Mit einer Versammlung am Bismarckturm in Rathenow hat die rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland eV“ am Samstagnachmittag an die Gründung des zweiten Deutschen Reiches vor 146 Jahren erinnert. An der Veranstaltung nahmen acht Personen teil. Symbolisch wurde ein Kranz niedergelegt und ein Redebeitrag durch den Vereinsvorsitzenden gehalten. Während der Zeremonie wurden u.a. eine des Königreichs Preußen (1701–1918) und eine schwarz-weiß-rote Fahne, die sowohl im Kaiserreich von 1871–1918, als auch zum Beginn der NS Diktatur in Deutschland (1933–1935) Staatsflagge war, gezeigt.
AfD auf Distanz zum „Bürgerbündnis“?
Zu der Versammlung am Bismarckturm in Rathenow hatte ursprünglich die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) während einer Kundgebung am Montag, dem 16. Januar 2017, in Potsdam aufgerufen. Parallel dazu wurde auf der Internetseite der „Jungen Alternative Brandenburg“ (JA) zu einer Veranstaltung zum Thema: „146 Jahre Deutschland“ eingeladen. Den genauen Ort und die Zeit wollte die Organisation jedoch nur auf Anfrage mitteilen. Ein bekannter Geschichtsrevisionist war als Referent angekündigt.
Einen Tag nach der Kundgebung der AfD in Potsdam kündigte der Vorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland eV“ während einer Versammlung seiner Organisation in Rathenow ebenfalls eine Veranstaltung zum 146. Jahrestag der Gründung des zweiten deutschen Reiches, als „Reichsgründungsfeier“, an.
Einen Tag vor der geplanten Kundgebung am Samstagnachmittag verkündete die JA dann — überraschender weise — an, Zeit und Ort der Versammlung verlegt zu haben. Die Veranstaltung soll stattdessen, auch unter Beteiligung eines Rathenower AfD Funktionärs, der bisher dem Bürgerbündnis nahe stand, auf einem Friedhof in Berlin-Spandau zelebriert worden sein.
Das „Bürgerbündnis Havelland eV“ blieb in Rathenow hingegen unter sich und zog nur Teilnehmer_innen an, die bisher hauptsächlich auf den regelmäßigen Veranstaltungen dieser Vereinigung anzutreffen waren.
Tradition „Reichsgründungsfeier“
Der Reichsgründungstag erinnert an die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles und der damit assoziierten Errichtung des zweiten deutschen Reiches. Obwohl das Reich bereits am 1. Januar 1871 verfassungsrechtlich gegründet wurde, wurde fortan jedoch die Ausrufung Wilhelm I. zum deutschen Kaiser als offizieller Gründungstag des neuen deutschen Staates zelebriert.
Diese Tradition setzte sich auch während der Weimarer Republik und bis in die Anfangszeit des Nationalsozialismus, des „dritten Reiches“, fort.
Nach 1945 spielte der „Reichsgründungstag“ dann nur noch in politisch rechten Zirkeln und in Burschenschaften eine Rolle.
Die neonazistische NPD und ihre Unterorganisationen veranstalteten in den vergangenen Jahren immer wieder so genannte „Reichsgründungsfeiern“.
Am 18. Januar 2002 sollen beispielsweise ca. 100 Neonazis an einer solchen Feier in Heidesee OT Friedersdorf (Landkreis Dahme-Spreewald) teilgenommen haben. Die Versammlung soll, laut Angaben des Brandenburger Verfassungsschutzes, der zu diesem Zeitpunkt gemeinsame NPD Landesverband Berlin-Brandenburg ausgerichtet haben. Der Geheimdienst sah in der damaligen Feier den Versuch eines Ersatzgedenkens für strafrechtlich relevante Versammlungen zur die Gründung des „dritten Reiches“ (30. Januar 1933).
Fotos: hier
Im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten ist es der rechten Szene in Cottbus in den letzten zwei Jahren nicht gelungen, einen Pegida-Ableger zu etablieren. Umso mehr sind jetzt viele von dem martialischen rechten Aufmarsch am Freitag den 13. Januar 2017 überrascht und fordern Aufklärung. Dazu soll im Folgenden beigetragen werden.
Was ist passiert?
Am Freitag versammeln sich kurz vor 22 Uhr etwa 120 Personen vor dem Landgericht Cottbus. Sie sind einheitlich schwarz gekleidet, tragen Sturmmasken und führen ein Banner mit der Aufschrift „Cottbus verteidigen!“ mit sich. Die Vermummten ziehen von der Gerichtsstraße über die Sandower Straße und den Altmarkt in die Einkaufsmeile Spremberger Straße. Der Marsch führt direkt an der Synagoge am Schloßkirchplatz vorbei. An der Spitze des Zugs sind während des Aufmarsches rote Bengalfackeln entzündet.
Gerufen werden die Parolen „Hier marschiert die deutsche Jugend“, „Widerstand“ und „Nafris raus“, Flyer mit der Überschrift „Cottbus Nafrifrei“ auf den Boden geworfen. Es gibt eine Ordnerstruktur und mehrere Personen, die filmen. Am Spremberger Turm teilt sich der Zug auf und die Neonazis verschwinden in Autos. Die Polizei wird von AnwohnerInnen alarmiert und kann im Umfeld nur drei Personen im Alter von 39 bis 41 Jahren feststellen, die sie der rechtsextremen Szene zuordnet.
Wer steckt hinter dem Aufmarsch?
Durch die Vermummung, die fehlende Anmeldung und den Verzicht auf Fahnen ist nicht offensichtlich, wer hinter dem Aufmarsch steckt. Das internationale Rechtsaußenportal „Breitbart News“ schreibt schlicht von „masked Germans“, aber etwas genauer darf es schon sein. Brandenburgs Innenminister Schröter (SPD), die Polizei und diverse Lokalmedien haben sich hier bereits versucht. Die Interpretationen gehen — richtigerweise — in Richtung Identitäre, Spreelichter und die rechte Fußballfanszene von Energie Cottbus. In der Lausitzer Rundschau legen sich „Szenekenner“ allerdings anderweitig fest:
„Mitglieder der vor Jahren verbotenen Neonazigruppe ‚Spreelichter‘ als Urheber der jüngsten Aktion in Cottbus halten Szenekenner für unwahrscheinlich, ebenso eine Verbindung zur neurechten ‚Identitären Bewegung‘, die oft mit dem Begriff ‚verteidigen‘ operiert. Diese zahlenmäßig sehr kleine, eher intellektuelle Gruppe hatte bisher ihre Aktionen immer mit einem klaren öffentlichen Bekenntnis verbunden. Ende August 2016 hissten sie Banner am Brandenburger Tor. Vermummte, anonyme Versammlungen passen, so die Einschätzung aus Sicherheitskreisen, nicht zum Selbstverständnis der Gruppe.“
Ein Eindruck ergibt sich bei der Betrachtung der Veröffentlichungen zu dem Aufmarsch. Die ersten Bilder werden von dem Nutzer „cb_nafrifrei“ um 23:30 bei reddit.de online gestellt. Um 23:49 wird auf der Facebookseite von „Ostthüringen unzensiert“ exklusiv ein Video veröffentlicht, das auf Höhe der ADAC-Geschäftsstelle in der Spremberger Straße aufgenommen wurde. Um 00:24 veröffentlicht der User „down_my_couch“ ein Video auf Twitter, mit einem Blickwinkel aus Richtung der Synagoge am Schloßkirchplatz. Der Kommentar „Weiß wer, wie viele das waren?“ soll den Eindruck erwecken, dass der User ein Unbeteiligter ist. Dieses Material wird am nächsten Morgen über rechte Twitter- und Facebook-Accounts weiterverbreitet, etwa „Asylhütte in Potsdam — Kannste knicken!“, „Heidenau zeigt wie’s geht“ und „Asylhütte in Ketzin — Kannste knicken!“.

Die zeitliche Nähe und die exklusive Veröffentlichung der Bilder und Videos von Gruppen aus anderen Städten und Regionen legen den Schluss nahe, dass dahinter eine überregional vernetzte Struktur steckt. Im extrem rechten Spektrum von Cottbus kommen dafür die NPD und das verbotene Spreelichter-Netzwerk in Frage. Weil die NPD Cottbus sich erst relativ spät auf ihrer Facebookseite äußerte, und sich außerdem von der Aktion wenig begeistert zeigte, kann sie wohl ausgeschlossen werden.

Interessant ist, dass auf der Facebookseite des neonazistischen Modelabels „Black Legion“ am Samstag ebenfalls Bilder vom Aufmarsch an der Oberkirche und am Spremberger Turm veröffentlicht wurden, die bis dahin nicht im Umlauf waren. Die Modemarke wird von einem Neonazi vertrieben, der sich bei Facebook „Tom Rausch“ nennt. In Cottbus läuft der Verkauf über den neonazistischen „Devils Right Hand Store“ von Martin Seidel. Auf seiner Facebookseite bekennt sich Rausch zum Spreelichter-Netzwerk und zeigt seine Ablehnung gegenüber dem „Staatskonstrukt“ NPD. Der Post zum Aufmarsch auf der Facebookseite von „Black Legion“ wird gelöscht, kurz nachdem er bei „Laut gegen Nazis“ thematisiert wird. Auf der privaten Facebookseite von Rausch ist er weiterhin sichtbar.

„Defend Cottbus“ – Das Motto für den Ausnahmezustand
Der Spruch auf dem Fronttransparent „Verteidigt Cottbus!“ ist die deutsche Übersetzung von „Defend Cottbus“. Aufkleber mit diesem Slogan werden massiv seit Juli 2016 in Cottbus und Umgebung verklebt. Auch im Zusammenhang mit dem Überfall auf den Club Chekov am 23. September 2016 tauchten die Aufkleber auf. Entworfen und verbreitet werden diese maßgeblich über eine Struktur, die sich auf Instagram mit dem Profil „Unser_Ursprung“ präsentiert. Die dort oft erstmals veröffentlichten Grafiken werden sowohl von AnhängerInnen der Identitären als auch von zahlreichen Neonazis für ihre Social-Media-Profile verwendet. Auch „Tom Rausch“ posiert auf seiner Facebookseite mit einem „Defend Cottbus“ Aufkleber.



Die Art der Vernetzung, der grafische Stil und die verwendete Sprache des Profils „Unser_Ursprung“ lassen auf den Grafikdesigner Marcel Forstmeier schließen. Der Lübbenauer war bis zum Verbot 2012 ein Organisator und Kopf des Spreelichter-Netzwerks. Forstmeier hat am 21. Dezember 2016 vor dem Kanzleramt in Berlin die neurechte Kundgebung von „Ein Prozent“ (unter den Teilnehmern Alexander Gauland, Björn Höcke und Götz Kubitschek) abfotografiert. Ein Bild aus seiner Position wurde später auch auf der Instagram-Seite von „Unser_Ursprung“ veröffentlicht. Auf einem Bild sind beim genauen Blick seine Hände wiederzuerkennen.
Der Cottbusser Masken-Aufmarsch ist Teil einer Kampagne, um Cottbuser Neonazis in eine Art Kampfmodus zu versetzen – die Marke „Defend Cottbus“ beziehungsweise „Verteidige Cottbus“ soll als Kürzel dieser Kampagne etabliert werden. Ein Resultat: in den letzten Monaten wurden immer wieder Personen, die nicht ins rechte Weltbild passen, angegriffen. Gleichzeitig werden Straftaten durch vermeintliche Ausländer oder Flüchtlinge besonders stark ausgeschlachtet, um der rassistischen Paranoia Nahrung zu geben. Paradoxerweise freut sich der Twitter-User „down_my_couch“ über die erhöhte Polizeipräsenz, obwohl sich diese vor allem gegen ihn und seine Kameraden richtet.
Bürgerlichkeit und Straßenterror
Die Neonazis fahren nicht nur eine Strategie des Straßenterrors zur Einschüchterung politischer GegnerInnen in Cottbus, sondern zudem eine Art Kuschelkurs mit „Zukunft Heimat e.V.“ im Spreewald. Dieser Verein hat seit Ende 2015 gegen die Unterbringung von Flüchtlingen mobil gemacht. Mit 500 Teilnehmern am 31. Oktober 2015 in Lübbenau richtete der Verein eine der größten rechten Demonstrationen in Brandenburg der letzten Jahre aus.

Marcel Forstmeier und das Spreelichter-Netzwerk versuchte sich bei diesen asylfeindlichen Demonstrationen zwar im Hintergrund zu halten. Eine Nähe gibt es dennoch. Seitdem dieser Zusammenhang öffentlich gemacht wurde, führt der Verein Aktionsformen wie Fahrradkorsos für Radwege und ähnliche Themen durch. Auf diese Weise wollen die Vereinsvorsitzenden Christoph Berndt, Anne Haberstroh und der AfD-Bürgermeisterkandidat Marian von Stürmer vermutlich das Brandzeichen einer für das neonazistische Spektrum offenen Organisation loswerden. Dass die Verbindung zu Marcel Forstmeier und dem Spreelichter-Netzwerk anhält, zeigt das gemeinsame Auftreten von Neonazi Forstmeier und Zukunft-Heimat-Vorsitzender Haberstroh im Umfeld der Blockade der CDU-Zentrale in Berlin durch Mitglieder der Identitären am 21. Dezember 2016.

Während Marcel Forstmeier den Polizeieinsatz abfilmte, stand Anne Haberstroh am Rand und beobachtete die Szenerie. Bereits im September 2016 besuchten die beiden eine Veranstaltung des rechten Compact-Magazins in Berlin. Auf dem Podium saß neben Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek und Martin Sellner auch der Identitären-Aktivist Robert Timm. Dieser studiert und wohnt in Cottbus und hat sich über seinen Twitteraccount „Schinkel_IB“ positiv zum Cottbusser Masken-Aufmarsch geäußert. Dass er und andere identitäre Strukturen an der Organisation und Durchführung direkt beteiligt waren, lässt sich bisher nicht feststellen.
Fazit
Die Frage, ob der Naziaufmarsch am 13. Januar 2017 auf das Konto rechter Fußballfans, der Spreelichter oder der Identitären geht, führt in die Irre. Zwischen diesen Strukturen der rechten Szene gibt es zu große ideologische und personelle Überschneidungen. Sie arbeiten zusammen, weil das aktuelle politische Klima ihnen Erfolge verspricht. Vor allem die „Spreelichter“ und die Anführer der Gruppe „Inferno Cottbus“ sind schon seit Beginn ihres Bestehens sehr stark verbunden. Trotz Stadionverbotes bestimmt „Inferno“ immer noch maßgeblich die Stimmung in der Fanszene des FC Energie. Der Rückgriff von Forstmeier und dem Spreelichter-Netzwerk auf Symbole und Themen der Identitären bietet ihnen die Möglichkeit, in anderem Gewand die bis zu ihrem Verbot verfolgte Strategie eines popkulturell vermarkteten Faschismus fortzusetzen. Um ein möglichst breites Spektrum zu erreichen und eine möglichst große Wirkung zu erzielen, changieren sie dabei zwischen sehr unterschiedlichen Aktionsformen.
Potsdam — Die beim Verein Opferperspektive e.V. angesiedelte
Antidiskriminierungsberatung eröffnete heute ein Beratungsbüro für
Betroffene von rassistischer Diskriminierung. In einem Pressegespräch
stellte der Verein die Arbeit des Beratungsbüros vor und Ursula Löbel,
Leiterin der Servicestelle „Tolerantes und Sicheres Potsdam“ überreichte
den Förderbescheid.
„Mit dem Beratungsbüro bieten wir Betroffenen von rassistischer
Diskriminierung aus Potsdam einen leichteren Zugang zu Beratungs- und
Unterstützungsmöglichkeiten an. Außerdem können wir uns intensiver an
den örtlichen Aktivitäten gegen Rassismus beteiligen. Als vor allem
landesweit tätige Organisation beschreiten wird damit einen neuen Weg“,
so Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive.
Während des Gespräches betonte Ursula Löbel, dass die Unterstützung
eines lokalen Beratungsbüros dazu beiträgt, die Selbstverpflichtung der
Landeshauptstadt Potsdam im Rahmen der Europäischen Städtekoalition
gegen Rassismus umzusetzen, Opfer von Rassismus besser zu unterstützen.
Das Büro befindet sich in den Räumen des Vereins Opferperspektive in der
Rudolf-Breitscheid-Str. 164 in Potsdam-Babelsberg.

Blum (Mitarbeiterin BleibNet ProQuali), Ursula Löbel (Leiterin der
Servicestelle Tolerantes und Sicheres Potsdam), Marcus Reinert (Berater
Antidiskriminierungsberatung)
Beratungstermine können telefonisch unter 0331 – 58 10 76 76 oder per
E‑Mail unter antidiskriminierung@opferperspektive.de vereinbart werden.
Kontakt: Marcus Reinert, 0175 – 211 58 28
INFORIOT Die Rede von Björn Höcke [1] in dieser Woche in Dresden, in der er das Berliner Holocaust-Mahnmal als “Denkmal der Schande” bezeichnete, ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Mit der Erinnerung an nationalsozialistische Verbrechen haben so manche, die heute für die AfD Politik machen, so ihre Probleme. Einer von ihnen ist Steffen Königer, der seit den Wahlen 2014 als Abgeordneter für die AfD im Landtag sitzt. Der ehemalige Junge-Freiheit-Autor hat ein parteipolitisches Vorleben. Unter anderem war er 1999 Mitglied der rechtspopulistischen Partei Bund Freier Bürger (BfB). Im gleichen Jahr trat er als Direktkandidat für diese Partei bei den Landtagswahlen an.
Offenbar war er auch auf der Straße aktiv. Der Bund freier Bürger machte — wie zahlreiche Neonazis und extrem Rechte, darunter der inzwischen wegen Holocaustleugnung vielfach verurteilte Neonazi Horst Mahler — gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und das damals in der Planungsphase befindliche Denkmal für die ermordeten Juden Europas mobil.

Fotos zeigen Königer, wie er am 19. Juni 1999 vor der Neuen Wache Unter den Linden in Berlin bei einer BfB-Demonstration gegen das Mahnmal aufmarschiert. Mit von der Partie sind auch die Berliner Neonazifunktionäre René Bethage und Andreas Storr. Es werden Schilder hochgehalten mit den Parolen “Damals SA heute Antifa” und “Holocaust-Denkmal NEIN!!!”.
Die Agitation gegen das Holocaust-Mahnmal war ein geschichtspolitischer Schwerpunkt von Königers BfB. Auf einem Flugblatt wurde polemisch gefragt: “Deutsche, wollt ihr ewig zahlen?”. Ein angeblicher “Machtanspruch jüdischer US-Organisationen” wurde in der Schrift beklagt.
Auch wenn die Tätigkeiten von Königer gegen ein Holocaustgedenken in Berlin eineinhalb Jahrzehnte zurückliegen — das Bild, welche geschichtspolitischen Hintergründe in der AfD zu finden sind, verdichtet sich durch diese Episode. Von Königers Brandenburger Fraktionskollegen Andreas Kalbitz sind ebenfalls harsche Zitate bekannt. In der extrem rechten Zeitschrift „Fritz“ schrieb Kalbitz 2003 über einen „Bewußtseinsethnozid in den Köpfen der bundesrepublikanischen Jugend“. Die Erinnerung an Nazi-Verbrechen sei eine „Verständnisimplantation von 12 Jahren als 99% deutscher Geschichte“.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland verteidigt aktuell die Rede Höckes zum Mahnmal. Gegenüber der DPA sagte er: „Björn Höcke hat in keiner Weise Kritik an der Erinnerung an den Holocaust geübt.“ Wenn Höcke darauf hinweise, dass die Leistungen der deutschen Geschichte im öffentlichen Diskurs oftmals „unter der Erinnerung an diese zwölf Jahre“ verschwänden, sei dies für ihn nachvollziehbar.
Gauland zeigte schon im vergangenen Jahr erstaunlich offen, wie er selbst die nationalsozialistischen Verbrechen einordnet; wen oder was er als die eigentlichen Opfer des Nationalsozialismus ansieht. Im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit im April 2016 befand er, dass “Auschwitz, auch als Symbol, viel in uns zerstört hat”. Der Redakteur fragt zurück: “Waren es nicht wir, die da etwas zerstört haben?”. Gauland: “Richtig, eber es ist dabei viel mehr kaputtgegangen (…) Der Nationalstolz (…) ist doch bei uns enorm hinterfragt.” Das deutsche Nationalbewusstsein ist für Gauland nicht eine leitende Idee des industriellen Judenmordes. Sondern das Nationalbewusstein sei dadurch beschädigt worden, die Deutschen erscheinen als die eigentlichen Opfer der Nazis: “Hitler hat den Deutschen das Rückgrat gebrochen”.
[1] Eine ausführliche Analyse der NS-Rhetorik von Höcke findet sich im Text von Andreas Kemper im AIB 113 (4.2016)
Das rechte „Bürgerbündnis Havelland”, welches in Rathenow regelmäßig Versammlungen und Aktionen durchführt, hat sich als eingetragener Verein neuformiert. Eine entsprechende Eintragung findet sich im Vereinsregister des Amtsgerichtes Potsdam.
Der Name der Vereinigung lautet nunmehr „Bürgerbündnis Havelland e.V.“ und ist in Rathenow ansässig. Als Vorsitzender fungiert der bisher presserechtlich Verantwortliche, Christian Kaiser. Zwei weitere Personen werden als Kassenwart und stellvertretender Vorsitzender benannt. Die Satzung ist nicht öffentlich zugängig. Die nach wie vor aktive Socialmedia-Seite des rechten Bürgerbündnisses benennt jedoch die deutschnationale Grundeinstellung der Vereinigung: „Aus Liebe zum Deutschen Volk. Aus Liebe zur Deutschen Heimat. Aus Liebe zu Deutschland.“
Während im Internet noch immerhin 689 Socialmedia-Profile mit der seit Oktober 2015 existierenden Gruppierung sympathisieren, nehmen an den regelmäßigen Versammlungen kaum mehr als 30 reale Personen teil. Bei der letzten Kundgebung am 17. Januar 2017 waren es sogar nur 20.
Dennoch sieht sich das „Bürgerbündnis“, nach wie vor, als lokale Speerspitze des „Widerstandes“ gegen die momentane Bundesregierung. Der Vereinsvorsitzende kündigte bei der letzten Kundgebung, trotz sinkenden Interesses an seinen Versammlungen, auch weitere regelmäßige Aktionen und Veranstaltungen, mindestens bis zur Bundestagswahl am 17. September 2017, an. Aus seiner Sympathie für die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) machte er dabei ebenfalls keinen Hehl. Erst am Montagabend nahm Kaiser an einer Versammlung der AfD-Potsdam teil.
Fotos der Versammlung vom 17.01: hier
An einer Versammlung der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in Potsdam beteiligten sich am Montagabend zwischen 80 und 100 Personen. Die halbstündige Kundgebung auf dem Johannes-Kepler-Platz stand unter dem Motto: „30 Minuten für Deutschland“. Hauptredner war der AfD Fraktionsvorsitzende im Mecklenburgischen Landtag, Leif-Erik Holm. Neben Parteifunktionären aus der brandenburgischen Kommunal- und Landespolitik nahmen auch Sympathisant_innen der rechten Vereinigungen „Bürgerbündnis Havelland“ und „PEGIDA Havelland“ sowie ein ehemaliger Pressesprecher von POGIDA an der Kundgebung teil.
Proteste
Der AfD Kundgebung entgegen standen am Montagabend ungefähr 200 Menschen, die offenbar den Protestaufrufen des zivilgesellschaftliche Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ oder von Antifa-Gruppen folgten. Der lautstarke Protest der Gegendemonstrant_innen verteilte sich an drei Punkten in Hör- und Sichtweite zur Versammlung der blauen Partei. AfD Kundgebung und Gegenveranstaltungen wurden jedoch teilweise recht weiträumig polizeilich getrennt, was nur zu vereinzelten verbalen Konfrontationen führte. Besonders heikel schien sich lediglich der polizeilich gesicherte Abzug der ehemaligen Kundgebungsteilnehmer_innen vom Johannes-Kepler-Platz durch die Reihen der Gegendemonstrant_innen in der Galileistraße zu gestalten. Aber auch hier blieb Auseinandersetzung auf verbaler Ebene beschränkt.
Antifa-Spontandemo
Spontan formierte sich jedoch noch ein antifaschistischer Demonstrationszug mit bis zu 100 Teilnehmer_innen, der unter dem Motto: „Keine Toleranz für Rassist*innen“ durch die östlichen Wohngebiete Potsdams lief. Wie später bekannt wurde, soll der Aufzug auch an Wohnungen von bekannten AfD-Funktionären Halt gemacht haben.
Weitere AfD Versammlungen geplant
Laut Ankündigung, will die Alternative für Deutschland am 13. Februar 2017 eine weitere Kundgebung auf dem Johannes-Kepler-Platz in Potsdam abhalten. Darüber wurde auch noch auf weitere Veranstaltungen in Rathenow (21. Januar 2017) und Finsterwalde (16. Februar 2017) hingewiesen.
Fotos: hier
Halbzeit im Nauener Prozess
Der seit Ende November am Landgericht Potsdam verhandelte Prozess um eine Gruppe Brandenburger Neonazis um den NPD-Politiker Maik Schneider (29) befindet sich in der Halbzeit. Den sechs angeklagten Männern wird neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung auch schwere Brandstiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Seit 2015 sollen sie unter anderem ein Auto in Brand gesteckt, eine Zylinderbombe gezündet sowie schließlich in der Nacht zum 25. August eine Turnhalle niedergebrannt haben, die als Flüchtlingsunterkunft vorgesehen war. (bnr.de berichtete)
Die Taten verursachten Schäden in Millionenhöhe. Organisiert hatten sich die Neonazis über eine WhatsApp-Gruppe namens „Heimat im Herzen“, als ihr Kopf gilt NPD-Mann Schneider, der deswegen auch als Rädelsführer der Neonazi-Zelle angeklagt ist. Die Polizei hob die Gruppe Anfang 2016 aus und nahm mehrere Personen in Untersuchungshaft. (bnr.de berichtete)
Mitangeklagte belasten NPD-Mann
Zum Auftakt im November belasteten mehrere Mitangeklagte den NPD-Politiker Schneider schwer. Der 33-jährige Sebastian F. ließ über seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er sich geständig zeigte und beschrieb, wie er auf Schneiders Initiative und mit dessen Wagen Fässer mit Öl und Benzin zur Turnhalle schaffte. Dort sollen die Gegenstände zusammen mit Autoreifen und Holzpaletten gestapelt worden sein, ebenfalls nach den Anweisungen Schneiders. Beim Entfachen des Feuers sei F. aber nicht mehr vor Ort gewesen. Nach der Tat habe NPD-Mann Schneider mit der Tat geprahlt und F. für seine Mithilfe gelobt.
Auch Christian B. (32) erklärte, die Idee und Vorbereitungen zur Tat seien von Schneider gekommen. Er habe beobachtet, wie dieser, F. und Dennis W. (29) das Auto mit brennbaren Gegenständen beladen hätten, bis er von Schneider aufgefordert worden sei, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren, um nach der Polizei Ausschau zu halten, was B. auch tat. Andere Angeklagte äußerte sich am ersten Prozesstag ähnlich und zeigten sich geständig, bestritten aber allesamt ein politisches Motiv.
„Signal“ gegen geplante Flüchtlingseinrichtung
Obwohl die meisten Mitangeklagten in der rechtsextremen Szene der Region verankert sind, wurde medial vielfach das Bild vermittelt, die Männer seien unpolitische, gescheiterte Existenzen, die von Schneider mehr oder weniger „verführt“ wurden. Allerdings liegt das wohl auch am Gericht, das in der Hinsicht selbst nicht sonderlich bemüht ist, dieser Legende auf den Grund zu gehen.
Schneider selbst äußerte sich erst später am Tag und teilweise geständig. Allerdings nannte er den Brand einen „Unfall“. In einer „spontanen Idee“ wollte er Reifen vor der Unterkunft anzünden, als ein „Signal“ gegen die geplante Flüchtlingseinrichtung. Die Fassade sollte lediglich verrußt werden, so der 29-Jährige, denn immerhin sei sie „Volkseigentum“. Zudem sei er angeblich „ein Freund von Asylbewerbern“. Von langer Hand geplant, wie es seine Mitangeklagten behaupteten, sei die Tat nicht begangen worden. Fast zwei Stunden schwadronierte der Hauptangeklagte, wich immer wieder vom Thema ab.
Befangenheitsanträge gegen Schöffen
Kurzzeitig stand der Fortgang des Prozesses auf der Kippe. Schneiders unglaubwürdige Geschichte ließ einen Schöffen dazu verleiten, ihn zu fragen: „Bilden Sie sich ein, dass einer den Quatsch glaubt, den sie hier von sich geben?“ Nicht nur Schneider protestierte, auch Richter Theodor Horstkötter zeigte sich sichtlich irritiert. Es folgten Befangenheitsanträge gegen den Schöffen und die Kammer, die von manchen Juristen in verschiedenen Medien als durchaus erfolgversprechend eingeschätzt wurden. Es hätte den Abbruch des gesamten Prozesses zur Folge gehabt. Allerdings entschied das Landgericht, die Anträge abzulehnen und die Verhandlung fortzusetzen.
Mitte Dezember war der fünfte und bislang letzte Verhandlungstag. Da sich der Prozess unter anderem wegen mehrere Befangenheitsanträge aber auch durch die umfangreichen Vorkontrollen in die Länge zog, kam der 27-jährige Christopher L. unter Meldeauflagen aus der Untersuchungshaft frei. Die anderen beiden, Maik Schneider und Dennis W. bleiben jedoch weiterhin in Haft. Zudem kamen Ermittler vom Landeskriminalamt als Zeugen zu Wort. Sie präsentierten Überwachungsvideos, die unter anderem Maik Schneiders PKW mehrfach in der Nacht aufgezeichnet auf dem Weg zur Turnhalle aufgezeichnet hatten. Mittlerweile versucht Schneider das Verfahren in die Länge zu ziehen, stellte selber Beweisanträge und will mehrere Zeugen vorladen lassen, darunter den Brandenburger NPD-Politiker Frank Kittler, fraktionsloser Kreistagsabgeordneter im Havelland.
Prozess bis Februar verlängert
Unterdessen gerieten auch zwei Frauen aus dem Umfeld der Angeklagten in den Fokus der Staatsanwaltschaft. Schneiders ehemalige Freundin (22) hatte in ihrer Vernehmung zugegeben, die Paletten für den Anschlag auf die Turnhalle besorgt zu haben. Sie sagte bereits in der Verhandlung als Zeugin aus und berichtete von Drohungen aus der rechtsextremen Szene in Nauen. Sogar Flugblätter mit ihrem Gesicht und einem Davidstern seien anonym in der Stadt verbreitet worden. Auch der Angeklagte B. wurde bedroht, fand nach dem ersten Prozesstag an seinem Auto einen Zettel, auf dem „Verräter“ stand. Eine 23-Jährige ist unterdessen bereits wegen Beihilfe zur Brandstiftung angeklagt, weil sie Brennstoff für den Brandanschlag auf das Auto beschafft haben soll. Der Prozess ist schon für März terminiert.
Der Verhandlung gegen die sechs Neonazis wird am 5. Januar fortgesetzt und sollte eigentlich im gleichen Monat enden, wurde nun aber aufgrund der Verzögerungen bis in den Februar verlängert.
Zur Notwendigkeit von cis-Typen-freien Räumen zur Selbstreflexion und als Empowerment
Gegenwärtig veranstalten wir eine Tour unter dem Namen “Skills for Intervention”, in deren Rahmen Veranstaltungswochenenden in verschiedenen Städten Brandenburgs stattfinden. Es geht primär darum FrauenLesbenTransInter zu empowern und ihnen Räume zu eröffnen, in denen sie sich trauen Dinge auszuprobieren, die in der weiblichen Sozialisation klassischerweise nicht erlernt werden und/oder nicht zu den gesellschaftlichen Vorstellungen passen, „wie eine Frau zu sein hat“. Hierzu gehören insbesondere technische Fähigkeiten, wie sie bei diversen praxisorientierten Workshops erlernt werden können, oder aber selbstbewusstes Auftreten und das Aufzeigen von Grenzen, wie zum Beispiel im Workshop zum Veranstaltungs- und Projektschutz.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ohne cis-männliche# Präsenz und Blicke die Hemmschwelle, zu sich zu stehen und sich auszuprobieren, viel geringer ist. Außerdem gibt es Workshops, in denen es um den Austauschen über Erfahrungen mit Sexismus und mit sexualisierter Gewalt geht. Hierfür ist es notwendig, sicherere Räume zu schaffen. Meistens sind cis-Männer diejenigen, von denen sexualisierte Gewalt ausgeht, weswegen ihr Ausschluss für die Schaffung von Schutzräumen bei diesen Themen wichtig ist.
Wir finden es wichtig, sich an einigen Punkten solche geschützten Räume (auch gegen Widerstand) anzueignen, um im Anschluss, durch den Austausch und das Empowerment untereinander gestärkt, wieder herauszutreten.
Unter einem System, dass alle Menschen in nur zwei Kategorien, nämlich “Mann” und “Frau”, einteilt und diesen ganz bestimmte Eigenschaften zuschreibt, leiden natürlich auch cis-Männer. Denn auch ihnen will dieses System vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen und wie sie aussehen müssen, was sie gut können und was sie auf gar keinen Fall tun dürfen. Allerdings können wir dabei nicht vergessen, dass dieses System eben im Ungleichgewicht zugunsten von cis-Männern besteht: alles was mit Vorstellungen von Männlichkeit verknüpft wird, ist höher bewertet oder besser bezahlt. Daher haben cis-Männer, trotz ihrer eigenen Betroffenheit von Sexismus, eben auch Privilegien inne. Und auch sich selbst als feministisch bezeichnende cis-Männer können (unbewusst) patriarchale Strukturen reproduzieren und dadurch anwesende FrauenLesbenTransInter einschränken.
Daher begrüßen wir es sehr, wenn sich cis-Typen intensiv mit der ihnen zugewiesenen Geschlechterrolle sowie den sich daraus ergebenden Einschränkungen und Privilegien beschäftigen und finden Workshops zu z.B. kritischer Männlichkeit eine prima Sache. Aber wir als Frauen*-Gruppe haben keine Lust, solch einen Workshop für cis-Männer zu organisieren. Einmal, weil ein Teil der weiblichen Sozialisation die Zuschreibung der Pflegerolle ist („Frauen kümmern sich“) und wir diese nicht ständig reproduzieren wollen. Andererseits erwarten wir von kritischen cis-Männern, dass sie sich selbst ihre Räume schaffen und sich selbst um ihre Reflexion kümmern. Wir vermitteln gerne Kontakt zu Menschen, die solche Workshops zu kritischer Männlichkeit anbieten, aber wir werden das nicht organisieren. Weil Sexismus uns alle betrifft, sollten wir uns auch alle damit auseinandersetzen und diese Auseinandersetzung nicht wieder denen überlassen, die stärker davon betroffen sind.
Wir haben den Sexismus in dieser Gesellschaft noch lange nicht überwunden und solange das so ist, wollen und brauchen wir unbedingt cis-Typen-freie Räume und mehr wirklich kritische cis-Männer! YEAH!
#cis bezeichnet das Gegenteil von trans und meint, dass eine Person das Geschlecht haben möchte, das ihr bei der Geburt zugeschrieben wurde.
Mit dem * wollen wir deutlich machen, dass die jeweils markierten Bezeichnungen alle diejenigen meinen, die sich selbst in ihnen verorten.

Mehr Infos zur Workshopreihe findet ihr unter www.fabb.antifa.cc/
P.S. Das queer_topia*Workshop-Kollektiv bietet z.B. Workshops zu Kritischer Männlichkeit an
Die Angeklagten im Nauen-Prozess versuchen, sich als größtenteils unpolitisch darzustellen. Dabei handelt es sich um organisierte Neonazis, einer von ihnen ist sogar ein vorbestrafter Rechtsterrorist.
Nur aus dem Suff heraus, aus Frust, ohne große Ideen dahinter und bestimmt nicht aus Rassismus – wortreich versuchen die Neonazis aus Nauen und Umgebung, ihre Taten kleinzureden. Fast alle der sechs Männer, die zurzeit vor dem Landgericht Potsdam unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt sind, bemühen sich, ihr Handeln zu bagatellisieren. Hauptanklagepunkt neben etlichen kleineren Taten ist der Brandanschlag auf eine Turnhalle im August 2015 in Nauen, die als Unterkunft für Geflüchtete genutzt werden sollte. Die rassistische Dimension dieser Tat spielt jedoch im Prozess bisher kaum eine Rolle. Staatsanwaltschaft und Richter haken nicht nach, arbeiten Ideologie und Motive der Terrortaten nicht heraus. So droht unpolitisch und als Verfehlung zu wirken, was real hochpolitisch ist.
Alle der sechs Angeklagten beteiligten sich vor und parallel zu ihrer Anschlagsserie im Laufe des Jahres 2015 an den Protesten gegen Flüchtlinge. So liegt es nahe, dass sie ihre Taten als militanten Beitrag zu diesen rassistischen Protesten verstanden. Der NPD-Kader und Hauptangeklagte Maik Schneider mag der Anführer der Gruppe gewesen sein – aktiv und getrieben vom Rassismus waren sie alle.
Im Havelland gibt es eine regelrechte Kontinuität des Terrors. Schon 1992 zündeten zwei Rechte ein Flüchtlingsheim in Ketzin an, 44 dort untergebrachte Menschen befanden sich in Lebensgefahr. Am Ende des späteren Prozesses gegen die Täter erschien dieser Brandanschlag vor allem als eine unpolitische Handlung. Der Richter stellte in seiner Urteilsbegründung nicht etwa den Rassismus als zentrales Tatmotiv heraus, sondern die „unbefriedigte Lebenshaltung“ der Angeklagten.

Einer der Angeklagten im derzeitigen Nauen-Prozess ist Thomas E., geboren 1986. Bei seiner Einlassung vor Gericht unterstrich E., dass er kein sonderlich politisch denkender Mensch sei. An einer Mitgliedschaft in der NPD habe er beispielsweise nie Interesse gehabt. Vor allem sei er ein langjähriger und loyaler Freund des Hauptangeklagten Maik Schneider. Allenfalls habe er mal Flyer verteilt und nahm an einigen Vorbereitungstreffen für Demonstrationen teil. Seinen Farbbeutelwurf auf ein Büro der Linkspartei erklärte er so: Im Anschluss an einen Kneipenbesuch und mit geschätzten acht Halblitern Bier und ein paar Schnäpsen im Blut habe er „die Idee mit den Farbbeuteln“ ganz einfach „lustig“ gefunden. In diesem Zustand, so E., sei „politische Einstellung nicht relevant“ gewesen.
Thomas E. ist bei weitem nicht die Randfigur, als die er sich darstellt. Er ist ein verurteilter Rechtsterrorist, der bei „Freikorps Havelland“ aktiv war. Zwischen 2003 und 2004 überzog die Gruppe die Region mit einer Welle rassistischer Brandanschläge, um das Havelland „von Ausländern zu säubern“. Insgesamt zehn Anschläge auf Imbisse gingen auf ihr Konto. Zu den elf ermittelten Tätern gehörte auch Thomas E. Über mindestens neun Monate war er Mitglied des „Freikorps Havelland“, an zwei Taten war er direkt beteiligt. Wegen Gründung und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung wurde er 2005 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung verurteilt.
Auch damals inszenierte sich Thomas E. als unpolitische Randfigur. Nur wegen seiner Freundschaft zum „Freikorps“-Anführer Christopher H. habe er sich an den Anschlägen beteiligt – von der Gründung der Gruppe habe er eigentlich nichts mitbekommen. Er habe seine „Freunde“ nicht verlieren wollen, deren „rechtes Gesabbel“ aber nicht geteilt. Vor Gericht schenkte man ihm weithin Glauben. E. sei „keiner festen rechtsextremen oder ausländerfeindlichen Gesinnung verhaftet“, hieß es in der damaligen Urteilsbegründung.
Seit dem Freikorps-Prozess sind über zehn Jahre vergangen. In der Zwischenzeit hat E. sich auch weiterhin in der Neonaziszene herumgetrieben, die ihn auch zu internationalen Zusammenkünften von Neonazis führte. Unter anderem nahm er 2014 an einem Gedenkmarsch für deutsche und ungarische Soldaten des zweiten Weltkrieges in Budapest teil, zur Ehrung jener, die sich „heldenmütig gegen die bolschewistische Rote Armee“ eingesetzt hätten.
Individuelle Lebens‑, Alkohol- und Drogenprobleme sind keine ausreichenden Erklärungen für die Taten der Neonazi-Gruppe – sie alle eint ein rassistisches Weltbild. Abzuwarten bleibt, ob Richter und Staatsanwaltschaft im laufenden Nauen-Prozess nach den Beweggründen und politischen Werdegängen der Angeklagten fragen. Die Ideologie und damit das Motiv der Gruppentaten gehören offen gelegt.
Nachdem dem Ende des summer of migration und der Schließung der europäischen Außengrenzen ist ist die Zahl der ankommenden, schutzsuchenden Menschen in Europa zurückgegangen. Die Ursachen hierfür sind nicht etwa, die Lösung der Probleme, die die Menschen dazu treibt alles aufzugeben und zu fliehen, sondern die Verschärfung der Gesetze, die Kontrolle der europäischen Außengrenzen und das Abkommen mit der Türkei.
Flüchtende Menschen werden gezwungen an Europas Außengrenzen in Lagern zu verelenden oder versuchen auf immer gefährlicheren Routen nach Europa zu gelangen und viele sterben dabei. Wenn sie es doch nach Deutschland schaffen werden alle Register gezogen um ihren Antrag abzulehnen und ihnen das Leben wie die Integration zu erschweren: Dublin-III-Abkommen, der Definition von angeblich sichere Drittstaaten und Herkunftsländern, die Erschwerung des Familiennachzugs, kaum Zugang und Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, Diskriminierung durch die Behörden.
LGBTIQ*s erwarten noch weitere Schwierigkeiten, so zum Beispiel wenn verlangt wird, dass sie ihre sexuelle Ausrichtung beweisen, ihre Beziehungen und Lebenspartnerschaften nicht anerkannt werden, Sozialarbeiter_innen nicht genügend sensibilisiert sind und den Betroffenen raten ihre Sexualität in den Massenunterkünften zu verbergen um Ärger mit anderen Bewohner_innen vorzubeugen. Teilweise sind Sozialarbeiter_innen und das BAMF kaum oder gar nicht sensibilisiert und können oder wollen bei (sexualisierter) Gewalt, egal ob verbal, psychisch oder körperlich, nicht eingreifen.
Während LGBTIQ* in vielen Staaten nicht nur gesellschaftlicher Ausgrenzung, sondern auch struktureller Diskriminierung und staatlicher Repression ausgesetzt sind, die oft mit Haft, Folter und/oder Mord, mindestens aber mit dem Verbot eines Auslebens der eigenen Sexualität einher geht, sieht sich Deutschland gern in der Rolle des Moralapostels. Doch auch hier gibt es die Ausgrenzung von Lebensentwürfen jenseits der Heteronormativität, sei es die Anerkennung einer Ehe, die Frage ob LGBTIQ*-Paare Kinder haben sollten oder überhaupt dürfen oder die simple Erwähnung nicht-heteronormativer Sexualentwürfe im Rahmen des Sexualkundeunterrichts.
Und all dies spiegelt sich im Umgang mit geflüchteten LGBTIQ*s wieder. Während es innerhalb des letzten Jahres viele Fortschritte auf diesem Gebiet gab, genannt seien hier spezielle Unterkünfte oder neu geschaffene Vernetzungen, so bleiben doch alte Probleme weiterhin bestehen, denn diese Veränderungen betreffen primär große Städte und die Angebote werden von NGOs geschaffen. Von staatlicher Seite hat sich diesbezüglich nahezu nichts geändert.
Um diesen Problemen sowie der repressiven und diskriminierenden Asylpraxis entgegenzutreten, ist eine weitere Vernetzung von Geflüchteten wie Unterstützer_innen, (Selbst-) Bildung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die speziellen Bedürfnisse und Problemen von geflüchteten LGBTIQ*s notwendig. Ebenso unabdingbar ist es einen Raum zu schaffen in dem Betroffene Zeit mit anderen Betroffenen verbringen können, unter sich sind und sich austauschen können, und das nicht nur mit Personen aus der gleichen Region, sondern bundesweit, denn meist sind die Menschen in ihren Unterkünften isoliert und haben nur via Internet Kontakt zu anderen LGBTIQ*s. Aus diesen Notwendigkeiten und der positiven Resonanz der Teilnehmer_innen der letzten Konferenz stand für uns schon schnell fest, dass es ein weiteres Projekt geben wird. Die Ziele sind identisch mit denen der letzten Konferenz:
1. (Weiter-) Bildung für Geflüchtete und Unterstützer_innen
2. Kennenlernen, Netzwerken, Austauschen und Spaß haben
3. Öffentliche Aufmerksamkeit für die Lage von LGBTIQ*-Geflüchtete schaffen
Ein Schritt weiter – von der LGBTI-Conference zur LGBTIQ*-Conference
Schon letztes Jahr erreichten uns von Zeit zu Zeit die Frage warum wir lediglich den Begriff LGBTI statt LGBTIQ* oder eine andere (vollständigere) Variante nutzen. Dies und auch die jetzige Änderung wollen wir kurz erklären. Wir möchten anmerken, dass wir bei weitem keine Expert_innen sind und auch keinen Anspruch auf einen richtigen Begriff haben (wollen).
Seit dem Jahr 2014 kennen wir LGBTIQ*-Geflüchtete, die aus der Russischen Föderation geflohen sind. Innerhalb der Gemeinschaft vor Ort ist die gängige Selbstbezeichnung LGBT. Wir als Unterstützer_innen empfanden es als anmaßend eine über Jahre gewachsene und anerkannte Selbstbezeichnung in Frage zu stellen. Da im deutschen Kontext statt LGBT eher LGBTI verwendet wird, erweiterten wir in Absprache mit den Betroffenen die Selbstbezeichnung LGBT durch das I.
Als wir Ende des Sommers das Layout für die Konferenz 2017 diskutierten, blieben wir am Begriff hängen und erinnerten uns an den Nachgeschmack aus dem letzten Jahr keinen wirklich umfassenden Begriff gewählt zu haben und somit Menschen, die wir explizit ansprechen wollten, schon mit der Überschrift unbeabsichtigt auszuschließen. Deshalb erweiterten wir den Begriff noch um Q und * um zu sagen:
Liebe Lesbian‑, Gay‑, Bi‑, Trans‑, Inter‑, Queer- und sich anders definierenden Menschen, ihr seid herzlich zur Refugee-LGBTIQ*-Conference eingeladen!