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Antifaschismus

Rathenow: Rechtes „Bürgerbündnis“ veranstaltete „Reichsgründungsfeier“

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Mit ein­er Ver­samm­lung am Bis­mar­ck­turm in Rathenow hat die rechte Vere­ini­gung „Bürg­er­bünd­nis Havel­land eV“ am Sam­sta­gnach­mit­tag an die Grün­dung des zweit­en Deutschen Reich­es vor 146 Jahren erin­nert. An der Ver­anstal­tung nah­men acht Per­so­n­en teil. Sym­bol­isch wurde ein Kranz niedergelegt und ein Rede­beitrag durch den Vere­insvor­sitzen­den gehal­ten. Während der Zer­e­monie wur­den u.a. eine des Kön­i­gre­ichs Preußen (1701–1918) und eine schwarz-weiß-rote Fahne, die sowohl im Kaiser­re­ich von 1871–1918, als auch zum Beginn der NS Dik­tatur in Deutsch­land (1933–1935) Staats­flagge war, gezeigt.
AfD auf Dis­tanz zum „Bürg­er­bünd­nis“?
Zu der Ver­samm­lung am Bis­mar­ck­turm in Rathenow hat­te ursprünglich die recht­spop­ulis­tis­che „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) während ein­er Kundge­bung am Mon­tag, dem 16. Jan­u­ar 2017, in Pots­dam aufgerufen. Par­al­lel dazu wurde auf der Inter­net­seite der „Jun­gen Alter­na­tive Bran­den­burg“ (JA) zu ein­er Ver­anstal­tung zum The­ma: „146 Jahre Deutsch­land“ ein­ge­laden. Den genauen Ort und die Zeit wollte die Organ­i­sa­tion jedoch nur auf Anfrage mit­teilen. Ein bekan­nter Geschicht­sre­vi­sion­ist war als Ref­er­ent angekündigt.
Einen Tag nach der Kundge­bung der AfD in Pots­dam kündigte der Vor­sitzende des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land eV“ während ein­er Ver­samm­lung sein­er Organ­i­sa­tion in Rathenow eben­falls eine Ver­anstal­tung zum 146. Jahrestag der Grün­dung des zweit­en deutschen Reich­es, als „Reichs­grün­dungs­feier“, an.
Einen Tag vor der geplanten Kundge­bung am Sam­sta­gnach­mit­tag verkün­dete die JA dann — über­raschen­der weise — an, Zeit und Ort der Ver­samm­lung ver­legt zu haben. Die Ver­anstal­tung soll stattdessen, auch unter Beteili­gung eines Rathenow­er AfD Funk­tionärs, der bish­er dem Bürg­er­bünd­nis nahe stand, auf einem Fried­hof in Berlin-Span­dau zele­bri­ert wor­den sein.
Das „Bürg­er­bünd­nis Havel­land eV“ blieb in Rathenow hinge­gen unter sich und zog nur Teilnehmer_innen an, die bish­er haupt­säch­lich auf den regelmäßi­gen Ver­anstal­tun­gen dieser Vere­ini­gung anzutr­e­f­fen waren.
Tra­di­tion „Reichs­grün­dungs­feier“
Der Reichs­grün­dungstag erin­nert an die Kaiser­prokla­ma­tion am 18. Jan­u­ar 1871 im Spiegel­saal von Ver­sailles und der damit assozi­ierten Errich­tung des zweit­en deutschen Reich­es. Obwohl das Reich bere­its am 1. Jan­u­ar 1871 ver­fas­sungsrechtlich gegrün­det wurde, wurde for­t­an jedoch die Aus­ru­fung Wil­helm I. zum deutschen Kaiser als offizieller Grün­dungstag des neuen deutschen Staates zelebriert.
Diese Tra­di­tion set­zte sich auch während der Weimar­er Repub­lik und bis in die Anfangszeit des Nation­al­sozial­is­mus, des „drit­ten Reich­es“, fort.
Nach 1945 spielte der „Reichs­grün­dungstag“ dann nur noch in poli­tisch recht­en Zirkeln und in Burschen­schaften eine Rolle.
Die neon­azis­tis­che NPD und ihre Unteror­gan­i­sa­tio­nen ver­anstal­teten in den ver­gan­genen Jahren immer wieder so genan­nte „Reichs­grün­dungs­feiern“.
Am 18. Jan­u­ar 2002 sollen beispiel­sweise ca. 100 Neon­azis an ein­er solchen Feier in Hei­desee OT Frieder­s­dorf (Land­kreis Dahme-Spree­wald) teilgenom­men haben. Die Ver­samm­lung soll, laut Angaben des Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutzes, der zu diesem Zeit­punkt gemein­same NPD Lan­desver­band Berlin-Bran­den­burg aus­gerichtet haben. Der Geheim­di­enst sah in der dama­li­gen Feier den Ver­such eines Ersatzge­denkens für strafrechtlich rel­e­vante Ver­samm­lun­gen zur die Grün­dung des „drit­ten Reich­es“ (30. Jan­u­ar 1933).
Fotos: hier

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Antifaschismus

Das Doppelspiel des Spreelichter-Netzwerks in Südbrandenburg

Im Ver­gle­ich zu anderen ost­deutschen Städten ist es der recht­en Szene in Cot­tbus in den let­zten zwei Jahren nicht gelun­gen, einen Pegi­da-Ableger zu etablieren. Umso mehr sind jet­zt viele von dem mar­tialis­chen recht­en Auf­marsch am Fre­itag den 13. Jan­u­ar 2017 über­rascht und fordern Aufk­lärung. Dazu soll im Fol­gen­den beige­tra­gen werden.
Aufmarsch am 13. Januar in CottbusWas ist passiert?
Am Fre­itag ver­sam­meln sich kurz vor 22 Uhr etwa 120 Per­so­n­en vor dem Landgericht Cot­tbus. Sie sind ein­heitlich schwarz gek­lei­det, tra­gen Stur­m­masken und führen ein Ban­ner mit der Auf­schrift „Cot­tbus vertei­di­gen!“ mit sich. Die Ver­mummten ziehen von der Gerichtsstraße über die Sandow­er Straße und den Alt­markt in die Einkauf­s­meile Sprem­berg­er Straße. Der Marsch führt direkt an der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz vor­bei. An der Spitze des Zugs sind während des Auf­marsches rote Ben­gal­fack­eln entzündet.
Gerufen wer­den die Parolen „Hier marschiert die deutsche Jugend“, „Wider­stand“ und „Nafris raus“, Fly­er mit der Über­schrift „Cot­tbus Nafrifrei“ auf den Boden gewor­fen. Es gibt eine Ord­ner­struk­tur und mehrere Per­so­n­en, die fil­men. Am Sprem­berg­er Turm teilt sich der Zug auf und die Neon­azis ver­schwinden in Autos. Die Polizei wird von Anwohner­In­nen alarmiert und kann im Umfeld nur drei Per­so­n­en im Alter von 39 bis 41 Jahren fest­stellen, die sie der recht­sex­tremen Szene zuordnet.
Wer steckt hin­ter dem Aufmarsch?
Durch die Ver­mum­mung, die fehlende Anmel­dung und den Verzicht auf Fah­nen ist nicht offen­sichtlich, wer hin­ter dem Auf­marsch steckt. Das inter­na­tionale Recht­saußen­por­tal „Bre­it­bart News“ schreibt schlicht von „masked Ger­mans“, aber etwas genauer darf es schon sein. Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Schröter (SPD), die Polizei und diverse Lokalme­di­en haben sich hier bere­its ver­sucht. Die Inter­pre­ta­tio­nen gehen — richtiger­weise — in Rich­tung Iden­titäre, Spreelichter und die rechte Fußball­fan­szene von Energie Cot­tbus. In der Lausitzer Rund­schau leg­en sich „Szeneken­ner“ allerd­ings ander­weit­ig fest:
„Mit­glieder der vor Jahren ver­bote­nen Neon­azi­gruppe ‚Spreelichter‘ als Urhe­ber der jüng­sten Aktion in Cot­tbus hal­ten Szeneken­ner für unwahrschein­lich, eben­so eine Verbindung zur neurecht­en ‚Iden­titären Bewe­gung‘, die oft mit dem Begriff ‚vertei­di­gen‘ operiert. Diese zahlen­mäßig sehr kleine, eher intellek­tuelle Gruppe hat­te bish­er ihre Aktio­nen immer mit einem klaren öffentlichen Beken­nt­nis ver­bun­den. Ende August 2016 hissten sie Ban­ner am Bran­den­burg­er Tor. Ver­mummte, anonyme Ver­samm­lun­gen passen, so die Ein­schätzung aus Sicher­heit­skreisen, nicht zum Selb­stver­ständ­nis der Gruppe.“
Der Marsch in der SpremEin Ein­druck ergibt sich bei der Betra­ch­tung der Veröf­fentlichun­gen zu dem Auf­marsch. Die ersten Bilder wer­den von dem Nutzer „cb_nafrifrei“ um 23:30 bei reddit.de online gestellt. Um 23:49 wird auf der Face­book­seite von „Ost­thürin­gen unzen­siert“ exk­lu­siv ein Video veröf­fentlicht, das auf Höhe der ADAC-Geschäftsstelle in der Sprem­berg­er Straße aufgenom­men wurde. Um 00:24 veröf­fentlicht der User „down_my_couch“ ein Video auf Twit­ter, mit einem Blick­winkel aus Rich­tung der Syn­a­goge am Schloßkirch­platz. Der Kom­men­tar „Weiß wer, wie viele das waren?“ soll den Ein­druck erweck­en, dass der User ein Unbeteiligter ist. Dieses Mate­r­i­al wird am näch­sten Mor­gen über rechte Twit­ter- und Face­book-Accounts weit­er­ver­bre­it­et, etwa „Asyl­hütte in Pots­dam — Kannste knick­en!“, „Hei­de­nau zeigt wie’s geht“ und „Asyl­hütte in Ket­zin — Kannste knicken!“.

Chronologie der Berichte über den Marsch
Chronolo­gie der Berichte über den Marsch

Die zeitliche Nähe und die exk­lu­sive Veröf­fentlichung der Bilder und Videos von Grup­pen aus anderen Städten und Regio­nen leg­en den Schluss nahe, dass dahin­ter eine über­re­gion­al ver­net­zte Struk­tur steckt. Im extrem recht­en Spek­trum von Cot­tbus kom­men dafür die NPD und das ver­botene Spreelichter-Net­zw­erk in Frage. Weil die NPD Cot­tbus sich erst rel­a­tiv spät auf ihrer Face­book­seite äußerte, und sich außer­dem von der Aktion wenig begeis­tert zeigte, kann sie wohl aus­geschlossen werden.
Bericht von Black Legion
Bericht von Black Legion

Inter­es­sant ist, dass auf der Face­book­seite des neon­azis­tis­chen Mod­e­la­bels „Black Legion“ am Sam­stag eben­falls Bilder vom Auf­marsch an der Oberkirche und am Sprem­berg­er Turm veröf­fentlicht wur­den, die bis dahin nicht im Umlauf waren. Die Mode­marke wird von einem Neon­azi ver­trieben, der sich bei Face­book „Tom Rausch“ nen­nt. In Cot­tbus läuft der Verkauf über den neon­azis­tis­chen „Dev­ils Right Hand Store“ von Mar­tin Sei­del. Auf sein­er Face­book­seite beken­nt sich Rausch zum Spreelichter-Net­zw­erk und zeigt seine Ablehnung gegenüber dem „Staatskon­strukt“ NPD. Der Post zum Auf­marsch auf der Face­book­seite von „Black Legion“ wird gelöscht, kurz nach­dem er bei „Laut gegen Nazis“ the­ma­tisiert wird. Auf der pri­vat­en Face­book­seite von Rausch ist er weit­er­hin sichtbar.
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus
Tom Rausch posiert mit Defend Cottbus

„Defend Cot­tbus“ – Das Mot­to für den Ausnahmezustand
Der Spruch auf dem Front­trans­par­ent „Vertei­digt Cot­tbus!“ ist die deutsche Über­set­zung von „Defend Cot­tbus“. Aufk­le­ber mit diesem Slo­gan wer­den mas­siv seit Juli 2016 in Cot­tbus und Umge­bung verklebt. Auch im Zusam­men­hang mit dem Über­fall auf den Club Chekov am 23. Sep­tem­ber 2016 taucht­en die Aufk­le­ber auf. Ent­wor­fen und ver­bre­it­et wer­den diese maßge­blich über eine Struk­tur, die sich auf Insta­gram mit dem Pro­fil „Unser_Ursprung“ präsen­tiert. Die dort oft erst­mals veröf­fentlicht­en Grafiken wer­den sowohl von Anhän­gerIn­nen der Iden­titären als auch von zahlre­ichen Neon­azis für ihre Social-Media-Pro­file ver­wen­det. Auch „Tom Rausch“ posiert auf sein­er Face­book­seite mit einem „Defend Cot­tbus“ Aufkleber.
 Marcel Forstmeier vor dem Kanzleramt
Mar­cel Forstmeier vor dem Kanzleramt

Fotos auf Unser_Ursprung
Fotos auf Unser_Ursprung

Posting von Unser_Ursprung
Post­ing von Unser_Ursprung

Die Art der Ver­net­zung, der grafis­che Stil und die ver­wen­dete Sprache des Pro­fils „Unser_Ursprung“ lassen auf den Grafikde­sign­er Mar­cel Forstmeier schließen. Der Lübbe­nauer war bis zum Ver­bot 2012 ein Organ­isator und Kopf des Spreelichter-Net­zw­erks. Forstmeier hat am 21. Dezem­ber 2016 vor dem Kan­zler­amt in Berlin die neurechte Kundge­bung von „Ein Prozent“ (unter den Teil­nehmern Alexan­der Gauland, Björn Höcke und Götz Kubitschek) abfo­tografiert. Ein Bild aus sein­er Posi­tion wurde später auch auf der Insta­gram-Seite von „Unser_Ursprung“ veröf­fentlicht. Auf einem Bild sind beim genauen Blick seine Hände wiederzuerkennen.
Der Cot­tbusser Masken-Auf­marsch ist Teil ein­er Kam­pagne, um Cot­tbuser Neon­azis in eine Art Kampf­modus zu ver­set­zen – die Marke „Defend Cot­tbus“ beziehungsweise „Vertei­di­ge Cot­tbus“ soll als Kürzel dieser Kam­pagne etabliert wer­den. Ein Resul­tat: in den let­zten Monat­en wur­den immer wieder Per­so­n­en, die nicht ins rechte Welt­bild passen, ange­grif­f­en. Gle­ichzeit­ig wer­den Straftat­en durch ver­meintliche Aus­län­der oder Flüchtlinge beson­ders stark aus­geschlachtet, um der ras­sis­tis­chen Para­noia Nahrung zu geben. Para­dox­er­weise freut sich der Twit­ter-User „down_my_couch“ über die erhöhte Polizeipräsenz, obwohl sich diese vor allem gegen ihn und seine Kam­er­aden richtet.
Bürg­er­lichkeit und Straßenterror
Die Neon­azis fahren nicht nur eine Strate­gie des Straßen­ter­rors zur Ein­schüchterung poli­tis­ch­er Geg­ner­In­nen in Cot­tbus, son­dern zudem eine Art Kuschelkurs mit „Zukun­ft Heimat e.V.“ im Spree­wald. Dieser Vere­in hat seit Ende 2015 gegen die Unter­bringung von Flüchtlin­gen mobil gemacht. Mit 500 Teil­nehmern am 31. Okto­ber 2015 in Lübbe­nau richtete der Vere­in eine der größten recht­en Demon­stra­tio­nen  in Bran­den­burg der let­zten Jahre aus.
Anne Haberstroh bei der Identitären-Blockade-Aktion in Berlin
Anne Haber­stroh bei der Iden­titären-Block­ade-Aktion in Berlin

Mar­cel Forstmeier und das Spreelichter-Net­zw­erk ver­suchte sich bei diesen asylfeindlichen Demon­stra­tio­nen zwar im Hin­ter­grund zu hal­ten. Eine Nähe gibt es den­noch. Seit­dem dieser Zusam­men­hang öffentlich gemacht wurde, führt der Vere­in Aktions­for­men wie Fahrrad­ko­r­sos für Rad­wege und ähn­liche The­men durch. Auf diese Weise wollen die Vere­insvor­sitzen­den Christoph Berndt, Anne Haber­stroh und der AfD-Bürg­er­meis­terkan­di­dat Mar­i­an von Stürmer ver­mut­lich das Brandze­ichen ein­er für das neon­azis­tis­che Spek­trum offe­nen Organ­i­sa­tion loswer­den. Dass die Verbindung zu Mar­cel Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk anhält, zeigt das gemein­same Auftreten von Neon­azi Forstmeier und Zukun­ft-Heimat-Vor­sitzen­der Haber­stroh im Umfeld der Block­ade der CDU-Zen­trale in Berlin durch Mit­glieder der Iden­titären am 21. Dezem­ber 2016.
Robert Timm auf Twitter zum Marsch in Cottbus
Robert Timm auf Twit­ter zum Marsch in Cottbus

Während Mar­cel Forstmeier den Polizeiein­satz abfilmte, stand Anne Haber­stroh am Rand und beobachtete die Szener­ie. Bere­its im Sep­tem­ber 2016 besucht­en die bei­den eine Ver­anstal­tung des recht­en Com­pact-Mag­a­zins in Berlin. Auf dem Podi­um saß neben Jür­gen Elsäss­er, Götz Kubitschek und Mar­tin Sell­ner auch der Iden­titären-Aktivist Robert Timm. Dieser studiert und wohnt in Cot­tbus und hat sich über seinen Twit­ter­ac­count „Schinkel_IB“ pos­i­tiv zum Cot­tbusser Masken-Auf­marsch geäußert. Dass er und andere iden­titäre Struk­turen an der Organ­i­sa­tion und Durch­führung direkt beteiligt waren, lässt sich bish­er nicht feststellen.
Faz­it
Die Frage, ob der Nazi­auf­marsch am 13. Jan­u­ar 2017 auf das Kon­to rechter Fußball­fans, der Spreelichter oder der Iden­titären geht, führt in die Irre. Zwis­chen diesen Struk­turen der recht­en Szene gibt es zu große ide­ol­o­gis­che und per­son­elle Über­schnei­dun­gen. Sie arbeit­en zusam­men, weil das aktuelle poli­tis­che Kli­ma ihnen Erfolge ver­spricht. Vor allem die „Spreelichter“ und die Anführer der Gruppe „Infer­no Cot­tbus“ sind schon seit Beginn ihres Beste­hens sehr stark ver­bun­den. Trotz Sta­dion­ver­botes bes­timmt „Infer­no“ immer noch maßge­blich die Stim­mung in der Fan­szene des FC Energie. Der Rück­griff von Forstmeier und dem Spreelichter-Net­zw­erk auf Sym­bole und The­men der Iden­titären bietet ihnen die Möglichkeit, in anderem Gewand die bis zu ihrem Ver­bot ver­fol­gte Strate­gie eines pop­kul­turell ver­mark­teten Faschis­mus fortzuset­zen. Um ein möglichst bre­ites Spek­trum zu erre­ichen und eine möglichst große Wirkung zu erzie­len, chang­ieren sie dabei zwis­chen sehr unter­schiedlichen Aktionsformen.
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Antifaschismus Sonstiges

Potsdamer Beratungsbüro für Betroffene von rassistischer Diskriminierung eröffnet

Pots­dam — Die beim Vere­in Opfer­per­spek­tive e.V. angesiedelte
Antidiskri­m­inierungs­ber­atung eröffnete heute ein Beratungs­büro für
Betrof­fene von ras­sis­tis­ch­er Diskri­m­inierung. In einem Pressegespräch
stellte der Vere­in die Arbeit des Beratungs­büros vor und Ursu­la Löbel,
Lei­t­erin der Ser­vices­telle „Tol­er­antes und Sicheres Pots­dam“ überreichte
den Förderbescheid.
„Mit dem Beratungs­büro bieten wir Betrof­fe­nen von rassistischer
Diskri­m­inierung aus Pots­dam einen leichteren Zugang zu Beratungs- und
Unter­stützungsmöglichkeit­en an. Außer­dem kön­nen wir uns inten­siv­er an
den örtlichen Aktiv­itäten gegen Ras­sis­mus beteili­gen. Als vor allem
lan­desweit tätige Organ­i­sa­tion beschre­it­en wird damit einen neuen Weg“,
so Judith Porath, Geschäfts­führerin der Opferperspektive.
Während des Gespräch­es betonte Ursu­la Löbel, dass die Unterstützung
eines lokalen Beratungs­büros dazu beiträgt, die Selb­stverpflich­tung der
Lan­deshaupt­stadt Pots­dam im Rah­men der Europäis­chen Städtekoalition
gegen Ras­sis­mus umzuset­zen, Opfer von Ras­sis­mus bess­er zu unterstützen.
Das Büro befind­et sich in den Räu­men des Vere­ins Opfer­per­spek­tive in der
Rudolf-Bre­itscheid-Str. 164 in Potsdam-Babelsberg.

v.l.n.r. Judith Porath (Geschäftsführerin Opferperspektive e.V.), Hai Blum (Mitarbeiterin BleibNet ProQuali), Ursula Löbel (Leiterin der Servicestelle Tolerantes und Sicheres Potsdam), Marcus Reinert (Berater Antidiskriminierungsberatung)
v.l.n.r. Judith Porath (Geschäfts­führerin Opfer­per­spek­tive e.V.), Hai
Blum (Mitar­bei­t­erin Bleib­Net Pro­Quali), Ursu­la Löbel (Lei­t­erin der
Ser­vices­telle Tol­er­antes und Sicheres Pots­dam), Mar­cus Rein­ert (Berater
Antidiskri­m­inierungs­ber­atung)

Beratung­ster­mine kön­nen tele­fonisch unter 0331 – 58 10 76 76 oder per
E‑Mail unter antidiskriminierung@opferperspektive.de vere­in­bart werden.
Kon­takt: Mar­cus Rein­ert, 0175 – 211 58 28
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Antifaschismus Geschichte & Gedenken

AfD-Königer machte gegen das Holocaust-Mahnmal mobil

INFORIOT Die Rede von Björn Höcke [1] in dieser Woche in Dres­den, in der er das Berlin­er Holo­caust-Mah­n­mal als “Denkmal der Schande” beze­ich­nete, ist nicht der erste Vor­fall dieser Art. Mit der Erin­nerung an nation­al­sozial­is­tis­che Ver­brechen haben so manche, die heute für die AfD Poli­tik machen, so ihre Prob­leme. Ein­er von ihnen ist Stef­fen Königer, der seit den Wahlen 2014 als Abge­ord­neter für die AfD im Land­tag sitzt. Der ehe­ma­lige Junge-Frei­heit-Autor hat ein parteipoli­tis­ches Vor­leben. Unter anderem war er 1999 Mit­glied der recht­spop­ulis­tis­chen Partei Bund Freier Bürg­er (BfB). Im gle­ichen Jahr trat er als Direk­tkan­di­dat für diese Partei bei den Land­tagswahlen an.
Offen­bar war er auch auf der Straße aktiv. Der Bund freier Bürg­er machte — wie zahlre­iche Neon­azis und extrem Rechte, darunter der inzwis­chen wegen Holo­caustleug­nung vielfach verurteilte Neon­azi Horst Mahler — gegen die dop­pelte Staats­bürg­er­schaft und das damals in der Pla­nungsphase befind­liche Denkmal für die ermorde­ten Juden Europas mobil.

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Stef­fen Königer demon­stri­ert 1999 in Berlin gegen das Holo­caust-Mah­n­mal. Quelle: apabiz

Fotos zeigen Königer, wie er am 19. Juni 1999 vor der Neuen Wache Unter den Lin­den in Berlin bei ein­er BfB-Demon­stra­tion gegen das Mah­n­mal auf­marschiert. Mit von der Par­tie sind auch die Berlin­er Neon­az­i­funk­tionäre René Bethage und Andreas Storr. Es wer­den Schilder hochge­hal­ten mit den Parolen “Damals SA heute Antifa” und “Holo­caust-Denkmal NEIN!!!”.
Die Agi­ta­tion gegen das Holo­caust-Mah­n­mal war ein geschicht­spoli­tis­ch­er Schw­er­punkt von Königers BfB. Auf einem Flug­blatt wurde polemisch gefragt: “Deutsche, wollt ihr ewig zahlen?”. Ein ange­blich­er “Mach­tanspruch jüdis­ch­er US-Organ­i­sa­tio­nen” wurde in der Schrift beklagt.
Auch wenn die Tätigkeit­en von Königer gegen ein Holo­caustge­denken in Berlin einein­halb Jahrzehnte zurück­liegen — das Bild, welche geschicht­spoli­tis­chen Hin­ter­gründe in der AfD zu find­en sind, verdichtet sich durch diese Episode. Von Königers Bran­den­burg­er Frak­tion­skol­le­gen Andreas Kalb­itz sind eben­falls harsche Zitate bekan­nt. In der extrem recht­en Zeitschrift „Fritz“ schrieb Kalb­itz 2003 über einen „Bewußt­sein­seth­nozid in den Köpfen der bun­desre­pub­likanis­chen Jugend“. Die Erin­nerung an Nazi-Ver­brechen sei eine „Ver­ständ­nisim­plan­ta­tion von 12 Jahren als 99% deutsch­er Geschichte“.
Die Neonaziaktivisten René Bethage und Andreas Storr vor der Neuen Wache in Berlin. Quelle: apabiz.
Die Neon­azi­ak­tivis­ten René Bethage und Andreas Storr vor der Neuen Wache in Berlin. Quelle: apabiz.

AfD-Frak­tion­schef Alexan­der Gauland vertei­digt aktuell die Rede Höck­es zum Mah­n­mal. Gegenüber der DPA sagte er: „Björn Höcke hat in kein­er Weise Kri­tik an der Erin­nerung an den Holo­caust geübt.“ Wenn Höcke darauf hin­weise, dass die Leis­tun­gen der deutschen Geschichte im öffentlichen Diskurs oft­mals „unter der Erin­nerung an diese zwölf Jahre“ ver­schwän­den, sei dies für ihn nachvollziehbar.
Gauland zeigte schon im ver­gan­genen Jahr erstaunlich offen, wie er selb­st die nation­al­sozial­is­tis­chen Ver­brechen einord­net; wen oder was er als die eigentlichen Opfer des Nation­al­sozial­is­mus ansieht. Im Inter­view mit der Wochen­zeitung Die Zeit im April 2016 befand er, dass “Auschwitz, auch als Sym­bol, viel in uns zer­stört hat”. Der Redak­teur fragt zurück: “Waren es nicht wir, die da etwas zer­stört haben?”. Gauland: “Richtig, eber es ist dabei viel mehr kaputtge­gan­gen (…) Der Nation­al­stolz (…) ist doch bei uns enorm hin­ter­fragt.” Das deutsche Nation­al­be­wusst­sein ist für Gauland nicht eine lei­t­ende Idee des indus­triellen Juden­mordes. Son­dern das Nation­al­be­wusstein sei dadurch beschädigt wor­den, die Deutschen erscheinen als die eigentlichen Opfer der Nazis: “Hitler hat den Deutschen das Rück­grat gebrochen”.
[1] Eine aus­führliche Analyse der NS-Rhetorik von Höcke find­et sich im Text von Andreas Kem­per im AIB 113 (4.2016)
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(Anti-)Rassismus

Rathenow: Rechtes Bürgerbündnis gründet Verein

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Das rechte „Bürg­er­bünd­nis Havel­land”, welch­es in Rathenow regelmäßig Ver­samm­lun­gen und Aktio­nen durch­führt, hat sich als einge­tra­gen­er Vere­in neu­formiert. Eine entsprechende Ein­tra­gung find­et sich im Vere­in­sreg­is­ter des Amts­gericht­es Potsdam.
Der Name der Vere­ini­gung lautet nun­mehr „Bürg­er­bünd­nis Havel­land e.V.“ und ist in Rathenow ansäs­sig. Als Vor­sitzen­der fungiert der bish­er presserechtlich Ver­ant­wortliche, Chris­t­ian Kaiser. Zwei weit­ere Per­so­n­en wer­den als Kassen­wart und stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der benan­nt. Die Satzung ist nicht öffentlich zugängig. Die nach wie vor aktive Social­me­dia-Seite des recht­en Bürg­er­bünd­niss­es benen­nt jedoch die deutschna­tionale Grun­de­in­stel­lung der Vere­ini­gung: „Aus Liebe zum Deutschen Volk. Aus Liebe zur Deutschen Heimat. Aus Liebe zu Deutschland.“
Während im Inter­net noch immer­hin 689 Social­me­dia-Pro­file mit der seit Okto­ber 2015 existieren­den Grup­pierung sym­pa­thisieren, nehmen an den regelmäßi­gen Ver­samm­lun­gen kaum mehr als 30 reale Per­so­n­en teil. Bei der let­zten Kundge­bung am 17. Jan­u­ar 2017 waren es sog­ar nur 20.
Den­noch sieht sich das „Bürg­er­bünd­nis“, nach wie vor, als lokale Speer­spitze des „Wider­standes“ gegen die momen­tane Bun­desregierung. Der Vere­insvor­sitzende kündigte bei der let­zten Kundge­bung, trotz sink­enden Inter­ess­es an seinen Ver­samm­lun­gen, auch weit­ere regelmäßige Aktio­nen und Ver­anstal­tun­gen, min­destens bis zur Bun­destagswahl am 17. Sep­tem­ber 2017, an. Aus sein­er Sym­pa­thie für die recht­spop­ulis­tis­che „Alter­na­tive für Deutsch­land“ (AfD) machte er dabei eben­falls keinen Hehl. Erst am Mon­tagabend nahm Kaiser an ein­er Ver­samm­lung der AfD-Pots­dam teil.

Fotos der Ver­samm­lung vom 17.01: hier

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus

Potsdam: AfD Kundgebung, Proteste und Antifa-Spontandemo

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An ein­er Ver­samm­lung der recht­spop­ulis­tis­chen Alter­na­tive für Deutsch­land (AfD) in Pots­dam beteiligten sich am Mon­tagabend zwis­chen 80 und 100 Per­so­n­en. Die halb­stündi­ge Kundge­bung auf dem Johannes-Kepler-Platz stand unter dem Mot­to: „30 Minuten für Deutsch­land“. Haup­tred­ner war der AfD Frak­tionsvor­sitzende im Meck­len­bur­gis­chen Land­tag, Leif-Erik Holm. Neben Partei­funk­tionären aus der bran­den­bur­gis­chen Kom­mu­nal- und Lan­despoli­tik nah­men auch Sympathisant_innen der recht­en Vere­ini­gun­gen „Bürg­er­bünd­nis Havel­land“ und „PEGIDA Havel­land“ sowie ein ehe­ma­liger Press­esprech­er von POGIDA an der Kundge­bung teil.
Proteste
Der AfD Kundge­bung ent­ge­gen standen am Mon­tagabend unge­fähr 200 Men­schen, die offen­bar den Protes­taufrufen des zivilge­sellschaftliche Bünd­nis „Pots­dam beken­nt Farbe“ oder von Antifa-Grup­pen fol­gten. Der laut­starke Protest der Gegendemonstrant_innen verteilte sich an drei Punk­ten in Hör- und Sichtweite zur Ver­samm­lung der blauen Partei. AfD Kundge­bung und Gegen­ver­anstal­tun­gen wur­den jedoch teil­weise recht weiträu­mig polizeilich getren­nt, was nur zu vere­inzel­ten ver­balen Kon­fronta­tio­nen führte. Beson­ders heikel schien sich lediglich der polizeilich gesicherte Abzug der ehe­ma­li­gen Kundgebungsteilnehmer_innen vom Johannes-Kepler-Platz durch die Rei­hen der Gegendemonstrant_innen in der Galileis­traße zu gestal­ten. Aber auch hier blieb Auseinan­der­set­zung auf ver­baler Ebene beschränkt.
Antifa-Spon­tande­mo
Spon­tan formierte sich jedoch noch ein antifaschis­tis­ch­er Demon­stra­tionszug mit bis zu 100 Teilnehmer_innen, der unter dem Mot­to: „Keine Tol­er­anz für Rassist*innen“ durch die östlichen Wohnge­bi­ete Pots­dams lief. Wie später bekan­nt wurde, soll der Aufzug auch an Woh­nun­gen von bekan­nten AfD-Funk­tionären Halt gemacht haben.
Weit­ere AfD Ver­samm­lun­gen geplant
Laut Ankündi­gung, will die Alter­na­tive für Deutsch­land am 13. Feb­ru­ar 2017 eine weit­ere Kundge­bung auf dem Johannes-Kepler-Platz in Pots­dam abhal­ten. Darüber wurde auch noch auf weit­ere Ver­anstal­tun­gen in Rathenow (21. Jan­u­ar 2017) und Fin­ster­walde (16. Feb­ru­ar 2017) hingewiesen.

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Antifaschismus Law & Order

Halbzeit im Nauener Prozess

Der seit Ende Novem­ber am Landgericht Pots­dam ver­han­delte Prozess um eine Gruppe Bran­den­burg­er Neon­azis um den NPD-Poli­tik­er Maik Schnei­der (29) befind­et sich in der Hal­bzeit. Den sechs angeklagten Män­nern wird neben der Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung auch schwere Brand­s­tiftung und Sachbeschädi­gung vorge­wor­fen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylin­der­bombe gezün­det sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turn­halle niederge­bran­nt haben, die als Flüchtling­sun­terkun­ft vorge­se­hen war. (bnr.de berichtete)
Die Tat­en verur­sacht­en Schä­den in Mil­lio­nen­höhe. Organ­isiert hat­ten sich die Neon­azis über eine What­sApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schnei­der, der deswe­gen auch als Rädels­führer der Neon­azi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Per­so­n­en in Unter­suchung­shaft. (bnr.de berichtete)

Mitangeklagte belasten NPD-Mann

Zum Auf­takt im Novem­ber belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Poli­tik­er Schnei­der schw­er. Der 33-jährige Sebas­t­ian F. ließ über seinen Anwalt eine Erk­lärung ver­lesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schnei­ders Ini­tia­tive und mit dessen Wagen Fäss­er mit Öl und Ben­zin zur Turn­halle schaffte. Dort sollen die Gegen­stände zusam­men mit Autor­eifen und Holz­palet­ten gestapelt wor­den sein, eben­falls nach den Anweisun­gen Schnei­ders. Beim Ent­fachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewe­sen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schnei­der mit der Tat geprahlt und F. für seine Mith­il­fe gelobt.
Auch Chris­t­ian B. (32) erk­lärte, die Idee und Vor­bere­itun­gen zur Tat seien von Schnei­der gekom­men. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Den­nis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegen­stän­den beladen hät­ten, bis er von Schnei­der aufge­fordert wor­den sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Auss­chau zu hal­ten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähn­lich und zeigten sich geständig, bestrit­ten aber alle­samt ein poli­tis­ches Motiv.

Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung

Obwohl die meis­ten Mitangeklagten in der recht­sex­tremen Szene der Region ver­ankert sind, wurde medi­al vielfach das Bild ver­mit­telt, die Män­ner seien unpoli­tis­che, gescheit­erte Exis­ten­zen, die von Schnei­der mehr oder weniger „ver­führt“ wur­den. Allerd­ings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hin­sicht selb­st nicht son­der­lich bemüht ist, dieser Leg­ende auf den Grund zu gehen.
Schnei­der selb­st äußerte sich erst später am Tag und teil­weise geständig. Allerd­ings nan­nte er den Brand einen „Unfall“. In ein­er „spon­ta­nen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkun­ft anzün­den, als ein „Sig­nal“ gegen die geplante Flüchtling­sein­rich­tung. Die Fas­sade sollte lediglich ver­rußt wer­den, so der 29-Jährige, denn immer­hin sei sie „Volk­seigen­tum“. Zudem sei er ange­blich „ein Fre­und von Asyl­be­wer­bern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht began­gen wor­den. Fast zwei Stun­den schwadronierte der Haup­tangeklagte, wich immer wieder vom The­ma ab.

Befangenheitsanträge gegen Schöffen

Kurzzeit­ig stand der Fort­gang des Prozess­es auf der Kippe. Schnei­ders unglaub­würdi­ge Geschichte ließ einen Schöf­fen dazu ver­leit­en, ihn zu fra­gen: „Bilden Sie sich ein, dass ein­er den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schnei­der protestierte, auch Richter Theodor Horstköt­ter zeigte sich sichtlich irri­tiert. Es fol­gten Befan­gen­heit­santräge gegen den Schöf­fen und die Kam­mer, die von manchen Juris­ten in ver­schiede­nen Medi­en als dur­chaus erfol­gver­sprechend eingeschätzt wur­den. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozess­es zur Folge gehabt. Allerd­ings entsch­ied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Ver­hand­lung fortzusetzen.
Mitte Dezem­ber war der fün­fte und bis­lang let­zte Ver­hand­lungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befan­gen­heit­santräge aber auch durch die umfan­gre­ichen Vorkon­trollen in die Länge zog,  kam der 27-jährige Christo­pher L. unter Meldeau­fla­gen aus der Unter­suchung­shaft frei. Die anderen bei­den, Maik Schnei­der und Den­nis W. bleiben jedoch weit­er­hin in Haft. Zudem kamen Ermit­tler vom Lan­deskrim­i­nalamt als Zeu­gen zu Wort. Sie präsen­tierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schnei­ders PKW mehrfach in der Nacht aufgeze­ich­net auf dem Weg zur Turn­halle aufgeze­ich­net hat­ten. Mit­tler­weile ver­sucht Schnei­der das Ver­fahren in die Länge zu ziehen, stellte sel­ber Beweisanträge und will mehrere Zeu­gen vor­laden lassen, darunter den Bran­den­burg­er NPD-Poli­tik­er Frank Kit­tler, frak­tion­slos­er Kreistagsab­ge­ord­neter im Havelland.

Prozess bis Februar verlängert

Unter­dessen geri­eten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staat­san­waltschaft. Schnei­ders ehe­ma­lige Fre­undin (22) hat­te in ihrer Vernehmung zugegeben, die Palet­ten für den Anschlag auf die Turn­halle besorgt zu haben. Sie sagte bere­its in der Ver­hand­lung als Zeu­g­in aus und berichtete von Dro­hun­gen aus der recht­sex­tremen Szene in Nauen. Sog­ar Flug­blät­ter mit ihrem Gesicht und einem David­stern seien anonym in der Stadt ver­bre­it­et wor­den. Auch der Angeklagte B. wurde bedro­ht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Ver­räter“ stand. Eine 23-Jährige ist unter­dessen bere­its wegen Bei­hil­fe zur Brand­s­tiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Bran­dan­schlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Ver­hand­lung gegen die sechs Neon­azis wird am 5. Jan­u­ar fort­ge­set­zt und sollte eigentlich im gle­ichen Monat enden, wurde nun aber auf­grund der Verzögerun­gen bis in den Feb­ru­ar verlängert.

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Antifaschismus Gender & Sexualität

FLTI-Räume sind notwendig!

Zur Notwendigkeit von cis-Typen-freien Räu­men zur Selb­stre­flex­ion und als Empowerment
Gegen­wär­tig ver­anstal­ten wir eine Tour unter dem Namen “Skills for Inter­ven­tion”, in deren Rah­men Ver­anstal­tungswoch­enen­den in ver­schiede­nen Städten Bran­den­burgs stat­tfind­en. Es geht primär darum Frauen­Les­ben­TransIn­ter zu empow­ern und ihnen Räume zu eröff­nen, in denen sie sich trauen Dinge auszupro­bieren, die in der weib­lichen Sozial­i­sa­tion klas­sis­cher­weise nicht erlernt wer­den und/oder nicht zu den gesellschaftlichen Vorstel­lun­gen passen, „wie eine Frau zu sein hat“. Hierzu gehören ins­beson­dere tech­nis­che Fähigkeit­en, wie sie bei diversen prax­isori­en­tierten Work­shops erlernt wer­den kön­nen, oder aber selb­st­be­wusstes Auftreten und das Aufzeigen von Gren­zen, wie zum Beispiel im Work­shop zum Ver­anstal­tungs- und Projektschutz.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ohne cis-männliche# Präsenz und Blicke die Hemm­schwelle, zu sich zu ste­hen und sich auszupro­bieren, viel geringer ist. Außer­dem gibt es Work­shops, in denen es um den Aus­tauschen über Erfahrun­gen mit Sex­is­mus und mit sex­u­al­isiert­er Gewalt geht. Hier­für ist es notwendig, sicherere Räume zu schaf­fen. Meis­tens sind cis-Män­ner diejeni­gen, von denen sex­u­al­isierte Gewalt aus­ge­ht, weswe­gen ihr Auss­chluss für die Schaf­fung von Schutzräu­men bei diesen The­men wichtig ist.
Wir find­en es wichtig, sich an eini­gen Punk­ten solche geschützten Räume (auch gegen Wider­stand) anzueignen, um im Anschluss, durch den Aus­tausch und das Empow­er­ment untere­inan­der gestärkt, wieder herauszutreten.
Unter einem Sys­tem, dass alle Men­schen in nur zwei Kat­e­gorien, näm­lich “Mann” und “Frau”, ein­teilt und diesen ganz bes­timmte Eigen­schaften zuschreibt, lei­den natür­lich auch cis-Män­ner. Denn auch ihnen will dieses Sys­tem vorschreiben, wie sie sich ver­hal­ten sollen und wie sie ausse­hen müssen, was sie gut kön­nen und was sie auf gar keinen Fall tun dür­fen. Allerd­ings kön­nen wir dabei nicht vergessen, dass dieses Sys­tem eben im Ungle­ichgewicht zugun­sten von cis-Män­nern beste­ht: alles was mit Vorstel­lun­gen von Männlichkeit verknüpft wird, ist höher bew­ertet oder bess­er bezahlt. Daher haben cis-Män­ner, trotz ihrer eige­nen Betrof­fen­heit von Sex­is­mus, eben auch Priv­i­legien inne. Und auch sich selb­st als fem­i­nis­tisch beze­ich­nende cis-Män­ner kön­nen (unbe­wusst) patri­ar­chale Struk­turen repro­duzieren und dadurch anwe­sende Frauen­Les­ben­TransIn­ter einschränken.
Daher begrüßen wir es sehr, wenn sich cis-Typen inten­siv mit der ihnen zugewiese­nen Geschlechter­rolle sowie den sich daraus ergeben­den Ein­schränkun­gen und Priv­i­legien beschäfti­gen und find­en Work­shops zu z.B. kri­tis­ch­er Männlichkeit eine pri­ma Sache. Aber wir als Frauen*-Gruppe haben keine Lust, solch einen Work­shop für cis-Män­ner zu organ­isieren. Ein­mal, weil ein Teil der weib­lichen Sozial­i­sa­tion die Zuschrei­bung der Pflegerolle ist („Frauen küm­mern sich“) und wir diese nicht ständig repro­duzieren wollen. Ander­er­seits erwarten wir von kri­tis­chen cis-Män­nern, dass sie sich selb­st ihre Räume schaf­fen und sich selb­st um ihre Reflex­ion küm­mern. Wir ver­mit­teln gerne Kon­takt zu Men­schen, die solche Work­shops zu kri­tis­ch­er Männlichkeit anbi­eten, aber wir wer­den das nicht organ­isieren. Weil Sex­is­mus uns alle bet­rifft, soll­ten wir uns auch alle damit auseinan­der­set­zen und diese Auseinan­der­set­zung nicht wieder denen über­lassen, die stärk­er davon betrof­fen sind.
Wir haben den Sex­is­mus in dieser Gesellschaft noch lange nicht über­wun­den und solange das so ist, wollen und brauchen wir unbe­d­ingt cis-Typen-freie Räume und mehr wirk­lich kri­tis­che cis-Män­ner! YEAH!
#cis beze­ich­net das Gegen­teil von trans und meint, dass eine Per­son das Geschlecht haben möchte, das ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde.
Mit dem * wollen wir deut­lich machen, dass die jew­eils markierten Beze­ich­nun­gen alle diejeni­gen meinen, die sich selb­st in ihnen verorten.

Unser Workshopreihe "Skills for Intervention" ist derzeit in Brandenburg unterwegs.
Unser Work­shoprei­he “Skills for Inter­ven­tion” ist derzeit in Bran­den­burg unterwegs.

Mehr Infos zur Work­shoprei­he find­et ihr unter www.fabb.antifa.cc/
P.S. Das queer_topia*Workshop-Kollektiv bietet z.B. Work­shops zu Kri­tis­ch­er Männlichkeit an
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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Law & Order

Kontinuität des Terrors

Die Angeklagten im Nauen-Prozess ver­suchen, sich als größ­ten­teils unpoli­tisch darzustellen. Dabei han­delt es sich um organ­isierte Neon­azis, ein­er von ihnen ist sog­ar ein vorbe­strafter Rechtsterrorist.
Nur aus dem Suff her­aus, aus Frust, ohne große Ideen dahin­ter und bes­timmt nicht aus Ras­sis­mus – wortre­ich ver­suchen die Neon­azis aus Nauen und Umge­bung, ihre Tat­en kleinzure­den. Fast alle der sechs Män­ner, die zurzeit vor dem Landgericht Pots­dam unter anderem wegen Bil­dung ein­er krim­inellen Vere­ini­gung angeklagt sind, bemühen sich, ihr Han­deln zu bagatel­lisieren. Haup­tan­klagepunkt neben etlichen kleineren Tat­en ist der Bran­dan­schlag auf eine Turn­halle im August 2015 in Nauen, die als Unterkun­ft für Geflüchtete genutzt wer­den sollte. Die ras­sis­tis­che Dimen­sion dieser Tat spielt jedoch im Prozess bish­er kaum eine Rolle. Staat­san­waltschaft und Richter hak­en nicht nach, arbeit­en Ide­olo­gie und Motive der Ter­ror­tat­en nicht her­aus. So dro­ht unpoli­tisch und als Ver­fehlung zu wirken, was real hoch­poli­tisch ist.
Alle der sechs Angeklagten beteiligten sich vor und par­al­lel zu ihrer Anschlagsserie im Laufe des Jahres 2015 an den Protesten gegen Flüchtlinge. So liegt es nahe, dass sie ihre Tat­en als mil­i­tan­ten Beitrag zu diesen ras­sis­tis­chen Protesten ver­standen. Der NPD-Kad­er und Haup­tangeklagte Maik Schnei­der mag der Anführer der Gruppe gewe­sen sein – aktiv und getrieben vom Ras­sis­mus waren sie alle.
Im Havel­land gibt es eine regel­rechte Kon­ti­nu­ität des Ter­rors. Schon 1992 zün­de­ten zwei Rechte ein Flüchtling­sheim in Ket­zin an, 44 dort unterge­brachte Men­schen befan­den sich in Lebens­ge­fahr. Am Ende des späteren Prozess­es gegen die Täter erschien dieser Bran­dan­schlag vor allem als eine unpoli­tis­che Hand­lung. Der Richter stellte in sein­er Urteils­be­grün­dung nicht etwa den Ras­sis­mus als zen­trales Tat­mo­tiv her­aus, son­dern die „unbe­friedigte Leben­shal­tung“ der Angeklagten.

Thomas E. - Angeklagter im Nauen-Prozess mit T-Shirt zum Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Soldaten.
Thomas E. — Angeklagter im Nauen-Prozess mit T‑Shirt zum Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Soldaten.

Ein­er der Angeklagten im derzeit­i­gen Nauen-Prozess ist Thomas E., geboren 1986. Bei sein­er Ein­las­sung vor Gericht unter­strich E., dass er kein son­der­lich poli­tisch denk­ender Men­sch sei. An ein­er Mit­glied­schaft in der NPD habe er beispiel­sweise nie Inter­esse gehabt. Vor allem sei er ein langjähriger und loyaler Fre­und des Haup­tangeklagten Maik Schnei­der. Allen­falls habe er mal Fly­er verteilt und nahm an eini­gen Vor­bere­itungstr­e­f­fen für Demon­stra­tio­nen teil. Seinen Farbbeutel­wurf auf ein Büro der Linkspartei erk­lärte er so: Im Anschluss an einen Kneipenbe­such und mit geschätzten acht Hal­blitern Bier und ein paar Schnäpsen im Blut habe er „die Idee mit den Farbbeuteln“ ganz ein­fach „lustig“ gefun­den. In diesem Zus­tand, so E., sei „poli­tis­che Ein­stel­lung nicht rel­e­vant“ gewesen.
Thomas E. ist bei weit­em nicht die Rand­fig­ur, als die er sich darstellt. Er ist ein verurteil­ter Recht­ster­ror­ist, der bei „Freiko­rps Havel­land“ aktiv war. Zwis­chen 2003 und 2004 über­zog die Gruppe die Region mit ein­er Welle ras­sis­tis­ch­er Bran­dan­schläge, um das Havel­land „von Aus­län­dern zu säu­bern“. Ins­ge­samt zehn Anschläge auf Imbisse gin­gen auf ihr Kon­to. Zu den elf ermit­tel­ten Tätern gehörte auch Thomas E. Über min­destens neun Monate war er Mit­glied des „Freiko­rps Havel­land“, an zwei Tat­en war er direkt beteiligt. Wegen Grün­dung und Beteili­gung an ein­er ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gung wurde er 2005 zu ein­er Jugend­strafe von einem Jahr und vier Monat­en zur Bewährung verurteilt.
Auch damals insze­nierte sich Thomas E. als unpoli­tis­che Rand­fig­ur. Nur wegen sein­er Fre­und­schaft zum „Freikorps“-Anführer Christo­pher H. habe er sich an den Anschlä­gen beteiligt – von der Grün­dung der Gruppe habe er eigentlich nichts mit­bekom­men. Er habe seine „Fre­unde“ nicht ver­lieren wollen, deren „recht­es Gesabbel“ aber nicht geteilt. Vor Gericht schenk­te man ihm wei­thin Glauben. E. sei „kein­er fes­ten recht­sex­tremen oder aus­län­der­feindlichen Gesin­nung ver­haftet“, hieß es in der dama­li­gen Urteilsbegründung.
Seit dem Freiko­rps-Prozess sind über zehn Jahre ver­gan­gen. In der Zwis­chen­zeit hat E. sich auch weit­er­hin in der Neon­aziszene herumgetrieben, die ihn auch zu inter­na­tionalen Zusam­menkün­ften von Neon­azis führte. Unter anderem nahm er 2014 an einem Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Sol­dat­en des zweit­en Weltkrieges in Budapest teil, zur Ehrung jen­er, die sich „helden­mütig gegen die bolschewis­tis­che Rote Armee“ einge­set­zt hätten.
Indi­vidu­elle Lebens‑, Alko­hol- und Dro­gen­prob­leme sind keine aus­re­ichen­den Erk­lärun­gen für die Tat­en der Neon­azi-Gruppe – sie alle eint ein ras­sis­tis­ches Welt­bild. Abzuwarten bleibt, ob Richter und Staat­san­waltschaft im laufend­en Nauen-Prozess nach den Beweg­grün­den und poli­tis­chen Werdegän­gen der Angeklagten fra­gen. Die Ide­olo­gie und damit das Motiv der Grup­pen­tat­en gehören offen gelegt.
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Flucht & Migration Gender & Sexualität

Because Love Still Has No Borders

Nach­dem dem Ende des sum­mer of migra­tion und der Schließung der europäis­chen Außen­gren­zen ist ist die Zahl der ank­om­menden, schutz­suchen­den Men­schen in Europa zurück­ge­gan­gen. Die Ursachen hier­für sind nicht etwa, die Lösung der Prob­leme, die die Men­schen dazu treibt alles aufzugeben und zu fliehen, son­dern die Ver­schär­fung der Geset­ze, die Kon­trolle der europäis­chen Außen­gren­zen und das Abkom­men mit der Türkei.
Flüch­t­ende Men­schen wer­den gezwun­gen an Europas Außen­gren­zen in Lagern zu vere­len­den oder ver­suchen auf immer gefährlicheren Routen nach Europa zu gelan­gen und viele ster­ben dabei. Wenn sie es doch nach Deutsch­land schaf­fen wer­den alle Reg­is­ter gezo­gen um ihren Antrag abzulehnen und ihnen das Leben wie die Inte­gra­tion zu erschw­eren: Dublin-III-Abkom­men, der Def­i­n­i­tion von ange­blich sichere Drittstaat­en und Herkun­ft­slän­dern, die Erschwerung des Fam­i­li­en­nachzugs, kaum Zugang und Benachteili­gung auf dem Arbeits­markt, Diskri­m­inierung durch die Behörden.
LGBTIQ*s erwarten noch weit­ere Schwierigkeit­en, so zum Beispiel wenn ver­langt wird, dass sie ihre sex­uelle Aus­rich­tung beweisen, ihre Beziehun­gen und Lebenspart­ner­schaften nicht anerkan­nt wer­den, Sozialarbeiter_innen nicht genü­gend sen­si­bil­isiert sind und den Betrof­fe­nen rat­en ihre Sex­u­al­ität in den Masse­nun­terkün­ften zu ver­ber­gen um Ärg­er mit anderen Bewohner_innen vorzubeu­gen. Teil­weise sind Sozialarbeiter_innen und das BAMF kaum oder gar nicht sen­si­bil­isiert und kön­nen oder wollen bei (sex­u­al­isiert­er) Gewalt, egal ob ver­bal, psy­chisch oder kör­per­lich, nicht eingreifen.
Während LGBTIQ* in vie­len Staat­en nicht nur gesellschaftlich­er Aus­gren­zung, son­dern auch struk­tureller Diskri­m­inierung und staatlich­er Repres­sion aus­ge­set­zt sind, die oft mit Haft, Folter und/oder Mord, min­destens aber mit dem Ver­bot eines Auslebens der eige­nen Sex­u­al­ität ein­her geht, sieht sich Deutsch­land gern in der Rolle des Morala­pos­tels. Doch auch hier gibt es die Aus­gren­zung von Lebensen­twür­fen jen­seits der Het­ero­nor­ma­tiv­ität, sei es die Anerken­nung ein­er Ehe, die Frage ob LGBTIQ*-Paare Kinder haben soll­ten oder über­haupt dür­fen oder die sim­ple Erwäh­nung nicht-het­ero­nor­ma­tiv­er Sex­u­a­len­twürfe im Rah­men des Sexualkundeunterrichts.
Und all dies spiegelt sich im Umgang mit geflüchteten LGBTIQ*s wieder. Während es inner­halb des let­zten Jahres viele Fortschritte auf diesem Gebi­et gab, genan­nt seien hier spezielle Unterkün­fte oder neu geschaf­fene Ver­net­zun­gen, so bleiben doch alte Prob­leme weit­er­hin beste­hen, denn diese Verän­derun­gen betr­e­f­fen primär große Städte und die Ange­bote wer­den von NGOs geschaf­fen. Von staatlich­er Seite hat sich dies­bezüglich nahezu nichts geändert.
Um diesen Prob­le­men sowie der repres­siv­en und diskri­m­inieren­den Asyl­prax­is ent­ge­gen­zutreten, ist eine weit­ere Ver­net­zung von Geflüchteten wie Unterstützer_innen, (Selb­st-) Bil­dung und Sen­si­bil­isierung der Öffentlichkeit für die speziellen Bedürfnisse und Prob­le­men von geflüchteten LGBTIQ*s notwendig. Eben­so unab­d­ing­bar ist es einen Raum zu schaf­fen in dem Betrof­fene Zeit mit anderen Betrof­fe­nen ver­brin­gen kön­nen, unter sich sind und sich aus­tauschen kön­nen, und das nicht nur mit Per­so­n­en aus der gle­ichen Region, son­dern bun­desweit, denn meist sind die Men­schen in ihren Unterkün­ften isoliert und haben nur via Inter­net Kon­takt zu anderen LGBTIQ*s. Aus diesen Notwendigkeit­en und der pos­i­tiv­en Res­o­nanz der Teilnehmer_innen der let­zten Kon­ferenz stand für uns schon schnell fest, dass es ein weit­eres Pro­jekt geben wird. Die Ziele sind iden­tisch mit denen der let­zten Konferenz:
1. (Weit­er-) Bil­dung für Geflüchtete und Unterstützer_innen
2. Ken­nen­ler­nen, Net­zw­erken, Aus­tauschen und Spaß haben
3. Öffentliche Aufmerk­samkeit für die Lage von LGBTIQ*-Geflüchtete schaffen

Ein Schritt weit­er – von der LGBTI-Con­fer­ence zur LGBTIQ*-Conference
Schon let­ztes Jahr erre­icht­en uns von Zeit zu Zeit die Frage warum wir lediglich den Begriff LGBTI statt LGBTIQ* oder eine andere (voll­ständi­gere) Vari­ante nutzen. Dies und auch die jet­zige Änderung wollen wir kurz erk­lären. Wir möcht­en anmerken, dass wir bei weit­em keine Expert_innen sind und auch keinen Anspruch auf einen richti­gen Begriff haben (wollen).
Seit dem Jahr 2014 ken­nen wir LGBTIQ*-Geflüchtete, die aus der Rus­sis­chen Föder­a­tion geflo­hen sind. Inner­halb der Gemein­schaft vor Ort ist die gängige Selb­st­beze­ich­nung LGBT. Wir als Unterstützer_innen emp­fan­den es als anmaßend eine über Jahre gewach­sene und anerkan­nte Selb­st­beze­ich­nung in Frage zu stellen. Da im deutschen Kon­text statt LGBT eher LGBTI ver­wen­det wird, erweit­erten wir in Absprache mit den Betrof­fe­nen die Selb­st­beze­ich­nung LGBT durch das I.
Als wir Ende des Som­mers das Lay­out für die Kon­ferenz 2017 disku­tierten, blieben wir am Begriff hän­gen und erin­nerten uns an den Nachgeschmack aus dem let­zten Jahr keinen wirk­lich umfassenden Begriff gewählt zu haben und somit Men­schen, die wir expliz­it ansprechen woll­ten, schon mit der Über­schrift unbe­ab­sichtigt auszuschließen. Deshalb erweit­erten wir den Begriff noch um Q und * um zu sagen:
Liebe Lesbian‑, Gay‑, Bi‑, Trans‑, Inter‑, Queer- und sich anders definieren­den Men­schen, ihr seid her­zlich zur Refugee-LGBTIQ*-Conference eingeladen!

Inforiot