“Wir laden alle Südbrandenburger:innen herzlich dazu ein, sich an der 1. Mai – Demonstration für eine gerechte und soziale Gesellschaft und klimagerechte Zukunft zu beteiligen. Die derzeitigen Krisen verschärfen die soziale Situation vieler Menschen und stellen Gesellschaften vor große Herausforderungen, wie der Krieg in Europa, aber auch der Pflegenotstand in Deutschland zeigen. Diese Krisen dürfen nicht auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden. Dafür setzen wir uns ein.”, so Anne Broda, Sprecherin von #unteilbar-Südbrandenburg.
Der Demonstrationszug startet am Sonntag um 11 Uhr am Schillerplatz und führt über eine kurze Route durch die Innenstadt zum selben zurück. Auf der Demonstration wird es einen Klima-Block geben. Dazu sagt Rebekka Schwarzbach von der Umweltgruppe Cottbus: „Auch wir protestieren am 1. Mai, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen gegen die immer weiter voranschreitende Klimakatastrophe, die gerade hier in der Lausitz durch den Kohleabbau angeheizt wird. Die Klimakatastrophe ist nicht nur eine der häufigsten Fluchtursachen, sondern zerstört auch die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der die 1. Mai Demonstration mitorganisiert, betont die Wichtigkeit gewerkschaftlicher Arbeit für die Arbeitnehmer:innen in Krisensituation: “Die Corona-Krise und jetzt noch der Ukraine-Krieg, stellen unsere Wirtschaft vor ungeahnte Herausforderungen. Dank unserer intensiven, gewerkschaftlichen Krisenpolitik konnten wir Beschäftigungsverluste und Arbeitslosigkeit gering halten. Aber nicht nur das: Wir haben erreicht, dass der Mindestlohn noch in diesem Jahr auf 12 Euro erhöht wird. Das nutzt Millionen Menschen im Land, die wir damit vor „Armut trotz Arbeit“ schützen. In der Zukunft kommt mit der Transformation der Wirtschaft noch eine weitere Baustelle dazu.”, sagt Marco Bedrich, Regionsgeschäftsführer des DGB Südbrandenburg/Lausitz.
Im Anschluss an die Demo findet im Schillerpark ein Maitreffen statt, bei dem u.a. der Cottbuser Kneipenchor auftritt und der Austausch und die Vernetzung der Akteur:innen im Mittelpunkt stehen.
Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland (BOrG) hat im Jahr 2021 insgesamt 230 rechte Vorfälle im Landkreis aufgenommen. Diese Vorfälle sind unterschiedlich hinsichtlich ihrer Schwere und reichen von Propaganda über Bedrohungen und Beleidigungen bis hin zu Angriffen. Auch hinsichtlich der inhaltlichen Kategorien, also der Motivation oder der betroffenen Gruppe, sind die Vorfälle unterschiedlich. Sie eint jedoch, dass sie extrem rechte Ideologieelemente bedienen. Das bedeutet, dass sie entweder Aktivitäten der extremen Rechten darstellen oder Rassismus, Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit, Sozialchauvinismus (die Abwertung von armen und wohnungslosen Menschen oder Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen) oder Verschwörungserzählungen ausdrücken.
Die Fallzahl hat sich im Vergleich zu unserer Auswertung von 2021 (107 Fälle) verdoppelt. Wie auch in den vergangenen Jahren hat dies zum einen mit einer aktiveren Meldestruktur und Öffentlichkeitsarbeit der BOrG zu tun, aber auch damit, dass sich Trends des letzten Jahres fortsetzen: Neben einer Vielzahl von Veranstaltungen der AfD im Landkreis beobachten wir neue extrem rechte Strukturen, die durch verschiedene Aktionen aufgefallen sind.
Mit neun Angriffen ist die Anzahl gegenüber dem letzten Jahr um drei Angriffe gestiegen. Hierfür ist maßgeblich eine Angriffsreihe im Küstriner Vorland verantwortlich, bei der eine der rechten Szene zugehörige Frau mehrfach Polizist*innen angriff. Dies geht aus mehreren Landtagsanfragen der Abgeordneten Andrea Johlige hervor. Ansonsten sind es vor allem rassistisch motivierte Angriffe, die wir in 2021 beobachtet haben. Wie auch in den Jahren zuvor sind Geflüchtete oder vermeintlich geflüchtete Menschen und ihre Unterkünfte vergleichsweise häufig Ziele von Angriffen.
Art der Vorfälle
Rechte Veranstaltungen als häufigste Vorfallsart
Im letzten Jahr fanden in Märkisch-Oderland insgesamt 92 Veranstaltungen statt, die von rechten Akteur*innen organisiert wurden oder einen rechten Bezug hatten. Diese hohe Zahl muss im Kontext des Bundestagswahlkampfes und der stetigen Mobilisierung gegen die Corona-Maßnahmen gesehen werden. Hier kam es teilweise zu Überschneidungen, wie bei den regelmäßigen Kundgebungen der AfD in Wriezen. Seit Dezember 2020 führt die AfD hier jeden Mittwoch eine Kundgebung auf dem Marktplatz durch, die sich gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie richtet, aber auch immer wieder allerlei Themen aus dem Wahlprogramm der AfD behandelt. Zusätzlich zu diesen Kundgebungen kamen weitere AfD-Veranstaltungen im gesamten Landkreis dazu. Ab Juli stieg die Zahl der AfD-Veranstaltungen durch den beginnenden Wahlkampf an: Infostände, Bustouren, Kundgebungen und Sommerfeste; die AfD war an vielen Orten mit ihren Anhänger*innen präsent und machte diese Orte damit auch immer wieder zu No-Go-Areas für Menschen mit Rassismuserfahrungen, Jüd*innen, Menschen aus der LGBTIQ*-Community oder Personen, die als links oder “alternativ” wahrgenommen werden.
Vorfälle im Jahresverlauf
Neben der AfD waren es vor allem die Querdenkenproteste im ersten Halbjahr, die die Zahl der rechten Veranstaltungen anwachsen ließ. Die Querdenken-Kundgebungen fanden in Strausberg zu einer Zeit statt, zu der schon längst Reichsfahnen auf den großen Demos in Berlin gezeigt wurden und die Debatten um eine fehlende Abgrenzung nach Rechts geführt wurden. Wer sich zu diesem Zeitpunkt bewusst für ein rechtsoffenes Label wie Querdenken entscheidet, scheint gut damit leben zu können, wenn auch rechte Inhalte auf den Kundgebungen präsentiert werden. Und so kam es auch, dass neben dem extrem rechten „Compact-Magazin“, welches auf den Kundgebungen verteilt wurde, auch immer wieder NS-verharmlosende Inhalte präsent waren. Neben der AfD und dem Querdenken-Spektrum gab es auch Veranstaltungen neonazistischer Gruppierungen. So fanden drei Wanderungen von neonazistischen und völkischen Gruppen im Osten von Märkisch-Oderland statt. Zudem gab es geschichtsrevisionistische Veranstaltungen zum “Heldengedenken” oder der 150-jährigen Gründung des Deutschen Reiches.
Die zweithäufigste Vorfallsart im Jahr 2021 machten mit 89 Vorfällen Propagandafälle aus. Darunter fallen zum Beispiel verklebte Sticker oder Flyer, die verteilt wurden. Hier sind es vor allem Sticker, die rechte Strukturen als solche bewerben. Dabei spielen jedoch immer auch andere Dimensionen des Rechtsextremismus eine Rolle, wie Rassismus, Antisemitismus oder die Bedrohung von politischen Gegner*innen. Im Jahr 2021 ist vor allem die Präsenz von Stickern der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ in der gesamten S5-Region enorm angestiegen, was auf einen personellen Zuwachs der Struktur in der Region schließen lässt. Daran anknüpfend gab es auch mehrere Aktionen, bei denen Neonazis vom III. Weg-Flyer und andere Propaganda verteilt haben.
Hakenkreuzschmierereien und Bedrohungen
Insgesamt kam es im letzten Jahr zu 18 Sachbeschädigungen. Darunter finden sich 11 gesprühte Hakenkreuze im öffentlichen Raum. Zusätzlich zu den Hakenkreuz-Schmierereien, sind auch Sachbeschädigungen durch die neonazistische Jugendclique “Division MOL” in Fredersdorf und Petershagen-Eggersdorf verübt worden. Neben Sprühereien durch die jugendlichen Nazis haben 5 Mitglieder der Gruppe am 31. Januar eine Gedenkstätte für Phan Văn Toản am Bahnhof Fredersdorf zerstört. Zuvor hatten Antifaschist*innen dort an Phan Văn Toản gedacht, der 1997 am Bahnhof aus rassistischen Motiven angegriffen wurde und an den schweren Verletzungen verstarb. Die dort gelassenen Blumen, Kerzen und Transparente wurden zerstört.
Auch 18 Bedrohungen, Beleidigungen und Pöbeleien haben wir im letzten Jahr aufgenommen. Diese richteten sich vorrangig gegen politische Gegner*innen. Hier dürfte die Dunkelziffer mit rassistischen Motiven enorm hoch liegen. Alltagsrassismus, Beleidigungen an der Kasse im Supermarkt, im Bus oder im Verein stehen für viele Schwarze Personen und Menschen mit Rassismuserfahrungen leider an der Tagesordnung, werden jedoch aufgrund der schieren Häufigkeit in den seltensten Fällen an Polizei oder Beratungsstrukturen gemeldet. Jede betroffene Person könnte wahrscheinlich von hunderten Situationen der Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung erzählen.
Keine sicheren Rückzugsräume Märkisch-Oderland
Die räumliche Verteilung der Vorfälle zeigt, dass es vor allem die größeren Städte wie Bad Freienwalde, Wriezen, Müncheberg und Strausberg sind, die mit hohen Fallzahlen hervorstechen. Aber auch der Berliner Speckgürtel und damit die S5-Region ist ein Hotspot für rechte Aktivitäten. Wie auch in der Vergangenheit ist mit 68 Vorfällen Strausberg der Ort mit den meisten Vorfällen. Dies ist zum einen auf eine hier aktive rechte Szene zurückzuführen, aber auch auf die lokale Verankerung der Beratungsstelle in Strausberg. Aktive der BOrG und eine hier aktive Zivilgesellschaft kriegen mehr von dem Geschehen in der Stadt mit, als es in Seelow oder Lebus der Fall ist. Wir können davon ausgehen, dass die Fallzahlen in Strausberg der Durchschnitt sind und wir in anderen Teilen des Landkreises eine enorme Dunkelziffer haben. Viele Betroffene wissen nicht, an wen sie sich bei Diskriminierung oder rechter Gewalt wenden können. Insbesondere geflüchtete Personen wollen nicht negativ auffallen, um ihr Asylverfahren nicht zu gefährden und vermeiden dadurch den Kontakt zu Beratungsstellen oder der Polizei. Aber auch unsensible Reaktionen von Politik und Polizei, sowie die Alltäglichkeit von rechten Vorfällen im Leben vieler Menschen führen zu Ohnmachtsgefühlen.
Räumliche Verteilung der Vorfälle
Die hohe Anzahl rechter Vorfälle in der S5-Region ist eine Weiterentwicklung von Trends und Phänomenen, die bereits 2020 aufgetaucht sind. Die rechte Jugendgruppe „Division MOL“ ist maßgeblich für diverse Vorfälle in der Region verantwortlich. Die weiterhin hohe Anzahl an Vorfällen lässt eine ideologische Festigung der Jugendlichen vermuten. Die weite Verbreitung Propaganda des III.Weg ist besorgniserregend und lässt auf strukturelle und personelle Verbindungen zur neonazistischen Kleinstpartei schließen. Neben Strausberg und der S5-Region war es vor allem auch Bad Freienwalde, wo der III. Weg besonders in der ersten Jahreshälfte auffiel.
Antisemitismus und Rassismus als fester Kern rechter gewalttätiger Ideologie
Wie auch in den vergangenen Jahren ist rechte Selbstdarstellung, also das Bewerben oder das Auftreten als rechte Struktur oder Partei, das dominante Motiv. Nicht zu vergessen ist aber, dass rechte Strukturen immer auch eine rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Ideologien vertreten und damit diese Ideologieelemente auch immer Teil rechter Selbstdarstellung sind.
Es zeigt sich deutlich, dass die Vorfälle mit direkten Betroffenen und jene, auf die direkte körperliche Unversehrtheit zielen, durch den vernichtenden Kern rechter Ideologie motiviert sind: Rassismus, Antisemitismus und Angriffe auf politische Gegner*innen. Das sind bei den Bedrohungen, Angriffen und Sachbeschädigungen die dominierenden Motive.
Veranstaltungsreihe, Ausstellung und öffentliches Gedenken 30 Jahre nach den rassistischen Ausschreitungen in Cottbus-Sachsendorf
30 Jahre nach den mehrtägigen rassistischen Ausschreitungen in
Cottbus-Sachsendorf im Jahr 1992 hat es sich die Initiative Cottbus ’92
zur Aufgabe gemacht die Geschehnisse von damals zu recherchieren,
aufzuarbeiten und – gemeinsam mit Betroffenen – zu erinnern.
Den Auftakt bildet eine Veranstaltungsreihe (siehe unten), die am
morgigen 26. April um 18 Uhr im Stadtmuseum Cottbus beginnt. Drei
weitere Einzelveranstaltungen sind bis zum 10. Mai 2022 geplant. Die
Veranstaltungen finden in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Brandenburg und dem Opferperspektive e.V. — Solidarisch gegen Rassismus,
Diskriminierung und rechte Gewalt statt.
Klara Zeit von der Initiative Cottbus ’92 sagt hierzu: „Wir wollen 30
Jahre nach den mehrtägigen rassistischen Angriffe in Sachsendorf im Jahr
1992 – die wenige Tage nach dem Pogrom in Rostock Lichtenhagen
stattfanden – den Auftakt machen für ein Erinnern in Cottbus. Bis heute
fand in der Cottbuser Stadtgesellschaft kaum Aufarbeitung statt. So gab
es über die 1990er Jahre und gibt es bis heute ein massives Problem in
der Stadt mit Neonazis, militanten Rechten und rechter Gewalt. Die
Stadtgesellschaft Cottbus muss sich endlich dem Problem stellen, die
Vergangenheit aufarbeiten und dafür sorgen, dass in der Gegenwart und in
der Zukunft die Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt nicht
allein gelassen werden“.
Ende August 2022 plant die Initiative ein öffentliches Gedenken in
Cottbus-Sachsendorf, dessen genau Form derzeit diskutiert wird. Zudem
ist ab Anfang September eine Ausstellung im Stadtmuseum Cottbus geplant,
in der – ausgehend von den Ereignissen 1992 in Sachsendorf – ein Blick
auf die Jahre der Transformation, das Erstarken rechter Gruppen, sowie
der Zunahmen rechter und rassistischer Angriffe in der Stadt geworfen
werden soll. Die Perspektiven der Betroffenen stehen dabei im Fokus.
Zur Initiative:
Die Initiative Cottbus’92 besteht aus Menschen, die in Cottbus dauerhaft
leben und / oder arbeiten und Anderen, die einen Blick von außen
einnehmen. Gemeinsam haben sie es sich zur Aufgabe gemacht die
gesellschaftlichen Verhältnisse der 1990er Jahre in Cottbus und Umgebung
sichtbar zu machen.
Kontakt: Klara Zeit // Mail: Cottbus1992@riseup.net
Weitere Informationen: twitter.com/cottbus1992
Veranstaltungsreihe Initiative Cottbus‘92
Alle Veranstaltungen finden im Stadtmuseum, Bahnhofstraße 22, 03046
Cottbus statt. Voraussetzung zur Teilnahme ist das Tragen einer
Mund-Nasen-Bedeckung.
1. Dienstag, 26.04.2022, 18 Uhr
Veranstaltung mit einem Vertreter der Gruppe Pogrom ’91 aus Hoyerswerda,
der die dortigen rassistischen Ausschreitungen 1991 kontextualisiert und
vom Versuch einer gesellschaftlichen Aufarbeitung berichtet. Zudem
stellt sich die Initiative Cottbus ’92 vor und diskutiert
gedenk-politische Perspektiven in der Stadt Cottbus.
2. Dienstag, 03.05.2022, 18 Uhr
Lucia Bruns (ASH Berlin) und Christin Jänicke (HWR Berlin) stellen
Ergebnisse aus dem wissenschaftlichen Forschungsprojekt JUPORE –
Jugendarbeit, Polizei und rechte Jugendliche in den 1990er Jahren vor.
Ein Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Stadt Cottbus.
3. Donnerstag, 05.05.2022, 17 Uhr
Albino Forquilha (AAMA, Verein der deutsch-mosambikanischen Freundschaft
und Kooperation) und seine Mitstreiter:innen berichten über ihre
Erfahrungen als Vertragsarbeiter:innen und Studierende in der DDR. Zudem
berichten sie über ihre Erlebnisse in den Jahren der Transformation
und ihren Kampf um Anerkennung ihrer Rechte, der bis heute andauert.
Die Veranstaltung wird per online Live-Schaltung und auf deutsch und
portugiesisch stattfinden.
4. Freitag, 10.05.2022, 18 Uhr
Frances Kutscher wurde 1992 in Finsterwalde geboren. Ihr Vater, ein
mosambikanischer Vertragsarbeiter, kehrte kurz vor ihrer Geburt nach
Mosambik zurück. Sie engagiert sich
im Netzwerk Solibabies und möchte andere ermutigen, sich auf die Suche
nach ihren Wurzeln zu machen. Bachir Alali vom Geflüchtetennetzwerk
Cottbus e.V. spricht über die Perspektiven und Kämpfe von Geflüchteten
in Cottbus.
Opferperspektive fordert Aufklärung im Polizeiskandal im Landkreis Dahme-Spreewald
Wie zunächst BILD und später der RBB berichteten steht ein Polizist, der im Landkreis Dahme-Spreewald tätig ist, im Verdacht, auf Bildern in einer SS-Uniform posiert und dabei eine Waffe getragen zu haben, für die er keine Erlaubnis habe. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung sollen Uniformteile mit eindeutigem Bezug zur Waffen-SS gefunden worden sein, darunter etwa Hakenkreuz-Symbole sowie das Totenkopf-Abzeichen der Waffen-SS. Der Verein Opferperspektive musste im vergangen Jahr 2021 im Landkreis Dahme-Spreewald 16 körperliche Angriffe registrieren, die durch rechte Täter:innen und im Landkreis aktive Neonazis begangen wurden. Dies ist die bislang höchste Anzahl rechter Angriffe in diesem Landkreis, die durch die Opferperspektive erfasst wurde. Eine Vielzahl dieser Angriffe galten politischen Gegner:innen und wurden durch die Betroffenen nicht zur Anzeige gebracht.
„Auch aus Perspektive der Betroffenen von neonazistischer und rechter Gewalt ist es völlig inakzeptabel, wenn ein Polizeibeamter in SS-Uniform posiert und später gegenüber der Presse äußert, dass er sich dabei keiner Schuld bewusst sei”, so Martin Vesely vom Verein Opferperspektive. „Die Strafverfolgungsbehörden müssen nun schnell und zügig reagieren. Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten und rechtlich Relevanz haben, muss der Beamte umgehend aus dem Dienst entlassen werden. Betroffene von neonazistischer Gewalt müssen sich sicher sein können, es mit einer demokratisch verfassten Polizei zu tun zu haben.”, so Martin Vesely weiter. Bei den Ermittlungen muss auch das Umfeld des Polizisten umfassend ausgeleuchtet werden, um eine mögliche Eingebundenheit des Beamten in neonazistische Netzwerke aufzuklären.
In der Vergangenheit hat es regelmäßig mehrere Jahre gedauert, bis Fälle von rechter Gewalt im Gerichtsbezirk Cottbus verhandelt wurden. Das darf in diesem Fall nicht passieren. Es ist zu hoffen, dass die im letzten Jahr eingerichtete Zentralstelle Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft hier die Ermittlungen führt.
Leichter Anstieg rechter Gewalttaten — Mehr Angriffe auf politische Gegner:innen
Der in den letzten Jahren zu verzeichnende stetige Rückgang rechter Gewalttaten, setzte sich im Jahr 2021 nicht fort. Mit insgesamt 150 Gewaltdelikten (2020: 137) stieg die Zahl zum ersten Mal seit 2018 wieder leicht an. Zu den registrierten Vorfällen zählt in diesem Jahr auch ein rechtes Tötungsdelikt mit vier Todesopfern.
Rassismus weiterhin Hauptmotiv – Anteil der Angriffe auf politische Gegner:innen angestiegen
Ausschlaggebend für den erneuten Anstieg der Gewaltstraftaten dürfte die im Jahr 2021 intensivierte rechte Mobilisierung gegen die Infektionsschutzmaßnahmen sein. Im Vergleich zum Vorjahr ließ sich eine thematische Verschiebung der Tatmotivationen beobachten, die politische Gegner:innen stärker in den Fokus von Angriffen rückte. In diesem Kontext ist auch ein neues Teilfeld rechter Gewalt entstanden. So registrierte die Opferperspektive 12 Gewalttaten im Zusammenhang mit der rechten Mobilisierung gegen die Corona-Bestimmungen (2020: 4). Auch der Anteil der Angriffe auf politische Gegner:innen ist mit 23 Vorfällen im Vergleich zum Vorjahr (2020: 9) signifikant gestiegen.
„Die zunehmenden Gewaltbereitschaft und Radikalisierung innerhalb der Pandemieleugner-Bewegung beobachten wir mit großer Sorge.“ so Anne Brügmann, Projektkoordinatorin der Opferperspektive. „Daher stellt es aus unserer Sicht auch ein schweres Versäumnis der Brandenburger Landesregierung dar, das rechte Tötungsdelikt in Senzig mit vier Todesopfern nicht ausreichend und deutlich genug verurteilt zu haben.“ so Martin Vesely, Berater der Opferperspektive.
Der Anteil rassistischer Gewalttaten sank auf 65,3 Prozent (2020: 76,6%). Trotz dieses Rückganges bleibt Rassismus jedoch das Hauptmotiv bei den registrierten Taten. Von den Angriffen direkt betroffen waren im vergangenen Jahr insgesamt 202 Personen (2020: 196).
Regionale Verschiebung der Angriffsschwerpunkte in die südlichen Landkreise
Die regionale Verteilung rechter Angriffe im Jahr 2021 hat sich im Vergleich zum Vorjahr verschoben. So liegen die Landkreise mit den meisten registrierten rechten Angriffen 2021 in Südbrandenburg, während es im Vorjahr Landkreise in Nordbrandenburg waren. Wie schon in den Jahren zuvor hatten die größten Städte Potsdam mit 18 (2020: 15) und Cottbus mit 16 Gewaltdelikten (2020: 13) jeweils die meisten Angriffe zu verzeichnen. Die Landkreise mit einem starken Zuwachs rechter Gewalttaten waren Dahme-Spreewald mit 16 (2020: 5) und Teltow-Fläming mit 11 Angriffen (2020: 6).
Am Abend des 10.März 2022 traf sich die zu AfD in dem bereits als rechtem Treffpunkt bekannten „Mittelpunkt der Erde“ in Hönow, den kriegstreiberischen Ausführungen von Gunnar Lindemann, Lars Günther und Jürgen Elsässer unter dem Titel „Keine Waffen an die Ukraine! Neutralität Deutschlands!“ eine Plattform zu bieten. Angekündigt waren zudem weitere Überraschungsäste. Ob damit Birgit Bessin, stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Brandenburg, oder der rechte Liedermacher und ehemalige NPD-Landeschef aus Berlin, Jörg Hähnel, gemeint waren, bleibt ungewiss. Unter den ca. 30 Veranstaltungsteilnehmenden waren meist ältere Männer in schlechtsitzender Kleidung, die das typische Bild des AfD-Wählers zumindest vom Style erfüllten.
Die geringe Anzahl an Gästen zeigt eventuell auch die Ambivalenz der extremen Rechten, was die Positionierung in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine angeht.
Auf der Gegenkundgebung, organisiert von „Kein Acker der AfD“ und ihrer Berliner Schwesternkampagne “Kein Raum der AfD“ fanden sich mehr als 60 Antifaschist*innen allen Alters ein, um lautstark gegen die AfD und den „Mittelpunkt der Erde“ zu demonstrieren. Die Redebeiträge von PostOst Migrantifa und der VVN-BdA Märkisch-Oderland thematisierten den Krieg in der Ukraine und das Entsetzen angesichts der faschistischen und autokratischen Mobilisierung. „Kein Acker der AfD“ ging darauf ein, dass Krieg und damit verbundene Sanktionen immer vor allem arme Menschen weltweit treffen und Reiche davon profitieren. Eine Redebeitrag der S5-Antifa Tarifbereich C beleuchtete das Compact-Magazin und die menschenverachtenden Inhalte der AfD. Hier zeigten Sie die enge Verbindung zwischen Jürgen Elsässer und Lars Günther sowie dem Compact-Magazin als „Schmierenblatt der AfD“ auf. Die Antifa Strausberg kritisierte die Trennung in „gute“ und „schlechte Geflüchtete“ und rief dazu auf, die Grenzen Deutschlands für alle zu öffnen, die vor Krieg, Krisen und Ausgrenzung fliehen. Gerade schwarze Geflüchtete aus der Ukraine, beispielsweise nigerianische Studierende, waren auf der Flucht massiven Rassismuserfahrungen ausgesetzt, weil sie nicht in das stereotype Bild weißer Europäer*innen passen.
Es gab positive Rückmeldungen von Nachbar*innen und den Aufruf, dass Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ zu boykottieren, schlechte Bewertungen zu schreiben und ihnen klare Kante zu zeigen. Wer seine Türen und Räumlichkeiten für rechte Propaganda öffnet, muss mit lautstarken Reaktionen rechnen.
Kein Friede mit der AfD! Kein Bier für Faschisten!
Während in der Ukraine Menschen vor dem Krieg fliehen, in Russland Kriegsgegner*innen mit Repression überzogen werden und Neonazis zu ihren Waffen greifen, lädt die AfD zur Diskussion mit dem Chefredakteur des extrem rechten Compact-Magazins, Jürgen Elsässer. Dieser und der AfD-Landestagsabgeordnete Lars Günther kennen sich schon viele Jahre durch die selbsternannten “Friedensmahnwachen” 2014 in Berlin. Unterstützt werden die beiden in der Diskussion vom Berliner AfD-Abgeordneten Gunnar Lindemann aus Marzahn, der auf Sozialen Medien keinen Hehl aus seiner Putinliebe macht. Durchgeführt wird das ganze im Lieblingslokal der Rechten — während es überall schwer ist für die AfD, Räume für ihre Hetze zu finden, sprachen im Restaurant “Mittelpunkt der Erde” schon der Faschist Björn Höcke und der rechte Publizist Götz Kubitschek. Als “Dankeschön” für die Unterstützung im Bundestagswahlkampf lud die stellvertretende Vorsitzende Birgit Bessin 2021 zum Rechtsrockkonzert mit Sacha Korn hierher ein. Als Anhänger des extrem rechten Flügels ist es kaum verwunderlich, dass die AfD Brandenburg als auch die AfD Marzahn-Hellersdorf einen Hang zu autoritären Führern haben und von einem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sprechen, anstatt es als das zu benennen, was es ist — ein Angriffskrieg durch Putin.
Wir sind solidarisch mit all jenen, die aufgrund von Krieg und Vertreibung aus ihren Heimatländern flüchten müssen — in der Ukraine, Syrien, Afghanistan oder anderswo. Unsere Herzen sind bei denjenigen, die weltweit gegen Krieg und Faschismus kämpfen. Unsere Gedanken sind bei den zahlreichen Toten von Krieg und Verfolgung. Wir stehen gegen eine Spaltung in “gute” und “schlechte” Geflüchtete und stellen uns antislawischen Vorurteilen entgegen! Wir sind fassungslos und wütend ob der Instrumentalisierung von Kriegsgeschehen für rechte Propaganda-Veranstaltungen!
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die AfD und ihre Positionen nicht unkommentiert bleiben. Kommt mit uns auf die Straße — lautstark und mit Abstand. Für den Frieden, gegen die AfD!
Die Corona-Proteste in Cottbus sind die größten im Land Brandenburg und gehören zu den bestorganisierten. Sie gelten in anderen Orten als Vorbild. Deutlicher noch als anderswo sind die Cottbuser Demonstrationen von Rechtsextremen dominiert: das Bündnis aus AfD, dem Verein Zukunft Heimat, Neonazis und Adepten der „Identitären“ haben die Protest-Regie bisher fest unter ihrer Kontrolle. Noch immer gibt es wöchentlich Demonstrationen mit einer hohen dreistelligen Anzahl an Teilnehmer*innen.
Heiko Kolodzik 2013 gemeinsam mit Alexander Gauland vor der Synagoge in Cottbus
Dem Gesamtbild der Cottbuser Proteste soll hier ein wichtiges Puzzlestück hinzugefügt werden: Die größte Telegramgruppe für die Coronaproteste wird von einem Hardcore-Antisemiten administriert. Erst im Dezember hatte es einen grausamen, antisemitisch motivierten Vierfachmord in Königs Wusterhausen gegeben – der Täter war ein „Querdenker“ und in einschlägigen Telegramkanälen unterwegs [1]. Vor diesem Hintergrund sollte die Reichweite antisemitischer Hetze in den Kommunikationskanälen Brandenburger Coronaproteste besondere Aufmerksamkeit erfahren. Darum: Blicken wir auf den Cottbuser Telegram-Administrator Heiko Kolodzik.
Nachdem im Dezember der lokale AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm dazu aufrief unangemeldet zu demonstrieren [2] verbreitete sich im Januar der Link zur Telegram-Gruppe „Widerstand Cottbus“ in der Szene. Die Gruppe wuchs innerhalb von nur zwei Wochen auf über 1.000 Mitglieder. Vorrangiges Ziel ist sich intern auf der Straße zu koordinieren.
Exklusives Schreibrecht
Der Admininstrator „reißzahn“ brachte mit dem Kanal nicht nur die Spaziergänger miteinander ins Gespräch, sondern nutzte ihn auch als eigenesSprachrohr. Schon nach wenigen Tagen begann er Schreibrechte für die Gruppenmitglieder einzuschränken, weil er befürchtete, dass seine „Wahrheit“ zwischen den hunderten anderen Nachrichten untergeht. Zwischenzeitlich ist er fast der einzige, der dort noch regelmäßig schreiben darf, dafür in einer hohen Frequenz. Inhaltlich geht es bei den Posts von „reißzahn“ um die „Corona-Giftspritze“ und die „BRD-Besatzung“, ihre „Söldner“ usw.. Er sieht sich und seine Mitstreiter*innen in einer Art Endkampf auf Leben und Tod. Es ist ein verschwörungsideologisches Potpourri, wie es für Brandenburger Corona-Protestkanäle auf Telegram nicht untypisch ist.
Videos von Heiko Kolodzik bei YouTube
Der Admin „reißzahn“ verweist immer wieder auf die Telegram-Kanäle “CoronaWahnArchiv“, „ImpfWahn“ und „BRD-Besatzer-Politik“ deren Inhalte darauf hindeuten, dass diese ebenfalls von ihm selbst verwaltet werden. Auf allen diesen Kanälen finden sich PDF-Dokumente aus der Feder des Cottbuser Finanzberaters Heiko Kolodzik. Am 18. Januar postete „reißzahn“ ein Foto aus der Perspektive des Firmenbüros von „Kolodzik & Kollegen“ am Altmarkt. Am 31. Januar verbreitete „reißzahn“ dann ein PDF mit einem Widerspruchsschreiben gegen eine polizeiliche Verbotsverfügung – dessen Urheber ebenfalls „Heiko“ heißt. So wird nachvollziehbar: Admin „reißzahn“ ist Heiko Kolodzik.
Heike Kolodzik ist ein Antisemit mit nationalsozialistischer Schlagseite. Schon oberflächliche Suchen im Internet zeigen dies. Heiko Kolodzik verbreitet unter seinem vollen Namen und auch im Namen seines Unternehmens ultra-antisemitische Inhalte bis hin zu Holocaust-Leugnung. Er bezieht sich in seinen kruden Texten positiv auf die Nazi-Ideologie, beispielsweise auf die Schrift „Kampf gegen die Hochfinanz“ des Nazi-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder. Auf YouTube und dem Portal Odysee verbreitet er krude selbstproduzierte Videos.
Firmensitze von Heiko Kolodzik in Cottbus und Hamburg
Dass jemand mit Firmensitz in bester Cottbuser Altstadtlage auf seiner Homepage offenbar seit Jahren Inhalte verbreitet, die sogar strafrechtlich relevant sein könnten, zeigt, wie fest rechte Strukturen in Cottbus verankert sind und wie sicher sie sich fühlen können. Kolodzik ist aktuell Geschäftsführer der HIH Wertholz GmbH, die mit Holz handelt. Bis 2020 hatte er die gleiche Funktion bei der HWA Hanseatische Werte GmbH in Hamburg inne. Die zugehörigen Adressen in Hamburg und am Altmarkt in Cottbus sind auch als Büros auf den Webseiten kolodzik.de und risk-management.org angegeben.
Eröffnung des ersten AfD-Büros 2013 in Cottbus
Kolodziks politische Biografie ist mit der AfD verbunden. Nach der Gründung der Partei in Cottbus war Kolodziks Büro 2013 die Adresse des ersten lokalen Parteisitzes. Kolodziks selbst war Leiter der Gründungsversammlung und zählt somit zur Gründungsgeneration der AfD [3]. 2014 trat er aus der Partei allerdings aus, weil er sich nach eigener Aussage zu den „Zuständen in Gaza“ nicht frei genug äußern könne [4]. Auch in der aktuellen Telegram-Gruppe zeigt „reißzahn“ ein ambivalentes Verhältnis zur AfD. Einerseits werden die Aktionsaufrufe der Partei und der mit ihr assoziierten Gruppen verlässlich verbreitet. Auf der anderen Seite wird von „reißzahn“ und anderen auch AfD-Kritik geäußert. Die Partei sei zu systemkonform und angepasst. Wahrhaft revolutionär seien nur unangemeldete Versammlungen im Gegensatz zur taktischen Flexibilität der AfD in dieser Frage.
Matthias Stein mit Schwarzer Sonne bei Telegram
In der „Widerstand Cottbus“ ‑Gruppe gibt es zahlreiche personelle und organisatorische Schnittmengen zur örtlichen AfD. Mit-Administrator ist der Senftenberger AfD-Abgeordnete Matthias Stein. Bei der Landtagswahl 2019 scheiterte dieser nur knapp dabei, ein Direktmandat zu erringen [5]. Bei Telegram posiert Stein mit dem SS-Symbol der Schwarzen Sonne. Auch AfD-Kreischef Jean-Pascal Hohm erteilte am 18. Januar taktische Ratschläge: „Einfach nicht so viel Zeug schreiben, was einem auf die Füße fallen kann“. Zumindest Heiko Kolodzik beherzigt diesen Tipp nicht.
Diese Telegram-Gruppe dient der AfD und ihren Aktionen in Cottbus als Vergrößerung ihres Resonanzraums. Für einen Antisemiten wie Heiko Kolodzik sind die aktuellen Corona-Proteste ein Glücksfall: im sozialen Nahraum seiner Heimatstadt schenkt ihm im Zuge der aktuellen Mobilisierungen ein Publikum Aufmerksamkeit, dass eine vierstellige Größe hat. Sein Fall zeigt , dass auch härtester Rechtsextremismus in der Spaziergänger-Szene auf keinen Widerspruch mehr trifft. Die Fanatisierung bis hin zu brutalsten Gewalttaten, wie in Senzig, verläuft in Cottbus weiter ungebremst.
Vor 26 Jahren, am 20. Februar 1996 erlag der Punk Sven Beuter seinen schweren Verletzungen. Fünf Tage zuvor wurde er vom Neonazi Sascha L. brutal zusammengeschlagen. In Gedenken an Sven Beuter und gegen die weitere Verbreitung faschistischen, antisemitischen und rechtsextremen Gedankengutes ruft die “Initiative zum Gedenken an Sven Beuter” alle Interessierten zur Teilnahme an einer Kundgebung am 20. Februar um 17 Uhr an der Gedenkplatte vor der Havelstraße 13, dem Ort, an dem Zeug*innen die Tat beobachteten und eingriffen, auf.
Solche Taten gehören leider noch immer nicht der Vergangenheit an. Die grausamen Anschläge in Halle und Hanau sowie der skrupellose Mord an Walter Lübcke sind nur einige traurige Beispiele, welche Konsequenzen rechte Ideologien haben können. Dem muss sich die Zivilgesellschaft immer wieder und entschlossen entgegenstellen. Es ist nach wie vor wichtig, an die Opfer solcher grausamen Taten zu erinnern, ihnen zu gedenken und zu mahnen. Mit der in jedem Jahr stattfindenden Gedenkkundgebung möchten wir auch einen Beitrag leisten, den Mord an Sven Beuter im städtischen Bewusstsein wach zu halten.
Viele Städte und Dörfer im Land Brandenburg haben ihre eigene lokale Geschichte. Im Wandel der Zeit, von der Weimarer Republik, zum Nationalsozialismus, über die DDR bis zur heutigen Zeit hat die Geschichte Spuren hinterlassen. Sie handelt von Opfern und Täter:innen, es sind Spuren des Kampfes und Widerstandes, der Vernichtung und Befreiung. Manche Straßennamen und Denkmäler wurden im Zuge der neuen Geschichtsschreibung der politischen Umbrüche getilgt, einige ausgegrenzte Opfer- und Personengruppen hatten nie den erforderlichen Rückhalt oder es fehlen erinnerungspolitische Forschungen und Initiativen für ein Gedenken, manche lokale Geschichte mag unbequem sein und wird einfach verdrängt. Es sind jedoch auch Erinnerungsstätten in den letzten Jahren neu entstanden, sie machen Mut für mehr.
Historisches Erbe
Aktuelle Formen von Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus stehen immer im Kontext des historischen Erbes, auch wenn sich ihre Ausprägungen auf aktuell politische Themen berufen. Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus haben in Deutschland eine lange Tradition. Es gilt, den Faden der Erinnerung nicht abreißen zu lassen und das Wissen um die historische Verantwortung zu festigen. Es geht uns zum einen darum, der Opfer zu gedenken, sie sollen nicht vergessen werden. In unserer Erinnerung und unserem Gedenken geht es aber auch darum, aus der Geschichte zu lernen und neue Wege in einer Kampagne gemeinsam zu bestreiten, demokratisches und antifaschistisches Engagement zu fördern und solidarisch zu sein.
Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen
Die Normen und Werte des Zusammenlebens basieren auf jeder einzelnen Person in der Gesellschaft und auf ihrem alltäglichen Handeln. Ideologien und Meinungen der Ungleichheit, des Sozialdarwinismus und des Rassismus bringen die Gesellschaft und das Zusammenleben permanent ins Wanken. Unsere erinnerungs- und gedenkpolitische Arbeit zielt mit dem Gestern auf das Heute und das Morgen. Wir wollen Partei ergreifen, für die Opfer diskriminierender und rassistischer Gewalt von gestern und heute und fragen uns dabei, warum weiterhin Menschen in dieser Gesellschaft stigmatisiert, ausgegrenzt und verfolgt werden?
Antifaschistisches Gedenken und Erinnern stärken
Wir wollen keinen Schlussstrich unter die Vergangenheit setzen. Als Linke und Antifaschist:innen sind wir Teil eines gesellschaftlich-historischen Prozesses, Geschichte und Gegenwart sind untrennbar miteinander verbunden. Wir erinnern an die Revolutionen und Arbeitskämpfe der Arbeiter:innenbewegung des letzten Jahrhunderts, an die nationalsozialistische Verfolgung und den Widerstand, aber auch an den Rassismus und Neonazismus in DDR und BRD, der zahlreiche Todesopfer forderte und deren Gefahr lange nicht gebannt ist. Überall im Land gibt es Leuchttürme erinnerungspolitischer Arbeit, oftmals von kleinen Gruppen und Initiativen getragen. Von der Prignitz bis in die Lausitz, von der Uckermark bis in den Fläming, wir wollen gemeinsam agieren und antifaschistische Erinnerung und Gedenken stärken.
Gemeinsam Gedenken, lokale Strukturen unterstützen
Exemplarisch für die antifaschistische Gedenk- und Erinnerungsarbeit haben wir uns für das Jahr 2022/23 einige erinnerungspolitische Ereignisse ausgesucht, die wir gemeinsam gestalten und begleiten wollen. Wir rufen dazu auf, im Februar am Gedenken für Sven Beuter in Brandenburg/Havel, im April am Gedenken an Phan Van Toan im Landkreis MOL, im Mai dezentral an die Gedenk- und Befreiungsfeierlichkeiten von Nationalsozialismus im ganzen Land, im Juli zum Gedenken an Emil Wendland in Neuruppin, an den Veranstaltungen im Gedenken an die Reichspogromnacht im November, sowie im Februar nächsten Jahres am Gedenken an Farid Guendoul in Guben teilzunehmen und die lokalen Strukturen zu unterstützen. Weitere Informationen zu den einzelnen Gedenkveranstaltungen, werden mit den lokalen Aufrufen separat veröffentlicht.
Gemeinsam sind wir stark – Erinnern heißt kämpfen!