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(Anti-)Rassismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus Law & Order

Aktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus

Heute ist Anne Frank Tag! Am 12. Juni 2019, dem Geburt­stag von Anne Frank, engagierten sich auch zahlre­iche Schulen gegen Ras­sis­mus — Schulen für Courage, für eine demokratis­che Gesellschaft ohne Anti­semitismus und Ras­sis­mus. Ins­ge­samt nehmen heute 250 Schulen und 40000 Schüler*innen an dem deutsch­landweit­en Aktion­stag teil.

Mit dabei war auch die AGUS/Gadat Beru­fliche Schulen aus Neu­rup­pin. Wir als JWP-Mit­ten­Drin e.V. unter­stützen diesen Aktion­stag und set­zten gemein­sam ein Zeichen gegen Antisemitismus und Ras­sis­mus. So gedacht­en wir an Zwei Zen­tralen Orten, dem Schulplatz, sowie am Boll­w­erk. An dem Gedenken nah­men rund 50 Per­so­n­en Teil.

Hier ein paar Bilder:

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Erinnerungskultur und Rechtspopulismus

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(Anti)militarismus Antifaschismus Antiziganismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus

8. Mai – Tag der Befreiung

Im Land Bran­den­burg gibt es eine Vielzahl an Erin­nerungsstät­ten, Gedenkstät­ten und Frieden­höfen, die an die Befreiung von Ortschaften und Konzen­tra­tions- bzw. Außen­lager erin­nern. Mit dem 8. Mai jährt sich der Tag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus zum 74. Mal. Ziel ist es, sowohl am 8. Mai selb­st, als auch an den authen­tis­chen Tagen der Befreiung von Orten, die Erin­nerung an began­gene Ver­brechen wachzuhal­ten, die Befreiung der Roten Armee zu würdi­gen sowie an Ver­fol­gte und Opfer zu erin­nern. In vie­len Orten gibt es dazu Gedenkver­anstal­tun­gen und Feierlichkeiten.

Im Osten war die Rote Armee in der Weich­sel-Oder-Oper­a­tion bere­its Mitte Feb­ru­ar 1945 auf ganz­er Länge bis zur Oder vorg­erückt. Die Stoßrich­tung war Berlin und dazu musste auf bran­den­bur­gis­ches Ter­ri­to­ri­um vorg­erückt wer­den. Mit dem Vor­rück­en der Roten Armee und als sich die Nieder­lage der Wehrma­cht abze­ich­nete, begann die SS-Führung mit der Pla­nung der Evakuierung bzw. Ermor­dung der Häftlinge. So trieb sie unter anderem in Lieberose Anfang Feb­ru­ar 1945 die gehfähi­gen Häftlinge in Eilmärschen über Pots­dam nach Sach­sen­hausen, wo die meis­ten ermordet wurden.

Am 16. April eröffnete die Rote Armee ihre Großof­fen­sive ent­lang der Oder­front mit dem Ziel Berlin. Erin­nert sei hier an die Schlacht um die Seelow­er Höhen und die dor­tige Gedenkstätte. In Frankfurt/Oder erhöht­en die sow­jetis­chen Trup­pen den Druck auf die Stadt ab dem 20. April, die dann am 23. April einrückten.

Die Räu­mung des KZ Sach­sen­hausen begann in den Mor­gen­stun­den des 21. April 1945. Mehr als 30.000 Häftlinge trieb die SS nach Nord­west­en. An diese Todesmärsche, auch aus dem Konzen­tra­tionslager Ravens­brück, erin­nern in vie­len Dör­fern und Ortschaften Gedenksteine und Gedenk­tafeln. Tausende star­ben hier­bei, ein beson­ders beein­druck­ender Ort der Erin­nerung ist die Gedenkstätte Below­er Wald. Am 22. April 1945 befre­it­en Ein­heit­en der sow­jetis­chen und pol­nis­chen Armee schließlich etwa 3.000 im Lager zurück­ge­bliebene Häftlinge in Sachsenhausen.

Ein weit­er­er markan­ter Ort, allerd­ings im Süden gele­gen, ist das KZ-Außen­lager Schlieben des KZ-Stamm­lagers Buchen­wald. Im April 1945, kurz vor der Eroberung durch Trup­pen der Roten Armee, ver­ließen zwei Häftlingstrans­porte das Lager in Rich­tung There­sien­stadt. Schlieben wurde am 21. April von der Roten Armee befre­it. Nur einen Tag später fol­gte Cot­tbus, dort zum Beispiel mit dem großen Zuchthaus.

Sow­jetis­che Trup­pen rück­ten am 27. April in Brandenburg/Havel ein und befre­it­en die Stadt. Einen Tag später wurde das Zuchthaus geräumt, da es zwis­chen die Fron­ten zu ger­at­en dro­hte. Mehr als 3.000 Inhaftierte macht­en sich auf den schwieri­gen Weg in ihre Heima­torte. Pots­dam fol­gte am sel­ben Tag. Die Rote Armee nahm die Stadt Pots­dam im Zuge der Einkesselung Berlins am 27. April ein. Der Stadt­teil Babels­berg wurde schon einige Tage vorher der Roten Armee fast kampf­los überlassen.

Auch in Luck­en­walde sehn­ten sich Inhaftierte nach der Befreiung. Das riesige Kriegs­ge­fan­genen­lager STALAG III A wurde 1945 als eines der let­zten Lager über­haupt von der Roten Armee befre­it. Im Konzen­tra­tionslager Ravens­brück fand die Rote Armee am 30. April 1945 rund 2.000 zurück­ge­lassene Kranke. Doch mit der Befreiung war das Leid für einen Großteil der Inhaftierten aus allen Lagern noch nicht vor­bei, denn die Bedin­gun­gen und Fol­gen ihrer Haft sorgten in den fol­gen­den Wochen, Monat­en und Jahren weit­er­hin für Todes­fälle und unbeschreib­liche Qualen.

Als ein­er der let­zten Orte wurde Bad Belzig am 3. Mai 1945 von der Roten Armee befre­it. In den let­zten Tagen des Zweit­en Weltkrieges soll­ten aus dem zum KZ Ravens­brück gehören­den Außen­lager Roeder­hof 600 gefan­gene Frauen nach Altengrabow evakuiert wer­den. So wie in Bad Belzig, gab es große KZ-Außen­lager und Zwangsar­beit in vie­len anderen Ortes des Lan­des, so beispiel­sweise in Falkensee, Klein­mach­now oder Schwarzhei­de, wo eben­falls Erin­nerungsini­tia­tiv­en beste­hen. Zum Schluss sei darauf ver­wiesen, dass es in vie­len Orten im Land Bran­den­burg sow­jetis­che Ehren­fried­höfe gibt, die ger­ade zum 8. Mai (nach Moskauer Zeit am 9. Mai), zum Gedenk­tag der Befreiung vom Nation­al­sozial­is­mus, eine Würdi­gung ver­di­ent haben.

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(Anti)militarismus Antifaschismus Gender & Sexualität Geschichte & Gedenken

Antifaschismus braucht starke Bündnisse!

Im April jährt sich die Befreiung des Mäd­chen- und Frauenkonzen­tra­tionslagers in Ravens­brück zum 74. Mal. Wir wollen alle Antifaschist_innen dazu aufrufen, an der zen­tralen Gedenk- und Befreiungs­feier am 14. April 2019 teilzunehmen, um geschichtsver­fälschende Vere­in­nah­mungen des Gedenkens zu verhindern.

In den ver­gan­genen Jahren kam es bei der offiziellen Gedenk- und Befreiungs­feier ver­mehrt zu Störun­gen und ein­er dom­i­nan­ten Präsenz von pol­nis­chen Nation­al­istIn­nen und Hooli­gans, die anwe­sende antifaschis­tis­che Gedenk­ini­tia­tiv­en mas­siv bedro­ht­en und ein würde­volles Gedenken unmöglich macht­en. Offen tru­gen sie nation­al­is­tis­che Sym­bole auf Arm­binden, paramil­itärische Klei­dung, Fah­nen und Ban­ner zur Schau. Im let­zten Jahr entroll­ten diese Nation­al­istIn­nen während des jüdis­chen Kad­disch-Gebets eine Flagge der Nar­o­dowe Siły Zbro­jne (Nationale Stre­itkräfte, NSZ). Die NSZ, eine Unter­grun­dor­gan­i­sa­tion, kol­la­bori­erte mit Deutsch­land während und nach dem zweit­en Weltkrieg und war für die Ermor­dung von Jüdinnen_Juden und Kommunist_innen ver­ant­wortlich. An ander­er Stelle posi­tion­ierten sich pol­nis­che Nation­al­istIn­nen direkt vor den Ban­nern und Trans­par­enten der Lagerge­mein­schaft Ravensbrück/Freundeskreis und verdeck­ten die dort mit­ge­führten antifaschis­tis­chen Fah­nen. (Aus­führliche Stel­lung­nahme: hier).

In Zeit­en, in denen die Gesellschaft immer mehr nach rechts driftet, wird Gedenken zur Bühne eines Kul­turkampfes von Rechts mit dem Ziel ein­er Nor­mal­isierung geschichtsver­fälschen­der Posi­tio­nen. Während in Deutsch­land mit dem Erstarken der völkisch-nation­al­is­tis­chen AfD ein Recht­sruck spür­bar gewor­den ist, ist er in anderen Län­dern in Europa längst zu Gange. Hierzu­lande eint die Sehn­sucht nach einem starken Nation­al­stolz, ver­bun­den mit dem Wun­sch nach einem Schlussstrich in der deutschen Geschichte, alte und neue Recht­en bis hin zu kon­ser­v­a­tiv­en Kreisen von CDU/CSU und SPD. Polen hinge­gen ver­sucht durch die gle­ichzeit­ige Her­vorhe­bung des Wider­stands gegen den Nation­al­sozial­is­mus und den (Real-)Sozialismus seine nationale Stärke mit der Erzäh­lung eines wider­ständi­gen Lan­des zu insze­nieren. Dabei sollen aber die pol­nis­che Kom­plizen­schaft und Kol­lab­o­ra­tion mit dem NS-Regime sowie die eigene Rolle der Ver­fol­gung von Jüdinnen_Juden in Europa in der pol­nis­chen Geschichtss­chrei­bung ver­schwinden. Let­ztes Jahr ver­ab­schiedete die rechts-kon­ser­v­a­tive Regierung im pol­nis­chen Par­la­ment sog­ar das sog. “Holo­caust-Gesetz”, das Äußerun­gen, die Polen der Mitschuld am Nation­al­sozial­is­mus bezichti­gen, unter Strafe stellt.

Wir dür­fen nicht zulassen, dass die Geschichte durch nation­al­is­tis­che Kräfte ver­fälscht wird. Gedenken und Geschichte erin­nert nicht nur an die Ver­gan­gen­heit, son­dern prägt auch das Selb­stver­ständ­nis ein­er Gesellschaft in der Gegen­wart. Gedenken an den Nation­al­sozial­is­mus ist gle­ichzeit­ig eine Mah­nung und eine Auf­forderung zum Han­deln, damit sich solch ein Ver­brechen nicht wiederholt.

Antifaschis­mus braucht starke Bünd­nisse, um gegen den Recht­sruck zu hal­ten! Wir rufen dazu auf, gemein­sam mit der Ini­tia­tive für einen Gedenko­rt ehe­ma­liges KZ Uck­er­mark e.V. ein antifaschis­tis­ches und fem­i­nis­tis­ches Zeichen bei der zen­tralen Gedenk­feier zu set­zen, um an all die Schick­sale zu erin­nern, die in Vergessen­heit zu ger­at­en drohen.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschis­mus! Auf dass sich die Geschichte nicht wiederholt!

Ter­mine und Gemein­same Anreise
13.04.2019 | 14 Uhr | Gedenk­feier Uckermarkgelände
Gedenk­feier zum 74. Jahrestag der Befreiung des ehe­ma­li­gen Jugend­konzen­tra­tionslagers und späteren Ver­nich­tung­sorts Uck­er­mark, mit Rede­beiträ­gen von Über­leben­den des KZ Uck­er­mark und Ange­höri­gen, von Ibrahim Arslan (Über­leben­der des ras­sis­tis­chen Bran­dan­schlags 1992 in Mölln), u.a. mit Musik­be­gleitung. Shut­tle ab 13.45 Uhr vor dem Besucher_inneninformationszentrum (BIZ) der Mahn- und Gedenkstätte Ravens­brück Bei schlechtem Wet­ter wird ein Alter­na­tivort für die Gedenk­feier aus­geschildert bzw. hier bekan­nt gegeben. Alle Infos dazu: hier.

14.04.2019 | 10 Uhr | Zen­trale Gedenk- und Befreiungs­feier vom Frauenkonzen­tra­tionslager Ravensbrück
Anreise aus Berlin vom S‑Bahnhof Gesund­brun­nen: 7.45 Uhr, Abfahrt 7.59 Uhr Gleis 4, Ankun­ft 09.25 in Fürstenberg/Havel

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Bildung & Kultur Flucht & Migration Gender & Sexualität Geschichte & Gedenken Inklusion & Ableism

Anarchistische Tage Potsdam 2019

Was sind die anarchistischen Tage?

In erster Lin­ie eine Gele­gen­heit für Anarchist*innen und Sympathisant*innen, einan­der ken­nen zu ler­nen und sich gegen­seit­ig zu bilden. Dafür haben wir auch ein Pro­gramm mit Vorträ­gen und Diskus­sio­nen ent­wor­fen. Aber natür­lich gibt es an den Woch­enen­den auch einen Ort, an dem wir ein­fach gemein­sam rumhän­gen, reden und essen können.

Wozu sind die anarchistischen Tage gut?

Wir wollen anar­chis­tis­che Per­spek­tiv­en, Hand­lungs- und Organ­isierungsmöglichkeit­en sicht­bar machen. Durch die Ver­anstal­tun­gen soll eine Grund­lage für das Forschen nach herrschafts­freier Prax­is geboten wer­den. Sicht­barkeit und Plat­tfor­men für Anarchist*innen fehlen unserem Ein­druck nach in Pots­dam, dabei bilden sie eine wichtige Voraus­set­zung dafür, dass der Anar­chis­mus irgend­wann mal wieder gesellschaftsverän­dernde Kraft entwick­eln kann. Dieses Jahr inter­essiert uns beson­ders die Frage nach Erfahrun­gen und Ansätzen anar­chis­tis­ch­er Organ­i­sa­tions­bil­dung. Das spiegelt sich im Ver­anstal­tung­spro­gramm wider, aber wir haben auch an ver­schiedene Tre­f­fen zur Net­zw­erk­bil­dung vorge­se­hen, wo konkrete Pläne zur anar­chis­tis­chen Organ­isierung in Pots­dam entwick­elt wer­den können.

Wenn Ihr fra­gen habt oder Pen­nplätze braucht, schreibt uns: atagepdm[ ät ]riseup.net

Programm A‑Tage 2019

Das ist das Pro­gramm für die Anar­chis­tis­chen Tage Pots­dam 2019. Einiges befind­et sich noch in Arbeit, deshalb kön­nen sich Ter­mine auch noch ändern. Wenn Ihr Fra­gen zu Über­set­zung, Bar­ri­ere­frei­heit oder Kinder­be­treu­ung bei einzel­nen Ver­anstal­tun­gen habt, schreibt uns gerne: atagepdm[ ät ]riseup.net.

27.03.2019 20:00 Buch­laden Sputnik
Das Pro­jekt A — Vor­trag und Diskus­sion mit Lou Marin, Marseille
„Anar­chie ist Mach­bar, Frau Nach­bar!“ — diesen Spon­ti-Spruch nahm der Autor und Pub­lizist Horst Stowass­er ernst und legte 1985 mit sein­er Broschüre „Das Pro­jekt A“ einen Entwurf vor, wie eine Kle­in­stadt durch Anarchist*innen über­nom­men und ein Pro­jek­ta­n­ar­chis­mus real­isiert wer­den kann. Die Umset­zung erfol­gte in Neustadt an der Wein­straße. Zur Hochzeit gab es 14 Betriebe, etwa 100 Aktive waren beteiligt. 1994 kam es zum Bruch, Betriebe gin­gen pleite, lösten sich auf oder ver­war­fen das Kollek­tivprinzip. Heute beste­ht noch etwa die Hälfte der Pro­jek­te in Neustadt.
Lou Marin referiert über das Leben und die Strate­giean­sätze Horst Stowassers. Als Beispiel des Pro­jek­ta­n­ar­chis­mus wird das „Pro­jekt A“, dessen Ver­lauf und Scheit­ern vorgestellt. Anhand von anderen Prax­is­beispie­len wollen wir her­aus­find­en, was die Sta­bil­ität eines lan­glebi­gen anar­chis­tis­chen Pro­jek­tes ausmacht.

28.03.2019 19:00 Dortu65
Filmabend Zap­atis­tis­che Bewe­gung — Der Auf­s­tand der Würde
Filmabend mit offe­nen Diskus­sion­srunde zur zap­atis­tis­chen Bewe­gung in Mexiko. Was kommt nach der Rev­o­lu­tion und wie entwick­eln sich selb­st-organ­isierte Struk­turen wer­den wir im Film erfahren. “Die Doku­men­ta­tion bietet eine Ein­führung in das The­ma, anschauliche Ein­blicke in selb­stver­wal­tete Gesundheits‑, Bil­dungs- Land­wirtschafts- und Kollek­tivpro­jek­te, das Poli­tikver­ständ­nis und die inter­na­tionale Bedeu­tung der Bewe­gung.” Der Auf­s­tand der Würde — Mexiko/Deutschland 5/2007

29.03.2019 19:00 frei­Land — hausZwei
Ein­führung in den Anarchismus
Die anar­chis­tis­chen Tage Pots­dam sind in erster Lin­ie eine Gele­gen­heit für Anarchist*innen und (poli­tisch) Inter­essierte, einan­der ken­nen zu ler­nen und sich gegen­seit­ig zu bilden. Dabei soll eine Grund­lage für das Forschen nach herrschafts­freier Prax­is geboten wer­den. Wir wollen anar­chis­tis­che Per­spek­tiv­en, Hand­lungs- und Organ­isierungsmöglichkeit­en sicht­bar machen. Bei der Auf­tak­tver­anstal­tung wollen wir unser Ver­ständ­nis anar­chis­tis­ch­er Poli­tik zur Diskus­sion stellen. Gemein­sam mit Euch möcht­en wir besprechen, wo und wie Anarchist*innen in Pots­dam tätig sind und wie Inter­essierte tätig wer­den kön­nen. Dazu wollen wir auch mit den prak­tis­chen Defiziten und den Schwächen in der Reflex­ion ehrlich umge­hen, die wir in unserem derzeit­gen poli­tis­chen Han­deln iden­ti­fizieren. An die Ergeb­nisse der Diskus­sion kann im Laufe der A‑Tage bei Tre­f­fen zur Net­zw­erk­bil­dung angeknüpft wer­den. So sollen Konzepte zur Organ­isierung anar­chis­tis­ch­er Poli­tik in Pots­dam entstehen.

30.03.2019 14:00 KuZe
Sol­i­darische Landwirtschaft
Vor­trag der Sterngartenodyssee

30.03.2019 16:00 KuZe
FAU — Wie funk­tion­iert das? Vor­trag und Gespräch mit der FAUB Sek­tion Potsdam
Wie ist die FAU – lokal in Berlin, bun­desweit sowie inter­na­tion­al – organ­isiert und ver­net­zt? Was macht eine syn­dikalis­tis­che Gew­erkschaft über­haupt aus? Ein­führung für Interessierte.

30.03.2019 18:00 KuZe
Anar­chis­tis­ch­er Antirassismus
Vor­trag mit Theo

30.03.2019 21:00 Dortu65
Soli­par­ty in der Dortu65 mit DJanes HipHop — Punkrock — 80s. Erlöse gehen an ein selb­stor­gan­isiertes Bil­dung­spro­jekt in Mexiko. Cock­tails gibt’s auch

31.03.2019 15:00 Buch­laden Sputnik
Fem­i­nis­tis­che Hausprojekte
Vor­trag mit Aktivistin­nen* der Liebig 34

31.03.2019 16:00Buchladen Sputnik
Fem­i­nis­tis­che Gewerkschaftsarbeit
Vor­trag der FAUB Sek­tion Potsdam

31.03.2019 17:00Buchladen Sputnik
Möglichkeit­en anar­chafem­i­nis­tis­ch­er Organisierung?
Gespräch­srunde mit anar­chafem­i­nis­tis­chen Aktivist*innen

31.03.2019 19:00 Buch­laden Sputnik
Beziehungsweise Rev­o­lu­tion – für eine bewe­gung­sori­en­tierte The­o­riear­beit!, Vor­trag von Jens Störfried
„Nicht darum, Kap­i­tal­is­mus bess­er zu ver­ste­hen, geht es, son­dern darum, ihn leichter zu verän­dern”, schreibt Bini Adam­czak in ihrem aktuellen The­o­riebuch „Beziehungsweise Rev­o­lu­tion”. Darin the­ma­tisiert sie, wie sich über Rev­o­lu­tion, Utopie und den Kampf gegen Herrschaftver­hält­nisse heute vernün­ftig reden lässt. Sie sucht nach Ansatzpunk­ten für eine emanzi­pa­torische Gesellschaftsverän­derung und strebt danach, ver­schiedene poli­tis­che Strö­mungen ein­er zer­split­terten gesellschaftlichen Linken in ein gemein­sames Pro­jekt zusam­men zu brin­gen. Für rev­o­lu­tionäre Prozesse zen­tral sind dabei inter­es­san­ter­weise Geschlechter­ver­hält­nisse, das Denken von und in Beziehun­gen und die Arbeit an ihnen zur Ver­wirk­lichung von Sol­i­dar­ität. Der Vor­trag gibt einen Ein­stieg in das Buch von Bini Adam­czak, soll Lust auf eine bewe­gung­sori­en­tierte The­o­riear­beit machen und Anstöße für ein Nach­denken über sozial­rev­o­lu­tionäre Trans­for­ma­tio­nen bieten.

01.04.2019 19:00 Café 11-line
Das Ver­hält­nis zwis­chen Indi­vidu­um und Gemein­schaft. Unter­suchung eines zen­tralen Span­nungs­feldes im Anar­chis­mus, Vor­trag von Jens Störfried
Die anar­chis­tis­che Tra­di­tion, The­o­rie und Bewe­gung ist durch­zo­gen von ver­schieden­sten Span­nungs­feldern. Han­delt es sich dabei aber um Wider­sprüche, wenn die Vielfalt ger­ade ein Merk­mal des Anar­chis­mus ist? Wenn nicht, worin beste­ht dann der gemein­same Nen­ner unter­schiedlich­er anar­chis­tis­ch­er Posi­tio­nen? Meine These lautet, dass ein Denken in Para­dox­ien als grundle­gen­des Merk­mal des Anar­chis­mus gel­ten kann. Und dies finde ich dur­chaus begrüßenswert. Mit einem bes­timmten Schema habe ich am Beispiel von zahlre­ichen anar­chis­tis­chen Quel­len­tex­ten unter­sucht, wie sich das span­nungsvolle Ver­hält­nis zwis­chen Kollek­tivis­mus und Indi­vid­u­al­is­mus im Anar­chis­mus gestal­tet. Wann gilt in diesen Kollek­tiv­ität als Zwangs­ge­mein­schaft? Welche Form des Indi­vid­u­al­is­mus beruht let­z­tendlich nur auf einem bürg­er­lichen Ver­ständ­nis? Was gilt Anarchist*innen als ein sin­nvolles Ver­ständis und Ver­hält­nis von Einzel­nen und Gemeinschaft?

02.04.2019 19:00 frei­Land — clubMitte
Ras­sis­mus in der linken Szene
Vor­trag mit Cimot

02.04.2019 ab 20Uhr Olga
Tekchix — Mol­li Tresen
Du willst eine Ver­anstal­tung organ­isieren, aber was ist mit der Tech­nik? Die TCX Crew wird alle eure Fra­gen über Ton und Licht­tech­nik beim Mol­li-Tre­sen in der Olga beant­worten und über ihre Arbeit erzählen. Nur für FLTI*s

03.04.2019 19:00Bar Gelb
Kon­sens­demokratisch wirtschaften — eine prak­tik­able Alter­na­tive?, Vor­trag des Pre­mi­um Kollektivs
20.000 Endkund*innen, 1700 gewerbliche Part­ner, 256 Kollektivist*innen, 25mg Kof­fein, 17 Jahre Wirtschaft hack­en, 4 Getränke, 1 Kollek­tiv, im Kon­sens. Gre­gor May erzählt aus der kollek­tiv­en Zusammenarbeit.

04.04.2019 19:00 Café 11-line
Rad­i­cal Queerness

05.04.2019 19:00 La Datscha
Netzwerkbildung
Hier ist Raum für die gemein­same Über­legung und Arbeit Möglichkeit­en anar­chis­tis­ch­er Organ­isierung in Potsdam!

06,04.2019 16:00 Bar Gelb
„Wer hat uns ver­rat­en?” (Konter–)Revolution 1919 und die Rolle der SPD, Vor­trag mit Felix
Vor hun­dert Jahren war in Deutsch­land eine Rev­o­lu­tion im Gange. Im Win­ter 1918 hat­ten die Kiel­er Matrosen ihren Vorge­set­zten den Gehor­sam ver­weigert, damit den Ersten Weltkrieg been­det und einen Auf­s­tand begonnen. Das Feuer der sozialen Rev­o­lu­tion erstreck­te sich bald auf ganz Deutsch­land, Räte wur­den gegrün­det, der Kaiser musste fliehen, die ganze alte Ord­nung schien dem Unter­gang gewei­ht. Doch die Flamme der Rev­o­lu­tion erlosch so schnell wie sie ent­facht wor­den war: Unter der neuen SPD-geführten Reich­sregierung, die von einem Großteil der Arbeiter*innen gewählt und unter­stützt wor­den war, wur­den die radikalen Bestre­bun­gen eben dieser Arbeiter*innen erstickt und bis aufs Blut bekämpft.Wie kon­nte es dazu kom­men? Wir wollen einen Blick auf die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie wer­fen und ver­suchen zu ver­ste­hen, was vor hun­dert Jahren schief lief. Denn die Rolle, die die SPD in den Rev­o­lu­tion­s­jahren 1918 & 1919 (und davor) spielte, gibt Linken auch heute noch gute Gründe, Parteien nicht über den Weg zu trauen…

06.04.2019 18:00 Bar Gelb
Herrschaft und Aus­beu­tung im Bildungssystem
Vor­trag mit Aktivist*innen von Lern­fab­riken…meutern!

07.04.2019 14:00 Buch­laden Sputnik
Netzwerkbildung
Hier ist Raum für die gemein­same Über­legung und Arbeit Möglichkeit­en anar­chis­tis­ch­er Organ­isierung in Potsdam!

07.04.2019 18:00 Buch­laden Sputnik
(Sprach-)Barrieren ein­reißen — Grün­dung eines anar­chis­tis­chen Übersetzungskollektivs
Lib­ertäre und linksradikale Grup­pen im deutsch- und englis­chsprachi­gen Raum und ihre Analy­sen haben oft einen soziokul­turell auf west­liche Indus­tri­es­taat­en zen­tri­erten Blick. Das liegt nicht zulet­zt daran, dass Texte von lib­ertären Men­schen und Grup­pen aus anderen Erdteilen weniger oft über­set­zt wer­den. Das kön­nen wir ändern, d.h. diejeni­gen von uns, die mehrere Sprachen sprechen und Lust darauf haben, lib­ertäre Doku­mente (Texte, Audios, Videos) zu über­set­zen und damit poten­tiell mehr Men­schen zugänglich zu machen. Über­set­zun­gen wer­den auch in anderen Kon­tex­ten lib­ertär­er Prax­is (Proteste, Aufrufe, Ver­net­zungstr­e­f­fen, Info-Ver­anstal­tun­gen, etc.) benötigt. Dieses Tre­f­fen soll Anarchist*innen zusam­men­brin­gen, die Spaß an Sprachen haben und Lust haben ihre Sprach­fähigkeit­en in die Ver­bre­itung von lib­ertären Gedanken einzubrin­gen. Dabei ist es egal, ob schon Erfahrung mit Über­set­zungs- oder Lek­torat­sar­beit vorhan­den sind. Wir fan­gen bei null an: Ken­nen­ler­nen, Ideen und Zielset­zun­gen aus­tauschen, Net­zw­erke knüpfen, …

08.04.2019 19:00 Café 11-line
Gew­erkschaftliche Organ­isierung in der Schule
Gespräch mit der Anar­chosyn­dikalis­tis­chen Jugend Potsdam

09.04.2019 18:1 5kontet
Der Fem­i­nis­tis­che Lesekreis meets A‑Tage — Gemein­sames Lesen mit dem fem­i­nis­tis­chen Lesekreis Potsdam
Vor Ort wer­den wir einen Text über fem­i­nis­tis­che Organ­isierung außer­halb des Patri­ar­chats zusam­men vor­lesen. Der Lesekreis bringt den Text mit. Welchen, wird noch bekan­nt gegeben. Everybody’s welcome

10.04.2019 19:00 La Leander
Der Fall Oury Jal­loh — Sys­tem­a­tis­ch­er Ras­sis­mus in der Jus­tiz, Vor­trag der Ini­tia­tive in Gedenken an Oury Jalloh
Oury Jal­loh war ein Asyl­suchen­der, der aus dem Bürg­erkrieg in Sier­ra Leone nach Deutsch­land geflüchtet war. Er wurde am 7. Jan­u­ar 2005 nach gerichts­fest rechtswidriger Fes­t­nahme durch Polizeibeamte in Dessau (Sach­sen-Anhalt) in ein­er gefli­esten Gewahrsam­szelle auf eine feuer­feste Matratze 4‑Punkt-fix­iert und dort bis zur Unken­ntlichkeit ver­bran­nt. Seit 2005 kämpft die Ini­tia­tive in Gedenken an Oury Jal­loh für die Aufk­lärung der Brand- und Todesur­sache von Oury Jal­loh. Da Polizei, Jus­tiz und Poli­tik die Aufk­lärungsar­beit boykot­tieren bzw. durch mas­sive Repres­sion gegen die Aktivist*innen und gezielte Manip­u­la­tion der Öffentlichkeit die Wahrheit weit­er ver­tuschen wollen, set­zt die Ini­tia­tive in Gedenken an Oury Jal­loh auf Selb­stor­gan­i­sa­tion. Bere­its in den Jahren 2013 und 2015 hat sie der Öffentlichkeit die Gutacht­en inter­na­tionaler Experten vorgestellt und kon­nte anhand von wis­senschaftlichen Fak­ten beweisen, dass Oury Jal­loh von Polizis­ten im Polizeire­vi­er Dessau angezün­det wurde. Im Jan­u­ar 2018 hat sie nun eine Inter­na­tionale Unab­hängige Kom­mis­sion gegrün­det, mit welch­er die umfan­gre­iche Aufk­lärungsar­beit weit­er fort­ge­set­zt wird. Aktivist*innen der Ini­tia­tive in Gedenken an Oury Jal­loh sprechen bei der Ver­anstal­tung über ihre Erfahrun­gen und die Notwendigkeit von Selb­stor­gan­i­sa­tion, über den aktuellen Stand der staatlich unab­hängi­gen Ermit­tlun­gen und über das aktuelle Repres­sionsver­fahren gegen einen Aktivis­ten der Ini­tia­tive vor dem Amts­gericht Dessau. Nach­dem dieser sym­bol­isch mehrere Feuerzeuge vor die Staat­san­waltschaft Dessau gewor­fen hat­te, wer­fen ihm sechs Polizis­ten ver­suchte gefährliche Kör­per­ver­let­zung vor.

11.04.2019 19:00 La Leander
Netzwerkbildung
Hier ist Raum für die gemein­same Über­legung und Arbeit Möglichkeit­en anar­chis­tis­ch­er Organ­isierung in Potsdam!

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183 Todesopfer rechter Gewalt

Ab sofort ist die aktu­al­isierte Ausstel­lung »Opfer rechter Gewalt seit 1990«, der Kün­st­lerin Rebec­ca Forner und dem Vere­in Opfer­per­spek­tive, auslei­h­bar. Die Wan­der­ausstel­lung zeigt 183 Men­schen, die zwis­chen 1990 und 2017 durch rechte Gewalt­tat­en ums Leben gekom­men sind.

Viele wur­den getötet, weil für sie im Welt­bild der extremen Recht­en, der Rassist*innen und Men­schen­feinde kein Platz ist; manche, weil sie den Mut hat­ten, Nazi-Parolen zu wider­sprechen. Einige Schick­sale bewegten die Öffentlichkeit, viele wur­den kaum zur Ken­nt­nis genom­men, vergessen sind die meis­ten. Von vie­len der Toten wurde nie ein Foto veröf­fentlicht, von manchen nicht ein­mal ihr Name. Die Ausstel­lung »Opfer rechter Gewalt seit 1990« ist eine Doku­men­ta­tion wider das Ver­drän­gen und Rel­a­tivieren rechter Gewalt. Sie erin­nert an diese Men­schen und the­ma­tisiert zugle­ich die anhal­tende Ver­drän­gung rechter Gewalt.

Erst­mals gezeigt wurde die Arbeit »Opfer rechter Gewalt« der Kün­st­lerin Rebec­ca Forner im Jahr 2002 in der Berlin­er Gedenkstätte Topogra­phie des Ter­rors. 2004 ent­stand in Zusam­me­nar­beit mit der Opfer­per­spek­tive die Wan­der­ausstel­lung. Sie wurde seit­dem mehrfach über­ar­beit­et und liegt nun­mehr in der siebten Fas­sung vor.

Beglei­t­end zur Ausstel­lung bietet der Vere­in Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und zuge­hörige Lern­ma­te­ri­alien für einen päd­a­gogisch begleit­eten Besuch der Ausstellung.

Aus­führliche Infor­ma­tio­nen zur Ausstel­lung, der Auslei­he und dem Begleit­ma­te­r­i­al sind auf der gle­ich­nami­gen Inter­net­seite zu finden:
https://opfer-rechter-gewalt.de/

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken jüdisches Leben & Antisemitismus Sonstiges

Todesmärsche sind Verbrechen im Sichtfeld der Bevölkerung

Rede­beitrag des VVN-BdA Potsdam

Danke für euer Kom­men und sol­i­darische sowie antifaschis­tis­che Grüße von der VVN-BdA Pots­dam. Wir haben uns hier in Pots­dam-Drewitz ver­sam­melt, um an den Todes­marsch der fast 2000 aus dem Konzen­tra­tionslager-Außen­lager Lieberose nach Nor­den in Rich­tung Sach­sen­hausen getriebe­nen Häftlinge zu erin­nern. In Lieberose fand Zwangsar­beit und Ver­nich­tung durch schwere Tätigkeit­en im Rah­men des dor­ti­gen SS-Trup­penübungsplatzes „Kur­mark“ statt. Bere­its Ende Jan­u­ar 1945 gab es den Befehl zur Auflö­sung und Besei­t­i­gung des Lagers und den Abtrans­port von rund 600 jun­gen und kranken Häftlin­gen mit dem Zug nach Sach­sen­hausen, wo sie in der Sta­tion Z ermordet wurden.

Am 02. Feb­ru­ar 1945 begann der Todes­marsch der knapp 2000 Häftlinge, die zurück­ge­bliebe­nen 1000 Men­schen, also kranke und marschun­fähige, erschossen die SS-Wach­mannschaften und ver­schar­rten sie anschließend in Gruben. Der Todes­marsch aus Lieberose führte über Goy­atz nach Teupitz und Zossen, weit­er nach Lud­wigs­felde und schließlich am 07. Feb­ru­ar nach Drewitz. Hier über­nachteten sie in ein­er Sche­une auf einem Gut­shof. Am 08. Feb­ru­ar zogen die Häftlinge weit­er durch Pots­dam, mit der Über­nach­tung in ein­er Rei­thalle ein­er Kaserne, bis es nach Falkensee und von wo es hier mit LKW oder S‑Bahn zum Zielort nach Sach­sen­hausen weiterging.

Damit zog dieser Todes­marsch nicht ein­fach nur durch die Stadt Pots­dam, son­dern durch einen Großteil des heuti­gen Land Bran­den­burgs und ver­di­ent deswe­gen unsere Erin­nerung und unser Gedenken. Doch er war nur ein­er von vie­len Todesmärschen, die seit Ende 1944 vor allem im Kernge­bi­et Deutsch­lands durchge­führt wur­den. Es waren nicht viele, die die Todesmärsche über­lebten. Groß war die Zahl der­er, die tot auf dem Weg zurück­blieben. Hunger, Entkräf­tung, Kälte und Frost und nicht zulet­zt die Qualen der sie beglei­t­en­den SS-Mannschaften und ander­er Trup­pen, aber auch Gehil­fen oder Zivil­bevölkerung, waren ihre Begleiter.

Auch hier in Drewitz gab es kurz vor dem Weit­er­marsch nach Pots­dam die Aus­sortierung von soge­nan­nten Marschun­fähi­gen. Die Häftlinge mussten auf Befehl in ein großes Grab steigen und darin niederknien. Es ist kaum vorstell­bar, welche Gefüh­le die Häftlinge in diesem Moment erlebten. Wer nicht mit marschieren kon­nte, den erschoss unter anderem der SS-Rot­ten­führer Erich Schemel.

Die Todesmärsche sind Ver­brechen, die direkt im Sicht­feld der Bevölkerung stat­tfan­den. Und wie es in der Ein­ladung zur heuti­gen Gedenkver­anstal­tung ste­ht, waren die zahlre­ichen Todesmärsche der lei­den­den Häftlinge, die sich durch Dör­fer, aber auch durch Städte wie Pots­dam quäl­ten, mal­trätiert von ihren Peinigern, aber auch geduldet von der Bevölkerung, unüberse­hbar und der let­zte Akt des nation­al­sozial­is­tis­chen Ter­ror­regimes und sein­er bru­tal­en, anti­semi­tis­chen und ras­sis­tis­chen Ideologie.

Und auf einen Punkt will ich noch kurz einge­hen. Lieberose war nicht auss­chließlich Stan­dort eines Außen­lagers des Konzen­tra­tionslagers in Sach­sen­hausen, son­dern in den let­zten Jahren der nation­al­sozial­is­tis­chen Herrschaft wurde daraus das größte Konzen­tra­tionslager im Gebi­et des Deutschen Reichs, das in die Ver­nich­tung der europäis­chen Juden einge­bun­den war. Während vom Herb­st 1943 bis zum Som­mer 1944 vor­wiegend poli­tis­che Häftlinge aus Deutsch­land, Frankre­ich, Nor­we­gen, Polen und der Sow­je­tu­nion aus den Konzen­tra­tionslagern Sach­sen­hausen und Groß-Rosen nach Lieberose gebracht wur­den, änderte sich die Sit­u­a­tion mit der Ankun­ft eines Trans­portes von ungarischen Juden im Juni 1944 aus Auschwitz. Der Anteil der jüdis­chen Häftlinge in Lieberose erhöhte sich auf bis zu 90% und damit wurde das Lager zu einem Teil der Shoa auf deutschem Boden, also ein Ver­nich­tungslager hier im Land Brandenburg.

Been­den möchte ich meinen Rede­beitrag mit dem Gedicht ein­er 16-jähri­gen Schü­lerin und ihren Erfahrun­gen nach dem Besuch des Konzen­tra­tionslagers Sach­sen­hausen, in dem sie die schein­bare Ahnungslosigkeit aller Beteiligten und Nicht-Beteiligten, sowie das Unfass­bare der Ver­nich­tung aber auch gle­ichzeit­ig die Wichtigkeit des heuti­gen Erin­nern und Gedenkens zum Aus­druck bringt:

Ein Baum wird gepflanzt

- die Trauerweide -

Kann nichts fühlen

nichts ver­ste­hen

Doch jedes Blatt

und jed­er Zweig

erzählt ihre Geschichte

Ein Baum wird gepflanzt

- die Trauerweide -

Hörte Schreie

sah die Qualen

Und heut

ver­sucht sie

uns zu zeigen

wie hil­f­los

alle waren

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken Law & Order

Gedenkveranstaltung zum Todesmarsch aus dem KZ Lieberose

Ein­ladung zur Gedenkver­anstal­tung anlässlich des Todes­marsches aus dem KZ Lieberose/Jamlitz

Hier­mit laden wir Sie her­zlich zur Gedenkver­anstal­tung anlässlich des Todes­marsches aus dem KZ Lieberose/Jamlitz am Sam­stag, den 09.02.2019, um 11 Uhr auf den Fried­hof in Drewitz ein.

Lieberose war nicht auschließlich Stan­dort eines Außen­lagers des KZ Sach­sen­hausen, son­dern in den let­zten Jahren der nation­al­sozial­is­tis­chen Herrschaft wurde daraus das größte Konzen­tra­tionslager im Gebi­et des Deutschen Reichs, das in die Ver­nich­tung der europäis­chen Juden einge­bun­den war.

Der Todes­marsch aus Lieberose in das Konzen­tra­tionslager Sach­sen­hausen, führte zwis­chen dem 07.02.1945 und dem 09.02.1945 durch Drewitz und Pots­dam. Ursäch­lich für den Trans­port der Häftlinge waren die ras­sis­tis­chen Über­legun­gen zur
Ver­nich­tung dieser Men­schen trotz der all­ge­meinen Kriegslage und die Befürch­tun­gen der Nation­al­sozial­is­ten, dass die Über­leben­den über die Ver­brechen der Täter*innen Auskun­ft geben könnten.

Die Todesmärsche sind Ver­brechen, die nun wirk­lich direkt im Sicht­feld der restlichen Bevölkerung statt fan­den. Unüberse­hbar waren die zahlre­ichen Todesmärsche der lei­den­den Häftlinge, die sich durch Dör­fer, aber auch durch Städte wie Pots­dam quäl­ten, mal­trätiert von ihren Peinigern, aber auch geduldet von der Bevölkerung.

Die deutsche Geschichte und Ver­ant­wor­tung wird derzeit lei­der immer wieder ver­harm­lost und rel­a­tiviert. Ger­dade deshalb ist es immer­noch wichtig den Opfern des Nation­al­sozial­is­mus und nun im speziellen, denen des Todes­marsches, zu gedenken.

Deswe­gen freuen wir uns, Sie am 09.02.2019 um 11 Uhr auf dem Fried­hof Drewitz begrüßen zu dürfen.

VVN-BdA Pots­dam, Die Andere, Vere­in zur Förderung anti­mil­i­taris­tis­ch­er Tra­di­tio­nen in der Stadt Pots­dam e.V. und Die Linke Kreisver­band Potsdam

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Antifaschismus Geschichte & Gedenken Law & Order

Gemeinsames Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

Am 27.01.2019 fand das alljährliche Gedenken an die Opfer des Nation­al­sozial­is­mus am Platz der Ein­heit und am Ehren­fried­hof der sow­jetis­chen Armee in Pots­dam statt. Rund 200 Per­so­n­en fan­den sich zusam­men, um gemein­sam den Opfern zu gedenken und gle­ichzeit­ig zu mah­nen. Wie es im Rede­beitrag der Grup­pierung BlauWeißBunt*Nulldrei e.V aus Babels­berg hieß:

„Wir müssen zum einen zurück­zuschauen, um die Gräuel der Nazis nicht zu vergessen. Zum anderen jedoch vor diesem Hin­ter­grund die Gegen­wart und die Zukun­ft ein­er kri­tis­chen Prü­fung zu unterziehen.“.

Es wur­den Biografien der Holo­caust-Über­leben­den Jean Améry, Willy Fro­hwein und Ruth Klüger vor­ge­tra­gen. Alle drei Schick­sale ermah­nen uns, das Geschehene weit­er zutra­gen und Geschichte nicht zu vergessen. So sagte Melyssa Diedrich von der EAP zu Beginn der Ver­anstal­tung: „Wir wollen ver­suchen die Willkür, den Ter­ror und die Uner­bit­tlichkeit Nazideutsch­lands, vor allem aber das Leben und Über­leben der Men­schen, ihren Umgang mit dem Erlebten nachzuzeichnen“.

Im fol­gen­den find­et ihr die Kurzbi­ografien von Jean Améry, Willy Fro­hwein und Ruth Klüger sowie den Rede­beitrag von BlauWeißBunt*Nulldrei.
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Er wurde am 31. Okto­ber 1912 als Sohn jüdis­ch­er Eltern in Wien geboren. Er absolvierte in den 1930er Jahren eine Buch­händler­lehre und arbeit­ete anschließend als Buch­händ­lerge­hil­fe in Leopold­stadt. 1937 heiratet er und floh mit sein­er Frau gemein­sam vor den Nazis 1938 nach Bel­gien. Dort arbeit­ete er als Möbel­trans­porteur und Lehrer.
Nach dem Über­fall durch die deutsche Wehrma­cht wurde er als „feindlich­er Aus­län­der“ festgenom­men und im süd­franzö­sis­chen Lager Gurs interniert. Seit dem war er getren­nt von sein­er Frau, welche 1944 ver­starb. Aus dem Lager kon­nte er 1941 nach Bel­gien fliehen, wo er sich dem Wider­stand gegen die Nazis ein­er öster­re­ichisch-deutschen Wider­stands­gruppe anschloss.
1943 wurde er beim Flug­blatt verteilen von der Gestapo festgenom­men und später von der SS gefoltert, so wurde er aus­gepeitscht und an einem Pfahl aufge­hängt, wodurch ihm die Schul­terge­lenke aus­gerenkt wurden.
Schließlich wurde er am 15. Jan­u­ar 1944 nach Auschwitz deportiert, dort musste er ab 1944 als Schreiber arbeit­en. Nach der Auflö­sung des KZ Auschwitz wegen der bevorste­hen­den Befreiung durch die Rote Armee, wurde er zunächst nach Mit­tel­bau-Dora in Thürin­gen und dann nach Bergen-Belsen in Nieder­sach­sen gebracht. Am 15. April 1945 wurde dieses KZ schließlich von der Britis­chen Armee befre­it und er kehrte nach Brüs­sel zurück.
In der Zeit nach 1945 bis zu seinem Lebensende ver­suchte er das Erlebte per­sön­lich, aber darüber­hin­aus auch gesellschaftlich zu reflek­tieren, einzuord­nen und zu ver­ar­beit­en. Er schrieb ver­schiedene Romane und kom­men­tierte immer wieder gesellschaft­s­the­o­retis­che Diskussionen.
Geprägt durch seine eigene Geschichte, seine Iden­tität und Zuschrei­bung als Jude, als der er sich ver­stand und doch nicht ver­stand, for­mulierte er in „Jen­seits von Schuld und Sühne“:
„Ist es so, daß ich der Auschwitzhäftling, dem es wahrhaftig nicht an Gele­gen­heit gefehlt hat, zu erken­nen was er ist, was er sein muß – ist es denkbar, daß ich immer noch kein Jude sein wollte […] ? Wenn heute Unbe­ha­gen in mir auf­steigt, sobald ein Jude mich mit legit­imer Selb­stver­ständlichkeit ein­bezieht in seine Gemein­schaft, dann ist es nicht darum, weil ich kein Jude sein will: nur weil ich es nicht sein kann. Und doch sein muß. Und mich diesem Müssen nicht bloß unter­w­erfe, son­dern es aus­drück­lich anfordere als einen Teil mein­er Per­son. Zwang und Unmöglichkeit Jude zu sein, das ist es, was mir undeut­liche Pein schafft“
Auch über die Zeit der Lager hin­aus ver­störte ihn der wieder­aufk­om­mende Anti­semitismus ger­ade auch in der deutschen Linken. Er schrieb: „Das klas­sis­che Phänomen des Anti­semitismus nimmt aktuelle Gestalt an. Die alte beste­ht weit­er, das nenn ich Koex­is­tenz. […] Anti-Israelis­mus, Anti-Zion­is­mus in rein­stem Vernehmen mit dem Anti­semitismus von dazu­mal. [..] Doch neu ist in der Tat die Ansied­lung des als Anti-Israelis­mus sich gerieren­der Anti­semitismus aus der Linken. Einst war das der Sozial­is­mus der dum­men Ker­le. Heute ste­ht er im Begriff, ein inte­gri­eren­der Bestandteil des Sozial­is­mus schlechthin zu wer­den, und so macht jed­er Sozial­ist sich sel­ber freien Wil­lens zum dum­men Kerl.“
Auch äußerte er sich im Auf­satz „Jar­gon der Dialek­tik“ zu Prob­le­men der Wis­senschaft­s­the­o­rie und darüber hin­aus zu bekan­nten Vertretern der Kri­tis­chen The­o­rie in Deutsch­land : „Dort geht es hoch her mit der Reflek­tiertheit und neg­a­tiv­er Pos­i­tiv­ität, mit Verd­inglichung, unglück­lichem Bewusst­sein und Fun­gi­bil­ität“. Falsche, aus Über­he­blichkeit gewählte, For­mulierun­gen und Ver­suche ein­fach­ste Dinge geschwollen, tief­gründig und vieldeutig auszu­drück­en, lehnte er klar ab. „Jedoch ist sowohl in der franzö­sis­chen als auch der deutschen gehobe­nen Pub­lizis­tik, die über­flüs­sige bis mißbräuch­liche Anwen­dung des Wortes „dialek­tisch“, der ver­gle­ich­sweise harm­lose Aspekt des Prob­lems. Wir haben es da mit einem pseudowis­senschaftlichen Schlüs­sel­wort zu tun, das, wenn es auch nir­gends ein Tor auf­schließt, so doch geeignet erscheint, noch dem anspruch­slos­es­ten Zeitungsar­tikel ein Air höher­er Intel­li­genz zu geben.“
Eine sein­er per­sön­lich­sten Schriften erschien 1976 kurz vor seinem Tod.
In „Hand an sich leg­en“ set­zte er sich mit Suizid und, wie nach seinem Selb­st­tö­tungsver­such 1974 klar war, mit seinem eige­nen Suizid auseinan­der. Er forderte auf, den Selb­st­mörder „nicht als Helden [zu feiern]“ aber „seine ver­schmähte und geschmähte Hand­lung gel­ten [zu] lassen“. Denn „Was gilt, ist die Option des Sub­jek­ts. […] Wir soll­ten ihnen Respekt vor ihrem Tun und Lassen, soll­ten ihnen Anteil­nahme nicht ver­sagen, zumalen ja wir sel­ber keine glänzende Fig­ur machen.“
Er starb durch Selb­st­mord am 17. Okto­ber 1978 in Salzburg.

Unvergessen – Jean Améry

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Die nun vorgestellte Per­son wurde 1923 in Span­dau geboren. Sein Vater heiratete eine katholis­che Frau und gab dafür seinen jüdis­chen Glauben auf. Der Sohn wurde katholisch getauft, besuchte eine katholis­che Schule und wurde Mit­glied bei den katholis­chen Pfadfindern.
Als 1935 die ras­sis­tis­chen „Nürn­berg­er Geset­ze“ in Kraft trat­en, galt er plöt­zlich als soge­nan­nter „Hal­b­jude“. Durch die immer stärkere Stig­ma­tisierung von Jüdin­nen und Juden im NS-Staat ver­lor er seine Schul­fre­unde und ‑fre­undin­nen und nach der Reich­s­pogrom­nacht im Jahr 1938 auch seine Lehrstelle als Wäsch­er und Plätter.
Im Jahr 1942 wurde er zwangsverpflichtet in der Berlin­er Werkzeug­maschi­nen­fab­rik „Sasse“ Muni­tion zu polieren. Er sabotierte die Pro­duk­tion. Nach mehrma­liger Vor­ladung und Abmah­nung entschloss er sich zur Flucht in die Schweiz.
Aber der Fluchtver­such miss­lang. Er wurde „wegen Passverge­hen und Arbeitsver­trags­bruch“ inhaftiert und für vier Wochen in das Arbeit­slager in Berlin-Wuhlhei­de deportiert. Im April 1943 erfol­gte der Abtrans­port in das Konzen­tra­tionslager Auschwitz. Mit viel Glück über­lebte er. Im Jan­u­ar 1945 wurde das KZ wegen der her­an­rück­enden Roten Armee geräumt. Er über­lebte die Todesmärsche zum KZ Mit­tel­bau-Dora und später zum KZ Bergen-Belsen begeben. Hier wurde er von britis­chen Sol­dat­en befreit.
Nach dem Ende des Zweit­en Weltkrieges zog er nach Pots­dam und wurde Haup­tkom­mis­sar im Mord­dez­er­nat. Er lernte seine Frau Wal­traud ken­nen und bekam zwei Kinder mit ihr. Er wurde Mit­glied der SED, half beim Auf­bau der Volkssol­i­dar­ität mit, arbeit­ete in der Vere­ini­gung der Ver­fol­gten des Naziregimes und wurde Mit­glied im Kreiskomi­tee der antifaschis­tis­chen Wider­stand­skämpfer. Herz- und magenkrank, wurde er mit 29 Rentner.
Im Jahr 1965 las er in der Zeitung, dass der KZ-Arzt Horst Fis­ch­er ver­haftet wor­den war. Horst Fis­ch­er hat­te ihn zweimal für den Trans­port in die Gaskam­mer aus­gewählt, weil er nicht mehr zum Arbeit­en taugte. Er meldete sich als Zeuge und trat somit im Prozess als Haupt­be­las­tungszeuge auf.
Seit dieser Zeit suchte er das Gespräch mit Jugendlichen und erzählte ihnen von seinen Erleb­nis­sen. Er war wegen sein­er ger­adlin­i­gen direk­ten Art sehr überzeu­gend. Nach einem Zeitzeu­genge­spräch in der Realschule im nieder­säch­sis­chen Lengede set­zten sich die Schüler*innen dafür ein, dass ihre Schule nach ihm benan­nt wird.
2008 ver­suchte die CDU-Frak­tion in Pots­dam, am Stan­dort der ehe­ma­li­gen Syn­a­goge eine neue Gedenk­tafel anbrin­gen zu lassen. Deren Inschrift sollte die Ver­wüs­tung des Gebäudes in der Reich­s­pogrom­nacht 1938 und den Abriss des Gebäudes 1957 in der DDR erwäh­nen. Daraufhin ver­fasste er einen empörten Brief, der am 11.06.2008 im Haup­tauss­chuss von einem Mit­glied der VVN-BdA ver­lesen wurde. Er erk­lärte, dass die DDR das Gebäude abreißen ließ, weil sich trotz inten­siv­er Bemühun­gen nie­mand fand, der die Jüdis­che Gemeinde in Pots­dam neu grün­den wollte. So kam man übere­in, das Grund­stück für den Woh­nungs­bau freizugeben. Die Stadt Pots­dam sagte zu, eine neue Syn­a­goge zu bauen, wenn es in Pots­dam wieder eine Ini­tia­tive zur Grün­dung ein­er Jüdis­chen Gemeinde gibt. Vor diesem Hin­ter­grund ist es nicht gerecht­fer­tigt, die Reich­s­pogrom­nacht und den Abriss 1957 in einem Atemzug zu nen­nen. Die CDU zog ihren Antrag nach Auf­forderung der dama­li­gen Ober­bürg­er­meis­ters zurück.
Er starb am 12. Dezem­ber 2009 in Babels­berg und wurde auf dem Fried­hof in Drewitz beigesetzt.
Seit 2012 trägt der Platz am Babels­berg­er Fin­d­ling seinen Namen. Sei­ther fan­den dort mehrma­lig die städtis­chen Gedenkver­anstal­tung zum Holo­caustge­denk­tag statt.

Unvergessen – Willi Frohwein

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Die nun vorgestellte Per­son wurde in Wien geboren. Sie ist Jüdin. Ihr Vater war Frauen- und Kinder­arzt. Als sie sechs Jahre alt war, wurde Öster­re­ich in das nation­al­sozial­is­tis­che Deutsche Reich unter Hitler eingegliedert. Es begin­nt eine Zeit der ständi­gen Angst. Alle Juden und Jüdin­nen wer­den aus dem öffentlichen Leben aus­ge­gren­zt. Auch ihre Fam­i­lie zieht sich zurück, ver­steckt sich, wird fast unsichtbar.
Ihr Brud­er ist noch in Prag, er kann nun nicht mehr zurück­kom­men. Der Vater muss irgend­wann nach Frankre­ich fliehen. Er wird seine Fam­i­lie nie nach­holen können.
Die Jahre der Iso­la­tion ver­bringt sie lesend: Klas­sik, Roman­tik, Lyrik…
Sie ist elf, als sie und ihre Mut­ter abge­holt wer­den und nach There­sien­stadt gebracht wer­den. 1,5 Jahre später wer­den sie nach Auschwitz-Birke­nau gebracht.
Sie ist zu jung, um zu arbeit­en. Bei der Selek­tion wird sie zum Ster­ben aus­ge­mustert. Eine Frau meinte zu ihr, sie soll sich nochmal anstellen und drei Jahre älter machen. So über­lebte sie – für den Moment.
Hunger, Schmerz und Angst wer­den ihre ständi­gen Begleit­er. An einem Ort, wo ihr Kör­p­er zer­stört wird, ist ihr die Lyrik eine geistige Stütze. „Die schiller­schen Bal­laden wur­den meine Appellgedichte, mit denen kon­nte ich stun­den­lang in der Sonne ste­hen und nicht umfall­en, weil es immer eine näch­ste Zeile zum Auf­sagen gab, und wenn einem eine Zeile nicht ein­fiel, so kon­nte man darüber nach­grü­beln, bevor man an die eigene Schwäche dachte.“
Sie schreibt auch Gedichte, ihr „Gegengewicht zum Chaos“ im täglichen Wahnsinn des Konzen­tra­tionslagers. „Wer nur erlebt, reim- und gedanken­los, ist in Gefahr den Ver­stand zu verlieren.“

DER KAMIN (von Ruth Klüger)

Täglich hin­ter den Baracken
Seh ich Rauch und Feuer stehn.
Jude, beuge deinen Nacken,
Kein­er hier kann
dem entgehn.
Siehst du in dem Rauche nicht
Ein verz­er­rtes Angesicht?
Ruft es nicht voll Spott und Hohn:
Fünf Mil­lio­nen berg‘ ich schon!
Auschwitz liegt in mein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Täglich hin­term Stacheldraht
Steigt die Sonne pur­purn auf,
Doch ihr Licht wirkt öd und fad,
Bricht die andre Flamme auf.
Denn das warme Lebenslicht
Gilt in Auschwitz längst schon nicht.
Blick zur roten Flamme hin:
Einzig wahr ist der Kamin.
Auschwitz liegt in sein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Manch­er lebte einst voll Grauen
Vor der dro­hen­den Gefahr.
Heut‘ kann er gelassen schauen,
Bietet ruh’g sein Leben dar.
Jed­er ist zer­mürbt von Leiden,
Keine Schön­heit, keine Freuden,
Leben, Sonne, sie sind hin,
Und es lodert der Kamin.
Auschwitz liegt in sein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.
Hört ihr Ächzen nicht und Stöhnen,
Wie von einem, der verschied?
Und dazwischen
bit­tres Höhnen,
Des Kamines schau­rig Lied:
Kein­er ist mir noch entronnen,
Keinen, keine werd ich schonen.
Und die mich gebaut als Grab
Schling ich selb­st zulet­zt hinab.
Auschwitz liegt in mein­er Hand,
Alles, alles wird verbrannt.

Schließlich wurde sie ins Frauen-KZ Chris­tianstadt zur Her­stel­lung von Muni­tion und Sprengstoff ver­schleppt. Auf einem der Todesmärsche kann sie endlich fliehen.
Danach begin­nt eine glück­lichere Zeit. „Der erste Som­mer nach dem Krieg, der erste Som­mer in der Frei­heit in Straub­ing in Bay­ern. Es hat nach­her nichts gegeben, was mich so gerührt hat, was so schön war. Ich habe Fahrrad­fahren und Schwim­men gel­ernt. Ich habe ange­fan­gen zu men­stru­ieren, bin erwach­sen­er gewor­den. Ich war nie im Leben vorher oder nach­her so angst­frei und ohne das Gefühl, dass in irgen­dein­er Weise Druck auf mich aus­geübt wird.“
Sie begin­nt in Regens­burg zu studieren. Dann emi­gri­erte sie mit ihrer Mut­ter in die USA und studierte dort Ger­man­is­tik und Bib­lio­thek­swis­senschaften. Als sie beim Kell­nern nach der Num­mer auf ihrem Arm gefragt wurde, antwortete sie, dass das die Tele­fon­num­mer von ihrem Fre­und sei.
Sie pro­movierte und lehrte in Prince­ton und Göt­tin­gen. Sie schrieb Büch­er und veröf­fentlichte Gedichte, bekam Preise und Auszeichnungen.
Auf die Frage nach dem warum antwortet sie „Wenn eine Tier­art fast aus­gestor­ben ist, weil sie so inten­siv gejagt wor­den ist, wer­den die übrig gebliebe­nen Exem­plare beson­ders gepflegt.“
Sie ist irgend­wie davongekom­men. Aber sie schreibt „ich wäre ein ander­er Men­sch gewor­den, ganz sich­er, wenn es Hitler nicht gegeben hätte. Dann wäre die ganze Welt anders gewe­sen“, denn „was unter­wegs ver­loren geht, bist immer du selbst.“
Deutsch­land ste­ht sie ambiva­lent gegenüber, denn „Man weiß halt nicht, was einem dort passieren kann.“

Sie ist heute 87 Jahre alt.

Unvergessen – Ruth Klüger

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Rede­beitrag BlauWeißBunt

Am 27. Jan­u­ar 1945 wurde das Konzen­tra­tionslager Auschwitz durch die Rote Armee befre­it. Heute ist dieses Datum der inter­na­tionale Gedenk­tag an die Entrech­tung, Ver­fol­gung, Aus­beu­tung und Ermor­dung von Mil­lio­nen von Men­schen durch die Nationalsozialist*innen, ihre Kollaborateur*innen und Zuschauer*innen. Dieser Tag bietet unter anderem Anlass innezuhal­ten, der Opfer zu gedenken, den Über­leben­den, von denen es lei­der immer weniger gibt, eine Bühne zu geben und die Erin­nerung wachzuhalten.
Im ver­gan­genen Jahr sprach Ani­ta Lasker-Wall­fisch zur Gedenkstunde im Bun­destag. Sie ist Cel­listin, 93 Jahre alt und eine der let­zten Über­leben­den des Mäd­chenorch­esters von Auschwitz sowie des KZ Bergen-Belsen. Nach der Befreiung ging sie nach Großbri­tan­nien, machte weit­er­hin Musik und grün­dete eine Fam­i­lie. 1994, nach dem Tod ihres Mannes, besuchte sie im Alter von 69 Jahren das erste Mal wieder Deutsch­land und kommt seit­dem regelmäßig zu Vortragsreisen.
In ihrer Rede erk­lärte sie, dass der Holo­caust der am besten doku­men­tierte Genozid der Men­schheits­geschichte ist. Zeug­nisse von Täter*innen und Opfern sind die trau­ri­gen Beweise für dieses akribisch geplante, durchge­führte und von einem Großteil der deutschen Bevölkerung gebil­ligte Ver­brechen. Und trotz­dem gibt es Men­schen, die ver­suchen Auschwitz zu ver­leug­nen. Ich erin­nere an die Äußerun­gen eines Her­rn Gauland, der meinte, dass der Holo­caust und die Ver­brechen des Nation­al­sozial­is­mus „nur ein Vogelschiss in 1000 Jahren deutsch­er Geschichte“ seien. Solcher­lei ist nicht nur für Ani­ta Lasker-Wall­fisch unerk­lär­lich und ekel­er­re­gend. Gegen Ende ihrer Rede sagte sie noch fol­gen­des: „Es gibt keine Erk­lärun­gen oder Entschuldigun­gen für das, was damals passiert ist. Das einzige was bleibt ist Hoff­nung, die Hoff­nung, dass irgend­wann der Ver­stand siegt.“
Mit diesem Faz­it zeigt sie ganz prak­tisch, wozu uns der heutige Gedenk­tag noch Anlass geben sollte. Zum einen zurück­zuschauen und die Gräuel der Nazis nicht zu vergessen. Zum anderen jedoch vor diesem Hin­ter­grund die Gegen­wart und die Zukun­ft ein­er kri­tis­chen Prü­fung zu unterziehen.
Geschichte wird gemacht, jeden Tag. Eine Moti­va­tion meines antifaschis­tis­chen Han­delns ist es, mich nicht vor mir selb­st oder der näch­sten Gen­er­a­tion ver­steck­en zu müssen, wenn gefragt wird: Was hast du gemacht, als Neon­azis ver­meintliche Aus­län­der durch die Straßen jagten? Was hast du gemacht, als Tausende Men­schen im Mit­telmeer ertrunk­en sind? Was hast du gemacht, als die AfD an die Macht gekom­men ist?
Dann will ich selb­st­be­wusst sagen kön­nen: Ich habe mich dage­gen gestellt. Ich habe den Mund aufgemacht und ich habe sol­i­darisch gehan­delt mit den­jeni­gen, die aus­ge­beutet, ver­fol­gt und ermordet wur­den. Ich habe dafür gekämpft, dass die Hoff­nung darauf, dass let­z­tendlich der Ver­stand siegt, wahr wird.
Das dieses Bestreben unbe­d­ingt notwendig ist, zeigen aktuelle Entwick­lun­gen in Poli­tik und Gesellschaft: Der NSU-Prozess endete ent­täuschend, ist fast schon wieder aus dem gesellschaftlichen Kurzzeitgedächt­nis ver­schwun­den. Rechte Net­zw­erke reichen tief in die staatlichen Struk­turen, wie Ver­wal­tung und Polizei hinein. Die AfD beset­zt ihre Lan­deswahlliste mit stram­men Neon­azis und wird dafür in aktuellen Wahlum­fra­gen mit 20 bis 23 Prozent belohnt. Zugle­ich wer­den Men­schen, die sich für Men­schen­rechte, Frei­heit und Sol­i­dar­ität ein­set­zen kriminalisiert.
Unsere Auf­gaben und Ver­ant­wor­tun­gen begin­nen an genau diesem Punkt, denn jede von uns gestal­tet aktiv diese Gesellschaft. Jeden Tag. Denn der wichtig­ste Schritt auf dem Weg eine Bar­barei, wie den Nation­al­sozial­is­mus, zu ver­hin­dern ist die Tat­sache, dass wir hier heute alle gemein­sam ste­hen. Die Allianzen, die hier entste­hen sind die Grund­lage und der Rück­halt für die poli­tis­chen Auseinan­der­set­zun­gen, die jede*r von uns in den ganz alltäglichen Sit­u­a­tio­nen zu führen hat. Denn wen es zu erre­ichen gilt sind nicht wir, die wir uns hier gemein­sam den Worten von Ani­ta Lasker-Wall­fisch erin­nern, dass Aufgeben keine Option ist – und nie sein kann. Sich diese Mah­nung vor Augen zu führen ist in Zeit­en des steigen­den neolib­eralen Ver­w­er­tungs­drucks und der zunehmenden staatlichen Repres­sion eine große Her­aus­forderung, den­noch nicht unmöglich. Antifaschis­tis­ch­er Aktivis­mus ist unsere Ver­ant­wor­tung und unsere Auf­gabe ist es im Heute die Ereignisse der Ver­gan­gen­heit und die Poten­ziale von Mor­gen zusam­men zu führen.

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(Anti-)Rassismus Geschichte & Gedenken

Eberswalde: Gedenken an Amadeu Antonio

Am 6. Dezem­ber 1990 starb Amadeu Anto­nio, der als angolanis­ch­er Ver­tragsar­beit­er in die DDR kam. In der Nacht auf den 25. Novem­ber 1990 wurde er vor einem Gasthof in Eber­swalde von etwa 60 recht­en Jugendlichen mit Knüp­peln ange­grif­f­en und ins Koma geprügelt. Er erlag Tage später seinen Verletzungen.
In Gedenken an Amadeu Anto­nio find­et am Don­ner­stag, den 6. Dezem­ber um 17 Uhr eine Kundge­bung an der Mahn- und Gedenk­tafel (Eber­swalder Str. 261, 16225 Eber­swalde) statt. Zur anschließen­den Begeg­nung und gemein­samen Essen laden der Afrikanis­che Kul­turvere­in Palan­ca e.V., die Barn­imer Kam­pagne “Light me Amadeu” und die Antifaschis­tis­che Ini­tia­tive Eber­swalde in die Räume von Palan­ca in der Cop­pis­traße ein.
Anlässlich des Gedenkens wird momen­tan unsere Ausstel­lung [Kein schön­er Land] zu Todes­opfern rechter Gewalt in Bran­den­burg in der Maria-Mag­dale­nen-Kirche in Eber­swalde gezeigt. Zur Eröff­nung berichtete Andreas Michael, Mitar­beit­er der Opfer­per­spek­tive, über die aktuelle Sit­u­a­tion in Eber­swalde. Den Rede­beitrag doku­men­tieren wir hier.
Rechte Gewalt in Eber­swalde und die aktuelle Sit­u­a­tion für Betroffene
Für das erste Hal­b­jahr zählte die Opfer­per­spek­tive 97 Angriffe im Land Bran­den­burg. Bis zum 1. August waren es schon über 100, welche für dieses Jahr reg­istri­ert wur­den. Zum Ver­gle­ich: im ersten Hal­b­jahr 2017 wur­den 98 Fälle gezählt, im ganzen Jahr 171. 80 Fälle, und damit die weit über­wiegende Zahl der Angriffe, war ras­sis­tisch motiviert.
Es muss fest­gestellt wer­den, dass es in den let­zten Monat­en keinen Rück­gang rechter Gewalt­tat­en gegeben hat. Das Niveau ras­sis­tis­ch­er Gewalt bleibt sta­bil hoch, obwohl viele Gründe, die in den let­zten drei Jahren für den Anstieg rechter Gewalt­tat­en herange­zo­gen wur­den, derzeit nicht gegeben sind. Wed­er gibt es in diesem Jahr Land­tags- oder Bun­destagswahlen, noch kom­men derzeit in hoher Zahl Geflüchtete in Bran­den­burg an. Ras­sis­tis­che Gewalt ist in den let­zten drei Jahren für einen Teil der Bran­den­burg­er Bevölkerung offen­bar zu ein­er nor­malen und akzep­tierten Hand­lungsweise im Umgang mit Migrant*innen geworden.
Allein im Land­kreis Barn­im reg­istri­erte die Opfer­per­spek­tive bis dato 13 rechte Gewalt­tat­en. Dies stellt einen Anstieg gegenüber den Vor­jahren dar. So gab es 2015 sechs, 2016 fünf und 2017 elf Angriffe, die Gesamtzahl der Angriffe ist damit die höch­ste, welche seit Beginn des Mon­i­tor­ings im Jahr 2002 durch die Opfer­per­spek­tive doku­men­tiert wurde. Dazu muss gesagt wer­den, dass 2017 in fast allen anderen Land­kreisen die Gewalt­tat­en einen leicht­en Rück­gang hatten.
Die Stadt Eber­swalde ist ein Schw­er­punkt rechter Angriffe im Barn­im, hier stieg die Angriff­szahl von sechs im Jahr 2017 auf acht Angriffe an. Das häu­fig­ste Tat­mo­tiv bei diesen Angrif­f­en ist Ras­sis­mus, bei 85% aller Tat­en lag diese Moti­va­tion zugrunde. Betrof­fen davon sind vor allem Men­schen mit real­er oder zugeschrieben­er Migra­tions­geschichte, ver­meintlich Geflüchtete aber auch inter­na­tionale Studierende. So zum Beispiel Anfang August als eine Gruppe junger Frauen in Eber­swalde mit dem Fahrrad unter­wegs war und bei einem Stre­it mit einem Aut­o­fahrer erst ras­sis­tisch belei­digt wurde und dann eine von ihnen in den Gegen­verkehr geschub­st wurde. Glück­licher­weise kon­nte das ihr ent­ge­gen kom­mende Fahrzeug rechtzeit­ig brem­sen, sodass Schlim­meres ver­hin­dert wurde.
Neben diesen ras­sis­tisch motivierten Gewalt­tat­en, die vor allem in Bernau, Biesen­thal, Eber­swalde und Wan­dlitz die häu­fig­ste Tat­mo­ti­va­tion bilden, wur­den durch Opfer­per­spek­tive auch zwei kör­per­liche Angriffe auf poli­tis­che Gegner*innen bzw. nicht Rechte reg­istri­ert. Kör­per­ver­let­zungs­de­lik­te, ein­fache wie gefährliche, bilden weit­er­hin die mit Abstand häu­fig­sten Tatbestände. Die Opfer­per­spek­tive zählte vier ein­fache und eine gefährliche Kör­per­ver­let­zung in Eber­swalde, eine gefährliche so wie eine ein­fache Kör­per­ver­let­zung in Bernau, eine ver­suchte gefährliche Kör­per­ver­let­zung in Biesen­thal und eine ver­suchte ein­fache Kör­per­ver­let­zung in Wan­dlitz. In Biesen­thal wurde ein Mann aus Soma­lia, welch­er mit dem Fahrrad durch die Bahn­hof­sstraße fuhr, ras­sis­tisch belei­digt und dann mit einem schw­eren Ket­ten­fahrrad­schloss bewor­fen. In Eber­swalde wur­den an ver­schieden Tagen junge Men­schen aus der rus­sis­chen Förder­a­tion ras­sis­tisch belei­digt und ange­grif­f­en, in einem Fall kon­nte der Angriff abgewehrt wer­den. Eben­falls in Eber­swalde gab es einen ras­sis­tisch motivierten Angriff auf eine Frau aus Vietnam.
Neben diesen tätlichen Angrif­f­en reg­istri­erte die Opfer­per­spek­tive drei Fälle von Nöti­gun­gen und Bedro­hun­gen, beispiel­sweise Mitte April in Wan­dlitz. Am Liep­nitzsee wer­den zwei Män­ner ras­sis­tisch belei­digt und bedro­ht, bis sie den See ver­lassen. Aber auch in Bernau und Eber­swalde kommt es immer wieder zu ras­sis­tis­chen Belei­di­gun­gen und Bedro­hun­gen. Auf­grund der Tat­sache, dass es im Barn­im nur sehr wenig Kon­takt zu den Betrof­fe­nen gibt, geht die Opfer­per­spek­tive hier davon aus, dass die Zahlen nicht das tat­säch­liche Aus­maß wider­spiegeln. Aus der all­ge­meinen Beratung­sprax­is her­aus lässt sich sagen, dass, wie auch in den Vor­jahren, Men­schen mit Fluchter­fahrung die Haupt­be­trof­fe­nen­gruppe rechter Gewalt in Bran­den­burg sind.
Bei ras­sis­tis­chen Gewalt­de­lik­ten kom­men allerd­ings auch Über­griffe auf Per­so­n­en mit zugeschrieben­er oder real­er Migra­tions­geschichte hinzu. Sie erleben ras­sis­tis­che Gewalt und Anfein­dun­gen in allen Lebens­bere­ichen: Durch Nachbar*innen im eige­nen Wohnum­feld, beim Sport, Einkaufen oder auf offen­er Straße. Ver­stärkt tre­f­fen die Bera­ten­den Betrof­fene in einem Zus­tand großer Hoff­nungslosigkeit: Der erfahrene Ras­sis­mus ist für die Ange­grif­f­e­nen so all­ge­gen­wär­tig, dass die Möglichkeit eines All­t­ags jen­seits dieser Erleb­nisse völ­lig unre­al­is­tisch ist. Oft wird der tat­säch­liche kör­per­liche Angriff nicht mehr als her­aus­ra­gen­des Erleb­nis wahrgenom­men, son­dern als ein weit­er­er Baustein in ein­er Kon­ti­nu­ität der Ablehnung, die psy­chisch wesentlich schw­er­er wiegt. Wege aus dieser Sit­u­a­tion zu find­en ist nicht nur eine große Her­aus­forderung für die Betrof­fe­nen, die Unter­stützen­den vor Ort und die Bera­ten­den. Sie ist vielmehr eine zen­trale Prob­lem­stel­lung für die Lan­despoli­tik und die Bran­den­burg­er Gesellschaft. Hier muss der in der Lan­desver­fas­sung for­mulierte Anspruch, als Land der „Ver­bre­itung ras­sis­tis­chen Gedankenguts“ ent­ge­gen zu treten, mit Leben gefüllt wer­den. Das eben dort erwäh­nte „friedliche Zusam­men­leben der Men­schen“ wird in Bran­den­burg durch ras­sis­tis­che Gewalt­tä­terIn­nen Tag für Tag infrage gestellt.
In den aller­meis­ten Fällen führt ras­sis­tis­che Gewalt bei Betrof­fe­nen zu einem Rück­zug aus dem öffentlichen Raum ins Pri­vate. Die durch Ras­sistIn­nen erzwun­gene Iso­la­tion ver­stärkt aber oft die psy­chis­chen Auswirkun­gen der Angriffe und erschw­ert die Ver­ar­beitung der Gewal­ter­fahrung, die bei Men­schen mit Flucht­bi­ografie häu­fig nicht die Erste ist. Selb­st die alltäglichen Dinge, wie das Einkaufen von Lebens­mit­teln, wer­den zu ein­er kom­plex­en Auf­gabe: Tele­fon­ket­ten wer­den gebildet, Freund*innen um Unter­stützung gebeten, damit die Woh­nung nicht mehr ver­lassen wer­den muss, Unternehmungen außer­halb wer­den auf das Notwendig­ste beschränkt. Dies sind die Beglei­tum­stände, unter denen viele Men­schen mit Flucht­geschichte ver­suchen müssen, in der Bran­den­burg­er Gesellschaft anzukom­men. Eine Gesellschaft, in der sich Alteinge­sessene und Neuank­om­mende auf Augen­höhe begeg­nen kön­nen, ist nicht möglich, solange im öffentlichen Raum die Orte fehlen, an denen sich Geflüchtete angst­frei bewe­gen können.
Die Entwick­lung hin­sichtlich rechter Gewalt bleibt besorgnis­er­re­gend. Ras­sis­tis­che Gewalt ist zur Nor­mal­ität gewor­den. Diese hat Teile der Gesellschaft erfasst, welche zuvor durch rechte AkteurIn­nen nicht erre­ich­bar waren. Eine neue Dynamik gewin­nt die Sit­u­a­tion durch die AfD, die sich mit ihrer poli­tis­chen Aus­rich­tung in Bran­den­burg immer ein­deutiger dem extrem recht­en Spek­trum zuord­nen lässt und bei Wahlen als erfol­gre­ich­er Aus­druck dieser Stim­mung fungiert. Die has­ser­füllte Präsenz und Laut­stärke, die ras­sis­tis­che Posi­tio­nen derzeit in gesellschaftlichen Debat­ten haben, erweck­en bei recht­en Gewalt­tä­terIn­nen den Ein­druck, dass die Mehrheit der Gesellschaft hin­ter ihren Tat­en ste­ht. Es beste­ht in dieser Sit­u­a­tion die Gefahr, dass Ras­sis­mus und Gewalt Gegen­po­si­tio­nen aus den poli­tis­chen Diskus­sio­nen vor Ort ver­drän­gen. Wenn sich ras­sis­tis­che Gewalt­tä­terIn­nen der­art als gesellschaftlich wirk­sam erleben, existiert die Gefahr, dass diese Erfahrung auch zukün­ftig reak­tivier­bar bleibt. Die Betrof­fe­nen der recht­en Angriffe hinge­gen, fühlen sich derzeit so bedro­ht und verun­sichert, dass eine Teil­habe für sie nur stark eingeschränkt möglich ist. Selb­st bei einem Rück­gang rechter Gewalt wird es län­gere Zeit dauern, bis das Ver­trauen in Gesellschaft und Insti­tu­tio­nen wieder ein Maß annehmen kann, welch­es für ein unbe­lastetes Zusam­men­leben notwendig ist.

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