Die aktuelle Folge gibts hier: https://www.mixcloud.com/toteradler/der-tote-adler-podcast-4-utopia-ev/
Bei der Landtagswahl am 1. Sept. 2019 erreichte die AfD 22,4 % der Zweitstimmen und ist somit die größte Oppositionspartei im Land Brandenburg. Im Parlament können sog. Kleine Anfragen* an die Landesregierung gestellt werden, diese Werkzeug dient dazu, die Regierungsarbeit kritisch zu begleiten. Den Rechtspopulisten geht es unter anderen darum Vereine und Projekte, die sich Zivilgesellschaftlich und für eine tolerante Gesellschaft einsetzen, durch „kleinen Anfragen“ zu kriminalisieren und zu verumglimpfen. So wird oft nach Straftaten, Gewaltdelikten und Zahlungen an jene Organisationen gefragt. Ziel kleiner Anfragen wurden z.B. das Tolerante Brandenburg, Die Opferperspektive aber auch kleinere Vereine wie das Freiland in Potsdam oder die Zelle79 in Cottbus. Wir unterhalten uns heute mit Alex aus FFO, auch das Utopia e.V. wurde Ziel einer kleinen Anfrage.
Weitere Informationen: https://www.facebook.com/utopiaffo https://utopiaffo.noblogs.org/ *https://kleineanfragen.de/brandenburg
Unter dem Titel „Rechte Angriffe im Netz. Auswirkungen und Handlungsempfehlungen“ wurde eine neue Broschüre erstellt, die sich insbesondere an betroffene Politiker:innen und aktive Mitglieder der Zivilgesellschaft richtet. Veröffentlicht wurde die Publikation von den Fachberatungsstellen Opferperspektive, SUPPORT aus Sachsen und ZEBRA aus Schleswig-Holstein, die Beratung und Unterstützung leisten für Betroffene von rechten, rassistischen und antisemitischen Angriffen – auch im digitalen Raum. Interessierte können die kostenlose Broschüre Als PDF herunterladen oder als Printversion bei den Fachberatungsstellen bestellen.
In der Publikation wird unter anderem beschrieben, wie man sich vor rechten, rassistischen und antisemitischen Bedrohung im Netz schützen kann, wie Betroffene mit solchen Vorfällen umgehen können und welche juristischen Optionen es gibt. Angereichert werden diese Informationen mit Fallbeispielen aus der Praxis der Fachberatungsstellen. Die Broschüre soll eine unkomplizierte Hilfestellung bieten und einen niedrigschwelligen Zugang zu einem aktuellen Thema ermöglichen.
„Die Zivilgesellschaft steht online unter erheblichem Druck, weil sich Täter:innen dort vor Strafverfolgung sicher fühlen“, meint Judith Porath, Geschäftsführerin von der Opferperspektive. Mit der Verlagerung des öffentlichen Lebens in den digitalen Raum hätten digitale Angriffe seit Beginn der Corona-Pandemie noch einmal eine neue Dimension erreicht. Ihr Kollege Robert Kusche von SUPPORT ergänzt: „Bedrohungen im Internet können genauso gravierende Folgen haben, wie dies offline der Fall ist. Umso wichtiger ist es, dass Betroffene mit ihren Erlebnissen nicht alleine bleiben und sie wissen, welche Handlungsmöglichkeiten ihnen nach einem rechten Angriff im Netz zu Verfügung stehen.“
Seit es das Internet gibt, wird es von rechten Akteur:innen genutzt. Einerseits um sich zu vernetzen und Anhänger:innen zu rekrutieren, andererseits um menschenverachtende Positionen zu verbreiten und Andersdenkende zu beleidigen, zu bedrohen und zu diffamieren. Je stärker Rechte und Rassist:innen auch soziale Medien für die Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie nutzen, desto öfter finden dort Angriffe statt. Da nur wenige dieser Taten angezeigt werden, ist von einem großen Dunkelfeld auszugehen.
Diese Broschüre soll ein Impuls gegen diese Entwicklungen setzen und (potenziell) Betroffene stärken.
Die Proteste der Querdenkenszene im Zuge der Coronapandemie waren Schauplatz einer mittlerweile sehr gefestigt wirkenden Mischszene aus Neonazis und gewaltaffinen Fussballfans. Diese sorgten bei den verschwörungsideologischen Protesten mit ihrem geschlossenen und martialischen Auftreten für gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant:innen und der Staatsmacht. In diesem Kontext trat regelmäßig der Belziger Neonazi Florian Ullrich (Spitzname “Lola”) auf.
Eine Brandenburger Neonazikarriere
Florian Ullrich ist seit mittlerweile 10 Jahren Teil der Bad Belziger Neonaziszene. Seine erste politische Prägung erfolgte durch die NPD, deren Kundgebungen und Demonstrationen im Belziger Raum häufig von ihm besucht wurden. Das Verhältnis zur NPD war dabei typisch für Brandenburger Kleinstädte. Aufmärsche und Kundgebungen wurden besucht, allerdings gab es eine starke Orientierung an der örtlichen faschistischen Erlebniswelt. Florian U. nahm an Zeltlagerausflügen und Rechtsrockkonzerten teil. In Belzig selbst ist Florian U. zudem als gewaltorientierter Nazi bekannt. Gemeinsam mit weiteren lokalen Nazis störte er in der Vergangenheit mehrfach antifaschistische und zivilgesellschaftliche Initiativen. So befand sich Florian U. im Jahr 2014 mit weiteren Nazis bei einer Veranstaltung des “Belziger Forums gegen Rechtsextremismus” im Zuschauerraum, um anwesende Teilnehmer:innen einzuschüchtern. Dieses Muster setzte sich in den Folgejahren fort und hält bis heute an. Sofern in Bad Belzig Veranstaltungen stattfinden, die nicht in sein Weltbild passen, ist damit zu rechnen, dass Florian U. provoziert, stört oder Teilnehmer:innen bedroht. Dabei bleibt es allerdings nicht. So versuchte sich Florian U. 2017 mit anderen Nazis Zugang zum Infocafé “Der Winkel” zu verschaffen. Bei diesem Versuch wurde er gewalttätig gegenüber einem Gast des Cafés und später festgenommen. Auch die Polizei und die Justiz spielen eine besondere Rolle in der Neonazikarriere von Florian U. Obwohl dieser regelmäßig Straftaten begeht scheint kein Wille vorhanden, ihn einer umfangreichen Strafverfolgung zu unterziehen. Dies geht soweit, dass Florian U. trotz etlicher Gewalttaten und Vorkommnisse nicht vor Gericht zur Verantwortung gezogen wurde, unter anderem als er 2019 während einer Nazifeier einen Polizisten tätlich angriff und verletzte. Seine Gewalt wird stattdessen regelmäßig entpolitisiert. Als er 2019 gemeinsam mit seinem Nazifreund Tim Wunderlich auf dem Rückweg von einem Fussballspiel des 1. FC Union Berlin einen Geflüchteten in der Bahn rassistisch beleidigte und ihn sowie seinen Begleiter auf dem Bahnhof körperlich angiff war für die Polizei klar, dass es sich in diesem Zusammenhang um Fussballgewalt handeln müsse. Für den Betroffenen war Florian U. allerdings kein Unbekannter. Beide kannten sich als “Teamkameraden” aus dem Fussballverein Borussia Belzig. Florian U. ist dort Spieler und Mitglied der Dorfultragruppe “Trinkerfreunde”, in welcher neben ihm noch weitere lokale Nazis aktiv sind. Der Angriff auf den Geflüchteten hatte nicht den Ausschluss von Florian U. aus dem Fussballteam zur Folge. Im Gegenteil: Dieser ist dort weiterhin Spieler während der Betroffene des Vorfalls nicht mehr im Verein ist. Unterstützung von Seiten des Vereins nach dem rassistischen Angriff erfolgte zu keiner Zeit.
Florian Ullrich auf einer NPD Demonstration 2014 in Belzig (3.v.l.); Maik Eminger am MikrofonFlorian Ullrich 2018 in Chemnitz (mittig)
Rechtsoffene Fussballszene bei Union Berlin
Neben seinem Dasein als “Dorfultra” und Spieler in Belzig ist Florian Ullrich auch Teil rechtsoffener Zusammenhänge des Berliner Erstligisten Union Berlin. Er besucht regelmäßg Spiele des Berliner Vereins unter anderem mit Tim Wunderlich. Eine Mitgliedschaft in der aktiven Fanszene ist nicht bekannt, allerdings bewegt sich Florian U. im Umfeld der rechtsoffenen Ultragruppe Crimark. Solche rechtsoffenen und gewaltbereiten Ultragruppen wirken eine starke Anziehungskraft auf Neonazis aus. In diesen Zusammenhängen können Gewalterfahrungen und Gemeinschaftsgefühl gesammelt sowie Kontakte geknüpft werden. Die oft nach außen dargestellte unpolitische Haltung hilft Nazis wie Florian U. dabei, solange sie sich nicht zu auffällig verhalten, in den Fanszenen Fuß zu fassen. Während seiner Zeit bei Union Berlin lernte Florian auch seinen gegenwärtigen Demopartner Willi Otto kennen.
Willi O. war im Gegenzug zu Florian lange Teil der organisierten Ultra-Fanszene bei Union Berlin. Er war Mitglied bei der Jugendultragruppe Teen Spirit Köpenick, deren Strukturen er allerdings vor seinen öffentlich sichtbaren Naziaktivitäten verließ. Im Gegensatz zu Florian U. ist Willi O. im Ostberliner Stadtteil Lichtenberg wohnhaft (gewesen) und es sind keine langjährigen Naziaktivitäten bekannt. Stattdessen scheint er im Rahmen von Fußballspielen innerhalb rechtsoffener Strukturen Kontakte zu Nazis geknüpft zu haben. Mit anderen Anhängern von Union Berlin besuchte er unter anderem 2019 den Naziaufmarsch “Wir für Deutschland — Tag der Nation” in Berlin-Mitte.
Willi Otto 2019 in Berlin bei “Wir für Deutschland” (mittig schwarze Northface Jacke)
Der III. Weg
Für Florian Ullrichs Weg in die Belziger Naziszene waren zwei damals noch zur NPD gehörende Aushängerschilder der Naziszene in Brandenburg maßgeblich verantwortlich. Pascal Stolle und Maik Eminger können auf eine jahrzehnte andauernde Nazikarriere zurückblicken. Beide eint auch, dass sie mit der NPD unzufrieden waren. Als die Nazi Kleinstpartei “Der III. Weg” in Brandenburg Strukturen aufbaute, wurden Stolle und Eminger zentrale Figuren der Organisation. Florian U. beeinflusste dies ebenfalls. Ein von Eminger organisiertes Fussballturnier 2015 besuchte er als Teil des Teams “Sturm Belzig”. Dies fand auf dem Grundstück der Emingers in Potsdam-Mittelmark statt. Der selbe Ort, an dem Emingers Bruder von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen wurde, um ihn im Zuge des NSU-Prozesses in Untersuchungshaft zu bringen. Andre Eminger, Maik Emingers Bruder, wurde in diesem als Mittäter des NSU verurteilt. Bei Florian U. hat diese ideologische Schule für eine tief sitzende nationalsozialistische Überzeugung gesorgt. Die Nähe zum dritten Weg ist trotz Stolles Wegzug nach Eisenhüttenstadt geblieben. Als der III. Weg 2020 in Berlin-Hohenschönhausen seine jährliche Großdemonstration abhielt, war auch Florian U. gemeinsam mit Willi O. anwesend. Florian U. posierte auf der Demonstration in einem Shirt der aus dem Nazi-Hooliganmilieu stammenden Kampfsportmarke “Label23”. Zudem fielen beide mit einem Schlauchschaal mit Logo der Kampfsport AG “Körper & Geist“des III. Wegs auf.
Florian Ullrich 2020 in Berlin-Hohenschönhausen auf III. Weg Demonstration (mittig in Label23 Shirt)Willi Otto 2020 in Berlin-Hohenschönhausen auf III. Weg Demonstration (links, Jacke mit drei grauen Streifen
Querdenken
Wie eingangs bereits erwähnt befand sich auf den Querdenken Demonstrationen ein Milieu, in welchem sich Florian Ullrich und Willi Otto seit Jahren bewegen. Wenig verwunderlich ist dementsprechend die Teilnahme beider an der Querdenkendemo am 07.11. 2020 in Leipzig. Sie waren Teil des gut erkennbaren Blocks gewaltbereiter Nazis und gewaltaffiner Fussballfans. Diese durchbrachen Polizeiketten, griffen Journalist:innen an und lieferten sich Schlägereien mit Gegendemonstrant:innen. Die Polizei wirkte an diesem Tag recht hilflos, obwohl für Beobachter:innen bereits lange vorher erkennbar war, welche Strukturen zu diesem Aufmarsch mobilisierten. Florian U. und Willi O. müssen als Teil des seit vielen Jahren bestehenden Netzwerks rechtsradikaler Fussballzusammenhänge gesehen werden. Dies kann besonders für den 07.11 herausgestellt werden, da hier jene Fussballanhänger Spektren- und Vereinsübergreifend gewollt und öffentlich zusammen agierten. Aufgerufen wurde auf Szenekanälen wie Gruppa OF. Trotz lokaler Rivalitäten marschierten Fans verschiedenster Vereine für ihr sozialdarwinistisches Weltbild auf. Insbesondere in Ostdeutschland unterstützen diese Strukturen Nazis bei der Ausübung von Gewalt. Es bleibt eine Aufgabe für antifaschistische Initiativen diesem Engagement Grenzen aufzuzeigen.
Florian Ullrich 2020 Leipzig Querdenken (ganz rechts, schwarze Fließjacke)Willi Otto 2020 Leipzig Querdenken (mittig, Jacke mit zwei weißen Streifen)
In Biesdorf beginnt der Aufbau des Zelts für den AfD-Parteitag. Das von der Senatsverwaltung für Finanzen vermietete Grundstück wird von der Firma „German Security“ aus Falkensee bewacht, die enge Verbindungen zur organisierten Kriminalität und zur Neonaziszene hat, insbesondere zur militanten Bruderschaft „Hammerskins“, die auch den NSU unterstützte. Die AfD greift gerne und regelmäßig auf die Dienste der Firma zurück.
Clubs, Stadtfeste, Einkaufszentren, Sportevents, Städte und Gemeinden – die Kundenliste von „German Security“ aus Falkensee kann sich sehen lassen. Die 2003 von Christian Hecht gegründete Firma ist ein etablierter Player im Sicherheitsgewerbe in Brandenburg und Berlin. Mit regelmäßigen Kleinspenden an Vereine im Havelland wird das Image aufgebessert, was auch nötig ist, denn immer wieder werden neonazistische Bezüge und die rassistische Arbeitsweise der Firma deutlich, so z.B. als 2016 bei einer Party im Oranienburger „Oranienwerk“ zwei syrische Geflüchtete mit den Worten „nur für Deutsche“ abgewiesen wurden.
Weitaus mehr öffentliche Aufmerksamkeit bekam „German Security“ im September 2017, als man den Schutz für eine AfD-Kundgebung mit Björn Höcke in Potsdam stellte. Beobachter*innen erkannten unter den Mitarbeitern vor Ort den Potsdamer Neonazi Gabor Grett, der den „Freien Kräften Potsdam“ zugerechnet wurde und sich heute im Umfeld der Neonazipartei „Der Dritte Weg“ bewegt. 2008 posierten Grett und Kameraden mit Hitlergruß, Baseballschläger und Macheten. Dank antifaschistischer Interventionen verlor Grett eine Reihe von Sicherheits-Jobs, bei „German Security“ wurde er aber freilich mit offenen Armen empfangen. Kein Einzelfall, wie sich noch zeigen wird.#
Gabor Grett bei der Höcke-Kundgebung am 9.9.2017 in Potsdam. Foto: RechercheNetzwerk BerlinGabor Grett (r.u.) mit Hitlergruß, seine Kameraden mit Waffen. Foto: arpu / Antifarecherche Potsdam/Umland
Für die AfD in Brandenburg und Berlin ist „German Security“ ein verlässlicher und regelmäßiger Partner. Neben der Potsdamer Höcke-Kundgebung wurde die Firma bspw. am 7.11.2018 für eine Veranstaltung mit dem Berliner „Flügel“-Chef und Abgeordneten Thorsten Weiß im „Casa Toro Negro“ in Nauen angeheuert. In Berlin greift der Bezirksverband Mitte von Beatrix von Storch regelmäßig auf die Firma zurück – zuletzt wurde am 27.3.2021 ein Infostand in der Müllerstraße im Wedding von zwei „German Security“-Mitarbeitern bewacht. Auch das Bezirksamt Spandau wird zu den Kunden gezählt, was auf die Zuständigkeit für Facility Management des AfD-Stadtrats Andreas Otti zurückzuführen sein dürfte. Und nun die Landesparteitage bzw. Wahlversammlungen in Biesdorf: ein durchgehender Einsatz über mehrere Wochen, der nach Einschätzung von Beobachter*innen einen mittleren fünfstelligen Betrag in die Kasse spülen dürfte. Geld, das dann wieder teilweise für PR-Aktionen mit Vereinen verwendet wird, die regelmäßig auf Facebook dokumentiert werden.
Legale Strukturen für militante Neonazis
Ebenfalls auf Facebook dokumentiert ist eine Traueranzeige für den „Mitarbeiter, Freund und Kameraden“ Mirco Jäppelt, der Anfang 2021 im Alter von 56 Jahren das zeitliche segnete. Jäppelt ist Berliner Antifaschist*innen schon seit über 20 Jahren ein Begriff. Schon in der ersten Ausgabe des Antifamagazins „Fight Back“ 2001 wurde Jäppelt als Chef der NPD Prenzlauer Berg / Mitte benannt. Ein undatiertes Foto zeigt ihn am Fronttransparent auf einer Demonstration, die der „Blood & Honour“-Führungskader Thorsten Heise organisiert hatte. Seine Schwester Claudia Jäppelt war ebenfalls NPD-Funktionärin und hatte zuvor mit der späteren Berliner NPD-Vizechefin Stella Palau den „Skingirl Freundeskreis Deutschland“ (SFD) aufgebaut.
Traueranzeige von „German Security“. Foto: FacebookMirco Jäppelt (3.v.r.) am Fronttransparent, Organisator Thorsten Heise (l.). Foto: Fight Back / antifa-berlin.info
Mirco Jäppelt, der vor allem in der rechten Hooliganszene des Berliner Fußball Club Dynamo (BFC) organisiert war, unterhielt seit den 1990ern gute Kontakte in die Struktur der militanten Neonazibruderschaft „Hammerskins“. So besuchte er 1996 ein Konzert im Raum Anklam, das den Hammerskins zugeschrieben wurde, und war 1998 Teilnehmer einer Feierlichkeit der Hammerskins in der Nähe von Lüneburg. In der Nacht vom 6.3. auf den 7.3.1999 war er zudem an einem brutalen Überfall auf einen Jugendclub im ostsächsischen Gohrisch beteiligt. Hammerskins aus Berlin und Sachsen waren gemeinsam mit BFC-Hools dorthin aufgebrochen, um eine Auseinandersetzung eines ihrer Kameraden mit Neonazis von den „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) zu rächen – als diese nicht erschienen, suchten sie sich willkürlich das Punkkonzert im Jugendclub als Angriffsziel aus. Bei dem Angriff wurden mehrere Jugendliche verletzt.
Zu den Kondolenten auf Facebook gehören alte Bekannte der Berliner Neonaziszene wie Alexander Bahls, ehemals Schlagzeuger derBand „Spreegeschwader„, die sich in den 1990er Jahren im Milieu der Hammerskins bewegte. Bahls selbst gehörte später der Neonazi-Gruppe „Vandalen“ an. Letzte Grüße gab es auch von Timo Eckhardt. Er war einer enger Freund von Jäppelt, gehört bis heute zur rechten Hooliganszene Berlins. Mit Jäppelt und beteiligte er sich ebenfalls an dem Überfall im sächsischen Gohrisch 1999. Vor wenigen Jahren gehörte Eckhardt zudem dem nahen Umfeld von Alexander Bahls und dessen Bekleidungsgeschäft „Herz und Seele“ in Hellersdorf an.
Die von „German Security“ organisierte Trauerfeier soll am 26.6.2021 im Clubhaus des „Lone’s MC“ in Dallgow-Döberitz bei Spandau stattfinden.
Präsident des „Lone’s MC“ ist Heiko Formanowski, der um 2000 Mitglied der Berliner Hammerskins war. Zuletzt konnte er auf der Jahresfeier der Neonazi-Bruderschaft in 2003 in Berlin festgestellt werden, die letztlich durch das SEK aufgelöst wurde. Bilder der Feier zeigen ihn in einem Pullover, auf dem das Erkennungszeichen der Hammerskins gedruckt war: die gekreuten Hämmer, dazu der Schriftzug „Hammerskins Berlin“. Formanowski betreibt heute das Tattoostudio „Inkperium“ im Westend, wo er auch Nazimotive sticht. Auch mit Timo Eckhardt ist Formanowski befreundet.
Im Clubhaus von Formanowskis „Lone’s MC“ fanden in der Vergangenheit bereits einschlägige Veranstaltungen statt. Etwa Konzerte der rechten Oi-Band „Bullenschubser“ aus Berlin und das konspirativ organisierte rechte Oi-Festival „Oi! The New Old Breed“ im Juli 2019, mit Bands wie „Condemned 84“ aus England.
Sebastian Kairies (l.), Vizepräsident der „Schwarzen Schar“. Foto: FacebookNeonazistisches Tattoomotiv, das im „Inkperium“ gestochen wurde. Foto: Inkperium
Eine weitere bemerkenswerte Bekanntschaft des „German Security“-Geschäftsführers Hecht tritt auf der Facebookseite der Firma nicht namentlich auf, sondern nur unter dem pathosschwangeren Motto „Tättowierte gegen Krebs“ – Sebastian Kairies aus Wismar, Vizepräsident des Outlaw-MC „Schwarze Schar“, der 2014 verboten wurde. Die Mitglieder der „Schwarzen Schar“ hatten nicht nur durchgehend Neonazihintergründe, sondern begingen neben Prostitution und Drogengeschäften auch schwerste Gewaltverbrechen.
Folgerichtige Zusammenarbeit
Personen aus dem Hammerskin-Milieu und andere Neonazistrukturen, mit denen „German Security“ verbandelt ist, sind für unzählige Gewalttaten bis hin zu Morden verantwortlich. So war der Berliner Hammerskin Norman Zühlke am Mord an Günter Schwannecke beteiligt und auch Thomas Gerlach, langjährig aktiver Hammerskin beim sächsischen Ableger der Neonazi-Bruderschaft, unterhält Kontakte in rechtsterroristische Strukturen. Er zählte zum Unterstützungskreis des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).
Die Verbindung der Berliner und Brandenburger AfD zu diesen Strukturen, in denen die „German Security“ eingebettet ist, spricht Bände. Sie reiht sich ein in eine lange Liste, die bekräftigt, dass die Partei der parlamentarische Arm gefestigter, militanter und gar rechtsterroristischer Neonazi-Strukturen ist und diese, am Beispiel des Sicherheitsunternehmens, finanziell unterstützt. Diesen Arm gilt es zu brechen.
Die knapp 4 km lange Wanderung führt uns an 6 Orte mit historischem Bezug in Königs Wusterhausen, an denen wir Redebeiträge hören und gedenken.
Brunnenplatz:
Hier befinden sich einige Stolpersteine, Schicksale sollen hier stellvertretend für das Leid im Faschismus vorgetragen, im Anschluss die Stolpersteine gereinigt und eine Gedenkminute abgehalten werden.
Festwiese:
In der Nähe befand sich die Kreisleitung der FDJ. Wie entstand diese? Welches antifaschistische Engagement gab es ihrerseits? Auch möchten wir die Repression gegenüber der heutigen FDJ am 10. Januar 2021 auf der Liebknecht-Luxemburg Demonstration in Berlin kritisieren. Dies geschieht in 2 Redebeiträgen.
Funkerberg:
Auf dem Funkerberg beschäftigte sich das Militär bereits früh mit Aufklärung durch Luftfahrzeuge und Techniken zur Nachrichtenübermittlung. Die stationierten Freikorps erschossen am 20.März 1920 6 Arbeiter und verwundeten zahlreiche weitere. Viele Gefangene wurde in die Kaserne auf dem Mühlberg verschleppt.
Denkmal der Verfolgten des Naziregimes:
An dieser Stelle stand das ehemalige Offiziershaus mit Folterkeller. Hier wird es einen themenbezogenen Redebeitrag zur Historie des Ortes geben.
Vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen:
In einer Rede zur Roten Hilfe Deutschlands wird hier auf Verfolgung, Repression und Inhaftierung von Antifaschist*innen unter dem Regime der Nationalsozialist*innen ab 1933 eingegangen.
Ecke Kirchsteig/Storkower Straße:
Anschließend möchten wir zusammen zur Gedenktafel des KZ-Außenlagers gehen um eine örtlich bezogene Rede zu hören und zu gedenken.
Veranstaltende Gruppen sind:
Antifaschistischer Stammtisch Königs Wusterhausen,
VVN-BdA,
linksjugend #solid Dame-Spreewald,
Die Naturfreunde Land Brandenburg,
Rote Hilfe,
Proletarische Jugend
Hans-Litten-Archiv
Linke Jugendliche und ihr Infocafé sind über Jahre Zielscheibe rechter Gewalt in Angermünde
Die Erfahrung brutaler rechter Angriffe in den 1990er Jahren prägen eine ganze Generation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ostdeutschland. Die Bedrohung durch Neonazis richtet sich gegen alle, die nicht in ihr Weltbild passen: alternative, nicht-rechte Jugendliche, Migrant*innen, Wohnungslose. In Angermünde organisieren sich junge Menschen und gründen ein linkes Jugendprojekt: das Infocafé Angermünde. Obwohl wiederholt Anschläge auf den Klub verübt werden und es permanent Angriffe von Naziskinheads auf die Besucher*innen gibt, erkämpfen sie sich ihre Freiräume und setzen ihre eigene Vorstellung von solidarischem Leben und Kultur um.
„Alle würden lügen, wenn man sagen würde, man hat keine Angst gehabt.“
Moderiert wird die Veranstaltung von Mona Seer.
Anmeldung:
Das Online-Gespräch findet mit Zoom statt. Sie können sich über diesen Registrierungslink für die Veranstaltung anmelden.
Eine Veranstaltung des Aktionsbündnisses Brandenburg und der Opferperspektive e.V. in Kooperation mit der Partnerschaft für Demokratie Frankfurt (Oder).
Bild- und/oder Tonmitschnitte der Veranstaltungen sind nicht nicht gestattet. Für Presseanfragen wenden Sie sich bitte an kontakt [ät] aktionsbuendnis-brandenburg.de
8. Mai 1945 – Tag der Befreiung! — Nie Wieder Deutschland!
Am 08. Mai 1945 wurde das Nazi-Regime durch den militärischen Sieg der Anti-Hitler-Koalition — der Streitkräfte der Alliierten, der Partisan*innen und Widerstandkämpfer*innen – zerschlagen. Somit erinnern wir an diesem Tag an die Befreiung Europas vom deutschen Faschismus und an die Befreier*innen.
Mehr als 60 Millionen Menschen fielen dem Naziterror, Shoa und Vernichtungskrieg zum Opfer und viele weitere erfuhren schreckliches Leid. Für die Überlebenden der Shoa, der Konzentrationslager und Zuchthäuser und deren Angehörige, sowie für die befreiten Zwangsarbeiter*innen – war der 8. Mai 1945 – der lang ersehnte Tag der Befreiung. Aber auch wir Alle, die heute leben, verdanken die Chance eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den alliierten Streitkräften und erinnern mit besonderer Dankbarkeit an die Befreier*innen.
Gesteck zum Gedenken am 8. Mai auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof in Neuruppin
Anlässlich des 76. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutschland gedachten wir, als Soziales Zentrum JWP „MittenDrin“ am 08.05.2021, auf dem Sowjetischen Friedhof den Befreier*innen und legten Ihnen zu Ehren einen Kranz nieder.
Im Anschluss daran eröffneten wir den Gedenkgarten „AuszenDrauszen“ auf dem Rondell vor dem JWP „MittenDrin“. Dort wird anhand von Schildern an die ermordeten Neuruppiner Jüdinnen und Juden, sowie der Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktion T4 gedacht. Die Dreizehn Schilder, sollen auch 76. Jahre nach der Befreiung an die nationalsozialischen Verbrechen erinnern, mahnen, und diese sichtbar machen.
Eine Tafel aus dem Gedenkgarten “AuszenDrauszen”.
Doch sie sollen uns auch mahnen, dass Erinnerung und Gedenken nicht folgenlos bleiben dürfen. Gemeinsam müssen wir den Rechten und Rassist*innen entschieden entgegentreten – auf der Straße, in den Parlamenten und in den Institutionen! Antifaschistisches Engagement darf nicht kriminalisiert werden, denn es ist und bleibt notwendig — in Zeiten in denen rechte Parteien versuchen linke und emanzipatorische Vereine zu kriminalisieren, an denen linke Projekte von Neonazis angegriffen und auf diese Anschläge verübt werden, an denen rechter Terror an der Tagesordnung ist und fast wöchentlich Morddrohungen, Waffenfunde, Todeslisten und Anschlagsplanungen bekannt werden.
Wir stehen solidarisch zusammen und fordern: Kein Verbot antifaschistischer Gruppen #WirsindAlleAntifa
8. Mai als Feiertag
Wir fordern außerdem, dass der 8. Mai endlich als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg in ganz Deutschland ein offizieller Gedenktag wird, um den Tag würdig zu feiern.
In diesem Sinne zitieren wir Esther Bejarano:
„Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes.“
Wir fordern mehr Zeit für Antifaschismus – Der 8. Mai muss endlich zum Feiertag werden!
Weitere Impressionen des Gedenkgartens “AuszenDrauszen”:
Lange Zeit war es ruhig um die extreme Rechte in der Oderstadt gewesen. Nach einer Reihe von Demonstrationen und Kundgebungen unter dem Motto „Frankfurt (Oder) wehrt sich“ vor rund fünf Jahren gab es lange Zeit keine öffentlich wahrnehmbaren Aktionen der Neonazis mehr. Zu stark schien die ebenfalls rechte Partei AfD in Ostbrandenburg zu sein. Nun will die NPD mit einem reaktivierten Ortsverband Frankfurt (Oder) wieder aktiver werden. Mit dem Thema Kindesmissbrauch hoffen Sie auf Zustimmung in der Bevölkerung.
“Kinderschänder raus aus Frankfurt/Oder” fordern die örtlichen Neonazis, die teilweise durch frühere Aufmärsche bekannt sind. (Foto: pressedienst ffo)
Kundgebung mit alten und jungen Neonazis
Viel war an diesem Samstagvormittag nicht los. Corona bestimmt immer noch das gesellschaftliche Leben. Nur wenige Menschen strömten aus dem Bahnhofsgebäude in Richtung Innenstadt oder gingen zu den Zügen. Ab 11 Uhr aber versammelten sich vor allem junge Frankfurter*innen auf dem Bahnhofsvorplatz vor dem Hauptbahnhof. Der örtliche NPD-Ableger, der lange Zeit nur auf dem Papier bestand und deren Internetseite jahrelang auf die Webpräsenz der NPD Oderland verwies, meldete sich von den Toten zurück. Mit selbst gemalten Transparenten und Schildern auf denen sich gegen Kindesmissbrauch und härtere Strafen für „Kinderschänder“ ausgesprochen wurde, wirkte die Versammlung spontan und unorganisiert, dennoch fanden sich knapp 70 Menschen zusammen. Es sollte der Anschein erweckt werden, dass es ein Protest Frankfurter Bürger*innen ist. Bei genaueren Hinsehen wurde jedoch klar, dass die Kundgebung alles andere als ungeplant stattfand. Eine größere Gruppe von bekannten Neonazis von der NPD reiste in die Oderstadt, darunter der Landesvorsitzende Klaus Beier. Zwar redeten auch zwei junge Frauen, die unter Tränen von ihren Missbrauchsfällen berichteten, doch diente dies vor allem dazu Betroffenheit zu erzeugen. In Sorge um den angeblich fehlenden Schutz der Kinder nutze Beier die Stimmung, um in einer einstudierten Rede gegen die Grünen, Linke, Ausländer*innen, die Corona-Politik und Polizei zu hetzen, denen er die Schuld für die Zustände im Land gibt. Im Hinblick auf den Tag selbst sprach der NPDler zudem von einem Tag der Schande, denn die Deutschen wären nicht befreit worden, sondern mussten unendliches Leid am Kriegsende erfahren. Kriegsschuld und Holocaust tauchten in Klaus Beiers Rede selbstredend nicht auf.
Anmelder der Kundgebung war der lokale NPDler Siegfried Pauly (auch bekannt als Siegfried Günther). Auch er meldete sich zum Anlass der Versammlung zu Wort. In seinen eher unbeholfenen Redebeiträgen drohte er, dass er und seine KameradIinnen nicht nur reden, sondern auch handeln wollen. Angesichts der zunehmenden extrem rechten Gewalt der vergangenen Jahre ist auch von der gewalt-affinen Neonaziszene in der Stadt nichts Gutes zu erwarten.
Bis 13 Uhr angemeldet wurde die Kundgebung vorzeitig um 12 Uhr beendet. Die meisten der Anwesenden zogen Richtung Innenstadt ab.
Siegfried Pauly (3. v. l., schwarze Jacke) und NPD-Vorsitzender Klaus Beier (2. v. r., braune Jacke) im Gespräch mit einem jungen Neonazi mit eindeutiger Symbolik auf den Rücken. (Foto: pressedienst ffo)
NPD Frankfurt (Oder) reaktiviert
Aufgerufen zu der Kundgebung hatte die Facebook-Gruppe „NPD Frankfurt Oder“. Diese existiert erst seit Anfang April und hat derzeit etwa 21 Mitglieder. Einen ersten Stammtisch und Flugblattaktionen haben bereits stattgefunden. Laut Recherchen der Frankfurter Recherchegruppe soll dafür der vorbestrafte Neonazi Siegfried Pauly (Günther) verantwortlich sein, der sich selbst „Siggi Pauly“ bei Facebook nennt. Zuletzt war dieser im Jahr 2017 bei einer Querfront-Kundgebung vor dem Frankfurter Rathaus aufgefallen (Inforiot berichtete). Vor zwei Wochen zogen einige Neonazis unter Führung von Pauly vom Dresdener Platz zur Kleinen Müllroser Straße im Stadtteil Neuberesinchen, um dort vor dem Wohnhaus eines vermeintlichen Sexualstraftäters zu demonstrieren. Gefordert wurde u.a. die „Todesstrafe für Kinderschänder“, eine unter Neonazis beliebte Parole, mit der die Brandenburger NPD schon vor über 10 Jahren durch Brandenburger Städte zog.
Einst hatte die NPD große Erfolge in Frankfurt (Oder) verbuchen können. In den sogenannten Baseballschlägerjahren terrorisierten deren AnhängerInnen die Stadt. 1998 vertrat Jörg Hähnel die Partei im Stadtparlament. Nach dessen Wegzug und Interventionen von Antifaschist*innen Anfang und Mitte der 2000er Jahre trat die NPD immer weniger in Erscheinung. Ihre einstigen Positionen übernahm inzwischen teilweise die AfD um Wilko Möller, der mit einer ähnlich rechten Rhetorik Wahlerfolge in der Region erzielen konnte.
Gegenkundgebung laut und gut sichtbar
Ein Händchen für einen guten Standort des Gegenprotest zeigte diesmal erneut das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“. Kurz vorher noch bei der traditionellen Kundgebung am sowjetischen Ehrenmal im Gedenken an den „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“ auf dem Anger, versammelten sich etwa 60–70 Antifaschist*innen auf einen Hügel vor der Handelskammer.
Der antifaschistische Gegenprotest war gut sichtbar über der Neonazi-Kundgebung positioniert. (Foto: pressedienst ffo)
Von dort beschallten sie mit ihren Redebeiträgen und Musik den Bahnhofsvorplatz so laut, dass die Neonazis ihre Redebeiträge teilweise nur schwer verstanden haben dürften. Das fiel auch der Polizei auf, die die Gegenkundgebung daher aufforderte ihre Anlage weg vom Versammlungsort der NPD zu drehen. Ansonsten hatten die eingesetzten Polizeikräfte an dem Tag wenig zu tun. Obwohl bei den Neonazis teilweise keine Masken getragen wurden und Mindestabstände kaum eingehalten wurden beließ es die Polizei bei Ermahnungen.
Am kommenden Samstag, den 8. Mai, jährt sich die Niederschlagung des Nationalsozialismus zum 76. Mal. Für viele Menschen die unter den Nazis gelitten haben ist es vor allem der „Tag der Befreiung“, welcher das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoah bedeutete. Auch in Frankfurt (Oder) wird es dazu Gedenkveranstaltungen geben. Frankfurter Neonazis wollen den Tag stattdessen nutzen um mit einem anderen Thema von der Niederlage ihrer Vorbilder abzulenken. Ab 11 Uhr wollen Reste früherer NPD-Strukturen gegen Kindesmissbrauch auf dem Bahnhofsvorplatz eine Kundgebung abhalten.
Aufruf der NPD für eine Kundgebung am 08. Mai 2021
Bekannte Gesichter hinter neuer NPD Struktur
Die Frankfurter Neonazi-Szene scheint wieder aktiver zu werden. Seit den Jahren 2012 und 2015–2016, als in der Oderstadt mehrere Neonazi-Demonstrationen stattgefunden haben, fiel die extreme Rechte in der Region lediglich durch Graffiti-Aktionen und Bedrohungen auf. Beteiligungen an Aufmärschen nahmen dagegen merklich ab und wurden zuletzt kaum noch registriert. Bei einer Kundgebung von Corona-Leugner*innen im November letzten Jahres wurden zwar örtliche Neonazis gesichtet, hielten sich aber eher im Hintergrund.[1] Seit kurzem gibt es nun wieder eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „NPD Frankfurt Oder“, welche bislang lediglich 21 Mitglieder umfasst. Dennoch macht man sich daran schnell wieder eine „nationale Gruppe“ aufzubauen. Am Samstag, den 17. April soll es bereits einen ersten Stammtisch gegeben haben. Als Admin der Gruppe tritt der User „Siggi Pauly“ auf, der mit richtigem Namen sehr wahrscheinlich Siegfried Pauly (auch als Siegfried Günther bekannt) heißt. Bislang ist der Neonazi eher unauffällig gewesen. Seine letzte Teilnahme an einer extrem rechten Veranstaltung in der Oderstadt nahmen Antifaschist*innen im Jahr 2017 wahr. Damals nahm er am 1. Mai an einer Querfront-Kundgebung vor dem Frankfurter Rathaus teil.[2] Neben Pauly finden sich noch weitere bekannte Gesichter in der Facebook-Gruppe. Dazu gehören die seit Jahren in der Szene aktiven Neonazis Mario Schreiber, Marian Schulz, Ronny Standera und Marko Deichmann. Ein Fan der Frankfurter Kamerad*innen scheint zudem der NPD-Landesvorsitzende Klaus Beier zu sein. Er taucht ebenfalls als Mitglied der Gruppe auf. Auf den Beitragsbildern der Seite erkennt man weitere bekannte Rechte, die ebenfalls schon früher auf neonazistischen Versammlungen gesichtet wurden.
Auch im Stadtbild wollen die Ewiggestrigen nun aktiver auftreten. Haben diese Anfang April noch Flyer gegen den „Corona-Wahnsinn“ verteilt, konzentrieren sie sich inzwischen auf das Thema Kindesmissbrauch.
Geben sich bürgernah: „Siggi Pauly“ (oben r.) und ein Kamerad verteilen Flyer
Auslöser dafür dürfte sein, dass in der Oderstadt die Adresse eines verurteilten Sexualstraftäters an die Neonazis gelangt ist. Eine erste unangemeldete Demonstration zum Wohnort des beschuldigten Mannes soll es bereits vergangene Woche gegeben haben. Etwa 15 Personen zogen mit Fackeln vom Dresdener Platz kommend durch die Tunnelstraße und Große Müllroser Straße zur Kleinen Müllroser Straße. Auf selbstgemalten Transparenten war dort zu lesen „Todesstrafe für Kinderschänder!!!“ und „Missbrauch ist Seelenmord – FN-Bürger FFO“. Eine erste offizielle Kundgebung soll es dazu nun am 8. Mai geben.
Fackelmarsch extremer Rechter vor einer Woche
Kindesmissbrauch beliebtes Thema von Neonazis
Dass sich Neonazis für Kindesmissbrauch interessieren ist kein neues Phänomen. Bereits vor über zehn Jahren griffen NPD-Strukturen das Thema auf und forderten an Orten wo vermeintliche Sexualstraftäter leben die Todesstrafe für die Beschuldigten. Auch in Brandenburg stand Kindesmissbrauch im Mittelpunkt mehrerer Demonstrationen, wie etwa im kleinen Örtchen Joachimsthal, im Barnim, im Sommer 2009.[3] Mit dem Schutz von Kindern hatte das Engagement der Neonazis damals wie heute jedoch nichts zu tun. Das Thema ist hochemotional besetzt. Obwohl die Straftaten an Kindern nur einen sehr geringen Prozentsatz in der Kriminalstatistik einnehmen,[4] wird darüber deutlich häufiger in der Öffentlichkeit diskutiert als über andere Gewaltverbrechen. Der Grund ist, dass minderjährige Opfer von sexueller Gewalt ein Trauma, nicht nur in den betroffenen Familien, sondern in einer gesamten Stadt, Region oder Land auslösen können. Die Empörung darüber ist enorm und die berechtigten Ängste, dass das eigene Kind auch davon betroffen sein könnte sind weit verbreitet nach solchen Taten. Die Verurteilung solcher Verbrechen ist eindeutig und so machen sich Neonazis seit Jahren eben deshalb das Thema zu Nutze. Wenn die extreme Rechte gegen Kindesmissbrauch Position bezieht, erfährt sie auch Zustimmung in der Bevölkerung. NPD und andere extrem rechte Strukturen waren in den vergangenen Jahren sehr schnell und mitunter die Ersten, die nach Bekanntwerden solcher Taten auftauchten und mit eindeutigen Transparenten vor Ort demonstrierten. Der Schutz der betroffenen Familien und Kinder spielte dabei keine Rolle. Sitzt der Schock der Opfer noch tief, nutzen Neonazis die Situation, um diese mit eigenen Parolen zu instrumentalisieren. Schon vor über zehn Jahren gehörte das zur „Normalisierungsstrategie“ der Rechten: Das aufgreifen populärer Themen, um sich selbst als sympathische politische Alternative erscheinen zu lassen.[5]
Doch hinter dieser Taktik versteckt sich Antisemitismus, Rassismus und völkisches Denken.
Die Forderung nach einer „Todesstrafe für Kinderschänder“ tauchte bereits zu Zeiten des Nationalsozialismus auf. Jüdinnen*Juden wurden in der Propaganda der Nazis als „Rassenschänder“ bezeichnet. In einer Vielzahl an antisemitischen Darstellungen wurde das Bild des „Juden“ als Täter sexueller Gewalt und „Knabenschänder“ reproduziert. Unter der Herrschaft der NSDAP wurden drakonische Strafverschärfungen eingeführt, in deren Folge die einschlägig vorbestraften Täter*innen kastriert und in die Konzentrationslager eingeliefert wurden, wo sie zu den ersten gehörten, die gezielt ermordet wurden.[6] Heute wie damals wird zudem Schwarzen Männern ein triebhaftes Sexualverhalten unterstellt. Dies grenze sich aber von dem gewollten Liebesakt weißer Nordeuropäer*innen ab. Ist der*die Täter*in nicht-weiß, so wird das Verbrechen zusätzlich rassifiziert, wobei die Deutungshoheit hier eben vor allem von Männern bestimmt wird, in deren Rhetorik es um den vermeintlichen Schutz ihrer Frauen und Kindern geht.[7]
Ein weiterer Aspekt ist die Ablehnung des demokratisch verfassten Rechtssystems. Dies wird im Beitrag in einem Beitrag von „Siggi Pauly“ deutlich, wo dieser schreibt: „Leider mussten wir erfahren,das auch in unserer Oderstadt Pädophilie und Kinderschänder ihren Trieben zum Nachteil unserer Kinder nachgehen können, ohne das es die Behörden Interessiert,ob die nur zu Bewährungsstrafen- trotz nachweislich mehrfacher Verbrechen Verbrechen an Kindern-verurteilter Triebtäter wahrscheinlich weiter ihr Unwesen treiben.“[8] (Fehler im Original) Nach Logik der Neonazis würde das „System“ zu wenig gegen die Täter*innen tun. Lieber wollen die Neonazis das Recht in eigene Hand nehmen. Die Forderung der Todesstrafe gehört dabei zu der rigiden Law-and-Order-Logik der extremen Rechten. Menschenleben sind in ihren Augen wenig wert, wenn sie dem „Volk“ schaden. Die Auslöschung „unnützen Lebens“ ist die einfachste Lösung.
Die NPD in der Oderstadt seit Jahren am Boden
Frankfurt (Oder) galt einst als eine Hochburg der NPD in Brandenburg. In den 1990er Jahren terrorisierten ihre Anhänger*innen in der Stadt alle Menschen die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passten. Hetzjagden, Brandanschläge und schwere Körperverletzungen wurden fast täglich von Antifaschist*innen registriert. Mit Jörg Hähnel saß sogar ein führender Vertreter der Partei ab 1998 im Frankfurter Stadtparlament. Nach dem Wegzug des auch als Liedermachers bekannten Neonazis nach Berlin 2001, verlor die örtliche Szene zunächst sein wichtigstes Zugpferd. Neonazistische Gewalt bestimmte zwar weiterhin das Bild der Stadt, aber Parteistrukturen konnten keine neuen aufgebaut werden. Ab 2006 verstärkte jedoch die NPD wieder ihre Aktivitäten. Der für die Region zuständige Kreisverband „Oderland“ der NPD wollte das Potential der mit Abstand größten Stadt im Verband nicht verschenken. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten präsentierte sich der Frankfurter Roland Weiß während einer Demonstration am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung 2007 als neues Gesicht eines zukünftigen neuen Stadtverbands und kündigte einen „Sturm auf das Rathaus“ an.[9]
Von den großen Ankündigungen blieb damals nicht viel übrig. Der neue Vorsitzende Weiß zog sich bereits im Herbst 2007 von der NPD zurück. Auslöser dafür könnten die Aufklärungsarbeit örtlicher Antifaschist*innen und ein Brandanschlag auf seinen PKW gewesen sein. Neue Aktivitäten konnte die Partei seitdem in der Stadt kaum noch entfalten. Zwar gibt die NPD bis heute an einen Stadtverband in Frankfurt zu besitzen, Aktivitäten sind seit Jahren, abgesehen von gelegentlichen Flugblattaktionen, so gut wie keine zu beobachten. Bei Demonstrationen und Versammlungen von Neonazis in den vergangenen Jahren waren Frankfurter Neonazis höchstens als Fahnen- oder Transparent-Träger*innen gesichtet wurden.[10]
An fähigen Kamerad*innen scheint es weiterhin zu fehlen. Zudem hat die AfD mit ihrer extrem rechten Rhetorik der NPD auch in der Oderregion viele Stimmen abgenommen. Nun wollen also Siegfried Pauly, Mario Schreiber und Co. erneut versuchen durch das Thema „Kindesmissbrauch“ Sympathisant*innen für örtliche NPD-Strukturen zu gewinnen. Wieviele Teilnehmende die Neonazis mit dem Thema am Samstag zu ihrer Kundgebung locken können, bleibt abzuwarten. Dass sich mehr als 20 Teilnehmende vor Ort versammeln, wie zuletzt die ebenfalls am Boden liegende Berliner NPD am 1. Mai am Berliner Alexanderplatz versammelte, darf bezweifelt werden.[11] Mit einer Offensive zur anstehenden Bundestagswahl dürfte ebenso wenig zu rechnen sein. Bei den letzten Landtags- und Kommunalwahlen trat die Partei schon gar nicht mehr an und bei der Wahl zum Europaparlament vor zwei Jahren gaben im Frankfurter Wahlkreis lediglich 112 Menschen (0,5%) der NPD ihre Stimme.[12]
1 Vgl. Antifaschistische Recherchegruppe Frankfurt (Oder) (2021): Kein Platz für Neonazis? – Extrem rechte Beteiligung auf Frankfurter Querdenken-Kundgebung am 28. November 2020. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2021/03/02/kein-platz-fuer-neonazis-extrem-rechte-beteiligung-auf-frankfurter-querdenken-kundgebung-am-28-november-2020/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
2 Vgl. Inforiot (2017): Querfront-Kundgebung am 1. Mai in Frankfurt (Oder) ohne Gegenprotest. https://inforiot.de/querfront-kundgebung-am-1-mai-in-frankfurt-oder-ohne-gegenprotest/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
3 Vgl. Inforiot (2009): NPD erneut in Joachimsthal — Mahnwache mit 70 Nazis am vergangenen Freitag. https://inforiot.de/npd-erneut-in-joachimsthal-mahnwache-mit-70-nazis-am-vergangenen-freitag/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
4 Vgl. Bundespressekonferenz e.V. (2020): Vorstellung der Zahlen kindlicher Gewaltopfer –Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019. https://beauftragter-missbrauch.de/fileadmin/Content/pdf/Meldungen/2020/05_Mai/11/Pressemappe_PK_PKS_2019.pdf (abgerufen am 04. Mai 2021)
5 Vgl. Rafael, Simone (2009): Warum engagieren sich Neonazis gegen „Kinderschänder“? https://www.belltower.news/warum-engagieren-sich-neonazis-gegen-kinderschaender-30514/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
6 Vgl. Radvan, Heike (2015): Historische Perspektiven. In: Amadeus Antonio Stiftung (Hrsg.): Instrumentalisierung des Themas sexueller Missbrauch durch Neonazis. S. 10f. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2018/08/instrumentalisierung-des-themas-sexueller-missbrauch-durch-neonazis‑1.pdf.
7 Vgl. Berg, Anna; Goetz, Judith; Sanders, Eike (2018): Toxische Männlichkeit von Kandel bis Chemnitz. https://www.apabiz.de/2018/toxische-maennlichkeit-von-kandel-bis-chemnitz/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
8 Facebook-Beitrag von „Siggi Pauly“ vom 25.04.2021 (09:43 Uhr)
9 Vgl. Antifaschistische Recherchegruppe Frankfurt (Oder) (2007): Verstärkte NPD-Aktivitäten münden in Stadtverbandsgründung. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2007/03/03/verstaerkte-npd-aktivitaeten-muenden-in-stadtverbandsgruendung/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
10 Vgl. Antifaschistische Recherchegruppe Frankfurt (Oder) (2014): Die NPD am 1. Mai in Brandenburg – Gewaltbereit in den Wahlkampf. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2014/05/21/die-npd-am-1-mai-in-brandenburg-gewaltbereit-in-den-wahlkampf/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
11 Vgl. Presseservice Rathenow [@PresseserviceRN]. (2021). Am #Alexanderplatz in #Berlin endete gerade eine Spontankundgebung der JN. Die Polizei führt die Neonazis nun in den Bahnhof #b0105 [Tweet]. Twitter. https://twitter.com/PresseserviceRN/status/1388534723614543872. Twitter-Eintrag vom 1. Mai
12 Vgl. Europawahl 2019 (2019): Stimmenanteile für die Stadt Frankfurt (Oder). https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2019/ergebnisse/bund-99/land-12/kreis-12053.html abgerufen am 04. Mai 2021)