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Antifaschismus Parlamentarismus

Hier der Höhenflug der Liberalität, dort Hass und Abgrenzung

Vielerorts gewin­nen die Grü­nen, ander­swo tri­um­phieren die Radikalen. Das zeigt: das Land hat sich gefährlich auseinan­dergelebt. Ein Kom­men­tar. MATHIAS MÜLLER VON BLUMENCRON

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Antifaschismus Parlamentarismus Wohnen & Stadt

AfD-Ortsverband Strausberg — eine Zustandsbeschreibung

Der „AfD Ortsver­band Straus­berg i.G.“ tritt zu den Wahlen für die Stadtverord­neten­ver­samm­lung am 26. Mai mit fünf Kan­di­dat­en an. Der Ortsver­band an sich ist jedoch in einem sehr des­o­lat­en Zus­tand, weshalb sich die Frage stellt, warum solche Per­so­n­en über­haupt zur Wahl antreten und vielmehr noch, warum solche Leute auch noch gewählt wer­den soll­ten. Bish­er hat sich der Ortsver­band und seine Kan­di­dat­en kaum bis gar nicht zu kom­mu­nalpoli­tis­chen The­men geäußert. Lediglich eine Face­book-Seite unter dem Titel „AfD-Fre­unde Straus­berg“ haben in den let­zten Monat­en zwei Straus­berg-spez­i­fis­che The­men aufge­grif­f­en und so etwas wie Wahlkampf sug­geriert. Wie offiziell die Seite ist, bleibt jedoch fraglich. Darüber hin­aus the­ma­tisiert der Ortsver­band nichts für Strausberg.

Das Wahl­pro­gramm für die einzel­nen Gemein­de­v­ertre­tun­gen im Kreis entspricht dem Wahl­pro­gramm für den Kreistag, somit gibt es kein­er­lei lokale Spez­i­fizierun­gen oder Anpas­sun­gen. Was für den Kreis gut ist, muss dann auch für jede Gemeinde gut sein. Entsprechend sind auch die Wahlplakate ohne jeglichen Gemein­de­bezug, ja nicht mal mit Kommunalbezug.

Die einzel­nen Kan­di­dat­en haben sich bish­er auch nicht son­der­lich bemerk­bar gemacht. Bei Infos­tän­den im Stadt­ge­bi­et sind nicht ein­mal annäh­ernd alle Kan­di­dat­en auf getaucht.

Als Aktivster im – sich weit­er­hin in Grün­dung befind­en­den – Ortsver­band ist Rain­er Thiel zu beze­ich­nen. Er ver­sucht seit mehr als einem Jahr den Ortsver­band zu grün­den, ist regelmäßig bei AfD – Ver­anstal­tun­gen im Kreis anzutr­e­f­fen und unter­hält engen Kon­takt zum Ver­schwörungs­the­o­retik­er und stramm Recht­en Lars Gün­ther aus Bad Freien­walde (siehe auch: https://inforiot.de/lars-guenther-rechter-netzwerker-verschwoerungstheoretiker/).

Face­book-Pro­fil­fo­to von Rain­er Thiel

Auch Thiel scheint eher dem stark recht­en Spek­trum der AfD nicht abgeneigt, was beim Posieren mit recht­en Sym­bol­en, wie der Reichs­flagge zu sehen ist. Von alten bekan­nten wir er auch als „Reichs­depp“ beze­ich­net. Neben den anhal­tenden Grün­dungsver­suchen ein­er AfD-Orts­gruppe in Straus­berg wid­met sich Rain­er Thiel den Stammtis­chen die mehr oder weniger regelmäßig im „Zum Alten Steuer­haus“ in Glad­ow­shöhe stat­tfind­en. Bei diesem For­mat ver­sucht die AfD Bürg­ernähe zu sug­gerieren, was fraglich bleibt, da von einem kleinen Stamm­pub­likum auszuge­hen ist.

Uwe Reuter als weit­er­er Kan­di­dat ist neben sein­er nicht exis­ten­ten Kom­mu­nalpoli­tik noch Radiomod­er­a­tor bei „Light­beat­Ra­dio“ — einem freien Inter­ne­tra­dio, das aus dem „eigen­tüm­lich frei“ — Mag­a­zin ent­standen ist. Dieses Mag­a­zin hat sich der Ver­bre­itung von „Alter­na­tiv­en Fak­ten“ ver­schrieben. Hier wird u.a. CO2 als Treib­haus­gas als Mythos erk­lärt, sich aber auch gegen Gen­der­poli­tik, Gew­erkschaften und anderen pro­gres­siv­en Strö­mungen aus­ge­sprochen und entspricht damit ein­er light Vari­ante des „Com­pact-Mag­a­zins“.

Ger­hard Deutsch als weit­er­er Kan­di­dat ist zufäl­lig Vater eines in der ehe­ma­li­gen Straus­berg­er Kam­er­ad­schaft „ANSDAPO“ aktiv­en Neon­azis – der Apfel fällt halt nicht weit vom Stamm.

 

Infostand am 18. Mai in der Strausberger Altstadt

 

v.r.n.l.: Lars Gün­ther, Rain­er Thiel, Uwe Reuter, Franz Wiese und 2 AfDler aus Marzahn-Hellersdorf

Ein schlechter Ver­such, ser­iös und bürg­er­nah aufzutreten, stellte der AfD-Info­s­tand am ver­gan­genen Sam­stag, den 18. Mai dar.

Rain­er Thiel und Uwe Reuter betreuten mit Unter­stützung von zwei Vertretern des Ver­ban­des Marzahn-Hellers­dorf, die eigens mit Wahlkampf­bus angereist sind, den Info­s­tand und ver­sucht­en einige Fly­er los zu wer­den und ins Gespräch zu kom­men. Auch mit dabei waren Franz Josef Wiese (MdL aus Neu­treb­bin) und Lars Gün­ther, die verge­blich ver­sucht­en Gespräche zu führen. Wiese ist nicht nur Mit­glied des Land­tages und ste­ht für die kom­mende Land­tagswahl auf Platz 11 der Lan­desliste, er ist auch Anmelder der recht­en „Merkel-muss-weg-Mittwochs­mah­nwachen“ in Berlin (siehe auch: https://inforiot.de/afd-in-mol/) und Steuer­hin­terzieher (siehe auch: https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/finanzamt-pfaendet-afd-politiker-weil-er-steuern-nicht-zahlte)

In der Eigen­darstel­lung der AfD war es ein flo­ri­eren­der Stand mit viel Pub­likum, was schlichtweg eine erneute Falschdarstel­lung ist – anstelle bei Gesprächen öffneten die AfDler eher beim Mit­tagessen ihre Münder.

Eine Gegen­mei­n­ung wollte die AfD nicht zulassen. Men­schen mit kon­trär­er Mei­n­ung, die bere­it waren über Unstim­migkeit­en zu disku­tieren und die plu­ral­is­tis­che Mei­n­ungs­bil­dung, wie sie im Rah­men eines demokratis­chen Prozess­es zuläs­sig sein müsste, wur­den abgelehnt und mit Hil­fe der Polizei weg geschickt. Zusät­zlich haben die AfDler die Per­so­n­en abfo­tografiert, obwohl das rechtlich nicht zustände.

 

Fazit

 

Alles in allem lässt sich fes­thal­ten, dass der immer noch in Grün­dung befind­liche Ortsver­band in Straus­berg, sowie die zur SVV-Wahl aufgestell­ten Kan­di­dat­en sehr unser­iös auftreten. Alle Kan­di­dat­en besitzen kein­er­lei Erfahrung in Kom­mu­nalpoli­tik und inter­essieren sich auch reich­lich wenig für entsprechende The­men. Wer diese Kan­di­dat­en wählt, darf sich nicht wun­dern, wenn die Kom­mu­nalpoli­tik unfähiger wird.

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order Parlamentarismus

Appell an Ministerpräsident Dietmar Woidke

Derzeit liegen min­destens 10 Geset­zge­bungsen­twürfe des Bun­des im Bere­ich des Asyl- und Aufen­thalt­srechts vor, die par­al­lel und in extrem großer Eile ver­han­delt und ver­ab­schiedet wer­den sollen. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg ist in großer Sorge, dass sich die Kul­tur im rechtlichen und admin­is­tra­tiv­en Umgang mit Schutz, Bleiberecht und Inte­gra­tion suchen­den Men­schen sowohl für die Betrof­fe­nen wie auch für die Ein­wan­derungs­ge­sellschaft nach­haltig ver­schlechtern wird.

Der Bun­desrat wird sich am 17. Mai mit min­destens zwei inte­gra­tionspoli­tisch beson­ders destruk­tiv­en der besagten Geset­zen­twürfe befassen: dem Haft­gründe eskalieren­den und Betrof­fene qua­si aufen­thalt­srecht­s­los stel­len­den „Geord­nete Rück­kehr Gesetz“ und dem einen gesicherten Aufen­thalt für Geduldete sys­tem­a­tisch unterlaufenden
„Beschäf­ti­gungs- und Ausbildungsduldungsgesetz“.

Der Flüchtlingsrat hat am 14. Mai eine aus­führliche Stel­lung­nahme vorgelegt undmah­nt die Lan­desregierung, poli­tisch alles in ihrer Macht Ste­hende dafür zu tun, die men­schen­rechtswidri­gen und migra­tionspoli­tisch unsin­ni­gen Restrik­tio­nen zu stop­pen. Anlässlich der Innen­min­is­terkon­ferenz im Juni 2019 wurde das Schreiben auch an
Innen­min­is­ter Karl-Heinz Schröter gerichtet.

Mit sein­er Stel­lung­nahme möchte der Flüchtlingsrat die abse­hbaren Kon­se­quen­zen für die Betrof­fe­nen sowie die destruk­tiv­en Wech­sel­wirkun­gen der Geset­ze­s­pläne auch für die Bran­den­burg­er Flüchtlings- und Inte­gra­tionspoli­tik deut­lich machen. In der Iden­ti­fizierung der Prob­lem­la­gen und in der Bew­er­tung der abse­hbaren Fol­gen der o.g.
Geset­zen­twürfe stimmt der Flüchtlingsrat voll­ständig mit dem Forum Men­schen­rechte übere­in und bezieht sich dabei auf dessen Papi­er „Sank­tio­nen und Haft“ vom 30. April 2019.

Der Flüchtlingsrat sieht zahlre­iche gute Gründe für die Bran­den­burg­er Lan­desregierung, dem Bun­des­ge­set­zge­ber bei seinem offen­baren Ziel, die Lebensla­gen und die Inte­gra­tions­be­din­gun­gen von Geflüchteten in den Län­dern nach­haltig zu ver­schlechtern, in den Arm zu fallen.

*Pressekon­takt: Ivana Domazet, Tel. 0176 314 83 547*

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Antifaschismus Bildung & Kultur Parlamentarismus

Die Bürgerwut im Kreistag?

Bei den brandenburgischen Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 treten mehrere
Parteien an, die politisch rechts von der Union positioniert sind. Für
insgesamt über 1.000 Mandate bewerben sich Kandidat*innen auf den Listen
von AfD, NPD und den Republikanern. In einer neuen Ausgabe der
"Mitteilungen der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle" werden diese
Wahlantritte statistisch ausgewertet und in Bezug gesetzt zu den
vorangegangenen Kommunalwahlen.
Programmatische Papiere der – quantitativ und in ihrem Lager politisch
dominierenden – AfD werden analysiert und stichprobenartig biografische
Hintergründe und politische Positionen ihrer Kandidat*innen
herausgearbeitet.
Die aktuellen Wahlantritte von rechts werden in Bezug gesetzt zur
jüngeren politwissenschaftlichen Diskussion um Kommunalpolitik und
Beteiligung. Insbesondere interessiert die Frage, ob die Kandidat*innen
der AfD – einer Partei, welche die Forderung nach direkter Demokratie
immer wieder explizit erhebt – zu einer Belebung kommunalpolitischer
Beteiligung beitragen und demokratische Repräsentationslücken schließen
können.

Die Studie ist online verfügbar unter

https://www.mmz-potsdam.de/veroeffentlichungen-der-EJGF/articles/studie-zu-rechten-kommunalkandidaturen.html
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Antifaschismus Parlamentarismus

Parteienforscher warnt vor „rechtsextremem Landesverband“

Im ganzen Land wer­den heute Frauen und Mäd­chen für die Art, wie sie leben wollen, erstochen, erschossen, mit dem Beil erschla­gen oder unter Allahu-Akbar-Rufen geköpft. Rund 270 Ehren­morde in rund vier Jahren sind nur die Spitze des Eis­berges. Nicht­mus­lime wer­den gemessert, diskri­m­iniert oder beschimpft. Aber das alles dür­fen wir natür­lich nicht laut sagen, denn dann sind wir ja Populisten.“

Parteitag der Bran­den­burg­er AfD im Jan­u­ar 2019. Es gilt die Liste für die Land­tagswahl am 1. Sep­tem­ber aufzustellen. Jed­er kann sich bewer­ben, die Parteispitze hat keine Vor­gaben gemacht.

Wahl- und Auszählmarathon

Nach einem 21-stündi­gen Wahl- und Auszählmarathon schafft es der eben gehörte Tim Krause aus Pots­dam auf einen der hin­teren Lis­ten­plätze. Spitzenkan­di­dat wird der Bran­den­burg­er Partei- und Frak­tion­schef Andreas Kalbitz.

Die rot-rote Lan­desregierung habe abgewirtschaftet und gehöre aus dem Amt gejagt, sagt der ehe­ma­lige Sol­dat Kalb­itz, der dem völkischen „Flügel“ der AfD ange­hört. Grüne und CDU hät­ten als Oppo­si­tion versagt.

Man braucht die nur machen lassen, die ent­tar­nen sich sel­ber mit allem, was sie sagen, mit allem, was sie tun. Wenn man mit den Men­schen auf der Straße spricht, dann glaubt man, dann ist man manch­mal ver­sucht zu sagen: Na, wir haben eigentlich schon 55 Prozent. Die Stim­mung kippt.“

Nicht bei 55 aber bei um die 20 Prozent sehen jüng­ste Umfra­gen die AfD in Bran­den­burg, zeitweise Kopf an Kopf mit der regieren­den SPD. Bun­desweit ist die AfD in keinem Land der Regierungspartei so dicht auf den Fersen wie in der Mark.

Verein „Zukunft Heimat“

Doch Andreas Kalb­itz hätte das Rin­gen um den Spitzen­platz um ein Haar ver­loren: Auf Platz zwei lan­dete mit nur fünf Stim­men Abstand und den wenig­sten Gegen­stim­men aller Kan­di­dat­en – Christoph Berndt. Vor­sitzen­der des Vere­ins „Zukun­ft Heimat“ in Golßen am Rande des Spreewaldes.

Christoph Berndt, Vorsitzender vom Rechtspopulistischen Verein "Zukunft Heimat",  am 1. März 2018 bei einem Bürgerforum zur Flüchtlingssituation in Cottbus. Eingeladen zu dem Forum unter dem Titel "rbb vor Ort Cottbus unerhört?!" hatte der Rundfunk Berlin Brandenburg. (Rainer Weisflog/imago)Christoph Berndt demen­tiert, mit der recht­sex­trem­istis­chen „Oden­titären Bewe­gung“ zu tun zu haben (Rain­er Weisflog/imago)

Der Vere­in set­zt sich für Heimatpflege ein, für Rad­wege und Erntedank­feste – organ­isiert aber auch Demon­stra­tio­nen gegen die Flüchtlingspoli­tik von Bund und Land, zumeist in Cot­tbus. Denn dort, in Bran­den­burgs zweit­größter Stadt, war die Stim­mung 2018 nach Auseinan­der­set­zun­gen mit Flüchtlin­gen beson­ders aufgeheizt.

Im ver­gan­genen Jahr ver­sam­melten sich tausende Teil­nehmer zu den Anti-Asyl-Protesten von „Zukun­ft Heimat“. Unter ihnen waren auch stadt­bekan­nte Recht­sex­trem­is­ten und aus Dres­den angereiste Pegida-Leute.

Ich möchte davor war­nen, dass Bran­den­burg vor einem möglichen Recht­sruck ste­hen kön­nte.“ Mike Bischoff, Vor­sitzen­der der SPD-Frak­tion im Land­tag, sieht nach dem Kan­di­dat­en-Parteitag der AfD einen Schul­ter­schluss mit dem Protest der Straße.

Auch Ursu­la Non­nen­mach­er, Frak­tionsvor­sitzende und Spitzenkan­di­datin der Grü­nen, meint „dass sich, falls das über­haupt noch möglich ist, der Recht­sruck in der AfD noch weit­er ver­stärkt. Herr Kalb­itz, als ein führen­der Expo­nent des recht­sna­tion­al­is­tis­chen ‚Flügels‘, Höcke-Poggen­burg-Flügel, hat jet­zt hier noch Gesellschaft gefun­den von Her­ren, die unmit­tel­bar ste­hen für den Zusam­men­schluss mit Pegi­da, für Zusam­me­nar­beit mit ‚Ein Prozent‘, mit den ‚Iden­titären‘.“

Erkenntnisse des Verfassungsschutzes

AfD-Chef Kalb­itz wider­spricht: Von einem Recht­sruck könne trotz der nun offiziellen Verbindung mit „Zukun­ft Heimat“ keine Rede sein.

Der Christoph Berndt ist ja seit anderthalb Jahren AfD-Mit­glied. Ich schätze ihn per­sön­lich sehr. Wir haben ein sehr, sehr enges Ver­hält­nis. Er ist im Grunde ein Muster­beispiel an Zivil­courage. Weil er sagt: ‚Wir lassen uns das Recht nicht nehmen, friedlich, demokratisch, aber gerne auch mal laut auf Missstände aus unser­er Sicht hinzuweisen‘.“

Doch der Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz hat andere Erken­nt­nisse: Seit einiger Zeit bestün­den enge Kon­tak­te zwis­chen der recht­sex­trem­istis­chen „Iden­titären Bewe­gung“ und „Zukun­ft Heimat“, teilt das Innen­min­is­teri­um in Pots­dam mit. Der Vere­insvor­sitzende Christoph Berndt weist das zurück:

Sagt uns: Wo und wie arbeit­en wir mit den ‚Iden­titären‘ zusam­men? Dann kön­nen wir uns dazu äußern. Diejeni­gen, die so etwas sagen, sind dann auch in der Verpflich­tung, ihre Behaup­tun­gen zu belegen.“

Von NPD bis Kameradschaftsszene

An den Demon­stra­tio­nen des Vere­ins, so der Ver­fas­sungss­chutz weit­er, wür­den außer­dem regelmäßig weit­ere Recht­sex­trem­is­ten in deut­lich wahrnehm­bar­er Anzahl teil­nehmen. Zitat:

Diese sind zum einen der NPD und zum anderen der örtlichen Kam­er­ad­schaftsszene, dem Per­so­n­enkreis um die aufgelöste recht­sex­trem­istis­che Hooli­gan-Grup­pierung ‚Infer­no Cot­tbus‘ oder der recht­sex­trem­istis­chen Kampf­s­port- bzw. Musik­szene zuzuord­nen. Eine erkennbare Dis­tanzierung des Vere­ins von Extrem­is­ten beziehungsweise eine hin­re­ichende Abgren­zung von recht­sex­trem­istis­chen Posi­tio­nen unterblieb bislang.“

Es gebe keine insti­tu­tionelle Zusam­me­nar­beit von „Zukun­ft Heimat“ mit Recht­sex­trem­is­ten, hält AfD-Chef Kalb­itz dagegen.

Son­st hätte ja der Ver­fas­sungss­chutz auch Anhalt­spunk­te für eine Beobach­tung. Das ist übri­gens bei der AfD in Bran­den­burg genau­so wenig der Fall aktuell wie bei ‚Zukun­ft Heimat‘.“

Dessen Vor­sitzen­der Christoph Berndt spricht von Ablenkungs­man­övern, um den Vere­in in ein schlecht­es Licht zu rück­en. Er könne nicht auss­chließen, dass einzelne Neon­azis zu den Demon­stra­tio­nen kämen, sagt Berndt.

Das seien aber Ran­der­schei­n­un­gen, so Berndt: „Ich bin doch keine Stasi! Ich lasse mir doch nicht die Lebensläufe der Leute zeigen, die da kom­men. Ich denke gar nicht daran, über Stöckchen zu sprin­gen. Alles, was wir tun und sagen und was ich tue und sage, gibt über­haupt nicht den ger­ing­sten Anhalt­spunkt zu sagen ‚Das ist ein Rechtsextremist‘.“

Da die AfD nach der Land­tagswahl die Zahl ihrer derzeit neun Abge­ord­neten voraus­sichtlich deut­lich erhöhen kann, wird Christoph Berndt dem­nächst dem Par­la­ment ange­hören. Er wolle dort die Blick­rich­tung der Poli­tik ändern, sagt Berndt: „Die Inter­essen, die wir zu vertreten haben, auch im Land Bran­den­burg, sind die Inter­essen der Ein­heimis­chen, der schon länger hier Leben­den. Das ist das Allerwichtigste.“

Parteienforscher: „Rechtsextremer Landesverband“

Parteien­forsch­er Gideon Botsch von der Uni­ver­sität Pots­dam warnt, dass von den AfD-Kan­di­dat­en keine kon­struk­tive Oppo­si­tion­sar­beit zu erwarten sei.

Ich denke, dass es längst um eine Zer­set­zung unser­er Demokratie geht, und zwar ger­ade im Kern ihres Hand­lungs­bere­ichs. Wir schätzen diese Partei in Bran­den­burg, den Bran­den­bur­gis­chen Lan­desver­band als einen recht­sex­tremen Lan­desver­band ein.“

Das gelte auch für die Per­son des Partei- und Frak­tion­schefs, betont der Rechtsextremismus-Experte.

Andreas Kalb­itz hat dieses offen recht­sex­treme Pro­fil lange Zeit – bis min­destens 2015 – gehabt. Wir wis­sen, dass er auf einem kon­spir­a­tiv­en Zelt­lager der neon­azis­tis­chen ‚Heimat­treuen Deutschen Jugend‘ gewe­sen ist, und sich ins­ge­samt in diesem NPD-nahen, dem Neon­azis­mus nah­este­hende Milieu offenkundig bewegt hat.“

Andreas Kalb­itz, der gerne von der Wende-Erfahrung im Osten spricht, wurde 1972 in München geboren. Er war in der Jun­gen Union, dann in der CSU, deren „recht­en Auf­bruch“ er in der neurecht­en Wochen­zeitung „Junge Frei­heit“ forderte. Mit 21 Jahren trat Kalb­itz den Repub­likan­ern bei. Dass die damals vom Ver­fas­sungss­chutz beobachtet und als recht­sex­trem eingestuft wur­den, sei für ihn nicht rel­e­vant gewesen.

Ich wäre ja danach keine zwölf Jahre Sol­dat gewor­den, wenn der Mil­itärische Abschir­m­di­enst eine andere Ein­schätzung gehabt hätte“.

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Bürgerlicher Deckmantel und Schmusekurs mit Rechts.

Mit den anste­hen­den Kom­mu­nal- und Europawahlen am 26. Mai diesen Jahres und den darauf fol­gen­den Land­tagswahlen am 1. Sep­tem­ber in Bran­den­burg ist ein weit­er­er par­la­men­tarisch­er Recht­sruck im Land zu erwarten.1 Bere­its bei der ver­gan­genen Kom­mu­nal­wahl 2014 erhielt die AfD 39 Man­date in den vierzehn Kreista­gen und Stadtverord­neten­ver­samm­lun­gen der kre­is­freien Städte Pots­dam, Bran­den­burg, Cot­tbus und Frank­furt (Oder).2
Für die AfD ist die Auf­stel­lung der Kandidat*innen ein Kraftakt, sind doch cir­ca die Hälfte der Mit­glieder neu auf dem poli­tis­chen Par­kett.3 So hieß es, dass die AfD Crashkurse für Kandidat*innen anbi­ete, um diese auf die gewonnenen Sitze in den Kom­mu­nal­par­la­menten, im Europar­la­ment und auch im Land­tag vorzu­bere­it­en.4
Für die Bran­den­burg­er AfD ist der Umstand, dass sich so viele par­la­men­tarische Neulinge um die Man­date bewer­ben, Fluch und Segen zugle­ich: Ein­er­seits kön­nen sie ihren par­la­men­tarischen Ein­fluss enorm ver­stärken, ander­er­seits zeigt sich hier erneut, dass die AfD nicht in der Lage ist, Sach­poli­tik abseits ein­fach­er pop­ulis­tis­ch­er Antworten abzuliefern.5
Die Parteipro­gramme auf Kom­mu­nal- und Europaebene haben lange auf sich warten lassen, das Pro­gramm für die Land­tagswahlen ist zum Zeit­punkt dieser Veröf­fentlichung noch nicht erschienen.
Andreas Kalb­itz, Vor­sitzen­der der AfD Bran­den­burg, rühmt die recht­spop­ulis­tis­che Partei in einem „Bürg­er­dia­log“ in Forst am 17. April für die Auf­stel­lung von 700 Kandidat*innen6, die es ermöglichen sollen, Sach­poli­tik fernab von Ide­olo­gie zu betreiben.7 Die Zahl ist angesichts ein­er Gesamt­mit­gliederzahl der Partei in Bran­den­burg von 1.560 bemerkenswert.8 Kalb­itz und andere AfD-Politiker*innen wieder­holen dabei immer wieder die vielfälti­gen sozialen und beru­flichen Hin­ter­gründe ihrer Kandidat*innen. So scheut sich die AfD Bran­den­burg auch nicht, in pop­ulis­tis­ch­er Manier zu behaupten, dass nur die Men­schen gerechte Poli­tik machen kön­nten, die selb­st gear­beit­et hät­ten.9
Kalb­itz stellt die Koali­tion­swilligkeit auf Kom­mu­nalebene in den Vorder­grund sein­er Pro­gram­matik, denn dort könne man „prak­tisch zusam­me­nar­beit­en“.10 Das Ziel ist dabei klar: Die AfD will in Regierungsver­ant­wor­tung. Waren die Stim­men vor fünf Jahren noch klar für die Oppo­si­tion, strebt die AfD neben Sach­sen auch in Bran­den­burg nach Macht und Stärke in den Kommunalparlamenten.
Die Töne sind zum Teil weniger skan­dal­trächtig, will die AfD doch ihren europäis­chen Vor­bildern nacheifern und ihrem „Schmud­del-Image“ entkom­men.11 So berichtet Kalb­itz von irri­tieren Journalist*innen, die nach sein­er Aus­sage nach Skan­dalen im vor­ab für die Presse vorgestell­ten Land­tagswahl­pro­gramm sucht­en und nicht fündig wur­den.12

Nicht jede_r darf mitbes­tim­men. Ohne Arbeit ist man im Deutsch­land der AfD nicht vollwertig

Die Kom­mu­nal­wahl im Mai soll laut Andreas Kalb­itz eine kon­ser­v­a­tive Graswurzel­rev­o­lu­tion sein, die die Basis für Regierungsver­ant­wor­tung auf Lan­desebene bilden soll.13 Dafür unter­stützt die Lan­des-AfD auf kom­mu­naler Ebene beim Wahlkampf, bei den soge­nan­nten Bürg­er­dialo­gen treten im April fünf­mal ins­beson­dere die Spitzenkan­di­dat­en der Lan­desliste, Andreas Kalb­itz, Bir­git Bessin oder auch Thomas Jung, auf. Let­zter­er zeich­net sich auch ver­ant­wortlich für den Wahlkreis Frank­furt (Oder). Den­noch find­et in Ost­bran­den­burg und dem angren­zen­den Land­kreis Oder-Spree kein­er der Bürg­er­dialoge statt.
Berührungsäng­ste zu weit­er rechts ste­hen­den außer­par­la­men­tarischen Kräften scheut die Parteiführung trotz ihres weniger skan­dal­trächti­gen Auftretens keineswegs. Andreas Kalb­itz und andere führende AfD-Politiker*innen – aus Frank­furt (Oder) beispiel­sweise Wilko Möller14 – beteili­gen sich regelmäßig an den Aufmärschen des extrem recht­en Vere­ins „Zukun­ft Heimat e. V.“. Wie wichtig die Nähe zu diesem ist, zeigt die Rolle des Vere­ins-Vor­sitzen­den Christoph Bernd. Er tritt auf Lis­ten­platz 2 der AfD bei der Land­tagswahl an, ohne selb­st Mit­glied der Partei zu sein.
Kalb­itz betont welch wichtige Rolle „Zukun­ft Heimat“ auf dem Weg zu ein­er Gesellschaft, die ihrer gemein­samen poli­tis­chen Vision entspricht, ein­nimmt. Er wird nicht müde, ihren zen­tralen Auf­marschort Cot­tbus zum Sym­bol der Helden­stadt zu stil­isieren und ver­gle­icht diese mit Leipzig im Wen­de­jahr 1989.15 Bei seinen Kamarad*innen aus der extrem Recht­en schlägt er radikalere Töne als bei den Bürg­er­dialo­gen an und ver­weist auf die Zusam­me­nar­beit mit dem „Zukun­ft Heimat e.V.“ und „Pegi­da Dres­den“ als Part­ner. Man lasse sich nicht auseinan­der­di­vi­dieren, so Kalb­itz.16
Die AfD schafft es, zwei­gleisig zu fahren und ein­er­seits die Verbindung mit extrem recht­en Struk­turen aufrechtzuer­hal­ten, ander­er­seits im bürg­er­lichen Gewand den Ver­such zu unternehmen, par­la­men­tarische Macht zu gewin­nen. Die Botschaft aber ist klar: „Wir wer­den die Wende vol­len­den“17. Gemeint ist damit ein Wan­del, der auf Aus­gren­zung, Aus­beu­tung und sozialer Kälte fußt.

AfD-Wahlkampf auf kom­mu­naler Ebene

Die AfD wirbt neben dem klas­sis­chen Wahlkampf auch mit dem Mit­tel von Social-Media-For­mat­en, ins­beson­dere auf Face­book und Twit­ter. Auf­fäl­lig ist nach wie vor, dass vielfach keine eige­nen Inhalte geschaf­fen wer­den, son­dern immer wieder auf Beiträge ander­er Benutzer*innen zurück­ge­grif­f­en wird, die geteilt wer­den. Wilko Möller nutzt die Seit­en ins­beson­dere auch mit seinem Pri­vat­ac­count, um beispiel­sweise zu ehre­namtlichen Engage­ment aufzu­rufen, das er neu für sich ent­deckt hat.18

10 von 14 Kandidat_innen für die Kom­mu­nal­wahl. Die AfD in Frank­furt (Oder) ist männlich, weiß und in ihren besten Jahren”

Daniel Hoff­mann: Ras­sist mit Schlips und Kragen

Die AfD Frank­furt (Oder) geht mit ins­ge­samt 16 Kandidat*innen in den Wahlkampf:
Wilko Möller (geb. 1966, Bun­de­spolizist) ist das Gesicht der Frank­furter AfD und saß schon in der let­zten Stadtverord­neten­ver­samm­lung für die AfD. Von der nach den Kom­mu­nal­wahlen 2014 ursprünglich fünf Abge­ord­nete umfassenden Frak­tion blieb zum Schluss außer Möller nur Ute Spallek, sodass die AfD ihren Frak­tion­ssta­tus ver­lor. Der Rest ver­ließ nach diversen Kon­tro­ver­sen die Frak­tion.19 Mit Ute Spal­leck hat­te sich Möller nach einem Stre­it zwar wieder ver­tra­gen, für die Kom­mu­nal­wahl 2019 tritt sie aber nicht mehr an.20
Der Fahrlehrer Mein­hard Gutows­ki (geb. 1955) stand in der Ver­gan­gen­heit den recht­en Split­ter­parteien „Pro Deutsch­land“ und der „Schill-Partei“ nahe, von 2010 bis 2014 war er Abge­ord­neter und Mit­glied der CDU-Frak­tion in der Frank­furter Stadtverord­neten­ver­samm­lung. Hans-Peter Hart­mann (Rent­ner, geb. 1943) war von 1995 bis 1998 Mit­glied der PDS-Frak­tion im Deutschen Bundestag.
Daniel Hof­mann (geb. 1974, Geschäfts­führer Oder­landwer­bung, zeitweilig sachkundi­ger Ein­wohn­er im Kul­tur­auss­chuss), Mar­cus Mit­tel­städt (geb. 1981, Polizeivol­lzugsangestell­ter bei der Berlin­er Polizei) und Michael Lau­risch (geb. 1963, Zoll­beamter, bei­de sachkundi­ge Ein­wohn­er im Auss­chuss für Bil­dung, Sport, Gle­ich­stel­lung, Gesund­heit und Soziales) sowie Ingolf Schnei­der (geb. 1970, Instand­hal­tungsmechaniker), und Mein­hard Gutows­ki (bei­de sachkundi­ge Ein­wohn­er im Auss­chuss für Stad­ten­twick­lung, Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Umwelt) haben als sachkundi­ge Ein­wohn­er in diversen Auss­chüssen Erfahrun­gen gesammelt.
Roland War­stat-Lehmann (geb. 1962, KFZ-Ersatzteil­händler), Jür­gen Fritsch (geb. 1957, Buch­druck­er), Hen­drik Gunkel (geb. 1969, Geschäfts­führer Auto­haus & Werk­statt Ser­vice Cen­ter Daske sowie Prokurist bei “Daske Bau e.K.”), Andreas Suchanow (geb. 1971, Polizeibeamter bei der Bun­de­spolizei, 1. stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der des Stadtver­bands), Bernd Sales­chke (geb. 1951, Rent­ner), Uwe Roß­mann (geb. 1951, Rent­ner), Den­ny Lehmann ( geb. 1982, Ver­trieb­smi­tar­beit­er), Elke Hof­mann (geb. 1955, Han­delsvertreterin) und Hans Peter Sax (geb. 1941, Rent­ner) kön­nen auf keine par­la­men­tarische Ver­gan­gen­heit zurückblicken.

1Die AfD ist laut Infrat­est dimap drittstärk­ste Partei knapp hin­ter CDU und SPD, vgl.: https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm

2Vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-in-brandenburg-ziemlich-normale-leute-und-zwei-scharfmacher/23852372.html (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

3Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/studie-viele-afd-fraktionen-scheuen-sacharbeit-15057846.html

4Vgl. http://www.maz-online.de/Brandenburg/Warum-die-AfD-zur-Kommunalwahl-ein-Personalproblem-bekommen-koennte (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

5Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/studie-viele-afd-fraktionen-scheuen-sacharbeit-15057846.html

6Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=FmQ-Dl8AgFA&feature=youtu.be (ab Minute 2:10) (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

7Ebd.

8Vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/afd-in-brandenburg-ziemlich-normale-leute-und-zwei-scharfmacher/23852372.html (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

9Vgl. www.afd-fraktion-brandenburg.de

10Vgl. hierzu Fußnote 4

11Vgl. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wie-afd-beobachtung-durch-verfassungsschutz-entgehen-will-15921315-p2.html (zulet­zt 19.04.2019)

12Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=FmQ-Dl8AgFA&feature=youtu.be (ab Minute 9:00) (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

13Rede von Andreas Kalb­itz auf der Zukun­ft Heimat Demon­tra­tion in Cot­tbus: https://www.youtube.com/watch?v=y14WtyuCsZM (ab Minute 18:00) (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

14Vgl. https://twitter.com/OfficeRolando/status/1107003030115889156

15Rede von Andreas Kalb­itz auf der Zukun­ft Heimat Demon­tra­tion in Cot­tbus: https://www.youtube.com/watch?v=y14WtyuCsZM (ab Minute 18:00) (zulet­zt einge­se­hen am 19.04.2019)

16Ebd.

17Ebd.

18Retweet vom 03.04.2019: https://twitter.com/afd_ffo

19Vgl. https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1559857/

20Vgl. https://www.moz.de/landkreise/oder-spree/frankfurt-oder/artikel9/dg/0/1/1569926/

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Arbeit & Soziales Bildung & Kultur Law & Order Parlamentarismus Wohnen & Stadt

Neues aus der Anstalt. Das Pamphlet der AfD zur Kommunalwahl 2019 in Frankfurt (Oder)

Ein­leitung: AfD — Alt­bekan­ntes für Deutschland

Das AfD-Wahl­pro­gramm für die Kom­mu­nal­wahl 2019 in Frank­furt (Oder) ist erschienen.1 Auf den ersten Blick wirkt es recht harm­los. Zumin­d­est wenn man die neo­faschis­tis­chen oder recht­sna­tionalen Töne erwartet, die die Partei son­st anschlägt. Statt rein­er faschis­tis­ch­er Ide­olo­gie ist hier die Rede von ein­er sauberen und ordentlichen Stadt, von Blu­men im Park, vie­len Kita- und Hort­plätzen und ein­er flo­ri­eren­den Wirtschaft.
Doch lohnt sich genaues Hin­se­hen. Denn hin­ter den ver­meintlich harm­losen Wun­schträu­men und Forderun­gen ver­birgt sich ein neolib­erales und sozialchau­vin­is­tis­ches Weltbild.

Tat­säch­lich ist das Pro­gramm die Samm­lung eines deutschen Ungeistes, der in der Per­son des Wilko Möller in Law und Order-Men­tal­ität seinen Voll­streck­er für Ord­nung und Sauberkeit in der Oder­stadt gefun­den hat.

Weite Teile des Pro­gramms sind dem Wahl­pro­gramm von 2014 entlehnt oder Absatz für Absatz über­nom­men. Das zeigt ein­er­seits die Faul­heit der lokalen AfD-Kad­er, ander­er­seits wird so die Kon­ti­nu­ität deut­lich, mit der die AfD länger­fristig The­men zu beset­zen ver­sucht, um sich als Akteur im Bere­ich Sicher­heit, Ord­nung und Wirtschaft zu etablieren.

Auf 36 Seit­en fol­gt man dem kru­den Gedanken­strom Wilko Möllers und Kon­sorten, die Frank­furt (Oder) zurück in einen preußisch-prä­faschis­tis­chen Hort der Glück­seligkeit zurück­ver­wan­deln wollen — in eine Zeit, in der noch keine DDR-Plat­ten die schö­nen Kaser­nen erset­zten, die man mit dem Geld des besiegten Frankre­ichs erbaut hat­te. Die Men­schen­feindlichkeit gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten ste­ht im neuen Wahl­pro­gramm nicht mehr im Vorder­grund. Stattdessen the­ma­tisiert die AfD andere, weniger auf­se­hen­erre­gende Fragestellungen.

Aus alt mach neu: Das Kom­mu­nal­wahl­pro­gramm der AfD 2019.


Wo sind all die Flüchtlinge hin?

Trotz der vie­len abgeschriebe­nen Pas­sagen stellt sich die Frage: Warum kämpft die AfD nun mehr für deutsche Bäume am Stad­trand als gegen ver­meintliche Nicht-Deutsche im Zentrum?

Die Antwort: Sie will sich noch attrak­tiv­er machen für die “Mitte der Gesellschaft”. Ihr Ras­sis­mus wirkt dabei umso ver­heeren­der, denn angesichts der beiläu­fig geäußerten Ver­ach­tung scheut man schon fast die Mühe zu wider­sprechen. Der Hass ste­ht aber immer am Ende eines Gedankens, den Wilko Möller und Co. in die Tas­tatur häm­mern. Das war schon 2014 so und hat sich im Jahre 2019 nicht geän­dert: Auf jeden ver­mei­dlichen „Verbesserungsvorschlag“ fol­gen Ein­schnitte und Rückschritte – so wirbt man für mehr Zuzug, schließt aber Nicht-Deutsche davon aus, fördert die Kul­tur und will gle­ichzeit­ig die Frei­heit für soge­nan­nte „aggres­sive resp. provozierende Kun­st“ einschränken.

Das neue AfD-Pro­gramm bietet jedoch die Chance, über das Reizthe­ma “Flüchtlinge” hin­aus die Ver­ach­tung zu erken­nen, die die AfD allen Men­schen ent­ge­gen­bringt, die nicht nach ihrer Pfeife tanzen. Es wird deut­lich: Die AfD lässt die Men­schen nicht in Ruhe und will sich auch nicht darum küm­mern, dass alle genü­gend Raum und Geld zum (Über-)Leben in dieser teil­weise erbar­mungslosen Welt haben — sie will stattdessen die Men­schen in ein straff organ­isiertes Sys­tem eingliedern, dessen Stützen Ord­nungsamt, Polizei und Knast auf der einen Seite, der sub­ven­tion­ierte kap­i­tal­is­tis­che Aus­beuter­be­trieb und das paramil­itärische Ehre­namt auf der anderen Seite sind.

Wahrer Staats­di­enst für wahre Män­ner: how to be Wilko Möller

Deutsch, deutsch­er, deutscheste Wirtschaft

Dass Wilko Möller mal bei der FDP war, zeigt nur, wie eng ver­bun­den Kap­i­tal­is­mus und Faschis­mus sind. Ein Beispiel: Um den Wirtschafts­stan­dort Frank­furt (Oder) attrak­tiv zu machen, soll es ein Begrüßungs­geld für Neuge­borene geben, allerd­ings sollen davon auss­chließlich Fam­i­lien “mit min­destens einem deutschen Eltern­teil (Deutsche gemäß Art. 116 Abs. 1 GG)” prof­i­tieren. Was auf gut deutsch nichts anderes heißt als die Sub­ven­tion­ierung von Ari­ern und — immer­hin ein Fortschritt im direk­ten Ver­gle­ich mit dem “Drit­ten Reich” — Halb-Ariern.

Die von der AfD geforderte “starke Ver­wal­tung” hat den alleini­gen Zweck, Reichen den Tep­pich auszurollen. Wenn die AfD “Wirtschafts­förderung” betreiben will, dann denkt sie nicht zuerst an die neuen Angestell­ten, son­dern an die neuen Bosse, die in Zukun­ft auch in Frank­furt (Oder) kräftig Geld schef­feln kön­nen sollen. Den Aus­bau von Kita- und Hort­plätzen fordert die AfD mit dem Ziel, dass die Eltern dann auch schön viel Zeit haben sich aus­beuten zu lassen.

Słu­bice — nos­tal­gisch-revi­sion­is­tisch als “Dammvorstadt” beze­ich­net — ist auf ökonomis­chem Gebi­et fol­gerichtig auch eher ein Konkur­rent denn ein Part­ner. Part­ner­in soll die pol­nis­che Stadt nur bei der Krim­i­nal­itäts­bekämp­fung sein, anson­sten habe die Erfahrung der let­zten Jahre gezeigt, dass von der Eurore­gion lediglich die Stadt jen­seits der Oder prof­i­tiert. Die angestrebte Abschaf­fung des gren­züber­schre­i­t­ende Busses fügt sich in die Klageschrift ein.

Sub­ven­tion­ierte Sicherheitsindustrie

Keineswegs neu, aber in seinem Aus­maß erschreck­end: Die AfD will die Sicher­heitsin­dus­trie über alle Maßen aus­bauen, und das Stadt­bild soll beherrscht wer­den von Kon­trolle: Öffentliche Mit­tel wer­den ein­seit­ig aus­gegeben für mehr Ord­nungsamt-Per­son­al in Polizei­mon­tur, Überwachungs­maß­nah­men im Stadt­ge­bi­et (die AfD nen­nt das “krim­i­nal­itätsab­wehrende Architek­tur”, was soviel heißt wie die Möglichkeit zur Überwachung rund um die Uhr), Sub­ven­tion­ierung ein­er mil­i­taris­tis­chen Aus­bil­dungsstätte der Polizei auf dem Messegelände sowie den Rück­kauf der ehe­ma­li­gen JVA. Dort möchte die AfD abgelehnte Asylbewerber*innen einsper­ren und von dort aus abschieben. An diesem Beispiel wird beson­ders deut­lich, wie die AfD auf zynis­che Art und Weise die durch ihren Druck immer weit­er ver­schärften Asylge­set­ze dafür nutzen will, um mit dem Frei­heit­sentzug und der Abschiebung von Men­schen Geld zu ver­di­enen und die lokale Wirtschaft zu stärken, indem man teil hat an der größer wer­den­den Abschiebeindustrie.

Sauberkeit, Heimat, Tradition

Sauberkeit ist ein weit­er­er wichtiger Punkt im Wahl­pro­gramm und wird immer wieder betont. Ein Heimat­ge­fühl und Iden­tität stiften auch weit­ere Äußer­lichkeit­en des Stadt­bildes, näm­lich die his­torische Architek­tur und die Straßen­bahn. Soweit so langeweilig. Doch im Grunde genom­men soll alles wieder sein wie zu Urgroß­vaters Zeit­en, dafür muss dann auch die DDR-Architek­tur ver­schwinden, die preußis­chen Fas­saden wieder erstrahlen und die Elek­trische aufgew­ertet wer­den. Moder­nität kommt dann ins Spiel, wenn die AfD ver­spricht, den KFZ-Verkehr zu hofieren (z.B. mit dreistündi­gem, kosten­losen Parken in der Innen­stadt) statt umfassend die Rad­wege auszubauen.

Dem Feind­bild “Słub­furt” ist gle­ich ein ganz­er Absatz gewid­met. Auf den Vere­in und seinen Kopf Michael Kurzwelly hat sich die AfD schon seit einiger Zeit beson­ders eingeschossen, verkör­pert der “Słub­furter” doch alles, woge­gen die AfD ihren Hass hegt: Kos­mopolitismus und deutsch-pol­nis­che Part­ner­schaft und ein kün­st­lerisch-linkslib­erales Auftreten. Für die Leute von der AfD geht es denn auch nur ums Gegen­teil: sich einigeln im sauberen, schö­nen deutschen Reich, bis zum Umfall­en ein­er “vernün­fti­gen” Arbeit nachge­hen und am Woch­enende vielle­icht noch ein­mal in den Genuss tra­di­tion­al­is­tis­ch­er Kul­tur kommen.

Schluss: Die Idylle des Hasses

Reißen wir der AfD ihre Maske herunter! Die AfD in Frank­furt (Oder) zeigt sich in ihrem Wahl­pro­gramm als das, was sie ist: eine Partei für die Bosse, Abteilungsleiter*innen und Polizist*innen — als eine Partei für Leute, die andere gerne im Befehlston ansprechen. Migrant*innen und Geflüchtete sind nur ihr erstes Opfer — das gibt sie offen zu: Die AfD “stellt sich gegen die Auf­nahme weit­er­er Trans­fer­leis­tungsempfänger resp. Asy­lanten durch das Land Bran­den­burg.” Alle, die irgend­wann ein­mal arbeit­s­los gewor­den sind oder in Zukun­ft davon bedro­ht wer­den, wer­den von der AfD gehas­st. Respek­t­los redet die AfD von ein­er “Sozial­hil­fein­dus­trie” — als ob das Leben mit Hartz IV ein beson­ders lux­u­riös­es sei.

Die von Blüm­chen umrank­ten Bänke, die sich die AfD für Frank­furts Plätze wün­scht, sind an son­ni­gen Tagen bere­its reserviert: Für all die, die es dor­thin geschafft haben, wo man andere herumkom­mandieren kann.

1Der fol­gende Text bezieht sich auf das Kom­mu­nal­wahl­pro­gramm, erschienen am 14.04.2019
http://s233189129.online.de/afd/afd_kommunalwahlprogramm_ffo_2019.pdf

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Klima & Umwelt Parlamentarismus

Solidarität mit #Lausitz23 — lieber Haft als Kohlekraft

Am heuti­gen Mor­gen, des 20.Februar 2019, haben wir in Form ein­er Kle­in­grup­pen-Aktion einen Bag­ger im Mit­teldeutschen Braunkohle Revi­er beset­zt. Mit unser­er direk­ten Aktion möcht­en wir nicht nur Kohle-Infra­struk­tur block­ieren, wir zeigen uns vor allem sol­i­darisch mit den immer noch 3 inhaftierten Aktivisti der #Lausitz23 und Eule. Es ist uns wichtig klar zu zeigen, dass wed­er ansteigende Repres­sio­nen, noch eine ver­schobene öffentliche Debat­te unseren Kampf für Klim­agerechtigkeit eindäm­men kön­nen. Repres­sion schwächt uns nicht. Im Gegen­teil sie deckt die Absur­dität von Straflogik auf und bestätigt uns in unserem Handeln.

Die Sym­bo­l­ik unser­er Aktion soll auch den Umgang mit Repres­sio­nen nicht außen vor lassen. Als Men­schen, die wir ver­suchen unsere Priv­i­legien zu reflek­tieren, sehen wir Iden­titätsver­weigerung nicht nur als Schutz unser­er eige­nen Per­son und zur Wahrung unser­er Anonymität an. Sie ist ein poli­tis­ch­er Akt, mit welchem wir uns sol­i­darisch gegenüber allen Men­schen zeigen wollen, welche nicht das Priv­i­leg besitzen sich ausweisen zu kön­nen bzw. Doku­mente besitzen, welche es ihnen ermöglichen sich frei zu bewe­gen. Im Kampf für eine Welt ohne Nation­al­staat­en und Gren­zen, lehnen wir dieses Priv­i­leg mit allen Mit­teln ab. Sol­i­dar­ität ist eine Waffe und wir soll­ten alle reflek­tieren wie wir sie nutzen!

Vor dem Hin­ter­grund der Repres­sio­nen gegen die Aktivisti der #Lausitz23 und Eule machen wir uns nicht nur zu unver­hält­nis­mäßi­gen Maß­nah­men Gedanken. Wir wün­schen uns, dass eine generelle Kri­tik an Logik und Vol­lzug von Haf­tanstal­ten im Grun­dansatz the­ma­tisiert wird. Diese zu hin­ter­fra­gen sollte auch Teil der öffentlichen Debat­te wer­den. Unser­er Auf­fas­sung nach sind nicht über­zo­gene Maß­nah­men gegen Kli­ma-Aktivisti oder das „Sta­tu­ieren eines Exem­pels“ das Prob­lem. Jenes Grund­konzept von Haft und Aus­gren­zung einzel­ner Indi­viduen aus gesellschaftlichen Kon­tex­ten bedarf genug Kri­tik. Unsere Wut sollte sich nicht nur gegen Bran­den­bur­gis­che oder Nor­drhein-West­fälis­che Jus­tizbe­hör­den richt­en, sie trifft alle die nach dieser Logik Han­deln. Uns sollte stets Bewusst sein das über­zo­gene Anwen­dun­gen von Haft, Repres­sio­nen und Aus­gren­zun­gen kein Phänomen der Kli­ma-Gerechtigkeits-Bewe­gung sind. Sie sind alltäglich und fest in gesellschaftlichen Struk­turen ver­ankert. Haft generell abzulehnen vere­int uns in diesem Kampf gegen Repressionen.

Pris­ons are for burning!

Twit­ter: @ReiseDigger

Für Rück­fra­gen bitte E‑mails an: cli­mate­jus­ti­cenow (at) rise­up . net

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Antifaschismus Parlamentarismus

Gibt es noch einen Ausweg?

In Bran­den­burg dro­ht 2019 ein Wahlsieg der AfD. Diet­mar Woid­ke, der Min­is­ter­präsi­dent, würde ihn gern ver­hin­dern. Doch wirkt er ziem­lich hilflos.
Es gibt einen Satz, den Bran­den­burgs SPD-Min­is­ter­präsi­dent Diet­mar Woid­ke häu­fig ver­wen­det: “Da müssen wir uns keine Sor­gen machen.” Dieser Satz ver­rät wenig über Bran­den­burg, aber viel über ihn. Fragt man Woid­ke nach der Lage sein­er Regierung, nach der SPD, nach der Land­tagswahl am 1. Sep­tem­ber, sagt er: “Da müssen wir uns keine Sor­gen machen.”
Wirk­lich? Geht es um Land­tagswahlen im kom­menden Jahr, dann reden die meis­ten über Sach­sen. Darüber, dass dort die AfD tri­um­phieren kön­nte. Dabei gibt es ein Land, in dem die Lage ähn­lich bedrohlich für die Regierungsparteien ist, vielle­icht bedrohlich­er: Brandenburg.
Weit­er lesen. hier.

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Flucht & Migration Law & Order Parlamentarismus

Nein zum neuen Brandenburger Polizeigesetz!

Umstrittenes Bay­erisches Polizeiauf­gabenge­setz als Blaupause

Die Lan­desregierung in Bay­ern hat vorgemacht, wie schnell Grun­drechte mit einem Polizeige­setz grundle­gend in Frage gestellt wer­den kön­nen. Nun plant neben anderen Lan­desregierun­gen auch in Bran­den­burg der Innen­min­is­ter Karl-Heinz Schröter (SPD) ein neues Lan­despolizeige­setz, das rechtsstaatliche Prinzip­i­en wie die Unschuldsver­mu­tung und die Gewal­tenteilung angreift.

Polizei oder schon Geheimdienst?

Der mit dem Ref­er­ente­nen­twurf im Juli veröf­fentlichte Duk­tus der Geset­zes­nov­el­le ist ein­deutig: im Gewand der Ter­rorab­wehr soll die Polizei neue Befug­nisse bekom­men, die eine lange Liste von Grun­drecht­sein­schränkun­gen bein­hal­ten. Das als Lehre aus dem Faschis­mus einge­führte ver­fas­sungsrechtliche Tren­nungs­ge­bot für geheim­di­en­stliche und polizeiliche Meth­o­d­en wird immer weit­er ad absur­dum geführt. Mit der „Online-Durch­suchung“ kön­nen Ermittler*innen voll­ständig auf die elek­tro­n­is­che Kom­mu­nika­tion eines Men­schen (und dessen Mit­men­schen), die Aufen­thalt­sorte, die Fotos, die Noti­zen und weit­ere gespe­icherte Dat­en zugreifen. Weit­er­hin soll die Polizei mit Spi­onage­soft­ware, auch Staat­stro­jan­er genan­nt, ver­schlüs­selte Kom­mu­nika­tion überwachen kön­nen („Quellen-TKÜ“). Diese geplanten polizeilichen Befug­nisse gehen weit über bere­its legal­isierte Angriffe auf die Per­sön­lichkeit­srechte wie z. B. Haus­durch­suchun­gen oder Lauschangriffe auf Woh­nun­gen hin­aus und bedro­hen unsere Pri­vat­sphäre auch im dig­i­tal­en Bereich.

Straftaten­wahrsagerei statt Unschuldsvermutung

Die neue Qual­ität des Bran­den­bur­gis­chen Polizeige­set­zes spiegelt sich nicht nur in den neuen Überwachungs- und Repres­sion­s­meth­o­d­en wider. Ähn­lich wie der von der bay­erischen Geset­zesini­tia­tive bekan­nt gemachte Begriff der „dro­hen­den Gefahr“ führt das neue Polizeige­setz mit­tels dif­fusen und unbes­timmten Begrif­f­en eine Gefahren­ab­schätzung durch die Polizei ein. Danach kön­nen Men­schen überwacht wer­den, in Präven­tivhaft genom­men oder Fußfes­seln angelegt bekom­men, auch wenn diese Men­schen noch nicht konkret verdächtig sind. Der Begriff ein­er „dro­hen­den Gefahr“ unter­gräbt das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsver­mu­tung und eröffnet der Polizei eine „Straftaten­wahrsagerei“, die ein­er demokratis­chen Gesellschaft unwürdig und somit in kein­er Weise akzept­abel ist.

Von der „Ter­ror­is­mus­ab­wehr“ zur Ufer­losigkeit von Grundrechtseinschränkungen

Dass die geplanten weit­ge­hen­den Grun­drecht­sein­schränkun­gen nicht im Feld der Bekämp­fung von „Terrorist*innen“ verbleiben, ist schon jet­zt eine Frage der poli­tis­chen Def­i­n­i­tion­s­macht, die sich mit der Zeit und anderen poli­tis­chen Kräftev­er­hält­nis­sen schnell verän­dern kann.

Andere Neuerun­gen im Bran­den­bur­gis­chen Polizeige­setz zeigen, dass schon mit dem jet­zi­gen Entwurf nicht nur der „Ter­ror­is­mus“ im Fokus von präven­tiv­er Überwachung und Repres­sion ist. Die mit der Geset­zesver­schär­fung geplanten Meldeau­fla­gen ermöglichen der Polizei allein zu entschei­den, wer sich bis zu einem Monat regelmäßig bei ein­er Polizeis­ta­tion melden muss. Die Meldeau­fla­gen wer­den expliz­it im Rah­men des Ver­samm­lungs­ge­set­zes. vor allem­für poli­tisch aktive Men­schen, vorgesehen.

Grun­drechte: Opfer eines ver­meintlichen Sicherheitsgefühls

Die Ver­schär­fung der Lan­des­ge­set­ze rei­ht sich ein in einen Sicher­heits­diskurs, der jegliche Fak­ten und Analy­sen über Krim­i­nal­ität oder „Ter­ror­is­mus“ außer Acht lässt. Auch eignet sich das neue Polizeige­setz nicht zur Straftaten­präven­tion. Vielmehr soll mit der rigi­den Geset­zesver­schär­fung die ver­meintliche Erhöhung eines dif­fusen Sicher­heits­ge­fühls erzeugt werden.

Neues Polizeige­setz: Gefahr für die Sicher­heit ganz­er Bevölkerungsgruppen

Nicht nur das Sicher­heits­ge­fühl, son­dern auch die Sicher­heit­slage der­jeni­gen Men­schen wird mas­siv gestört, die schon jet­zt häu­fig im Fokus der Polizei ste­hen. Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund sind beson­ders betrof­fen von ras­sis­tis­chen Sicher­heits­diskursen, die Flucht und Migra­tion in einem Atemzug in den Zusam­men­hang mit Krim­i­nal­ität und „Ter­ror­is­mus“ stellen. Das ver­fas­sungswidrige „Racial Pro­fil­ing“, also die anlas­sun­ab­hängige Polizeikon­trolle und Verdäch­ti­gun­gen von beispiel­sweise als Migrant*innen wahrgenomme­nen Men­schen, ist eine Vorstufe der neuen geplanten geset­zlichen Maß­nah­men. Die von Schröter und seinen Innen­min­is­terkol­le­gen geplanten Ver­schär­fun­gen der Polizeige­set­ze gehen uns jedoch alle an. Egal ob poli­tis­che Aktivist*innen, Fußball­fans, Gewerkschafter*innen, Woh­nungslose, Men­schen mit psy­chis­ch­er Erkrankung oder auch ein­fach nur Kapuzenpulli-Träger*innen: die vorgeschla­ge­nen polizeilichen Maß­nah­men kön­nen und wer­den bei allen zur Anwen­dung kommen.
Wir sind ein bre­ites, weltof­fenes Bünd­nis: Wir ste­hen ein für Grun­drechte und Freiheit!
In Bay­ern, NRW und Nieder­sach­sen wen­den sich bre­ite, zivilge­sellschaftliche Bünd­nisse gegen die Ver­schär­fun­gen der Lan­despolizeige­set­ze. Zehn­tausende demon­stri­erten gegen den Angriff auf grundle­gende rechtsstaatliche Prinzip­i­en wie die Unschuldsver­mu­tung und die Gewaltenteilung.

Auch in Bran­den­burg gilt es, unsere Frei­heits- und Grun­drechte gegen die geplante Geset­zesver­schär­fung zu verteidigen:

- Wir wollen über die geplanten Maß­nah­men aufk­lären und eine Gegenöf­fentlichkeit schaffen!

- Wir wollen die Ver­schär­fung im Rah­men des neuen Polizeige­set­zes in Bran­den­burg ver­hin­dern! Auch punk­tuelle Ver­schär­fun­gen des Polizeige­set­zes lehnen wir ab!

- Wir sind ein bre­ites Bünd­nis von demokratis­chen Einzelper­so­n­en, Ini­tia­tiv­en, Organ­i­sa­tio­nen und Parteien, deren Anliegen es ist, die Grund- und Frei­heit­srechte zu schützen. Ras­sis­mus und rechte Het­ze haben bei uns keinen Platz.

- Wir ver­ste­hen uns als Teil des bun­desweit­en Wider­stands gegen die Polizeige­set­zesver­schär­fun­gen. Wir sind sol­i­darisch mit anderen Ini­tia­tiv­en, die es sich zum Ziel geset­zt haben, die neuen Polizeige­set­ze in den Bun­deslän­dern zu verhindern.
Wir zeigen Wider­stand gegen das neue Bran­den­bur­gis­che Polizeige­setz – Über­all und solange, bis das Gesetz vom Tisch ist!
Wenn ihr den Aufruf unterze­ich­nen wollt müsst ihr ein­fach eine Mail an kontakt@nopolgbbg.de schick­en und wir nehmen euch auf die Unterstützer_innenliste! Wir haben uns aus Daten­er­he­bungs- und schutz­grün­den entschlossen kein Online­for­mu­lar bere­it zu stellen.

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