Der G20-Gipfel in Hamburg ist erst seit wenigen Wochen vorbei und die Ergebnisse lassen sich grob in zwei Aspekte aufteilen.
1. Politische Ergebnisse
Diese fallen eher mager aus. Trotz der freundlichen Einladung und Bewirtung durch Deutschland von Diktatoren, Autokraten und Nationalisten aus aller Welt konnten sich die teilnehmenden Ländern nicht darauf einigen Probleme anzugehen. Daran hindert sie offensichtlich die kapitalistische Konkurrenz. Das Konzert in der Elbphilharmonie hingegen war großartig, da lassen sich Kriege, Klimawandel, Wirtschafts- und Energiekrise, diese immer wieder eingeforderten „Menschenrechte“ und tausende Menschen, die jährlich im Mittelmeer ertrinken, doch schnell vergessen.
Doch gab es noch einen anderen Punkt der uns an dieser Stelle wichtig ist.
2. Politische Ergebnisse nach Innen
Der Gipfel erschien uns als ein Warmlaufen gegen den Aufstand von Innen. Knüppelnde Bullen, eingesetztes SEK, unzählige Hausdurchsuchungen, Anquatschversuche, VS-Berichte, Demoverbote, Hetze gegen Aktivist_innen, Angriffe auf Schlafplätze, eingesetzte Zivilbullen und die mediale Aufbereitung des Ganzen sind wohl das wesentliche Ergebnis des G20. In Zeiten großer sozialer Verwerfungen scheint es für die Repressionsorgane nötig zu sein, sich auf Kämpfe gegen soziale Bewegungen in den Städten vorzubereiten. So hat es unseres Wissens bisher noch nie einen Einsatz von Spezialeinheiten gegen Demonstrant_innen oder alkoholisierte Jugendliche gegeben.
So weit, so schlimm. Der Einsatz der Cops ist damit sicherlich nicht zu Ende. Noch immer laufen Verfahren gegen Genoss_innen und auch die alltägliche Repression wird weiter anziehen: Der Feind steht für den Staat links.
Daher halten wir es für wichtig, nochmal auf einige grundlegende Verhaltensweisen und Vorsichtsmaßnahmen hinzuweisen:
keine Gespräche über Aktionen in der Kneipe oder sonstigen öffentlichen Orten
Bude aufräumen, Rechner und Telefon verschlüsseln (notfalls Hilfe bei eurer örtlichen Kryptogang holen)
wie immer: keine Aussagen bei Polizei und Justiz
wehrt euch gegen Anquatschversuche vom VS und den Bullen, macht diese öffentlich
wendet euch bei Repression an die Rote Hilfe, euren Ermittlungsausschuss oder sonstige Antirepressionsgruppen
bei Gesprächen über sensible Dinge: Telefone verbannen!
wenn Leute neu in die Szene (oder in euer Hausprojekt) kommen, erkundigt euch nach ihnen: Wer kennt sie, was haben sie vorher gemacht?
Es geht hier nicht um Misstrauen, sondern um den Schutz eigener Strukturen. Ihr kennt sicherlich die Fälle in Hamburg, wo jahrelang Zivibullen in unseren Strukturen unterwegs waren (Bei Fragen dazu wendet euch an eure Antirepressionsgruppen. Keine voreiligen Verdächtigungen!)
überlegt, mit wem ihr was macht
seid solidarisch mit Genoss_innen, die von Repression betroffen sind!
Eine erstarkende Rechte, staatliche Repression und ein Kapitalismus in der Krise müssen uns keine Angst machen wenn wir zusammen stehen. Bildet euch! Bildet Banden! Nichts und niemand ist vergessen…
INFORIOT Vom 24.–27. August findet erstmals in Cottbus ein antifaschistisches Sommercamp, das JanzWeitDraussen (JWD)-Camp, statt. Vernetzung, Bildung und Erholung stehen bei dem JWD-Camp in Vordergrund. Inforiot hat mit den Organisator*innen des JWD-Camps gesprochen. IR: Hallo, wer seid ihr, stellt euch doch mal kurz vor.
Alex: Ich bin 32 Jahre, mache seid meiner Jugend Politik, angefangen bei klassischer Antifapolitik über Freiraumkämpfe bis hin zu der Auseinandersetzung mit feministischer Theorie.
Hiba: Ich mache gerade Abitur. Ich habe an meiner Schule selbst rassistische Diskriminierung erfahren, mich dann in Schüler*innen-AG‘s angefangen zu politisieren, über Schule ohne Rassismus und sowas, und organisiere nun erstmalig eine größere Aktion mit. IR: Das sind ja doch sehr unterschiedliche Erfahrungen, die ihr da mitbringt. Wie habt ihr für die Organisation des Camps zueinander gefunden?
Hiba: Ich habe mich an die in meiner Kleinstadt aktive linke Gruppe gewandt, um Unterstützung zu bekommen, neue Leute kennenzulernen und mich auch weiter mit politischen Sachen auseinandersetzen zu können. Das war so ungefähr vor einem Jahr. Zufälligerweise plante diese Gruppe dann auch ziemlich zeitnah das Alternative Jugend Camp (AJUCA) in Mecklenburg-Vorpommern zu besuchen, wo ich mich anschloss. Dort entstand die Idee eine ähnliche Sache in Brandenburg aufzuziehen und so begann das Kontakteknüpfen zu Strukturen in anderen Städten. IR: Was hat euch genau am AJUCA fasziniert? Was macht die Vorbildfunktion aus und was hat euch dazu bewegt, auch in Brandenburg ein Camp zu machen?
Alex: Das AJUCA ist schon eine ziemlich gut organisierte Nummer. Einmal jährlich die Verbindung von Freizeit und Politik, Theorie und Praxis, Möglichkeiten zur Vernetzung und gute Einstiegsmomente für junge Aktivist*innen. Genau sowas fehlte uns hier in Brandenburg bisher. Vor allem in Flächenländern wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in dnen der Zu- und Wegzug der Menschen aufgrund fehlender Perspektive häufig sehr groß ist, ist Vernetzung ein wichtiger Bestandteil politischer Praxis. Der Austausch hilft einfach auch mit den oft schwierigen Situationen vor Ort besser umzugehen. IR: Könnt ihr bitte nochmal genauer beschreiben, welche Situationen ihr meint. Über welche Themen benötigt ihr einen Austausch?
Alex: Ich denke, das größte Problem sind Nazis, die sich mit dem vermehrten Zuzug von Geflüchteten, an rassistische Bürgerproteste angedockt haben. Die Hemmschwelle zur Gewaltbereitschaft ist weiter gesunken, Rassismus “normal” geworden. Das haben vermutlich Antifaschist*innen in ganz Berlin und Brandenburg so erlebt und da kann man sich gegenseitig beraten.
Hiba: Ja, das kann ich nur bestätigen. Ich hatte in dem Ort, aus dem ich komme schön öfters mit Nazis Stress und einige Verwandte finden den rassitischen Kram, den die AfD erzählt, auch ganz geil. Ich wünsche mir da vom Camp vor allem ein paar Basics, wie politische Arbeit funktioniert, möchte gern Gleichgesinnte kennen lernen und und und.
Alex: Für mich steht, abseits vom alltäglichen Antinazikram, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Sexismus im Vordergrund, aber auch die Reflexion eigener Verhaltensweisen und Mechanismen und wie mensch sie auflösen kann. Ich freue mich sehr auf den Workshop zu Antifa und Männlichkeit, sowie f_antifa in der Provinz, die Teil des Camp-Programms sind. Außerdem gibt es den Workshop zu Flucht, Asyl und Migration, der einen Einstieg in antirassistische Arbeit ermöglichen soll.
Hiba: Außerdem haben wir in der Vorbereitung viel darüber diskutiert, wie wir Aktivist*innen einen Zugang zum Camp ermöglichen können, die beispielweise in ihrer politischen Arbeit Einschnitte machen müssen. Sei es durch die Kindererziehung oder der Ausschluss von Menschen, die ein Handycap haben. Wir haben daher einen Workshop eingeplant, in dem sich Aktivist*innen mit Kindern über Möglichkeiten und Probleme politischer Organisierung mit Kindern austauschen können. Zudem wird es einen Workshop vom ak_mob (Arbeitskreis mit ohne Behinderung) geben, der sich damit beschäftigt, wie wir unsere Räume und Veranstattungen barrierearm gestalten können. Unser Camp-Gelände ist übrigens auch für Menschen mit Rolli geeignet! IR: Okay, jetzt haben wir ein bisschen über eure Motivation solch ein Camp zu veranstalten gesprochen. Nun erzählt uns doch mal konkreter was darüber.
Alex: Das JWD-Camp findet dieses Jahr erstmalig statt. Es hat eine klar antifaschistische Ausrichtung. Auch in den nächsten Jahren soll das Camp veranstaltet werden. In diesem Jahr haben wir uns für das Strombad in Cottbus entschieden. Das ist ein altes Freibad direkt an de Spree, ausgestattet mit Badestelle, Sanitäranlagen, Küche – also allem, was für ein Camp nötig ist. Das Chekov, ein alternativer Club, ist direkt mit auf dem Gelände und das Hausprojekt Zelle 79 in der Nachbarschaft.
Hiba: Wir wollen so vielen Menschen wie möglich an dem Camp teilnehmen lassen und dort gemeinsam eine schöne Zeit verbringen. Leider passen auf das Gelände nur 150 zeltende Personen. Die Möglichkeiten sind daher begrenzt. Allerdings rechnen wir beim ersten Mal nicht mit einem Ansturm, weshalb sich gern auch jetzt noch Leute für das Camp anmelden können. Donnerstag beginnt das Camp mit einem großen Plenum. Danach gibt es ein Kneipen-Quiz und Punkrock von der Platte. Der Freitag und Samstag widmet sich dann den Workshops. Mein persönliches Highlight ist das Freitagskonzert mit Lena Stoerfaktor und Pöbel MC.
Alex: Ja und Samstag wollen wir dann das Camp bei Lagerfeuer und Klampfe ausklingen lassen.
Hiba: Achso, und pleniert wird jeden Tag. So können wir gemeinsam unsere Bedrüfnisse und Wünsche austauschen und vielleicht schaffen wir es ja neue Pläne zu schmieden und gemeinsame Aktionen zu starten! IR: Und warum veranstaltet ihr ausgerechnet in Cottbus solch ein Camp?
Alex: Uns ist es wichtig Berlin, beziehungsweise den Berliner Speckgürtel, zu verlassen. Wir möchten Leute in die vermeintliche Provinz holen, weil das einfach die Orte sind, in denen wir uns im Alltag bewegen. Nix mit Szene-Kiez und Großstadt-Antifa, sondern genau rein ins Geschehen. Daher ist auch der Name JWD-JanzWeitDraussen gewählt. Wir wollen das Camp gern routieren lassen, jedoch weiterhin in Städten oder Orten, die fernab der Großstadt sind. IR: In eurem Aufruf sprecht ihr davon, dass Antifaschismus für euch eine Überlebensstrategie ist. Erzählt mal was zu der aktuellen Situation in Cottbus.
Hiba: Wenn man bei Inforiot in das Suchfeld “Cottbus” und “Nazis” eingibt, bekommt mensch ein ganz gutes Bild von dem, was da abgeht.
Alex: Ja, Cottbus macht öfters mal Schlagzeilen, was seine sehr ausgeprägte Nazisszene betrifft. Es ist schon paradox, dass Strukturen, denen die NPD früher nicht radikal genug war, nun mit der AfD gemeinsame Sache machen. Statt vom Volkstod sprechen sie nun vom Volksaustausch, aber im Großen und Ganzen die gleiche Suppe. Das ist bei den pegidaähnlichen Demos von Zukunft-Heimat, die seit Mai regelmäßig in Cottbus stattfinden, gut zu beobachten. Durch sowas ist der Alltag in Cottbus von Rassismus vergiftet. Dahingegen wollen wir vor allem jüngeren Leuten zeigen, dass es auch in der Provinz emanzipatorische Strukturen und Möglichkeiten für antifaschistisches Engagement gibt. Das verdeutlichen die Berichte bei Inforiot übrigens auch. IR: Danke für eure Antworten, wollt ihr noch was ergänzen?
Hiba: Ja kommt vorbei, informiert euch auf unser Homepage www.jwdcamp.org. Da findet ihr in Kürze Teile des Programms, Tipps zur Anreise und auch eine Kontaktadresse, falls ihr Lust habt euch einzubringen oder noch irgendwelche Fragen offen sind.
Alex: Genau, damit wir auch besser planen können, bitten wir noch darum euch oder eure ganze Crew anzumelden, damit wir über die Teilnehmer*innenzahl einen Überblick haben. Vielen Dank für das Interview!
Am kommenden Dienstag (15.8.) plant die AFD eine Demonstration durch Eberswalde. Es soll unter anderem der PEGIDA-Mitbegründer Siegfried Däbritz auftreten.
Ein breites Bündnis aus Initiativen, Parteien und Gewerkschaften organisiert Gegenproteste unter dem Motto „Aufstehen gegen Rassismus!“
Auf dieser Übersichtskarte könnt ihr sehen, wo Gegenkundgebungen angemeldet sind.
Kommt auf die Straße und zeigt deutlich, dass ihr keinen Bock darauf habt, dass rassistische und nationalistische Hetzer durch Eberswalde marschieren!
Weitere Infos stehen im Aufruf des Bündnisses:
Aufstehen gegen Rassismus – Unser Alternative ist Solidarität!
Die AfD plant für den 15.08.2017 eine Kundgebung in Eberswalde. Sie will damit vor den Bundestagswahlen Stimmung machen gegen Geflüchtete, politisch Andersdenkende und gegen alle, die für eine weltoffene und solidarische Gesellschaft stehen.
Die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist mittlerweile keine Protestpartei mehr, sondern ein Sammelbecken und Sprachrohr für rassistische Politik. Sie versucht derzeit bundesweit, wie auch im Barnim, zu einem Zentrum der Rechten zu werden. Es werden nationalistische, rassistische und zum Teil auch Naziparolen verbreitet und es wird gegen Andersdenkende gehetzt. So werden politische Diskurse und das gesellschaftliche Klima nach rechts verschoben.
Doch die AfD ist nicht nur wegen ihres offenen Rassismus eine ernsthafte Gefahr für die Gesellschaft. Das Parteiprogramm ist in vielerlei Hinsicht reaktionär. Unter anderem wird ein traditionelles Familienbild propagiert, welches in letzter Konsequenz die Frauen zurück an den Herd drängt. Auch sollen beispielsweise soziale Sicherungssysteme zurückgefahren und Steuern für die Reichen gesenkt werden. Offensichtlich ist das alles nicht im Sinne der gesellschaftlich Benachteiligten, die diese Partei wählen sollen.
Vor den anstehenden Wahlen versucht die AfD auf Bundesebene, sich einen gemäßigten Anstrich zu verpassen. Im Barnim läuft das offensichtlich anders. Die angekündigten Redner sind klar im äußeren rechten Flügel der Partei positioniert und stehen für eine völkisch-nationalistische Politik. Der Schulterschluss mit dem Pegida-Gründer Siegfried Däbritz aus Dresden zeigt, dass die sogenannte Alternative nicht einmal den Versuch unternimmt sich vom gewaltbereiten rechten Potential abzugrenzen. Auch die anderen Redner sind klar als rechtsaußen Politiker bekannt und haben keine Berührungsängste zur NPD, wie zum Beispiel der Bürgermeisterkandidat aus Bad Freienwalde Lars Günther mit einer gemeinsamen Demo „gegen Überfemdung“ vor einigen Jahren mit der NPD und anderen bewiesen hat.
Egal unter welchem Label sich Rassist_innen, Nationalist_innen und die alten und neuen Nazis versammeln, wir werden ihnen keinen Platz lassen in Eberswalde oder anderswo. Wir sind viele Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichsten Alters und politischer Orientierung. Wir sind geeint in dem Willen für eine gerechte, weltoffene und tolerante Gesellschaft zu streiten. Deshalb rufen wir am 15.08.2017 ab 18.00 Uhr zu einer Protestkundgebung in der Nähe des Eberswalder Marktplatzes (Richtung Kirchhang) auf. Wir wollen ein deutliches Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung setzen!
Light Me Amadeu DGB Region Ostbrandeburg
Bündnis 90/ Grüne DIELINKE Eberswalde SPD Eberswalde und Finow
Runder Tisch Willkommen in Eberswalde
Jusos Barnim
Linksjugend solid Barnim
Antifaschistische Initiative Eberswalde
Am Donnerstagabend soll es, Polizeiangaben zu Folge, auf und um den Märkischen Platz zu mehreren strafbewehrten Handlungen zwischen Jugendlichen und Gästen eines Restaurants gekommen sein. Hintergrund ist offenbar ein Missverständnis, dass sich zu einer handfesten Auseinandersetzung entwickelte. Außerdem soll aus einem Fahrzeug, welches auf den Märkischen Platz gefahren war, mindestens eine Flasche in Richtung der Jugendlichen geworfen worden sein. Das Auto habe zudem offenbar versucht in die Gruppe hineinzufahren.
Wenig später veröffentlichte das extrem rechte „Bürgerbündnis Havelland eV“ ein Statement zu den Vorfällen, demnach es sich in seinem (asylfeindlichen) Wirken bestätigt fühlte, da es sich bei den Jugendlichen angeblich um „Einige von denen, die noch nicht lange hier leben“, womit offenbar Geflüchtete gemeint waren, handeln soll. Am frühen Freitagmorgen lagen dann plötzlich dutzende Flyer, der ebenfalls extrem rechten Vereinigung „Identitäre Bewegung“, auf dem Märkischen Platz aus. Die Auseinandersetzungen nach Darstellung der Polizei
Für den Donnerstagabend lagen der Polizeipressestelle offenbar zwei Sachverhalte vor, die im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zur Anzeige gebracht wurden.
Zunächst ermitteln die Beamten wegen einer „gefährlichen Körperverletzung“ im Bereich eines Restaurants. Als Tatverdächtiger gilt ein 14 jähriger Jugendlicher, der mit einem Gürtel zugeschlagen haben soll.
Die Situation hatte sich gegen 21.05 Uhr möglicherweise aus einem Missverständnis heraus hochgeschaukelt. Laut Polizeiangaben „fühlte sich“ eine 25 jähriger Restaurantgast von einem außerhalb der Gaststätte stehenden Jugendlichen „belästigt“. Der 14 Jährige soll den Mann bzw dessen an einem Tisch sitzende Familie „stur“ angeschaut haben. Eine Aufforderung dies zu unterlassen soll der Jugendliche nicht nachgekommen sein. Der 14 Jährige soll lediglich angegeben haben, auf jemanden zu warten. Der 25 jährige Mann habe daraufhin den Wartenden zur Seite geschoben. Dies sollen wiederum andere Jugendliche auf dem Märkischen Platz mitbekommen haben und zur Gaststätte geeilt sein. Ein weiterer 14 Jähriger habe daraufhin einen Gürtel aus seiner Hose geholt und dann auf den Tisch, an dem der 25 Jährige inzwischen wieder Platz genommen hatte, eingeschlagen haben. Dabei soll die dreijährige Tochter des Mannes gestriffen worden sein, blieb aber unverletzt. Der 25 Jährige stand dann auf, schubste den 14 jährigen Tatverdächtigen weg und verlangte von ihm in Ruhe gelassen zu werden. Die Jugendlichen verschwanden dann in Richtung Märkischer Platz.
Wenig später kam es in räumlicher Nähe dann zu einem zweiten Vorfall. Hier ermittelt die Polizei nun wegen schweren Eingriffs in den Straßenverkehr.
Demnach sei der Fahrer eines mattschwarzen Fahrzeuges, möglicherweise ein Transporter, auf den Märkischen Platz gefahren. Zeugenangaben, die der Polizei vorliegen, zu Folge soll das Auto dort zwei Personen abgeholt haben. Beim Verlassen des Platzes sei dann eine Flasche in Richtung der Jugendlichen geworfen worden. Außerdem soll der Fahrer zielgerichtet auf die Gruppe zugefahren sein. Die Jugendlichen bemerkten dies aber und sprangen rechtzeitig zur Seite. Ein 14 Jähriger soll aber, laut Polizei, eine leichte Prellung am Knöchel erlitten haben.
Der Fahrzeugführer sei daraufhin mit „quietschenden Reifen“ geflohen. Er wird von Zeugen als korpulent, tätowiert und glatzköpfig beschrieben. Extreme Rechte versucht Vorfall zu instrumentalisieren
Bereits eine Stunde nach den Vorfällen veröffentlichte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland“ im Internet ein Statement, in dem zunächst Bezug auf die Auseinandersetzung genommen wird. Gleichzeitig sah sich der Verein offenbar in seinem Wirken, regelmäßig asylfeindliche Versammlungen, wie erst am vergangenen Dienstag, durchzuführen bestätigt, da an den Vorfällen angeblich „Einige von denen, die noch nicht lange hier leben“ – eine offensichtliche Verklausulierung für die minderjährigen Geflüchteten, die sich zeitweise auf dem Märkischen Platz treffen – beteiligt gewesen sein sollen.
In einem weiteren, später veröffentlichtem Statement behauptet das extrem rechte „Bürgerbündnis“ entgegen der Pressemitteilung der Polizei, dass sich einige „illegale Merkel Gäste“ mutmaßlich „in die Haare bekommen“ hätten. Ferner wird offenbar fälschlich bekräftigt, dass „männliche Ausländer“ angeblich „weibliche Gäste“ des Lokals gegenüber dem Märkischen Platz belästigt haben sollen.
Am Freitagmorgen stellte dann ein Passant, gemäß Recherche von Presseservice Rathenow, dutzende Flyer der extrem rechten Vereinigung „Identitäre Bewegung“ fest. Ungefähr 80 Flugblätter hätten Unbekannte demnach offenbar zielgerichtet auf den Bänken des Märkischen Platzes abgelegt. Dabei handelte es sich offenbar um eine Werbeschrift der „Identitären Bewegung“.
„Globalisierung, Masseneinwanderung und Kulturverfall werden unseren Kontinent zerstören, wenn wir nichts dagegen tun“, so die Ansage der extrem rechten, auch im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2016 ausführlich erwähnten Vereinigung, auf den Flugblättern.
Die regionale „Identitäre Bewegung“ hat ihren Hauptwirkungsraum allerdings hauptsächlich im nahen Berlin, bildet jedoch mit Brandenburg zusammen einen gemeinsamen Landesverband. Einzelne Mitglieder des „Bürgerbündnisses Havelland“ sympathisieren mittlerweile offen mit dieser völkisch orientierten Vereinigung.
Gestern wurde der bekannte Neonazi Sandy L. vor dem Landgericht Neuruppin wegen mehrerer rechter Gewalttaten zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten verurteilt. Der Mitangeklagte Raiko K. erhielt eine Freiheitstrafe von 9 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zusammen hatten sie im September 2015 eine damals 16-jährige Schülerin und ihren 18-jährigen Begleiter im Einkaufszentrum REIZ mit einem Fausthieb zu Boden geschlagen und anschließend durch Fußtritte erheblich verletzt.
Am selben Abend machten die beiden Rechten gemeinsam mit anderen an einer Tankstelle Jagd auf weitere linke Jugendliche. Eine 15-jährige Schülerin wurde von Sandy L. abgefangen, gegen die Wand der Tankstelle geschubst und mehrfach getreten und geschlagen. Zuvor hatten die alkoholisierten Neonazis bereits am alternativen Jugendprojekt
„MittenDrin“ randaliert. Ursprünglich hatten die Rechten geplant, zu einer Demonstration nach Hamburg zu reisen, ihren Plan aber auf Grund eines Verbots der Veranstaltung geändert. Ein weiterer Mittäter wurde bereits gesondert verurteilt.
Besonders bedrückend war es im Gerichtssaal festzustellen, wie die brutalen Angriffe von wenigen Minuten Dauer bei den Betroffenen noch Jahre später nachwirkten und sie nachhaltig in ihrem Sicherheitsgefühl erschütterten. Die Jugendlichen berichteten davon, wie sie nach dem neonazistischen Gewaltexzess ihr Leben umstellten, und sich lange nicht in ihrem gewohnten Umfeld bewegen konnten. Bis heute vermeiden sie es teilweise, alleine bei Dunkelheit in Neuruppin unterwegs zu sein. Das Ziel der Neonazis, linke Jugendliche durch Drohungen und Gewalt einzuschüchtern, wurde zumindest zeitweilig erreicht.
„Die in den vergangenen Wochen verhandelten Gewalttaten verdeutlichen noch einmal eindrücklich, wie enthemmt und rücksichtslos Neonazis gegen politische Gegner_innen und Geflüchtete vorgehen. Die gegen die Betroffenen ausgeübte Gewalt war nicht zufällig, sondern eine logische Folge der rechten Ideologie der Verurteilten an. Ich bin erleichert, dass Staatsanwaltschaft und Strafkammer dies in Plädoyer bzw. Urteilsbegründung würdigten, indem sie die aus der Tat sprechende menschenverachtende Gesinnung als Hatecrimedelikt nach §46 Absatz 2 StGB als strafverschärfend werteten.“, kommentierte nach Prozessende Anne Brügmann, Beraterin beim Verein Opferperspektive, die zwei der Betroffenen im Prozess begleitet hatte.
Sandy L. und Raiko K. gehören zu den führenden Kadern der militanten Neonaziszene in der Region. Der 36-jährige L. war Sektionsleiter der Kameradschaft „Weiße Wölfe Terrorcrew“, die im vergangenen Jahr durch das Bundesinnenministerium verboten wurde. Sie agitiere „offen und aggressiv gegen Staat und Gesellschaft, Migranten und Andersdenkende“, hieß es in der Verbotsverfügung. Was dies in der Praxis bedeutet, wurde im September 2015 in Neuruppin deutlich.
Am Samstagabend veranstaltete eine kleine Gruppe Neonazis einen spontanen Aufmarsch im Stadtgebiet von Rathenow. Diese Versammlung fand zunächst unangemeldet statt. Später soll sich ein 35 Jähriger aus Magdeburg als Versammlungsleiter zu erkennen gegeben haben. Aus dem Aufzug sollen, laut Märkischer Allgemeiner Zeitung (MAZ), unter Berufung auf Angaben der Polizei, außerdem einzelne Straftaten verübt worden sein. Die Versammlung sei später sogar aufgelöst worden.
Aus Videomitschnitten, die im Internet kursieren, und zugespieltem Fotomaterial soll das Ereignis nachfolgend rekonstruiert und analysiert werden. Ein großer Teil des Materials wurde durch den so genannten „Patrioten Kanal“, einer rechten Internetseite, in die Öffentlichkeit lanciert. Sie vermittelt einen sehr nahen, jedoch auch deutlich propagandistisch wirkenden Einblick in das Versammlungsgeschehen und dokumentiert zugleich auch mutmaßliche Straftaten. Fotos und Videos von distanzierten Passanten zeigen hingegen er einen unbedeutend klein wirkenden Haufen Neonazis. Rekonstruktion des Aufmarsches
Der Aufzug fand in der Zeit zwischen 20.00 und 21.00 Uhr statt. Er begann in der Nähe eines bekannten Treffpunktes von „Autonomen Nationalisten“ in Rathenow, am Kreisverkehr Große Milower Straße, Ausfahrt Heidefeldstraße.
Angeführt von einem Vermummten, der ein Megaphon in der Hand hielt, bewegte sich, gemäß Videomitschnitt des „Patrioten Kanals“, von dort aus eine etwa 15 köpfige Gruppe zunächst in die Heidefeldstraße. Der vermummte Mann, bei dem es sich mutmaßlich um den Rathenower Neonazi Eric U. handelte, trat dabei offenbar als Rädelsführer in Erscheinung. Er begann durch sein Megaphon, so ist es jedenfalls auf einem Video zu sehen und zu hören, die Parole „Autonom und Militant – Nationaler Widerstand“ zu skandieren. Der große Teil der begleitenden Personen wiederholte dann die Parole.
Kurze Zeit später ist im Video zu sehen, wie ein weiterer Neonazi aus Rathenow ein Banner mit der Aufschrift: „N.S Havelland – Frei, Sozial, National“ aus einem Rucksack holte, um es dann offenbar mit weiteren Teilnehmenden des Aufzuges als Frontbanner zu tragen.
Der spontane Aufzug formierte sich dann endgültig zu einem Klein-Aufmarsch. Im Videomitschnitt des „Patrioten Kanals“ ist dann das Skandieren weitere neonazistische Parolen zu hören: „Wir sind Frei, Sozial und National“, „Das System ist am Ende, wir sind die Wende“, „Nationaler Sozialismus jetzt – denn wir kämpfen: frei, sozial, national“, „Widerstand“, „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“, „Hier marschiert der nationale Widerstand“, „Kriminelle Ausländer raus – und die Merkel hinterher“ und „Ob Ost, ob West – nieder mit der roten Pest“.
Von der Heidefeldstraße führte der Aufmarsch dann links ab in die Wolzenstraße und dann noch einmal links ab, in den Grünauer Weg bis in die Großen Milower Straße. Während des Zuges durch die letzt genannten Straßen, ist in den Videomitschnitten immer wieder das Skandieren von neonazistischen Parolen zu hören. Beim Passieren einer Geflüchtetenunterkunft sind in einem Video des „Patrioten Kanals“ausländerfeindliche Sprüche zu hören.
Ab dem Übergang Große Milower Straße zur Brandenburger Straße hatte der spontane Aufzug dann offenbar, so zeigen es zugespielte Fotoaufnahmen, Polizeibegleitung, durch einzelne Streifenwagen. Über einen konkreten Polizeieinsatz gegen die bis dahin unangemeldete Versammlung ist jedoch nichts bekannt.
Offenbar von einem Dachboden aus gefilmtes und anonym ins Internet gestelltes Videomaterial zeigt jedenfalls nur eine recht klein und verloren wirkende Neonazitruppe, welche die Große Milower Straße in Richtung Brandenburger Straße „marschiert“.
Da der Aufmarsch anscheinend dort nicht durch die Polizei aufgehalten wurde, setzte sich der Aufzug so dann über die Brandenburger Straße bis zum Kreisverkehr fort, bog dann rechts in die Berliner Straße ab und führte schließlich bis zum Märkischen Platz.
Dort verweilte die Kleingruppe „Marschierender“, gemäß Webcam, offenbar kurz. Begab sich dann aber anschließend wieder in Marschformation zurück auf die Berliner Straße. Dort setzt sich die Berichterstattung des „Patrioten Kanals“ mit einem weiteren Videomitschnitt fort.
Im Video ist zu sehen, wie ein Polizeibeamter sowie einige offensichtlich betagte und füllige Kollegen am Kreisverkehr in den Berliner Straße Ecke Mittelstraße vergeblich versuchen den Aufmarsch aufzuhalten. Der offenbar leitende Beamte gibt, gemäß Videomitschnitt, laut und deutlich bekannt, dass die Versammlung aufgelöst sei. Außerdem forderte der Polizist die Teilnehmenden zum Halt auf. Die bedanken sich allerdings zunächst nur bei der Polizei, skandieren dann: „Polizei und Demokratie – unsere Ketten brecht ihr nie“ und laufen einfach weiter.
Erst in der Großen Milower Straße Höhe Kreisverkehr Richtung Heidefeldstraße, nach etwa 2,7 km Laufstrecke scheint der Aufzug beendet. Die Polizei hatte sich offenbar verstärkt und schien die Auflösung der Versammlung nun durchsetzen zu können.
In einem Videomitschnitt des „Patrioten Kanals“ erklärte Eric U, der offenbar die Vermummung abgelegt hatte, dass die Spontandemo sowohl (polizeilich) aufgelöst sei als auch von ihm selbst beendet wurde. Weiterhin ist im Video zu sehen, wie offenbar die Personalien aufgenommen und endlos erscheinenden Diskussionen über Medienaufnahmen folgen.
Polizeiliche Zwangsmaßnahmen oder Ingewahrsamnahmen sind im Videomitschnitt des „Patrioten Kanals“ nichts zusehen. Auch aus der Berichterstattung der MAZ, die auf einer Mitteilung der Polizei beruht, ist diesbezüglich nichts zu entnehmen und erscheint somit als unwahrscheinlich. Zumal einige Teilnehmende anschließend offenbar noch das Dorffest im Rathenower Ortsteil Semlin besuchten, dort Selfies von sich machten und diese anschließend im Socialmedia präsentierten.
Gegen einzelne Versammlungsteilnehmer werde dann aber offenbar doch noch wegen des Zeigen des „Hitlergrußes“ und des Mitführens von „Pyrotechnik“ ermittelt. Organisierung des Aufmarsches
Der spontane Aufmarsch scheint im Wesentlichen durch Rathenower Neonazis organisiert worden sein. Dies wird zum einen durch den Startpunkt des Aufzuges, in der Nähe eines bekannten Treffpunktes lokaler „Autonomer Nationalisten“, und durch die mutmaßliche Rädelsführerschaft des Eric U, der den Aufmarsch anfangs durch seine Megaphonansagen forcierte, deutlich.
U hat in einem Teil des neonazistischen Milieus durchaus eine Schlüsselfunktion. Er gilt als Scharnier zwischen dem mittlerweile extrem rechts auftretenden PEGIDA-Ableger „Bürgerbündnis Havelland eV“ und überregional aktiven Neonazis aus Sachsen-Anhalt und (Ost)brandenburg.
Seit 2015 ist U als politisch interessiert bekannt. Seit September 2015 nahm er regelmäßig an Versammlungen des „Bürgerbündnisses Havelland“, die sich zunehmend als „asylfeindlich“ darstellten, teil. Zuvor ist über U nur bekannt, dass gegen ihn mehrfach wegen Brandstiftungen polizeilich ermittelt wurde.
Im Rahmen seines Engagements für das „Bürgerbündnis Havelland“, bei dem er oft als Ordner eingesetzt war, folgte eine stetige Radikalisierung. Zunächst trat U und seine Lebensgefährtin im Frühjahr 2016 als „Bürgerwehr Rathenow“ auf, einige Monate später als „Autonome Nationalisten Rathenow“. Ab Dezember 2016 nannte sich die Truppe dann „N.S Havelland“. Ein entsprechendes Banner wurde dann im Januar 2017 bei einem extrem rechten Aufzug in gezeigt. Dort und bei ähnlichen Aufzügen scheinen sich dann auch die Kontakte U.s ins überregionale neonazistische Milieu verfestigt zu haben.
In Rathenow scheint „N.S Havelland“ jedoch weitgehend isoliert, so dass der Truppe momentan kaum mehr als fünf Personen zugeordnet werden können. Während des Aufmarsches am Samstagabend nahm sogar nur eine weitere Person aus U.s direktem Umfeld teil. Eine weitere Person aus Rathenow, die am Anfang der Spontandemo auf einem Videomitschnitt des „Patrioten Kanals“ zu erkennen ist, gehört zum harten Kern der mit dem „Bürgerbündnisses Havelland“ Sympathisierenden.
Bei den anderen Teilnehmenden des samstäglichen Abendaufmarsches handelte es sich hauptsächlich um Zugereiste, die überwiegend aus Sachsen-Anhalt kamen. Die Personen können dem NPD nahen MAGIDA Umfeld bzw der „Brigade Magdeburg“, aus dem sich mutmaßlich auch der Versammlungsleitende zur Verfügung stellte, sowie der „Bürgerbewegung Altmark“, als auch der „Freikorps Heimatschutzdivision 2016“ zugeordnet werden. Zwei weitere Personen kamen aus dem Osten Brandenburgs und sollen der „Kameradschaft Märkisch-Oderland“ angehören.
Nahezu alle Teilnehmenden hatten sich vor der Spontandemo am Samstagabend bereits an einer Versammlung der extrem rechten Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland eV“ beteiligt. Lediglich U war von der angemeldeten Veranstaltung ausgeschlossen worden, weil er dort vermummt auftrat.
Drei Teilnehmende des spontanen Abendmarsches hatten zudem auf der Kundgebung des „Bürgerbündnis Havelland eV“ Redebeiträge gehalten. Einer, ein Mann aus Magdeburg, hatte dort sogar zur Stimmabgabe für die NPD bei der kommenden Bundestagswahl aufgerufen.
Am Samstagnachmittag veranstalte die extrem rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ erstmals seit drei Monaten wieder eine größere Versammlung auf dem Märkischen Platz in Rathenow. Die Veranstaltung wurde als Kundgebung mit anschließendem Marsch durch die Stadt durchgeführt.
Der öffentlich im Internet verbreiteten Einladung zur der Versammlung waren ungefähr 50 Personen, die überwiegend aus Brandenburg, Berlin und Sachsen-Anhalt anreisten, gefolgt. Einzelpersonen sollen aber auch aus Thüringen gekommen sein. Aus Rathenow und Umgebung selber nahmen nur ungefähr 15 Personen teil.
Die Versammlung wurde unter dem Motto: „Wehr Dich Deutscher“ bzw. „Deutscher wehr Dich“ beworben und in der Zeit von 14.00 bis 17.00 Uhr durchgeführt.
Es wurden mehrere „Redebeiträge“ gehalten und sich zu den üblichen Themen geäußert. Allerdings handelte es sich bei den Äußerungen der Redenden nicht um klar strukturierte Vorträge, sondern in erster Linie um Kommentare zu gesellschaftspolitischen Themen. Deutlich erkennbar waren jedoch rechtspopulistische bis extrem rechte Ausdrucksformen. Zudem wurden auch wieder Einzelpersonen und bestimmte Personengruppen herausgestellt und diffamiert. Anwesende und nicht anwesende Presse wurde beschimpft oder verunglimpft. Während des Aufzuges wurden zudem Geflüchtete verbal angepöbelt, die aus ihrem Wohnraum hinaus, neugierig auf die Straße sahen. Das gleiche passierte beim Vorbeizug der Demonstration an einem arabischen Geschäft. Eine Zwischenkundgebung vor dem Laden hatte die Versammlungsbehörde jedoch offenbar untersagt. Extrem rechte Versammlung
Der Rechtsdrall ist beim „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ aktuell so offensichtlich, dass die Vereinigung mittlerweile im aktuellen Brandenburger Verfassungsschutzbericht zum Jahr 2016 (veröffentlicht am 21. Juli 2017) im Phänomenbereich „Rechtsextremismus“ Erwähnung findet. Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses“ werden darin als „asylfeindlich“ benannt. Im Vorjahr (2015) galt der Verein lediglich als „asylkritisch“ und wurde nicht im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Die Nennung des „Bürgerbündnisses Havelland e.V.“ im aktuellen Bericht des Brandenburger Verfassungsschutzes erfolgte jedoch offenbar vor allem wegen der Unterstützung durch die regionale NPD. Die in Rathenow über Organisationsstrukturen verfügende neonazistische Partei hatte 2016 beispielsweise zur Teilnahme an den Versammlungen der extrem rechten Vereinigung aufgerufen. Außerdem hätten, laut dem Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2016, auch „zahlreiche Rechtsextremisten“ die Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses“ unterstützt. Diese Unterstützung durch die NPD war auch in den vergangenen Monaten des Jahres 2017 noch erkennbar, auch wenn kaum noch lokale Funktionäre dieser Partei den Versammlungen beiwohnten. Stattdessen reisten vor allem Parteimitglieder und Parteisympathisierende aus Berlin und Sachsen-Anhalt zu den Veranstaltungen des „Bürgerbündnisses“ an.
Auch am Samstagnachmittag war dies wieder erkennbar. Eine Gruppe Teilnehmende aus Magdeburg (Sachsen-Anhalt), die auch dem dortigen PEGIDA-Ableger „MAGIDA“ nahesteht oder in Teilen als „Brigade Magdeburg“ auftritt, nahm beispielsweise erst am vergangenen Wochenende an einer überregionalen Saalveranstaltung der NPD im sächsischen Riesa teil. Darunter auch der Magdeburger Ulrich Neumann, der am Samstagnachmittag beim „Bürgerbündnis“ auf dem Podium sprach und dort im Zusammenhang mit den Bundestagswahlen im September 2017 offen zur Wahl der NPD aufrief.
Weitere Teilnehmende aus Sachsen-Anhalt, die in der Regel unter der Bezeichnung „Bürgerbewegung Altmark“ und „Freikorps Heimatschutzdivision Sektion Sachsen-Anhalt“ auftreten, gelten als Sympathisierende der Vereinigung „THÜGIDA“. Dieser Verein wird im thüringischen Verfassungsschutzbericht 2014/15 als „rechtsextremistisch geprägte Initiative gegen Flüchtlinge“ namentlich benannt. Erst im März 2017 organisierten Bekannte Akteure der „Bürgerbewegung Altmark“ einen Aufzug für THÜGIDA in Stendal (Sachsen-Anhalt). Die „Freikorps Heimatschutzdivision Sektion Sachsen-Anhalt“ waren dabei u.a. als Ordner eingesetzt.
Weitere Einzelpersonen, die am Samstagnachmittag aus Berlin zu der Versammlung des „Bürgerbündnisses“ anreisten, sympathisieren mit den im aktuellen Verfassungsschutzbericht des dortigen Landesamtes zum Jahr 2016 genannten Organisationen „Bärgida“, „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ und „Identitäre Bewegung Berlin-Brandenburg“. Die Berlinerin Elke Metzner bezog sich in ihrem Redebeitrag positiv auf den so genannten „völkischen Geist“.
Ein anderer, aus Ostbrandenburg zugereister Redner, der sich als „Stefan Schumann“ von der „Kameradschaft Märkisch-Oderland“ vorstellte, sprach in seinem Beitrag, in dem er die derzeitige Bundespolitik negativ kommentierte, von „jüdischen Politikern“. Während des anschließenden Marsches durch Rathenow skandierte der Ostbrandenburger zu dem neonazistische Parolen wie „Nationaler Sozialismus jetzt“ und „Frei, Sozial, National“.
Ein Vertreter der Rathenower Neonazi-Truppe „N.S Havelland“ erschien zu dem vermummt auf der Versammlung und wurde anschließend offenbar der Veranstaltung verwiesen. Spontaner Neonaziaufmarsch am Abend
Gegen 20.30 Uhr wurde bekannt, dass sich ungefähr 15 ehemaligen Versammlungsteilnehmende der Veranstaltung „Wehr Dich Deutscher“ bzw. „Deutscher wehr Dich“ spontan sammelten und mit einem Banner, auf dem die Aufschrift: „N.S Havelland“ deutlich erkennbar war, an einer Geflüchtetenunterkunft in Rathenow vorbeizogen.
Später soll der mutmaßlich unangemeldete Aufzug auch durch Teile der Rathenower Innenstadt gezogen sein und Parolen wie „kriminelle Ausländer raus“ , „Frei, Sozial, National“ oder „Nationaler Sozialismus Jetzt“ skandiert haben.
Die Teilnehmenden des Spontanmarsches können den Gruppierungen „N.S Havelland“, „Kameradschaft MOL“, „Brigade Magdeburg“, „Freikorps Heimatschutz Division Sachsen-Anhalt“, „Berserker Deutschland – Division Thüringen“ und „Bürgerbewegung Altmark“ zugeordnet werden.
Die Polizei war zunächst nur mit einzelnen Streifenwagen präsent und soll den mutmaßlich unangemeldeten Aufzug erst nach dem Eintreffen von Verstärkung in der Großen Milower Straße Ecke Heidefeldstraße gestoppt haben. Fotos zur Versammlung „Bürgerbündnis Havelland“: hier
Ein Zusammenschluss von Bildungs- und Integrationsträgern, Flüchtlingsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Kammern und Gewerkschaften (DGB-Regionen Ost‑, Süd- und Westbrandenburg) im Land Brandenburg fordert den Zugang zu Ausbildungsverhältnissen für Geflüchtete zu erleichtern und vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres die „Ausbildungsduldung“ landesweit einheitlich und praxisorientiert im Sinne eines aktiven Integrationsgedankens umzusetzen. Dazu bedarf es unbedingt einer regulären statusunabhängigen Ausbildungsförderung für alle Auszubildenden.
Der Mangel an Fachkräften im Land Brandenburg ist seit Jahren hoch. Gleichzeitig bereitet es vielen Betrieben Schwierigkeiten, geeignete Auszubildende mit den sprachlichen, fachlichen und sozialen Fähigkeiten zu finden, um diesem Mangel nachhaltig entgegenzuwirken. Im Berufsbildungsbericht (1) 2017 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde jüngst belegt, dass zu Beginn der letzten Ausbildungssaison 2016 bundesweit etwa 43.500 Lehrstellen unbesetzt blieben, davon mehr als 1700 Plätze im Bundesland Brandenburg. Auch für das kommende Ausbildungsjahr sind in Brandenburg noch zahlreiche Lehrstellen unbesetzt.
Bisher werden im Bundesland trotzdem nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um unbesetzte Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerber_innen für das jeweilige Berufsfeld zu besetzen.
Dabei wurde der Zugang geflüchteter Menschen zum Ausbildungsmarkt im August 2016 mit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes erleichtert. Ziel war es, dass geduldete Personen aller Altersgruppen die Möglichkeit erhalten, eine qualifizierte Berufsausbildung aufzunehmen. Damit einher geht der Anspruch auf die Erteilung einer sogenannten „Ausbildungsduldung“ (§60a Abs.2 Satz 4 AufenthG), an die sich eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung im erlernten Beruf anschließen soll (sogenannte „3+2 Regelung“).
Die aktive Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung wird jedoch selbst bei unterzeichnetem Ausbildungsvertrag durch die restriktive Umsetzungspraxis einiger Ausländerbehörden verhindert, indem der Antrag auf die Erteilung der Ausbildungsduldung nicht zeitnah bearbeitet oder gänzlich abgelehnt wird. Zur Behebung dieser Problematik bedarf es daher einer klaren Umsetzungsregelung durch das brandenburgische Innenministerium, um
den gesetzlichen Anspruch auf die Ausbildungsduldung zu wahren, indem der Besetzung eines Ausbildungsplatzes durch fachlich geeignete Bewerber_innen stets Vorrang vor aufenthalts-beendenden Maßnahmen gebührt
die unbürokratische und schnelle Erteilung einer Ausbildungsduldung durch die Ausländerbehörden sicherzustellen, damit alle Beteiligten bereits frühzeitig Planungs- und Rechtssicherheit erhalten
den Zeitraum im Vorfeld einer Ausbildung produktiv
für konkrete berufsvorbereitende Maßnahmen (z.B. berufsorientierte Sprachförderung, Praktika, Einstiegsqualifizierungen) zu nutzen und diese Phase großzügig durch die Erteilung von Ermessensduldungen (2) rechtlich abzusichern.
Anderen Geflüchteten, die seit mehr als 15 Monaten in Brandenburg leben und sich bereits in Ausbildung befinden — aber statusmäßig noch im Asylverfahren sind — droht der Ausbildungsbruch aus finanziellen Gründen. Denn Ausbildungsförderung, insbesondere Berufsausbildungsbeihilfe, bleibt ihnen versagt, da die Betroffenen nicht aus Herkunftsländern mit sogenannter „guter Bleibeperspektive“ kommen und somit kein rechtmäßiger Aufenthalt zu erwarten sei.
Diese Bewertung verkennt, dass selbst im Fall eines negativen Ausgangs des Asylverfahrens, die unmittelbare Fortsetzung der Ausbildung durch die Erteilung der Ausbildungsduldung möglich ist und ein dauerhafter Aufenthalt von Geflüchteten in Ausbildung zu erwarten ist. Das Land Brandenburg möge daher
im Sinne des Integrationsgesetzes auf Landes- und Bundesebene alles dafür tun, um den Zugang zu den verschiedenen Möglichkeiten der Ausbildungsförderung für alle Geflüchteten zu ermöglichen, unabhängig vom Aufenthaltsstatus und einer rechtlich umstrittenen „Bleibeperspektive“.
Um die genannten Problemlagen zu beheben, sollten alle geflüchteten Auszubildenden mit Ausbildungsbeginn eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Die Unterzeichner_innen ersuchen die Landesregierung sich auf Bundesebene dafür einzusetzen.
Am vergangenen Samstag fand im thüringischen Themar ein Treffen von ungefähr 6.000 Neonazis statt. Die Veranstaltung war von einem lokalen NPD Funktionär als öffentliche Versammlung angemeldet worden, hatte aber, wie das Motto: „Rock gegen Überfremdung II“ schon offenbart, eher den Charakter eines Szenekonzertes. Zwar sollen auch mehrere „Politiker“ verschiedener Neonazi-Parteien auch Redebeiträge gehalten haben, jedoch dürfte der größte Teil des Publikums wegen den angekündigten Auftritten szenebekannter Rechtsrock Bands, darunter „Stahlgewitter“, „Lunikoff Verschwörung“, „Sleipnir“ und „Uwocaust“, angereist sein. Neonazistisches Milieu aus Brandenburg vertreten
Die Teilnehmenden kamen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem nahen europäischen Ausland. Unter den Versammlungsgästen waren auch viele Neonazis aus Brandenburg. Auf Fotos von Beobachtenden sind vor allem bekannte Szene-Akteure aus den kreisfreien Städten Potsdam und Brandenburg an der Havel sowie den Landkreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Potsdam-Mittelmark, Elbe-Elster und Spree-Neiße erkennbar. Der Großteil dieser Personen gilt als Sympathisierende der NPD und ihr naher Label, wie den „Freien Kräften Prignitz“ oder den „Freien Kräften Neuruppin-Osthavelland“. Auffällig war auch eine größere Gruppe Neonazis, die T‑Shirts mit dem Brandenburger Ortsnamen „Finsterwalde“ trugen, wobei die Buchstaben „NS“ besonders hervorgehoben waren.
Bemerkenswertester Teilnehmer aus Brandenburg war aber der erstmals seit März 2016 wieder öffentlich aktive Rathenower Michel Müller, der im Landesvorstand der NPD für den Bereich Organisation zuständig ist. Er war mit drei weiteren Personen aus Rathenow, Nennhausen und dem Premnitzer OT Döberitz angereist, die, laut einem Schreiben des Brandenburger Innenministeriums, der offiziell „aufgelösten“ Kameradschaft „Hauptvolk“ (Vereinsverbot April 2005) angehörten. Müller gehörte, laut Ministerium, ebenfalls dieser Organisation an. Aktuell nimmt er, neben seiner NPD internen Funktion, auch zwei Mandate in Kommunalparlamenten in der Stadt Rathenow und im Landkreis Havelland war.
Eine ähnliche kommunalpolitische Funktion hat der Belziger André Schär, der am Samstagnachmittag ebenfalls in Themar zu sehen war. Der NPD Funktionär ist Stadtrat in Bad Belzig und Kreisrat im Landkreis Potsdam-Mittelmark.
Weitere bekannte Politakteure, die am Konzert in Themar teilnahmen waren Markus N. aus Guben (ehemaliger NPD Kommunalpolitiker), der Wittstocker Ronny S. (Veranstalter mehrerer Aufmärsche im Raum Wittstock-Pritzwalk) und Paddy B. aus Potsdam (Sympathisant freier Kräfte sowie des „III. Weges“). Zudem soll Matthias Fischer aus Templin („Gebietsleiter Mitte“ vom „III. Weg“) als Redner aufgetreten sein.
Außerdem in Themar anwesend: Sascha L. aus Brandenburg an der Havel. Der Neonazi saß sieben Jahre wegen Totschlag im Gefängnis. Er hatte im Februar 1996 einen Punk in Brandenburg an der Havel zu Tode geprügelt.
Aus der neonazistischen Musikmachendenszene war darüber hinaus der Rathenower Liedermacher Thomas Lange alias „Toitonicus“ anwesend. Außerdem trat die Potsdamer Band „Uwocaust“ mit Sänger Uwe Menzel, einem Hauptakteur der Brandenburger Rechtsrock Szene, in Themar auf. Rechtsrock als gemeinsame Schnittstelle und Finanzspritze
Die deutliche Präsenz Brandenburger Neonazis auf der Konzertveranstaltung am 15. Juli 2017 in Thüringen scheint Annahmen zu bestätigen, dass sich die Szene in Brandenburg durch Rechtsrockevents wieder konsolidiert. Dafür spricht ein hoher Anteil von Konzertteilnehmenden, die zum Teil seit Jahren an der Organisation von politischen Versammlungen, insbesondere im Westen Brandenburgs beteiligt waren. Diese Personen bzw deren Strukturen waren in den Vormonaten weitgehend inaktiv.
Hintergrund der zeitweisen Inaktivität könnten die Verurteilungen einiger bedeutender Aktive, beispielsweise der „Nauener Zelle“, und das Verbot der „Weisse Wölfe Terrorcrew“, aber auch die zeitweise starke Zugkraft von rechtsmotivierten Versammlungen der Brandenburger AfD oder PEGIDA-ähnliche Organisationen im Land sein. Darüber hinaus spiegelten sich im neonazistischen Milieu aber auch die bundesweit spürbaren Spalterscheinungen, im Zuge des NPD Verbotsverfahrens sowie in der Militanzdebatte wider. Neue Neonazi-Parteien, wie „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ traten in Konkurrenz zu den bisher dominierenden Nationaldemokraten auf. Des Weiteren reorganisierte sich mit dem „Antikapitalistischen Kollektiv“ eine Struktur „Autonomer Nationalisten“, die durch kämpferische Aktionen auf Versammlungen ebenfalls für Spaltungsdebatten sorgten.
In Themar trat das bundesweit aktive neonazistische Milieu am vergangenen Wochenende allerdings wieder erstaunlich geschlossen und konsolidiert auf. Hochrangige Funktionäre oder Akteure aus NPD, „Die Rechte“, „Der III. Weg“, aus dem „antikapitalistischen Kollektiv“ sowie dem Thüringer PEGIDA-Ableger THÜGIDA sollen, gemäß Programm, Redebeiträgen auf einer gemeinsamen Bühne gehalten haben. Sie alle einte offenbar die Identifizierung mit dem vielfach als „subkulturell“ verharmlosten Rechtsrock. Einer Parallelwelt, dessen frühere Akteure, maßgeblich den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) durch Logistik und Finanzen, die sie mutmaßlich aus ihren Ressourcen: Konzerte, Tonträgervertrieb, Merchandise oder der Verteilerstruktur schöpften, unterstützt hatten.
Auch heute dürfte es im Rechtsrock vor allem um die Akquirierung von Finanzmitteln zu gehen, auch über das private Geschäftsinteresse hinaus. Sollten die Gesetze nämlich tatsächlich dahingehend geändert werden, dass Parteien mit erwiesen verfassungsfeindlicher Programmatik keine staatlichen Finanzmittel mehr zu Gute kommen, werden Konzerte, wie in Themar, wahrscheinlich die einzige Einnahmequelle für neonazistische Parteien sein. Insofern ist bundesweit mit einer Etablierung oder Steigerung solcher Veranstaltungen zu rechnen. Beispiele für Brandenburger Neonazis in Themar (Fotos von Beobachtenden):
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Am Samstagnachmittag erinnerten ungefähr 40 Menschen aus Brandenburg und Berlin im Rahmen einer Demonstration in Oranienburg an Erich Mühsam. Der anarchistische Schriftsteller war am 10. Juli 1934 in einem frühen SA-Konzentrationslager in der Stadt von den Nazis ermordet worden.
Die in der Aktionsform eines „lebendigen Gedenkens“ gestaltete Demonstration war von einer Privatperson für die Linksjugend SOLID Oberhavel und die Oranienburger Antifa angemeldet worden. Sie führte von der Bahnhaltestelle „Oranienburg“ in die Innenstadt und dort an verschiedenen Gedenkorten für Opfer des Nationalsozialismus vorbei. Während des Aufzuges gab es zwei Zwischenkundgebungen mit mehreren Redebeiträgen von Schülerinnen, einer Delegation der Gedenkstätte Sachsenhausen und der lokalen Antifa sowie am Endpunkt eine Kranzniederlegung mit Schweigeminute am Gedenkstein für Erich Mühsam.
Im Vorfeld wurde die Gedenkdemonstration jedoch hauptsächlich durch die Antifa Oranienburg, mittels Flyer und im Internet, beworben. Lebendiges Erinnern als Ausdruck gegen das Vergessen
Die Oranienburger Antifa sieht sich offenbar in besonderer Verpflichtung des Gedenkens an Erich Mühsam. Bereits in ihrem Aufruf zur Demonstration unter dem Motto: „Damals wie heute: Faschisten bekämpfen“ skizziert sie den Schriftsteller als standhaften Gegner des Nationalsozialismus, der schließlich aufgrund seiner Überzeugung im KZ Oranienburg ermordet wurde.„Auch nach 17 Monaten Folter gelang es den Nazis bis zuletzt nicht, seinen Willen zu brechen“, so die Antifa Oranienburg.
Darüber hinaus würdigte die Oranienburger Antifa, in ihrem Aufruf zur Gedenkdemonstration, Erich Mühsam als vielseitigen Menschen, als „Revolutionär, Utopist, Freidenker, Anarchist, Antifaschist, Syndikalist“, und deutete damit auch seine politische Vorbildfunktion bis in die heutige Zeit an.
An der Erinnerungsveranstaltung am Samstagnachmittag beteiligten sich so vereinzelt auch Sympathisierende der anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsföderation „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU).
Das Andenken an den 1878 geborenen Erich Mühsam wirdaber darüber hinaus nicht nur durch das „lebendige Erinnern“ im Rahmen der Gedenkdemonstration wachgehalten. Allein im Land Brandenburg sind in mindestens sechs Gemeinden Straßen nach ihm benannt, darunter eine in Oranienburg. In der Stadt München, in der er 1918 dem revolutionären Soldatenrat angehörte und zu den Anführern der bayrischen Räterepublik gehörte, gibt es einen nach ihm benannten Platz. In Lübeck, dem Ort seiner Schuljahre, gibt es neben einem Erich-Mühsam-Weg auch einen ihm gewidmeten Stolperstein vor dem Buddenbrookhaus sowie eine Gedenktafel an der historischen Löwenapotheke. In seinem Geburtsort Berlin gibt es eine weitere nach ihm benannte Straße im Stadtteil Friedrichshain sowie eine Gedenktafel in Charlottenburg, einen Gedenkstein in Neukölln und ein Ehrengrab auf dem Waldfriedhof in Dahlem, in dem er 1934 ermordete beigesetzt wurde.
Allerdings befürchtet die „Antifa Oranienburg“ durch die überwiegend stumme Art der Erinnerung, einen „Schlussstrich“ in der Geschichte und letztendlich ein „Vergessen“. Positionierung gegen extrem rechte Aktivitäten
Die Erinnerung an die Opfer des Naziregimes hat jedoch für die Oranienburger Antifa offenbar auch einen mahnenden Charakter und scheint, angesichts des von der Gruppe beschriebenen, vermeintlich wachsenden Zuspruches „rechtspopulistische® und extrem rechte® Parteien“, der Zunahme „rassistischer und antisemitischer Übergriffe“ und den Morden der neonazistischen Vereinigung „NSU“, zugleich ein gesellschaftspolitisches Statement zu sein.
So gäbe es im Landkreis Oberhavel, laut Erkenntnisse der „Antifa Oranienburg“, schon seit Jahren „eine starke, organisierte Neonazi-Szene“. In ihr sei die „lokale NPD-Struktur mit dem Kreisverband Oberhavel“, die in diesem Gebiet immerhin neun Mandate in Kommunalparlamenten innehat, „federführend“. In keinem anderen Landkreis im Land Brandenburg seien die Nationaldemokraten demnach kommunalparlamentarisch breiter aufgestellt.
Eine Schlüsselrolle in der lokalen NPD Struktur spielt offenbar der Veltener Stadtverordnete Robert Wolinski, den die „Antifa Oranienburg“, als relative Person der Zeitgeschichte, auch namentlich benennt. Er sei nicht nur für die NPD aktiv sondern wird auch mit den „Märkischen Skinheads 88 (MS88)“ und der Organisierung von Rechtsrock Konzerten im Norden Brandenburgs und in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus gehört Wolinski dem Landesvorstand der Brandenburger NPD an und wird dort als Verantwortlicher für die „Organisation“ benannt. Am 17. Juni 2017 nahm er zudem an einem Aufmarsch der extrem rechten „Identitären Bewegung“ in Berlin teil.
Lokal scheint Wolinski hingegen aber eher an einer Einflussnahme auf breite gesellschaftliche Schichten interessiert zu sein, gehörte in der Vergangenheit beispielsweise zu den bekannten Gesichtern der pegida-ähnlich inszenierten „Abendspaziergänge“ im Landkreis Oberhavel, die in den Jahren 2014 bis 2016 regelmäßig auch ein augenscheinlich bürgerliches Publikum anlockten.
Ziel einer solchen Unterwanderung scheinen darüber hinaus auch lokale Vereine oder Veranstaltungen, beispielsweise das Drachenbootrennen der „Tourismus und Kultur GmbH“, zu sein, wie die „Antifa Oranienburg“ berichtet.
„Der Kampf gegen den Faschismus heute“ sei deshalb, so die Antifagruppe weiter, „ notwendig (…) wie eh und je“ und eine „antifaschistische Widerstandkultur zu etablieren“ das Ziel. Fotos: hier