankfurt/Main. (Antifa Infoblatt 22. September 1999, Antifa Infoblatt 10. April 2003)
1999: Mahler tritt dem „Deutschen Kolleg“ bei. Das „Deutsche Kolleg“ entstand 1994 aus dem Lesekreis Berlin der „Jungen Freiheit“. Die „Junge Freiheit“ gilt als Publikation der sog. Neuen Rechten. Das „Deutsche Kolleg“ radikalisiert sich mit dem Beitritt Mahlers, der seitdem mehrfach mit antisemitischen Äußerungen auffällt. (MAZ 26.7.2003)
2000: Mahler publiziert im Oktober 2000 ein Pamphlet mit dem Titel „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“. In diesem fordert Mahler unter anderem das Verbot der jüdischen Gemeinden in Deutschland, die Ausweisung aller Asylbewerber, „aller arbeitslos gewordenen Ausländer“ und einige weitere Maßnahmen ähnlicher Art.
Am 12. August 2000 tritt Mahler in die NPD ein. In seiner Presseerklärung dazu heißt es, dass er das Grundgesetz für ein „Provisorium für die Übergangszeit bis zur Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches“ hält.
Zusammen mit Franz Schönhuber veröffentlichte Mahler im Jahr 2000 das Buch „Schluß mit dem deutschen Selbsthaß“.
2001: Ab 2001 bis 2003 vertritt Mahler die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht, als die Bundesregierung erfolglos versucht, ein Verbot der NPD zu erreichen. Seine Schriftsätze an das Gericht bestehen großenteils aus ideologischen Textpassagen unterschiedlicher Herkunft.
2002: Mit der Billigung Mahlers wird im September 2002 in der NPD Parteizentrale in Berlin-Köpenick ein Schriftstück an Journalist*Innen verteilt. In diesem wird der Hass gegen Juden als „untrügliches Zeichen eines intakten spirituellen Immunsystems“ bezeichnet. (MAZ 26.7.2003)
2003: Horst Mahler wird im Juli eine Behördenverfügung zugestellt, die ihn dazu verpflichtet, seinen Pass sowie Personalausweis umgehend auszuhändigen. Das ganze geschieht, weil Mahler eine Provokationsreise in das nationalsozialistische Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nach Polen plante. Nach Erkenntnissen mehrerer Verfassungsschutzbehörden hatte er mit Gesinnungsfreunden beabsichtigt, in der kommenden Woche in Auschwitz den Holocaust an sechs Millionen Juden öffentlich zu leugnen. Erst vor Tagen habe ein rechtsextremes Vorauskommando Gaskammern in Auschwitz vermessen sowie Film- und Fotoaufnahmen gemacht. Die Daten und Bilder sollten offenbar als Beleg für die Behauptung herhalten, dass die Nazi-Verbrechen ein weit geringeres Ausmaß hatten, als die Geschichtsforschung nachgewiesen hat. Im Mai waren Mahlers Pläne den Verfassungsschützern bekannt geworden — im Umkreis des neonazistischen Intellektuellen-Zirkels “Deutsches Kolleg”, in dem der 67-Jährige den Ton angibt. Vor zwei Wochen zuvor deutete sich zudem an, dass Medien die Provokationen öffentlichkeitswirksam verbreiten sollten. Details sind nicht bekannt. Das “Deutsche Kolleg” besteht aus 40 bis 50 Mitgliedern, die das Dritte Reich — besonders den Antisemitismus — verherrlichen. Unter Sicherheitsexperten gilt es als “intellektuelle Speerspitze des deutschen Rechtsextremismus”. (MAZ 26.7.2003)
Im Sommer 2003 zelebrieren Shoaleugner*Innen unter Führung von Horst Mahler den “Aufstand für die Wahrheit auf der Wartburg”. Auf mitgebrachten Plakaten waren Losungen wie “Den Holocaust gab es nicht” oder “Die Wahrheit siegt” zu lesen. (Mut gegen rechte Gewalt 19. Dezember 2008)
Mahler gründet im November 2003 den Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten, dem neben ihm selbst eine Reihe bekannter Holocaustleugner angehörten.
2004: Als Mitbegründer des rechtsradikalen „Deutschen Kollegs“ steht Mahler mit Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen wegen Volksverhetzung im Februar 2004 vor dem Landgericht Berlin. Der Grund dafür ist das im Oktober 2000 publizierte Pamphlet „Ausrufung des Aufstandes der Anständigen“.
Mahler wird 2004 vom Amtsgericht Tiergarten am 8. April ein vorläufiges Berufsverbot erteilt, weil er während des Prozesses den Richtern, den Schöffen und dem Staatsanwalt die Todesstrafe nach dem Reichsstrafgesetzbuch angedroht hat und im Gericht antisemitische Äußerungen getätigt hat. Im Übrigen gingen ähnliche Todesdrohungen an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und zwei Rechtsanwälte der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Wegen der im Prozess geäußerten antisemitischen Kommentaren erhob die Staatsanwaltschaft erneut Anklage. Das Landgericht ordnete in diesem Prozess auch die psychiatrische Begutachtung Mahlers durch einen Sachverständigen an. Schließlich wurde er zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Am 11. September fand in Kleinmachnow bei Potsdam eine Antifademo unter dem Motto “Wenn die Antifa 3x klingelt…Wir machen auch Hausbesuche!” gegen Horst Mahler statt, bei der gegen den dort lebenden Neonazi und Antisemiten protestiert wurde. Zuvor kursierten zwei Aufrufe aus dem neonazistischen Spektrum, in dem gegen die Antifaaktion mobil gemacht wurde. In Kleinmachnow selbst verteilten “Freunde von Horst Mahler” Flugblätter in Briefkästen, in dem zu einer Gegenkundgebung aufgerufen wurde. An der Demo beteiligten sich rund 130 Autonome Antifas. Neben der Polizei waren auch einige Neonazis anwesend. Ihre Hauptaufgabe sahen die versammelten Nazikameraden im Schutz des Hauses von Mahler sowie der Beobachtung unserer Antifa Aktion. Viele Anti-Antifa-Aktivisten aus Berlin und Brandenburg wurden gesichtet, und auch des Platzes verwiesen. Kurz vor Schluss der Demonstration kam es zu Rangeleien der Demonstration mit der Polizei, da sich die versammelten Polizeibeamten nicht in der Lage sahen die Neonazi zügig aus unserem Weg zu räumen. Anzeigen wurden nicht angenommen, Holocaustleugner konnte lauthals agieren wie sie wollten und die Neonazis konnten immer schön vermummt ihre Geländespiele vollführen. (Inforiot 10. September 2004, Inforiot 13. September 2004)
Das Fronttransparent der Antifademo in Kleinmachnow 2004, Quelle: Indymedia
2005: Im Juni 2005 tauchen in Berliner S‑Bahnen Flugzettel auf, in denen vom „Deutsche Kolleg“ um den Shoaleugner Horst Mahler zum Besuch des „ersten Bernauer Ausschwitz-Prozesses“ aufgerufen wurde auf. (Autonome Jugendantifa Bernau 30. Juni 2005)
Der Kleinmachnower SPD-Landtagsabgeordnete Jens Klocksin verlangt in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung die Bewertung der Aktivitäten des Netzwerkes “Die Reichsbürgerbewegung zur Befreiung Deutschlands”. Die Bewegung erstelle und verteile nach eigenen Angaben alle vier bis sechs Wochen Flugblätter, Aufkleber und Plakate mit rechtsextremem und ausländerfeindlichem Gedankengut. Sie betreibt rechtsextreme Hasspropaganda gegen Demokrat*Innen, Christ*Innen, Jüdinnen*Juden und Ausländ*Innen. Die Postwurfsendungen erreichen Haushalte in Berlin und Brandenburg, auch in der Region Teltow. Presserechtlich verantwortlich zeichnet der Rechtsextreme Horst Mahler aus Kleinmachnow. (PNN 2. Februar 2005)
2006: Horst Mahler wird im Januar 2006 für sechs Monate der Reisepass von den brandenburgischen Behörden entzogen. Dies geschieht um Mahlers Teilnahme an der Teheraner Holocaustleugner-Konferenz (11./12. Dezember 2006) zu verhindern. Das Innenministerium begründet dies damit, dass Mahler mit erneuten antisemitischen Äußerungen auf dieser Konferenz das Ansehen der BRD erheblich beschädigen könnte. (PNN 27. Februar 2006, Berliner Zeitung 27. Januar 2006)
2007: Mahler begrüßt bei einem Interview im September 2007 für die Zeitschrift „Vanity Fair“ den Reporter M. Friedman mit den Worten „Heil Hitler, Herr Friedman“ und im weiteren Gesprächsverlauf leugnet er die Shoa. (Focus Online 22. Juli 2008, Vanity Fair November 2007)
Am 23. November berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass Mahler ein Einschreiben an den Bürgermeister von Ebersberg, seinem Wohnort, schickt. Im Schreiben leugnet er die Shoa und verherrlicht den Nationalsozialismus. (Süddeutsche Zeitung 23. November 2007)
2008: Der im November 2003 gegründete Verein Mahlers wird als verfassungsfeindlich verboten. Der „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“, dem neben ihm selbst eine Reihe bekannter Holocaustleugner angehörten ist damit Geschichte.
Mahler wird wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu 10 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung vom Amtsgericht Erding verurteilt. Grund für die Verurteilung sind die Äußerungen im Interview mit M. Friedman im September 2007.
Am 22. Juli wird Mahler am Landgericht Cottbus zu 11 Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Am 15. November 2006 bei seinem Haftantritt zeigte Mahler nach Polizeiangaben den Hitlergruß und rief seinen ca. 35 AnhängerInnen „Heil“ zu.
2009: Mahler wird am Landgericht München II am 25. Februar 2009 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er strebte diesen Prozess an um ihn für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren und so sagt Mahler am 12. Januar 2009 bei der Eröffnung zum Richter „Ich sitze hier, weil ich hier sitzen will.“ Kurz darauf leugnet er erneut die Shoa. Zuvor hat er Strafanzeige gegen sich selbst erstattet. (Süddeutsche.de 17. Mai 2010)
Am 11. März 2009 wird er vom Landgericht Potsdam zu zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe wegen Volksverhetzung in 15 Fällen verurteilt. Das Urteil wird unter Einbeziehung der Urteile vom 20. Januar 2005 vom Landgericht Hamburg und des vom 9. September 2002 vom Amtsgericht Mainz, bei denen er zu zwei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war, gefällt. Mit der Verurteilung vom Landesgericht München II vom Februar 2009 ist Mahler insgesamt zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Im Juli 2009 wird Mahler von der Anwaltskammer Berlin die Zulassung entzogen. (n‑tv 19. 08.2009)
2011: Am 26. März 2011 sind 200 bis 250 Neonazis vor der JVA Brandenburg an der Havel aufmarschiert um sich mit dem dort inhaftierten Shoaleugner Horst Mahler zu solidarisieren. Im Gegensatz zur Mobilisierung der Neonazis, die mit zwei Straßenbahnen, einem Reisebus und zahlreichen Pkws anreisten, blieb der antifaschistische Protest eher verhalten. Zu einer Gegenveranstaltung an der Straßenbahnhaltestelle „Asklepios Klinik“ versammelten sich nach umfangreichen Vorkontrollen inklusive Identitätsfeststellung gerade einmal 20 Menschen, die den Aufrufen des Antifaschistischen Netzwerkes [AFN], des VVN-BdA sowie der Gewerkschaften gefolgt waren. Die Stadt Brandenburg an der Havel oder die sagenumwobene „Zivilgesellschaft“ hatten hingegen nicht den Weg zur Gegenveranstaltung gefunden. Auch auf eine Alibiveranstaltung fern ab des Geschehens wurden in diesem Jahr komplett verzichtet. Der Aufmarsch der Neonazis war von dem ebenfalls wegen Leugnung der Shoa vorbestraften Kevin Käther sowie dem neonazistischen Anwalt Wolfram Narath initiiert worden und lockte auch internationale Protagonisten dieses Milieus, z.B. aus Frankreich, an. Daneben solidarisierten sich aber auch Angehörige so genannter „Freier Kräfte“ aus Berlin und Brandenburg mit der Veranstaltung und ihrer Forderung nach der Freilassung Mahlers aus der Strafhaft sowie der Abschaffung des § 130 (Volksverhetzung), StGB. Weiterhin vertreten waren auch lokale Größen der NPD, wie Michel Müller, der im Kreistag vom Havelland sitzt, und Maik Schneider, ehem. Abgeordneter im Kreistag Havelland sowie in der Stadtverordnetenversammlung Nauen. In Redebeiträgen, auf Bannern und Pappschildern wurde dabei Mahlers Verurteilung wegen Verleugnung der Shoa, für die er als Wiederholungstäter einmal mehr einsitzt, als „Gesinnungsjustiz“ deklariert, die angeblich das Grundrecht auf Meinungsfreiheit untergräbt. (Antifaschistisches Netzwerk Brandenburg – Premnitz – Rathenow 27. März 2011)
Ein Flyer/Aufkleber bei der Demonstration für Horst Mahler 2011 in Brandenburg an der Havel
Den 200 bis 250 Neonazis stellten sich gerade mal 20 Antifaschist*Innen entgegen, Quelle: AFN
2012: Von November 2012 bis März 2013 schreibt Mahler auf einem Computer im Gefängnis ein Werk unter dem Titel „Das Ende der Wanderschaft – Gedanken über Gilad Atzmon und die Judenheit“. Der mehr als 200 Seiten umfassende antisemitische Text in dem Mahler sich in seinen Thesen auf den jüdischen Israelkritiker Gilad Atzmon bezieht, wird beschlagnahmt und Mahlers Kontakte nach Außen strenger kontrolliert, nachdem Teile des Textes im Internet auf der Seite „Altermedia“ veröffentlicht wurde. (Berliner Zeitung 7. Juni 2017, Der Spiegel Nr. 30, 2013)
2014: Die Staatsanwaltschaft Cottbus erhebt im Mai 2014 Anklage wegen Volksverhetzung gegen Mahler aufgrund des Textes „Das Ende der Wanderschaft – Gedanken über Gilad Atzmon und die Judenheit“. (welt.de 22. August 2013)
Am 26. Oktober 2014 veranstaltete das Neonazi-Netzwerk „Gefangenenhilfe“ (GH) in Brandenburg an der Havel auf dem Neustädtischen Markt eine Kundgebung zu der um die 70 Neonazis kamen. Das Motto der Kundgebung, die von der NPD Havel-Nuthe angemeldet worden war, lautete „Solidarität gegen staatliche Repression“. Unter anderem war Maik Eminger, Zwillingsbruder des Mitangeklagten im NSU-Prozess, André Eminger, vor Ort. Die „GH“ war zum ersten Mal 2012 öffentlich mit ihrem ersten Eintrag auf ihrer Webseite im April 2012 aufgefallen. Sieben Monate zuvor war die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG) verboten worden. Die „GH“ betonte immer wieder, dass sie nicht die Nachfolgeorganisation der „HNG“ sei, dennoch übernahm sie größtenteils deren Arbeit, baute aber ihre Strukturen anders auf um das staatliche Vorgehen gegen die neu gegründete „GH“ zu erschweren. So hatte die „GH“ ihren Sitz in Schweden, ließ sich dort ins schwedische Vereinsregister eintragen und eröffnete dort auch ihre Bankkonten. Das ganze wurde möglich durch den in Skandinavien lebenden Stephan G. Maik Eminger, der langjähriger Vorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) Potsdam hielt die erste Rede, nach dieser folgte eine Rede vom Vorsitzenden der Brandenburger JN Pierre Dornbrach woraufhin ein Redebeitrag von einem Redner der Partei „Der dritten Weg“ folgte. Circa 100 Menschen stellten sich den Neonazis entgegen. Zu Gegenaktionen aufgerufen hatten die „Koordinierungsgruppe für Demokratie und Toleranz“ sowie die Linksjugend solid. (Die Zeit 26. Oktober 2014)
Eines der Transparente der Neonazis bei der Kundgebung 2014 auf dem Neustädtischen Markt, Quelle: Presseservice Rathenow
2015: Die Staatsanwaltschaft Potsdam gewährte Mahler aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes eine Haftunterbrechung im Juli 2015. Aufgrund einer schweren Infektion und deren Folgen muss ihm der linke Unterschenkel amputiert werden. Daraufhin entwickelt Mahler eine schwere Sepsis und befindet sich in einem akut lebensbedrohlichen Zustand und wird daher vom Gefängniskrankenhaus auf die Intensivstation den Städtischen Klinikums Brandenburg an der Havel verlegt. Im August 2015 verbesserte sich der Gesundheitszustand soweit, dass er eine Rehabilitation plante. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam entschied daraufhin im September 2015, dass Mahler nach der Verbüßung von zwei Drittel der Haftstrafe auf Bewährung freikommen soll. Das Oberlandesgericht Brandenburg hob die Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft München II wieder auf. Sowohl die JVA als auch die Staatsanwaltschaft sprachen sich gegen die vorzeitige Entlassung aus, da weitere Straftaten zu erwarten seien und Mahler eine „verfestigte kriminelle Persönlichkeitsstruktur“ aufweise. Dieser Auffassung folgte das Oberlandesgericht Brandenburg und stellte des Weiteren fest, dass eine positive Sozialprognose für ein straffreies Leben nicht zu erwarten sei. Die kurzzeitige Haftunterbrechung nutzte Mahler unter anderem um erneut Vorträge in rechtsradikalen Kreisen – insbesondere denen der NPD – zuhalten. (Tagesspiegel 31.03.2017, Tagesspiegel 18.01.2019)
Dem Tagesspiegel ist am 22. Juli 2015 zu entnehmen, dass „[b]randenburgs Sicherheitsbehörden […] sich auf den Tod des Neonazis und bekannten Holocaustleugners Horst Mahler vor[bereiten].“ Weiter heißt es, dass die Polizei erste Vorbereitungen getroffen habe für den Fall von Mahlers ableben um Fackel- und Trauerzüge von Neonazis in Brandenburg an der Havel zu verhindern. (Tagesspiegel 22.07.2015)
2017: Horst Mahler hält am 9. Januar 2017 in der Nähe von Mannheim einen Vortrag. Mitschnitte davon werden auf rechtsradikalen YouTube Accounts hochgeladen. In diesen ist zu hören, wie Mahler unter anderem folgende Dinge sagt: „Die Judenheit ist in der Tat der Feind“, „das ist der Auftrag an die Judenheit, der bis heute von ihr erfüllt wird. Sie sind darauf aus, die Völker regelrecht zu vernichten.“, „Das ist das Ziel dieses Volkes von Anfang an und er ist nie aufgegeben worden“. (PNN 30.03.2017)
Am 19. April 2017 veröffentlichte Mahler ein Video in dem er verkündet, dass er nicht wieder zur Haft antreten werde. Die Staatsanwaltschaft München II stellt daraufhin einen europäischen Haftbefehl aus. Seit der Veröffentlichung des Videos befand sich Horst Mahler auf der Flucht bis am 15. Mai 2017 bekannt wurde, dass er in Ungarn um Asyl gebeten hatte. Dies tat er mit einem persönlich an Viktor Orban gerichteten Brief. Daraufhin wurde er von den ungarischen Behörden in Sopron festgenommen und in Abschiebehaft gesetzt. Rund eine Woche nachdem am 6. Juni 2017 der Beschluss des Budapester Stadtgerichts zur Auslieferung Mahlers an Deutschland bekannt wurde, wurde er am Flughafen in Budapest den deutschen Behörden übergeben und zurück in die JVA Brandenburg an der Havel gebracht um dort die restliche Strafe von dreieinhalb Jahren abzusitzen. (Spiegel Online, 17.05.2017)
2018: Horst Mahler zeigt die Leiterin der JVA Brandenburg an der Havel an. Er wirft der Leiterin Frau Wellnitz unter anderem fahrlässige Körperverletzung vor. In seinem behindertengerechten Haftraum habe Mahler in der Nacht auf den 15. November 2017 eine Verbrennung am großen Zeh seines rechten Beines erlitten. Die vermeintlich unmittelbare Ursache „die Berührung des erwähnten Körperteils mit einem im Haftraum angebrachten Heizkörper“. Die verletzende Handlung bestehe in „der grob fahrlässigen Eröffnung einer Gefahrenquelle“ laut Mahler. (MAZ 12.01.2018)
Im Jahr 2018 musste Mahler dann auch der rechte Unterschenkel amputiert werden. Daraufhin wurde von Mahler und der JVA Brandenburg an der Havel ein Entlassungsgesuch aufgrund „multimorbider Krankheit“ gestellt. Dieses wurde trotz des von Mahler zu erwartenden Todes von der Staatsanwaltschaft München II Ende November 2018 abgelehnt. Dies begründete die Staatsanwaltschaft damit, dass bei „der erforderlich werdenden palliativen Betreuung in der letzten Lebensphase“ das Anstaltskrankenhaus ausreichend ist und Mahler zur Not in eine externe Klinik verlegt und dort bewacht werden könnte. Die Staatsanwaltschaft ginge davon aus, dass „ein Ableben nach den ärztlichen Berichten wahrscheinlich“ sei. Weiter führte sie an, dass aufgrund der erheblichen Taten Mahlers und seines Verhalten in der Zeit der Haftunterbrechung „überwiegende öffentliche Sicherheitsinteressen“ bestünden und weiter hieß es, dass es sich nicht „mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen [lasse], dass weitere Straftaten begangen werden“. (Der Tagesspiegel 18. Januar 2019)
Am 18. März 2018 haben Neonazis aus dem Brandenburger Nordwesten eine Kundgebung vor dem Justizzentrum angemeldet. Rund 40 Neonazis forderten unter anderem Freiheit für die Shoaleugnerin Ursula Haverbeck. Weitere Beiträge gab es zu dem §130 (Volkverhetzungsparagraphen) und dem Neonazi Horst Mahler. Angemeldet wurde die Kundgebung von Nick Zschirnt. Er ist den ‚Freie Kräfte Neuruppin‘ zuzurechnen. Auf der Kundgebung gesprachen der Anwalt der rechtsterroristischen ‚Gruppe Freital‘ Martin Kohlmann sowie Zschirnt selbst. Rund 850 Personen stellten sich den Neonazis entschlossen entgegen. (Emanzipatorische Antifa Potsdam)
Die Neonazikundgebung in Potsdam am 18. März 2018, Quelle: Presseservice Rathenow
2019: Im Gesamten Jahr werden in Brandenburg an der Havel mindestens 50 Aufkleber festgestellt. Auf diesen wird „Freiheit für alle politische Gefangene“ gefordert und Ursula Haverbeck, Horst Mahler, Wolfgang Fröhlich sowie Siegfried Borchardt sind abgebildet. Die Aufkleber stammen von der Seite „nsheute.com“ und sind laut Eigenaussage in Kooperation mit der „Gefangenenhilfe“ entstanden. (Antifa Jugend Brandenburg)
Am 16. März 2019 veranstalteten Freie Kräfte sowie Mitglieder der NPD den „Tag der politischen Gefangenen“ in Brandenburg an der Havel auf dem Katharinkirchplatz. Zu der Kundgebung kamen ca. 30 bis 40 Neonazis aus Brandenburg an der Havel sowie überwiegend aus Westbrandenburg. Aus Brandenburg an der Havel nahm unter anderem der Mörder von Sven Beuter, Sascha L., teil. Des Weiteren waren unteranderem Roy S., Ramon G., Hans-Peter G. und Michael H. anwesend. Aus Westbrandenburg waren unteranderem Dave T., Nick Z., Beatrice K., Pierre B., Robert W., Manuela K. sowie Frank O. angereist (um nur ein paar zu nennen). Von der „British National Front“ ist Shoaleugner Richard Edmonds angereist und hielt eine Rede. Auf Transparenten wurde sich mit Shoaleugner*Innen wie Horst Mahler und Ursula Haverbeck solidarisiert. Weiter wurde beklagt, dass es ein „totalitäres Sonderrecht“ in Deutschland gebe, weil der Straftatbestand der Volksverhetzung in einem Land mit Meinungsfreiheit keinen Platz haben sollte. Dagegen gingen bei Dauerregen 150 Menschen auf die Straße und forderten unter anderem auf den Transparenten „Faschistische Strukturen zerschlagen“ und „Kein Kiez für Nazis“. (Antifa Jugend Brandenburg)
Auf einem Transparent wird bei der Kundgebung auf dem Katharinkirchplatz von den Neonazis „Meinungsfreiheit durchsetzen, Freiheit für Horst Mahler“ gefordert, Quelle: Presseservice Rathenow
Die Antifa Jugend Brandenburg fordert auf einem Transparent „Faschistische Strukturen zerschlagen!“, Quelle: Presseservice Rathenow
Laut Spiegel sowie Tagesspiegel soll Andreas Kalbitz am 10. August 2008 eine E‑Mail von Horst Mahler erhalten haben. Diese liegt dem Tagesspiegel ebenfalls vor. In der E‑Mail berichtete Mahler vom ersten Verhandlungstag am Landgericht Potsdam. Die Mail nach dem Prozessauftakt ging an einen Verteiler von 276 E‑Mail-Adressen — darunter die von Andreas Kalbitz. Dem Tagesspiegel sagte Kalbitz er könne sich nicht an einen Kontakt zu hochrangigen Vertretern der Nazi-Szene erinnern. Dem “Spiegel” erklärte er: “Von einer E‑Mail von Herrn Mahler vor elf Jahren weiß ich nichts”. Und weiter: “Ich habe keinerlei Kontakt mit Horst Mahler und distanziere mich schärfstens von den von ihm aufgestellten Thesen.” (Der Tagesspiegel 23.08.2019)
2020: Am 8. August 2020 holen 32 Neonazis den für ursprünglich im März geplanten „Tag der politischen Gefangenen“ in Hennigsdorf nach. Der NPD-Funktionär Andrew Stelter fordert in einer Rede Solidarität für Ursula Haverbeck sowie für Horst Mahler. Besucht und organisiert wurde die Kundgebung von Neonazis aus der NPD, der Junge Nationalisten (JN), die Jugendorganisation der NPD) und Neonazis aus dem Freien Kameradschaftsspektrum. Symbolisch kehren die Neonazis dem Mahnmal für die Opfer des Faschismus, welches auf dem großen Platz steht, den Rücken zu. Im Nationalsozialismus war die Kleinstadt Hennigsdorf der Standort von zwei Außenstellen von Konzentrationslagern. (Zeit 9.10.2020)
Neonazis fordern auf einem Transparent „Freiheit für Horst Mahler“. Im Hintergrund ist das Mahnmal für die Opfer des Faschismus zu sehen, Quelle: Presseservice Rathenow
Am 27. Oktober 2020 wurde Horst Mahler aus der JVA Brandenburg an der Havel entlassen. Auf seiner Homepage veröffentlicht Mahler die Verfügung, die ihm Auferlegt wurde. Demnach soll der einen Bewährungshelfer bekommen und muss diesem stets seinen Wohnort mitteilen. Außerdem muss er auch alle Texte eine Woche vor deren Veröffentlichung dem LKA vorlegen. Falls er dies nicht tut, droht ihm eine Haftstrafe. (rbb24 27.10.2020, Spiegel 27.10.2020)
Aussicht
Es ist nicht davon auszugehen, dass Mahler seine Aktivitäten einstellt. Sein Gebaren, trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustands, lässt nicht schließen, dass er sich zurückziehen wird. Mahler wird wahrscheinlich wieder Vorträge halten und antisemitische Texte verbreiten. Am liebsten tut er das zurzeit über das Internet. Voraussichtlich wird er dies auch weiterhin tun und damit weiterhin als „Vorbild“ für viele Neonazis dienen.
Ob Mahler lange frei bleiben wird ist allerdings fraglich, denn die Staatsanwaltschaft Cottbus hat (nach eigenen Angaben) erneut Anklage in mehreren Fällen von Volksverhetzung gegen Mahler erhoben. In diesem Zusammenhang ist bereits ein neuer Haftbefehl beantragt worden. Des Weiteren hat die Staatsanwaltschaft München II Führungsaufsicht beantragt. Das heißt in diesem Fall, dass Mahler die Veröffentlichung von Text- und Sprachbeiträgen verboten werden soll, wenn er diese nicht eine Woche vorher beim Landeskriminalamt eingereicht hat und diese freigibt. Ob Mahler sich daran halten wird, bleibt abzuwarten. Tut er dies nicht, droht ihm wieder eine Haftstrafe.
Auch in der Zukunft gilt für uns: Gegen jeden Antisemitismus – immer und überall!
– Antifa Jugend Brandenburg und Alternatives Schulbündnis Brandenburg –